Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Hier geht es um die Geschichte und um Traditionen des Judo
st.gregor

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von st.gregor »

Das von tutor! aufgeführte Zitat muss, soweit unzweifelhaft, als Ausdruck Kanos verstanden werden, dass er einer Aufnahme des Judo/Kendo in die Reihe der olympischen Disziplinen nicht kategorisch ausschloß. Soweit zugestanden.
Deshalb möchte ich auf jeden Fall, daß sich die Kampfkünste und der (Anmerkung: müsste "die" heißen) athletischen Disziplinen Hand in Hand entwickeln. Auch wenn beide verschieden sind, so ist ihr Ziel doch identisch: Die Stärkung der körperlichen Konstitution und das Stählen des Geistes. Deshalb finde ich es gut, Judo und Kendo in die im Westen entstandenen Olympischen Wettkämpfe aufzunehmen, und die Gesinnung des Bushido einfließen zu lassen.
Warum aber sollte dies nun geschehen? Um die "Gesinnung des Bushido" in die olympischen Wettkämpfe einfließen zu lassen. Judo/Kendo sollten also einen Aspekt in die Spiele tragen, der diesen Spielen bislang offenbar fehlte. Was auch immer nun diese "Gesinnung des Bushido" sein mag - sie soll über das Judo/Kendo die Spiele bereichern/verändern. Die Spiele sollen nicht den Wesensgehalt des Judo/Kendo verändern (etwa durch eine Anpassung an westliche Sportideen: Gewichtsklassen, Championitis, Funktionärsoligarchien...).
Die "Gesinnung des Bushido" ist allerdings eine Chimäre, dazu noch eine, deren Gefährlichkeit Kano 1938 nicht entgangen sein kann. Wieso beschwört er sie hier?

Stephan
Jupp
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Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von Jupp »

Ohne auf die aktuelle Diskussion einzugehen, möchte ich nur anmerken, dass meine ursprüngliche Absicht für diesen Faden darin bestand, Kanos Texte ins Deutsche übersetzt möglichst vielen Judoka zugänglich zu machen, mit dem Ziel, dass sich an Hand dieser Texte und der Diskussion um deren Interpretationen möglichst viele Judoka eine eigene Meinung bilden könnten.

Neben dem Aspekt, dass dadurch das historische Wissen sich bei den Lesenden vergrößert, entsteht auch eine Basis dafür, sich fundiert gegen Demagogen und Verführer zu stellen, die mit Behauptungen ohne Belege argumentieren.

Die Diskussion zwischen Ronin und Tutor und auch einige andere Diskussionen vorher unterscheiden sich durch ihre inhaltliche Sachlichkeit doch sehr stark von Polemiken, die von anderer Seite hereingetragen werden.

Eine solche Diskussionskultur, bei der Argumente, Zitate und auch (deutlich als solche gekennzeichnete) Meinungen ausgetauscht werden, bringen alle User dieses Forums weiter. Daher werde ich auch die letzten Artikel Kanos, die sich mit dem Thema Kata beschäftigen übersetzen, damit eine Grundlage für weitere sachkundige Diskussionen gegeben ist - auch wenn sich dann an Watsons Darstellung oder meiner Übersetzung Mängel zeigen werden.

Jupp

P.S.: Kano hat Judo sicherlich nicht als "olympische Sportart" konzipiert - sondern in erster Linie als ein Mittel zur allumfassenden Erziehung der Jugend.
Der Aspekt der Selbstverteidigung, der in den Koryu ( den "alten Jujutsu-Schulen") das Hauptmerkmal bildete, war in Kanos Kodokan-Judo ebenso nur ein Aspekt der erzieherischen Gesamtkonzeption, wie z.B. die Teilnahme an Meisterschaften und Turnieren, welche Kano schon in der Frühphase des Judo um 1885 im Kodokan entwickelte (z.B. die monatliche Wettkämpfe oder das zweimal jährlich stattfindende "Rot-Weiß Turnier").

Dies dürfte durch die von mir hier übersetzen Artikel doch schon deutlich geworden sein.
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Fritz
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Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von Fritz »

st.gregor hat geschrieben:Die "Gesinnung des Bushido" ist allerdings eine Chimäre, dazu noch eine, deren Gefährlichkeit Kano 1938 nicht entgangen sein kann. Wieso beschwört er sie hier?
Spielst Du hier darauf an, daß der Begriff "Bushido"
erst durch einen Schriftsteller relativ spät geprägt wurde und ihn es in der Samurai-Zeit nicht gab?
Evt. drückt dieser Begriff (gerade weil er so "eingängig" ist) ein damaliges "Ideal" aus, welches vorher vielleicht
anders oder eben nicht "benannt" wurde. Es muß ja auch nicht mal tatsächlich "gelebt" worden sein,
aber wurde evt. als erstrebenswert angesehen? Vielleicht verwendet ja Kano diesen Begriff, weil
er genau das, was er transportiert, als erstrebenswert hinsichtlich Olympia ansah...?
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von Fritz »

Wir haben hier bereits zwei Fäden, die sich ausführlich mit Judo, Kano und Olympia befassen:

http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... =24&t=1354
und
http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... =20&t=1293

Bitte führt die Diskussion bzgl Olympia dort weiter (falls nötig),
so daß wir hier beim Watson-Buch bleiben können ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
Jupp
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Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von Jupp »

Danke, Fritz!
Das ist in meinem Sinne.

