Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Kime-no-Kata, Kodokan Goshinjitsu und verwandte Kata
tutor!
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Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von tutor! »

Mitunter sind die Kodokan Goshin Jutsu oder einzelne Techniken davon Gegenstand von teils heftiger Kritik. Zweifel werden z.B. aufgeführt, ob sie wirklich den Anforderungen der "modernen Zeit" (was sich auf Japan der 1950er Jahre bezieht!) entspricht oder die Funktionalität bzw. der Sinn einiger Techniken werden bezweifelt. Entsprechende Äußerungen finden sich nicht nur in diesem Forum unter "Selbstverteidigung", sondern z.B. auch im englischen Forum oder auf Lehrgängen. Außerdem war die Kodokan Goshin Jutsu auch in Japan nicht immer unumstritten.

Ich möchte diesen Faden eröffnen, um genau diese Kritikpunkte zu bündeln - und um gemeinsam nach Antworten zu suchen, die die Kodokan Goshin Jutsu und ein (ge)rechtes Licht rücken.

---Update 11. August---
Zu besseren Übersicht füge ich einmal einige Links zu Beiträgen in diesem Faden als eine Art Inhaltsverzeichnis ein:
--- Mod-Modus ein---

Im Interesse einer sachgerechten Debatte bitte ich um Folgendes:
  • bitte unterscheidet die Vorgaben der Kata vom Grad der Beherrschung durch die Praktizierenden - oder anders herum ausgedrückt: wenn eine Mehrzahl von Leuten eine Technik nicht beherrscht, heißt das nicht automatisch, dass die Technik nicht "gut" ist.
  • bitte stellt Fragen oder äußert Kritikpunkte, ohne eine vorschnelle eigene Bewertung nach dem Muster "die Kata ist sch****, weil" abzugeben. Bewertet (öffentlich) am besten erst nach Abschluss des Argumentationen.
Sollten sich einzelne Punkte zu einer umfangreicheren Debatte entwickeln, können sie in einen separaten Faden ausgelagert werden.
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Baden Gast

Re: Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von Baden Gast »

Aber wer soll da was zu sagen. Ich kann die Kata nicht und auch keiner im Verein.
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von Reaktivator »

Ich würde diesen Faden umbenennen: Statt "Fragen und Kritik" einfach nur "Fragen".

Denn wer, bitte schön, wird sich schon anmaßen, die Kata des Kodokan zu kritisieren - wenn selbst hochgraduierte Kodokan-Lehrer von sich sagen, daß sie nach 30-40 Jahren Studium einer Kata diese erst zu 60-70% können.

Ein Deutscher, der für sich in Anspruch nimmt, eine Kata komplett zu können, müßte diese nach japanischer Lesart dann ja wohl mindestens 80-100 Jahre lang geübt haben...

Das Studium von Kata erfolgt in Japan traditionell nach dem Shu - Ha - Ri (Bewahren - Durchbrechen - Lösen).
Ich beobachte aber immer wieder, daß die Deutschen es oftmals lieber umgekehrt machen: Zuerst einmal hinterfragen und kritisieren sie alles - dann fangen sie allmählich an, die Hintergründe zu verstehen - und zum Schluß fangen sie dann irgendwann einmal an selbst zu üben - vielleicht....
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Fritz
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von Fritz »

Damit es nicht langweilig wird, hier meine Frage:

Wer von der breiten Leserschaft hier, hat sich mit einer der Techniken / Bewegungen
aus der Kodokan-Goshin-Jutsu erfolgreich verteidigt?
Also wer kann also die Tauglichkeit (sagen wir mal der Messerabwehren) erfolgreich bestätigen?
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von tutor! »

Baden Gast hat geschrieben:Aber wer soll da was zu sagen. Ich kann die Kata nicht und auch keiner im Verein.
Das wundert mich nicht - und nach dem Einblick, den ich habe, bin ich sogar felsenfest davon überzeugt, dass Du Recht hast.
Fritz hat geschrieben:Wer von der breiten Leserschaft hier, hat sich mit einer der Techniken / Bewegungen
aus der Kodokan-Goshin-Jutsu erfolgreich verteidigt?
Unmittelbar selbst: bei den wenigen Gelegenheiten, in denen ich mich überhaupt selbst verteidigen musste, ging es jedesmal wunderbar nach den Prinzipien, die die Kodokan Goshin Jutsu vermittelt. Allerdings habe ich die konkreten Techniken aus meinem Wettkampfrepertoire genommen, weil das doch deutlich besser automatisiert ist.

