Jûdô und Waffen

Hier geht es um Techniken, deren Ausführung und Beschreibung
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tutor!
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Re: Niehaus

Beitrag von tutor! »

HBt hat geschrieben:Findet sich zum Thema etwas Interessantes im Niehaus?
Niehaus beschreibt das "größere Bild" und nicht technische Detailsfragen des Judo der Vorkriegszeit. Dennoch stecken fast alle Antworten auf die hier aufgeworfenen Fragen in seiner Dissertation, insbesondere in den beiden Originaltexten Kanos im Anhang (1889er Demonstration und 1930er Vorstellung der "Nationalen Leibeserziehung auf der Grundlage der Nutzung der maximalen Energie").

Das alles nun hier unter der allgemeinen Frage "Judo und Waffen" auszuwerten und zusammen zu fassen würde den Aufwand nicht rechtfertigen, bzw. dieser ist derzeit von mir nicht leistbar. So bleibt nur selber lesen, nachdenken und verstehen.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
HBt

Watson

Beitrag von HBt »

@Tutor!,
im Niehaus konnte ich tatsächlich nichts Spezielles zum Thema finden.


@all,
leider habe ich "die Judo Memoirs von B. Watson" noch nicht in den Händen. Ergänzend oder erweiternd zu MoM müßten
sich bestimmt interessante Textstellen zum "Waffendisput" finden.

Hab Ihr euch schon auf die Suche gemacht? Mit welchem Ergebnis? Wie übersetzt Watson 'Kanos Bild des idealen Judolehrers',
es /sie müßte ja identisch, wenn nicht sogar weiterführend zu MoM sein.
katana
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von katana »

Hi,
aus dem Buch von Watson geht hervor,
dass scheinbar in allen von Kano ("nach seinen idealen Möglichkeiten") organisierten DoJos Judo und Kendo unterrichtet werden sollte und auch wurde.
Dies wird mehrfach erwähnt.
Judo und Kendo wurde in diesem Zusammenhang auch an den Schulen (an denen Kano wirkte) unterrichtet.
Kano weist auch (wie schon bekannt) darauf hin, dass das Training von BoJutsu und Kendo ins Judotraining includiert werden sollte.

So long
KK
HBt

Alleine die Umsetzung fehlt noch

Beitrag von HBt »

...das Training von BoJutsu und Kendo ins Judotraining includiert werden sollte.
Hallo katana,
wahrscheinlich hat Watson das sollte mit should be, also durchaus ein must be, übersetzt ...
ich bin gespannt. ;) Danke für die Info.
katana
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von katana »

Hi HBt,
ich zitiere dazu als Vorgeschmack nur kurz dazu einen Satz aus Kap.48 "The Ideal Judo Instructor",
in dem unter anderen "gewünschten Kenntnissen und Fähigkeiten" steht:

"In addition to being masters in the skills of unarmed combat, judo instructors should also be skilled in the arts
of bojutsu and kenjutsu".

Bis auf Weiteres

KK
HBt

Masters

Beitrag von HBt »

Moin katana (KK - Kampfkunst ;) )
Das ist jetzt einmal eine eindeutige Aussage und Ansage! Ich hoffe, diese Kano-Übersetzungen von B. Watson finden
breiten Zuspruch und wir 'prügeln' uns bald alle mit Jo & Bokken. Für unser derzeitiges Judo (Sport) bestimmt schwer
annehmbar, aber ein sinnvoller Schritt in Richtung mehr Authentizität.

Gruß
Helge
HBt

Watson und Waffen!

Beitrag von HBt »

Im Nachwort von Brian N. Watson findet sich tatsächlich ein Statement zum Thema. Watson formuliert hier
deutlich die Notwendigkeit (seiner Meinung nach) des Gebrauches von 'Übungswaffen', mehr sogar: er fordert sie ohne Ausnahme.
Siehe Seite 155, ISBN 142518771-4 Judo Memoirs of Jigoro Kano
Nach seiner Interpretation ist Kendo ein Bestandteil des Judo, nur mal so in den Raum gestellt.
tutor!
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Re: Watson und Waffen!

Beitrag von tutor! »

HBt hat geschrieben:Nach seiner Interpretation ist Kendo ein Bestandteil des Judo, nur mal so in den Raum gestellt.
Nach Kanos Interpretation auch - jedenfalls, wenn man das "Judo im weiten Sinn" als Begriff zu Grunde legt.

Allerdings ist mir jetzt nicht bekannt, dass Kendo in welcher Form auch immer Teil der Judo-Prüfungsordnung geworden wäre, oder es keine eigenen Kendo-Graduierungen und auch keine keine Kendo-Abteilungen in der butokukei - dem Nationalen Verband der Kampfkünste in Japan - gegeben hätte.