Jupp
st.gregor

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von st.gregor »

Hallo Fritz,
Vielleicht verwendet ja Kano diesen Begriff, weil
er genau das, was er transportiert, als erstrebenswert hinsichtlich Olympia ansah...?
Ja, eben und für das Verständnis dieses Zitats ist es von elementarer Bedeutung zu erschließen, was genau Kano darunter verstand. Ich hatte gehofft, die hier versammelten Wissenträger könnten dazu etwas beitragen, gerade wenn sie sich an den - lobenswerten - Versuch machen, Kanotexte der nicht englischsprachigen Allgemeinheit zugänglich zu machen. Denn ohne diese Kenntnis hilft uns die Zitation alleine auch nicht wirklich weiter.
Da hier keiner etwas dazu äußern kann/mag/darf such ich eben woanders... :dontknow

Ach ja, dass hat übrigens ganz wesentlich mit der Übersetzung des Watson-Buchs zu tun: Wenn man Begrifflichkeiten nicht in einen zeitgemäßen Kontext einbetten kann, also nicht versteht, was ein Begriff für den Autor (nicht für den Übersetzer) bedeutet, so ist dies ein weiteres Einfallstor für "Demagogen und Verführer". Und das, lieber Jupp, können wir beide doch nun wirklich nicht wollen... :alright

Stephan
tutor!
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Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von tutor! »

st.gregor hat geschrieben:Wenn man Begrifflichkeiten nicht in einen zeitgemäßen Kontext einbetten kann, also nicht versteht, was ein Begriff für den Autor (nicht für den Übersetzer) bedeutet, ...
...und auch nicht für den Leser! Wichtig ist in der Tat, was ein Begriff für den Autor bedeutet, wenn man den Autor verstehen will. Das gilt vor allem auch dann, wenn sich bestimmte Begriffe im Laufe der Zeit in ihrem Inhalt geändert haben, wie z.B. der Sportbegriff, was zu beachten ist, wenn man Kanotexte liest, in denen der Begriff "Sport" vorkommt.

Im konkreten Fall habe ich in erster Linie Niehaus zitiert, der in seiner Dissertation nach umfassender Auseinandersetzung mit Kanos Wirken in der Olympischen Bewegung zum Schluss kommt, dass Kano Judo als olympische Disziplin etablieren wollte und sich dabei auf das bei ihm (und auch von mir) wiedergegebene Kano-Zitat stützt.

Warum Kano an dieser Stelle den Begriff "Bushido" gebrauchte, weiß ich auch nicht. Eine Erklärung könnte man allenfalls finden, wenn man wüsste, an wen sich das Original genau richtete und natürlich wenn man genau wüsste, was Bushido für Kano 1937/38 bedeutete - und/oder für Teile seiner Zielgruppe bedeutete - und nicht was wir annehmen, was es für ihn damals hätte bedeuten müssen. Denn letzteres wäre der fast sichere Schritt in eine Fehlinterpretation.

Aber dazu habe ich keinerlei Quellen im Kopf - ehrlich gesagt, kann ich mich noch nicht einmal daran erinnern, dass ich je etwas von Kano gelesen hätte, wo er von/über Bushido schrieb.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
st.gregor

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von st.gregor »

@ tutor!
Im konkreten Fall habe ich in erster Linie Niehaus zitiert, der in seiner Dissertation nach umfassender Auseinandersetzung mit Kanos Wirken in der Olympischen Bewegung zum Schluss kommt, dass Kano Judo als olympische Disziplin etablieren wollte und sich dabei auf das bei ihm (und auch von mir) wiedergegebene Kano-Zitat stützt.
Die Beleglage ist dann aber doch ein wenig dünn, zumal wenn man - wie gerade geschehen - einräumen muss, dass man nicht versteht, was mit diesem Zitat nun eigentlich genau ausgesagt werden soll. Ich unterstelle mal, dass Niehaus auch weitere Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen mussten als nur dieses etwas nebulöse Zitat, denn ansonsten wäre seine Schlussfolgerung - auch im Hinblick auf die übrigen hier bereits eingeführten Quellen - reichlich gewagt gewesen.
Aber das ist hier OT...

Stephan
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Ronin
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Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von Ronin »

genau das habe ich weiter oben versucht auszudrücken
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