Ich war allerdings auch schon Zeuge, wie ein Bundesligakämpfer einen o-soto-otoshi in einer Situation wie in der dritten Technik auf einem Parkplatz durchgezogen hat. Ich dachte, der andere würde nie mehr aufstehen....
Fritz hat geschrieben:Also wer kann also die Tauglichkeit (sagen wir mal der Messerabwehren) erfolgreich bestätigen?
Kann ich - zum Glück - nicht aus eigener Ernstfallerfahrung bestätigen oder verwerfen., möchte aber den Punkt dennoch aufgreifen.
Für das Training der Waffenabwehr gilt in besonderem Maße das zur Abwehr von Atemi (ab http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... 403#p46403) Gesagte, also
  • sich mit den Strategien der "(Waffen-)Angreifer" befassen
  • ernsthaft üben und automatisieren
  • vielfältig variieren
  • "Anwendungstraining" auch in freien Übungsformen durchführen
Darüber besteht sicherlich ein breiter Konsens, genauso wie darüber, dass Messer eine besondere Gefährlichkeit haben (s.a. http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... =22&t=1999).

Kodokan Goshin Jutsu ist einerseits eine Systematisierung der Kodokan-SV, andererseits die Illustration von grundlegenden Prinzipien. Im Sinne einer Systematisierung werden drei Fälle unterschieden (s.a. http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... =58&t=4261:
  • Gegenangriff bevor der Gegner mit dem Messer angreifen kann (1. Technik)
  • Verteidigung gegen Messerangriffe, bei dem das Messer mit der Klinge nach oben gehalten wird (Daumenseite)
  • Verteidigung gegen Messerangriffe, bei dem das Messer mit der Klinge nach unten gehalten wird (Kleinfingerseite)
Die Punkte zwei und drei finden sich auch in der Kime-no-Kata und in der Kime-shiki wieder. Der Punkt 1 in keiner anderen SV-Kata - aber z.B. in der Koshiki-no-Kata!

Die erste Aktion wird häufig nicht oder falsch verstanden, deswegen möchte ich sie hier noch einmal einordnen. Nach Kano gibt es frei formuliert vier grundlegende Verhaltensweisen beim Kämpfen:
  • beobachte dich selbst und Deine Umwelt genau
  • überlege sorgfältig und handle entschlossen
  • komme Deinem Gegner zuvor / fasse zuerst
  • sei Dir immer bewusst, wann Du aufhören musst.
Die Kodokan Goshin Jutsu setzt diese - nennen wir sie ruhig einmal Prinzipien - wirklich exemplarisch um. Die erste Messerabwehr ist dabei das Paradebeispiel für den dritten Punkt.

Tori und Uke gehen aufeinander zu. Tori beobachtet Uke genau und stellt fest, dass sich dieser
  • a) mit der rechten Seite von Tori wegdreht und
    b) in die Jacke greift.
Noch bevor Uke sein Messer angriffsbereit in der Hand hat - und bevor Tori sieht, dass Uke ein Messer hat(!) - entschließt sich Tori zum Handeln. Er kommt also damit einem Angriffs Ukes zuvor!
Die messerführende rechte Hand Ukes kann er aber nicht angreifen, da sie auf der abgewandten Seite ist und von Ukes Körper geschützt wird. Also greift er mit der eigenen rechten Hand nach Ukes linkem Ellbogen und drückt ihn von Uke aus gesehen nach vorne (von Tori aus gesehen zur linken Seite) und dreht damit Uke ein wenig so, dass Uke mit der rechten Hand nicht in Richtung Toris Oberkörper angreifen kann. Gleichzeitig nutzt er die freie "Schlagbahn" zu einem Schlag mit der linken Hand in Ukes Gesicht. Das passiert idealer Weise bevor Uke das Messer in der Hand hat.

