Baden Gast hat geschrieben:Aber wer soll da was zu sagen. Ich kann die Kata nicht und auch keiner im Verein.
Das wundert mich nicht - und nach dem Einblick, den ich habe, bin ich sogar felsenfest davon überzeugt, dass Du Recht hast.
Fritz hat geschrieben:Wer von der breiten Leserschaft hier, hat sich mit einer der Techniken / Bewegungen
aus der Kodokan-Goshin-Jutsu erfolgreich verteidigt?
Unmittelbar selbst: bei den wenigen Gelegenheiten, in denen ich mich überhaupt selbst verteidigen musste, ging es jedesmal wunderbar nach den Prinzipien, die die Kodokan Goshin Jutsu vermittelt. Allerdings habe ich die konkreten Techniken aus meinem Wettkampfrepertoire genommen, weil das doch deutlich besser automatisiert ist.
Ich war allerdings auch schon Zeuge, wie ein Bundesligakämpfer einen o-soto-otoshi in einer Situation wie in der dritten Technik auf einem Parkplatz durchgezogen hat. Ich dachte, der andere würde nie mehr aufstehen....
Fritz hat geschrieben:Also wer kann also die Tauglichkeit (sagen wir mal der Messerabwehren) erfolgreich bestätigen?
Kann ich - zum Glück - nicht aus eigener Ernstfallerfahrung bestätigen oder verwerfen., möchte aber den Punkt dennoch aufgreifen.
Für das Training der Waffenabwehr gilt in besonderem Maße das zur Abwehr von Atemi (ab
http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... 403#p46403) Gesagte, also
- sich mit den Strategien der "(Waffen-)Angreifer" befassen
- ernsthaft üben und automatisieren
- vielfältig variieren
- "Anwendungstraining" auch in freien Übungsformen durchführen
Darüber besteht sicherlich ein breiter Konsens, genauso wie darüber, dass Messer eine besondere Gefährlichkeit haben (s.a.
http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... =22&t=1999).
Kodokan Goshin Jutsu ist einerseits eine Systematisierung der Kodokan-SV, andererseits die Illustration von grundlegenden Prinzipien. Im Sinne einer Systematisierung werden drei Fälle unterschieden (s.a.
http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... =58&t=4261:
- Gegenangriff bevor der Gegner mit dem Messer angreifen kann (1. Technik)
- Verteidigung gegen Messerangriffe, bei dem das Messer mit der Klinge nach oben gehalten wird (Daumenseite)
- Verteidigung gegen Messerangriffe, bei dem das Messer mit der Klinge nach unten gehalten wird (Kleinfingerseite)
Die Punkte zwei und drei finden sich auch in der Kime-no-Kata und in der Kime-shiki wieder. Der Punkt 1 in keiner anderen SV-Kata - aber z.B. in der Koshiki-no-Kata!
Die erste Aktion wird häufig nicht oder falsch verstanden, deswegen möchte ich sie hier noch einmal einordnen. Nach Kano gibt es frei formuliert vier grundlegende Verhaltensweisen beim Kämpfen:
- beobachte dich selbst und Deine Umwelt genau
- überlege sorgfältig und handle entschlossen
- komme Deinem Gegner zuvor / fasse zuerst
- sei Dir immer bewusst, wann Du aufhören musst.
Die Kodokan Goshin Jutsu setzt diese - nennen wir sie ruhig einmal Prinzipien - wirklich exemplarisch um. Die erste Messerabwehr ist dabei das Paradebeispiel für den dritten Punkt.
Tori und Uke gehen aufeinander zu. Tori beobachtet Uke genau und stellt fest, dass sich dieser
- a) mit der rechten Seite von Tori wegdreht und
b) in die Jacke greift.
Noch bevor Uke sein Messer angriffsbereit in der Hand hat - und bevor Tori sieht, dass Uke ein Messer hat(!) - entschließt sich Tori zum Handeln. Er kommt also damit einem Angriffs Ukes zuvor!
Die messerführende rechte Hand Ukes kann er aber nicht angreifen, da sie auf der abgewandten Seite ist und von Ukes Körper geschützt wird. Also greift er mit der eigenen rechten Hand nach Ukes linkem Ellbogen und drückt ihn von Uke aus gesehen nach vorne (von Tori aus gesehen zur linken Seite) und dreht damit Uke ein wenig so, dass Uke mit der rechten Hand nicht in Richtung Toris Oberkörper angreifen kann. Gleichzeitig nutzt er die freie "Schlagbahn" zu einem Schlag mit der linken Hand in Ukes Gesicht. Das passiert idealer Weise bevor Uke das Messer in der Hand hat.
Dieser Schlag kann auf einfache Weise variert werden, z.B.
- als Handkantenschlag (Daumenseite) gegen Ukes Kehlkopf
- dto gegen Ukes Nasenwurzel
- mit der flachen Hand ins Gesicht (wie es in der Kata gemacht wird)
Es liegt also an Tori, situativ zu entscheiden, wie "vernichtend" der Schlag sein soll.
Es folgt danach die Phase 2 der Technik, in der Tori trainieren soll, einen Gegner durch Kontrolle an Handgelenk und Ellbogen eines Armes so zu kontrollieren, dass er mit der freien Hand nicht mehr angreifen kann und sich selbstverständlich auch nicht herausrollen kann. Dabei liegt es an Tori, ob er im Sinne einer "verschärfenden" Variation z.B. mit dem rechten Fuß Ukes linkes Knie zuvor attackiert oder nicht.
Im Sinne des o.g. vierten Punkts "Wissen, wann man aufhören soll" oder anders formuliert "wissen, wie weit man gehen darf" ist diese Technik - wie die meisten Techniken der Kodokan Goshin Jutsu flexibel anpassbar - von der kompromisslosen Vernichtung des Angreifers bis zur fast schon schonenden Kontrolle eines besoffenen Rüpels.
Dies ist ein wichtiges Grundkonzept der Kodokan Goshin Jutsu, die - wie oben geschrieben - die Systematisierung der Kodokan-SV darstellt und so wie alle anderen Kata auch "Prinzipien" vermitteln will.
Reaktivator hat geschrieben:Das Studium von Kata erfolgt in Japan traditionell nach dem Shu - Ha - Ri (Bewahren - Durchbrechen - Lösen).
Eben...