Ich habe an anderer Stelle (http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... =20&t=3773) versucht deutlich zu machen, dass man unter dem Begriff "Judo" in der Zeit Kanos - immerhin rund 55 Jahre Judo-Geschichte - nicht immer dasselbe verstanden hat und Kano selbst in fortgeschrittenem Alter dem Begriff eine neue, umfassendere Bedeutung gab - genauso, wie er sich darüber beklagt hat, dass Judo von anderen als Oberbegriff für das "alte Jujutsu" verwendet wurde, so dass der Unterschied zwischen Judo und Jujutsu nicht mehr wahrgenommen wurde, obwohl dieser nach Kano fundamentaler Art ist.
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Zukunft

Beitrag von HBt »

etwas offtopic, sorry

@Tutor!
Das geht auch so aus Watson's - Kanos Texten hervor, das können wir also als gesichert ansehen. In eine zukünftige
Dan-PO könnte man entsprechende Inhalte durchaus einbauen. Vielleicht gibt es schon entsprechende Visionen innerhalb
unseres Verbandes.

Die Judogeschichte (bis 1928) bildet Watson / Kano gut ab, finde ich, man bekommt ein Bild der damaligen Gegebenheiten.
J. Kano war die Trennung des Jujutsu und Judo ab 1884 scheinbar besonders wichtig, er weißt immer wieder darauf hin. Persönlich hat er sehr viel (unschätzbar) Wert auf die Einzelunterweisung in den Kata gelegt, das war sein Ressort - ergänzend zu MoM kann ich die Memoirs nur empfehlen.
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Re: Zukunft

Beitrag von Lippe »

HBt hat geschrieben:Das geht auch so aus Watson's - Kanos Texten hervor, das können wir also als gesichert ansehen.
"Das" finde ich nach einem längeren Beitrag mit mehreren Aussagen ein wenig ... unpräzise. Worauf konkret beziehst Du Dich denn da?
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von judoka50 »

Wenn ich mir dann den Bericht von Dieter Born in Bad Godesberg so ins Gedächtnis rufe......
Das geht auch so aus Watson's - Kanos Texten hervor, das können wir also als gesichert ansehen.
Dann bin ich mal darauf gespannt, wenn er seine "direkten" Übersetzungen der Briefe und Texte von Kano, und noch dazu mit dem Kodokan Korrektur gelesen für "Neuerungen" bringen. Die von ihm angeführten Erlklärungen und Hinweise waren sehr einleuchtend. Endlich mal jemand, der eigenständig aus dem Japanischen direkt ins Deutsche übersetzt und nicht auf die Englischkenntnisse eines Japaners zurückgreifen muss. Was natürlich nicht abwertend sein soll.
Vielleicht hat er ja auch mal Zeit hier etwas darüber zu schreiben. - Aber ne - er soll lieber sehen, dass er schnell mit seinen Übersetzungen fertig wird. (Hat ja noch genug Projekte :alright).
Aber es ist schon einleuchtend, daß ein Japaner u.U. beim Übersetzen seine Interpretation und Gedanken mit in die Übersetzung einfließen lässt. Waren doch die Engl.-Kenntnisse vor einigen Jahren noch etwas anderes als heute.
Demnach kommt es auch nicht von ungefähr, dass es zu einem Thema von Kano mehrere englische "Interpretationen" gibt.
Zudem ist engl. und jap. auch nicht so "direkt" wie unsere Sprache. Da bleibt nur zu hoffen, dass wir bald schlauer werden..... und wer weiß, vielleicht werden dann sogar einige Theorien zum Thema Judo gänzlich über den Haufen geworfen.
Viele Grüße
U d o
HBt

Dieter Born

Beitrag von HBt »

Hallo Udo,
jetzt machst Du mich sehr neugierig auf die entsprechenden Texte :D Wann wird es den soweit sein? Hat
Dieter Born euch schon verraten wann es in den Druck geht? Das Thema Waffen, Judohistorie, Kanos Intentionen ... u.u.u. interessiert mich mittlerweile brennend. Ich hoffe, viele andere Judoka auch.

Gutes Nächtle,
muß langsam mal ins Bett.

Gruß
Helge
tutor!
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von tutor! »

Es gibt wohl nur wenige Menschen, die so viel Schriftliches hinterlassen haben wie Jigoro Kano. Von daher erwarte ich eigentlich nicht sonderlich viel Neues, es sei denn, die Familie Kano würde sich entschließen, private Dokumente zu veröffentlichen.