Dieser Schlag kann auf einfache Weise variert werden, z.B.
  • als Handkantenschlag (Daumenseite) gegen Ukes Kehlkopf
  • dto gegen Ukes Nasenwurzel
  • mit der flachen Hand ins Gesicht (wie es in der Kata gemacht wird)
Es liegt also an Tori, situativ zu entscheiden, wie "vernichtend" der Schlag sein soll.

Es folgt danach die Phase 2 der Technik, in der Tori trainieren soll, einen Gegner durch Kontrolle an Handgelenk und Ellbogen eines Armes so zu kontrollieren, dass er mit der freien Hand nicht mehr angreifen kann und sich selbstverständlich auch nicht herausrollen kann. Dabei liegt es an Tori, ob er im Sinne einer "verschärfenden" Variation z.B. mit dem rechten Fuß Ukes linkes Knie zuvor attackiert oder nicht.

Im Sinne des o.g. vierten Punkts "Wissen, wann man aufhören soll" oder anders formuliert "wissen, wie weit man gehen darf" ist diese Technik - wie die meisten Techniken der Kodokan Goshin Jutsu flexibel anpassbar - von der kompromisslosen Vernichtung des Angreifers bis zur fast schon schonenden Kontrolle eines besoffenen Rüpels.

Dies ist ein wichtiges Grundkonzept der Kodokan Goshin Jutsu, die - wie oben geschrieben - die Systematisierung der Kodokan-SV darstellt und so wie alle anderen Kata auch "Prinzipien" vermitteln will.
Reaktivator hat geschrieben:Das Studium von Kata erfolgt in Japan traditionell nach dem Shu - Ha - Ri (Bewahren - Durchbrechen - Lösen).
Eben...
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Fritz
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Praxis der Kodokan Goshin Jutsu und der Kime-no-Kata

Beitrag von Fritz »

Im von Tutor! angeführten Bericht von "CK" über das Kodokan-Kata-Seminar im judoforum.com:

http://judoforum.com/index.php?showtopic=39289

fand ich diese bemerkenswerte Aussage bzgl. Goshin-Jutsu:
Cichorei Kano hat geschrieben:This kata is also notoriously evolving from a true self-defense kata to a true choreography. Whether your movements are realistic, sharp and contain zanshin, is no longer important, apparently.
Und diese:
Cichorei Kano hat geschrieben:Judging for kime-no-kata and goshinjutsu, I found way off. Hanon would have cried if he would have been present, as the standards could not have been further removed from realism, very odd indeed. Number of steps, slow performance even if completely ineffective, were considered better than true shinken shōbu.
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von Reaktivator »

Fritz hat geschrieben:Im von Tutor! angeführten Bericht von "CK" über das Kodokan-Kata-Seminar im judoforum.com:
http://judoforum.com/index.php?showtopic=39289
fand ich diese bemerkenswerte Aussage bzgl. Goshin-Jutsu:
Cichorei Kano hat geschrieben:This kata is also notoriously evolving from a true self-defense kata to a true choreography. Whether your movements are realistic, sharp and contain zanshin, is no longer important, apparently.
Ein Trend, der hierzulande leider auch zu beobachten ist - und zwar nicht nur bei Kodokan Goshinjutsu sondern auch bei der Kime no kata.
(Merke: "Kime no kata" ohne Kime bleibt nur noch "no kata" ;-) )
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von tutor! »

Ohne Euch und C.K. jetzt wieder zu zitieren: Leider wird Kata oft nicht danach beurteilt, was ihr eigentliches Potential ist, oder für welchen Zweck sie geschaffen wurde, sondern oft wird Kata aufgrund von schwacher Praxis kritisiert und abgelehnt, wo man doch sinnvoller Weise an der Praxis arbeiten sollte.

Ohne Technik kein Prinzip - und ohne Prinzip keine Technik! Aber das wäre jetzt wieder ein ganz anderes Thema und würde OT führen.