Dass Dieter Born, der ja mit seinem Verlag ein Unternehmen zu führen hat, bei dem Judo-Bücher nur eine eher untergeordnete Rolle spielen, sich persönlich die Mühe macht, nicht aus dem Englischen (übersetzen zu lassen), sondern sich die japanischen Original besorgt, um von Grund auf neu zu übersetzen, zeugt eigentlich davon, dass er nicht das beste Vertrauen in die englischen Übersetzungen hat. Ich erwarte von daher in Nuancen etwas andere Sichtweisen, nämlich da, wo sich der Übersetzer ins Englische interpretatorische Freiheiten genommen hat. Man braucht ja nur mal diesen einen Satz über den idealen Judo-Lehrer bei Watson und bei Niehaus zu vergleichen. Obwohl sie eine gemeinsame Sinnbasis haben, lassen sie sich doch unterschiedlich interpretieren.

Für mich heißt das, dass wir nicht den Fehler machen dürfen, einzelne Sätze aus Übersetzungen auf die Goldwaage zu legen - egal aus welcher!
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von katana »

Tutor schrieb:
"Man braucht ja nur mal diesen einen Satz über den idealen Judo-Lehrer bei Watson und bei Niehaus zu vergleichen. Obwohl sie eine gemeinsame Sinnbasis haben, lassen sie sich doch unterschiedlich interpretieren.


Bitte um mehr Info diesbezgl.
Habe das Buch leider nicht parat.

Über das "wie", der Einführung des Kendo ins Judo war sich Kano aber scheinbar auch nicht so ganz sicher (MoM):

"In the future I believe judo will incorporate some of the kata from kendo into ordinary training, but I believe
the current kendo, as it stands now, is less than satisfactory."
......"Without knowledge of judo, even those who use swords will be unable to wield them with any great skill or confidence."
tutor!
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von tutor! »

katana hat geschrieben:Tutor schrieb:
"Man braucht ja nur mal diesen einen Satz über den idealen Judo-Lehrer bei Watson und bei Niehaus zu vergleichen. Obwohl sie eine gemeinsame Sinnbasis haben, lassen sie sich doch unterschiedlich interpretieren.

Bitte um mehr Info diesbezgl.
Habe das Buch leider nicht parat.
Ich habe den Watson auch nicht parat, stütze mich also ausschließlich auf Dein Zitat. Ich hoffe mal, dass beide dieselbe Originalquelle verwendet haben, sonst macht ein Vergleich der Übersetzungen keinen Sinn (in der Fußnote von Niehaus wird auch auf einen Aufsatz von 1914 verwiesen).

Bei Niehaus heißt es:
Niehaus, S. 222 übersetzt aus Kano: Sakko, Heft 10 Nr. 6, 1927 hat geschrieben:Der ideale Judo-Lehrer benötigt folgende Eigenschaften: er muss Angriffs- und Verteidigungstechniken mit Hingabe trainiert haben. Er muss selbstverständlich die waffenlosen Techniken beherrschen, aber auch Fertigkeiten im Umgang mit dem Langstock (bo) und dem Schwert besitzen.
Du zitierst Watson mit:
katana hat geschrieben:"In addition to being masters in the skills of unarmed combat, judo instructors should also be skilled in the arts
of bojutsu and kenjutsu".
Selbstverständlich kommt noch was davor und dahinter, aber nehmen wir nur einmal diesen Ausschnitt.

Es ist klar und geht aus beiden Übersetzung hervor, dass ein idealer Judo-Lehrer waffenlose Techniken (=skills of unarmed combat) beherrschen muss und darüber hinaus auch Techniken mit Stock und Schwert. In beiden Übersetzungen kommt auch eine Wertigkeit zum Ausdruck, die den waffenlosen Techniken einen höheren qualitativen Anspruch zuweisen. Bei Niehaus heißt das "selbstverständlich .... beherrschen" gegenüber "Feritgikeiten besitzen", während Watson formuliert "being master in the skills of..... gegenüber "also be skilled in".

Was nun der Originaltext sagt, vermag ich nicht zu entscheiden - jedoch ergibt sich diese Deutung als gemeinsame Deutung aus beiden Texten.

Reißt man nun diesen Text aus dem ursprünglichen Zusammenhang und möchte anhand dieser Formulierungen diskutieren, ob und/oder inwieweit der Umgang mit Waffen Teil des Judo-Curriculums war, könnte man bei Watson annehmen, dass er von "the arts of bojutsu and kenjutsu" jeweils über eine andere Kunst als Judo spricht - eben über weitere Künste, die auch beherrscht werden sollen. Bei Niehaus ist dagegen formuliert, dass die Judo-Lehrer Techniken mit Stock und Schwert einfach können müssen, womit vollkommen offen bleiben muss, ob es Teil des Judo-Curriculums ist oder nicht. Ich möchte aber nochmal betonen, dass ich an dieser Stelle keine Interpretation vornehmen möchte. Meine Aussage ist die, dass wir Übersetzungen nicht allzu wörtlich nehmen dürfen, weil sie immer auch Interpretationen des Übersetzers enthalten können..