Hier wollten wir ja eigentlich Klärungen von offenen Fragen zur Kodokan Goshin Jutsu herbeiführen....
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von Reaktivator »

OK - wenn "tutor!" uns nicht zitieren will, dann möchte ich mich selbst zitieren und mein Wortspiel wiederholen - aber diesmal auf Englisch, vielleicht kommt es dann besser rüber:

"Kime no kata" without Kime is "no kata".
(Alte Kata-Weisheit, frei nach "Reaktivator")

Das gilt analog natürlich auch für Kodokan Goshinjutsu (Bogen spann...) - könnte aber vielleicht auch die Basis für philosophische Betrachtungen im Kime no kata - Faden sein...
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von tutor! »

Reaktivator hat geschrieben: "Kime no kata" without Kime is "no kata".
(Alte Kata-Weisheit, frei nach "Reaktivator")
DAS zitiere ich gerne - und gebe zu, dass der Groschen erst jetzt gefallen ist. Jetzt müssen wir nur noch ein angemessenes Plätzchen für diese Weisheit finden....
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kastow
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von kastow »

Mir fällt auf, dass die Ke-age-Abwehr allem widerspricht, was ich beim Tae-Kwon-Do und Wing-Tschun gelernt habe. Einen Tritt unterhalb des Gürtels mit den Händen abzuwehren ist - neben der Schwierigkeit, den Fuß wirklich zu fassen - höchst gefährlich, da mein Kopf ungedeckt ist. Das ist quasi eine Einladung für Faustkombinationen* bzw. Kettenfauststöße. Unterhalb der Gürtellinie erfolgte die Abwehr in oben genannten Stilen bevorzugt mit den Beinen in Form von Blöcken oder Weiterleitungen (Chi-gerk). Wieso wählen Kime-no-kata und Kôdôkan-goshin-jutsu diese riskante Form der Verteidigung?

* für die mitlesenden Taekwondoin: wir haben neben normalen Kämpfen immer auch zusätzlich Freikämpfe trainiert, in denen entgegen dem Regelwerk Gesichtsschläge erlaubt waren. Mag daran liegen, dass einer unserer Trainer ursprünglich Kickboxer war.
Herzliche Grüße,

kastow

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Philipp B.

Re: Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von Philipp B. »

Wieso wählen Kime-no-kata und Kôdôkan-goshin-jutsu diese riskante Form der Verteidigung?
Das ist die falsche Frage.
Weil:
Kodokan Goshin Jutsu ist einerseits eine Systematisierung der Kodokan-SV, andererseits die Illustration von grundlegenden Prinzipien.
Denn wer, bitte schön, wird sich schon anmaßen, die Kata des Kodokan zu kritisieren - wenn selbst hochgraduierte Kodokan-Lehrer von sich sagen, daß sie nach 30-40 Jahren Studium einer Kata diese erst zu 60-70% können.
Selbstverteidigung die man erst nach 30-40 Jahren zu 60-70% kapiert hat.
:rofl :rofl

Da mach ich lieber weiter Krav Maga.
Bernd K.

Re: Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von Bernd K. »

Philipp B. hat geschrieben: :rofl :rofl

Da mach ich lieber weiter Krav Maga.
Gute Idee - denn wenn dir die Geduld zum jahrelangen intensiven Training fehlt, bist du beim Judo ohnehin falsch.
:rofl :rofl
tutor!
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von tutor! »

kastow hat geschrieben:Mir fällt auf, dass die Ke-age-Abwehr allem widerspricht, was ich beim Tae-Kwon-Do und Wing-Tschun gelernt habe. Einen Tritt unterhalb des Gürtels mit den Händen abzuwehren ist - neben der Schwierigkeit, den Fuß wirklich zu fassen - höchst gefährlich, da mein Kopf ungedeckt ist. Das ist quasi eine Einladung für Faustkombinationen bzw. Kettenfauststöße. Unterhalb der Gürtellinie erfolgte die Abwehr in oben genannten Stilen bevorzugt mit den Beinen in Form von Blöcken oder Weiterleitungen (Chi-gerk). Wieso wählen Kime-no-kata und Kôdôkan-goshin-jutsu diese riskante Form der Verteidigung?
Entscheidungsgründe im historisch korekten Sinn, kann ich nicht anführen, denn das würde voraussetzen, dass es Aufzeichnungen gibt, die sich exakt mit dieser Frage beschäftigen. Derartiges ist mir nicht bekannt, was aber nicht ausschließt, dass dieser Punkt diskutiert worden sein könnte.

Ist die Situation wirklich so, dass Faustschläge zum Kopf nach dem "Fangen" des Fußes möglich sind?

Kime-no-Kata: der "gefangene" Fuß Ukes wird vor Toris Körper geführt und Uke leicht nach hinten-oben gedrückt. Da das Bein länger ist als der Arm und sich Tori ohne weiteres mit dem Oberkörper noch nach leicht hinten lehnen könnte. sollte der Kopf von Tori außerhalb der Reichweite von Ukes Händen sein. (Hier zu sehen:

Kodokan Goshin Jutsu: der gefangene Fuß wird angehoben und - wichtig - mit der zweiten Hand am Fußballen nach außen rotiert. Damit wird Ukes Gleichgewicht erheblich gestört und er kann nach hinten geworfen werden. Durch die Außenrotation und die Rücklage kann er nicht mehr effektiv mit rechts schlagen, ein Schlag mit links kann durch schnelles Heben des "gefangenen" Fußes unwirksam gemacht werden werden.

Wenn man den Fuß also erst einmal hat, sollte es nicht mehr ein zu großes Problem sein, eher, wenn man die Hände herunter nimmt, um den Fuß zu fangen und dann "oben" offen ist. Damit wäre man sicherlich für Finten anfällig. Entscheidend ist dann, dass man diese erkennt und nicht drauf reinfällt - womit wir wieder beim Kampf gegen ausgebildete Kampfkünstler sind und dabei, dass Kata alleine nicht auf solche Situationen vorbereiten kann (siehe auch: http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... 401#p46401 und folgende).

Übrigens: in beiden Kata steht Tori mit hängenden Armen, da die Angriffe "unerwartete" Angriffe sind. Die Hände sind also schon fast da, wo Tori sie braucht.
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Fritz
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von Fritz »

Ich hab mal bei einem dubiosen Kyokushinkai-Turnier (eine Deutsche Meisterschaft
mit vier teilnehmenden vier Vereinen ;-) )
gesehen, wie ein Bein gefangen wurde (nicht am Fuß, sondern halt es mehr Bein), anschließend
hat der Fänger das andere Bein des "Gefangenen" ins Gesicht bekommen und fiel um...

Ist mir auch mal beim Training passiert, wir haben etwas SV-Randori geübt, mein Gegenüber
fängt mein Bein, ich dreh mich raus und er hat plötzlich starkes Nasenbluten, sehr unschön...

Also was will damit sagen: Bei der Beinfangerei sind nicht die Hände die Gefahr, sondern
das andere Bein. Davor sollte man sich in acht nehmen...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben:Also was will damit sagen: Bei der Beinfangerei sind nicht die Hände die Gefahr, sondern das andere Bein. Davor sollte man sich in acht nehmen...
Auf jeden Fall! So lange man jedoch den Fuß in beiden Händen fest hat - wie bei Kime-no-Kata und Kodokan Goshin Jutsu - kann man immer noch im Falle eines Falles beide Arme nach oben - auf eigene Kopfhöhe sollte reichen - bringen, dadurch sein Gesicht schützen und Uke weiter aus dem Gleichgewicht bringen.
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Philipp B.

Re: Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von Philipp B. »

Also wenn ich nicht 30-40 Jahre warten bis man das anwenden kann will fehlt mir Geduld.
Cooler Spruch.
Wenn man den Fuß also erst einmal hat, sollte es nicht mehr ein zu großes Problem sein, eher, wenn man die Hände herunter nimmt, um den Fuß zu fangen und dann "oben" offen ist.
Wenn man den Fuß erstmal hat.
Ja wenn.
Ich glaube nicht, dass bei ein richtigen Tritt man den Fuß fangen kann. Wenn der andere in den Unterleib tritt, gehts schon mal gar nicht.
Ok ich habs auch noch nicht 30-40 Jahre trainiert. Ich mach erst 15 Jahre Judo und 8 Jahre Krav Maga, da hat man noch keine Ahnung, ich weiß. :irre
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von kastow »

Fritz hat geschrieben:Also was will damit sagen: Bei der Beinfangerei sind nicht die Hände die Gefahr, sondern
das andere Bein. Davor sollte man sich in acht nehmen…
Das ist mir viel zu artistisch. Dann nutze ich das gefangene Bein lieber zum 'pushen'. Hat bisher immer geklappt ;)
tutor! hat geschrieben:Ist die Situation wirklich so, dass Faustschläge zum Kopf nach dem "Fangen" des Fußes möglich sind?
Ja. Die komplette Streckung währt bei einem ordentlichen Tritt nur einen kurzen Augenblick, anschließend wird zumindest das Unterbein wieder zurückgezogen. Dann stimmt die Distanz wieder.
Sollte Tori wirklich in dem kurzen Augenblick der Streckung der Zugriff gelingen, greifen wieder die obigen Beispiele von Fritz (Tritt mit dem anderen Bein) und mir ('Pushe').
tutor! hat geschrieben:Kime-no-Kata: der "gefangene" Fuß Ukes wird vor Toris Körper geführt und Uke leicht nach hinten-oben gedrückt. […]
Kodokan Goshin Jutsu: der gefangene Fuß wird angehoben und - wichtig - mit der zweiten Hand am Fußballen nach außen rotiert.
Wird dabei eigentlich auch das Fußgelenk gehebelt? Dann sähe die Situation wieder ganz anders aus.
Herzliche Grüße,

kastow

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Re: Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von tutor! »

kastow hat geschrieben:
tutor! hat geschrieben:Kime-no-Kata: der "gefangene" Fuß Ukes wird vor Toris Körper geführt und Uke leicht nach hinten-oben gedrückt. […]
Kodokan Goshin Jutsu: der gefangene Fuß wird angehoben und - wichtig - mit der zweiten Hand am Fußballen nach außen rotiert.
Wird dabei eigentlich auch das Fußgelenk gehebelt? Dann sähe die Situation wieder ganz anders aus.
Der Fuß wird bei der Kodokan Goshin Jutsu deutlich verdreht, in diesem Sinne durchaus gehebelt. Auf judoinfo.com steht (http://judoinfo.com/katagosh.htm):
Defender parries a right kick by turning the body to the right and stepping back with the right foot. He then grabs the foot of attacker's raised leg with both hands, twisting the ankle, breaking it, and then forcing attacker backward and down.
Das ist die Idee....
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: Fragen und Kritik

Beitrag von Syniad »

Philipp B. hat geschrieben: Ja wenn.
Ich glaube nicht, dass bei ein richtigen Tritt man den Fuß fangen kann.
Ich muss auch sagen, dass ich mir in nur einem Jahr Karate SEHR schnell abgewöhnt habe, den Fuß mit den Händen abfangen zu wollen. Es ist eine Instinktreation, in dem Moment dahin zu fassen, aber wenn ich das aufrechterhalten hätte, hätte ich vermutlich jeden Freikampf mit gebrochenen Fingern oder im besten Falle (= rücksichtsvoller oder langsamer Angreifer ;) ) kaputten Kapseln beendet.
Und es war Karate; die Leute trugen noch nicht mal Schuhe, wie das ja in einer SV-Situation, die jetzt nicht gerade am Strand stattfindet, wohl meistens wäre.
Wahrscheinlich kann man auch besseres Zufassen im Laufe der Zeit lernen, aber grundsätzlich ist ein Bein nun mal stärker als ein Arm (wissen wir alle aus dem Bodenkampf ;) ). Ich verstehe Philipp B.s Unwohlsein, wenn auch nicht seine Unhöflichkeit.
"Begriffe - Fehlschlüssel"
(E. Benyoëtz)
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