Ich sehe im übrigen auch nicht, dass Kano Kendo (als Kampfkunst) in das Judo (als Kampfkunst im engeren Sinn) integrieren wollte. Zu dieser Zeit, als Kano sich den anderen Budo-Disziplinen immer weiter geöffnet und zugewandt hat, hatte er schon längst den Schritt zum "jodan"-Judo, dem Judo im "weiten Sinn" vollzogen. Um es noch einmal deutlich klarzustellen: zu dieser Zeit war Judo für Kano weniger das, das man konkret inhaltlich trainierte, sondern beschrieb die Art und Weise, wie und warum man es tat. Waffenlose Künste, aber auch Waffendisziplinen - beide konnten Anwendungen des (jodan-)Judo sein. Zugespitzt heißt das berühmte Zitat von 1930: "Judo ist keine Form der Kampfkünste, sondern die Kampfkünste sind ein Form des Judo" (Niehaus S. 306).
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KK eine Form von ...

Beitrag von HBt »

Huch, "eine Form von". Das kommt mir bekannt vor ;)
@Tutor!
Spass beiseite, hier noch der fehlende Teil, der sich an die geforderten Kenntnisse im Umgang mit den Waffen anschließt:
(..) They should, moreover, be able to comprehend how one man is able to gain advantage and win in contest and how another is defeated. They need to have detailed knowledge of physical education, teaching methods and have a thorough grasp of the significance of moral education. Finally, they must understand how the principles of judo can be, by extensions, utilized to help one in daily life and how they themselves can be of benefit to society at large. (..)
p69 the Ideal Judo Instructor, Watson


Wir sollten vielleicht nicht vergessen, dass es sich bei der Beschreibung um ein anzustrebendes Ideal handelt. J. Kano entsprach offensichtlich diesem Ideal - Interpretation.
Tutor,
lies Watson - auch wenn er mehr interpretiert als Nancy H.Ross in MoM, mein derzeitiger Eindruck. Es ist spannend, z.B.
Seite 130, GERMANY 1928, Berlin Polizeischule:
(..) text for study of jujutsu. I noticed that there was a photograph of me on the cover and that Dr. Baelz had written the foreword, but I had never befor seen or even heard of this book. It was not my work (..)
Es dreht sich hier um ein damaliges Lehrbuch der Polizei mit dem Titel Kano Jujutsu ... Fälschungen schon anno 19xx, wie interpretieren wir dieses? Im weiteren Verlauf klärte Kano die Unterschiede zu echtem Kodokan Judo auf und erhellte alle Anwesenden ...
Ich habe weiterhin (jetzt untermauert) den Eindruck unsere frühdeutsche Judogeschichte ist gefälscht.
tutor!
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von tutor! »

Das entspricht etwa dem, was auch Niehaus in der Folge schreibt. Ich verstehe diese Passage eher so, dass Kano darauf hinweisen möchte, dass technisches Können allein keinen guten Judo-Lehrer ausmacht, sondern der darüber hinaus moderne Unterrichtsformen anwenden können und in der Lage sein muss, die moralischen und intellektuellen Inhalte vermitteln können muss. Denn genau daran - darauf weist ja Niehaus auch hin - mangelte es ja laut Kano auch schon damals in Japan.

Japanische Rhetorik läuft auch oft - Reaktivator, bitte stelle es richtig, wenn ich jetzt Unsinn schreibe - so, dass die Dinge, die unstrittig sind an den Anfang gestellt werden, um dann die eigentlichen Knackpunkte nachzuschieben. Von daher ist es auch einleuchtend, dass Kano mit dem technischen Teil anfängt - das konnten die Leute -, das Problem war Didaktik und Pädagogik.
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von judoka50 »

Als Kano sein Judo gründete, war da nicht in Japan der Umgang mit dem Schwert, Langstock usw. immer noch selbstverständlich. Allein schon, weil es jahrelang auch Kriegskünste waren.
Vielleicht wollte er nur darauf hinweisen, dass diese Dinge nicht langsam aber sicher untergingen, weil sie zur Verteidigung nicht mehr nötig waren. Für mich wäre das auch eine vernünftige Erklärung, dass man diese Künste dann aus Traditionsgründen in einen Sport umwandelte. Zum Kämpfen gab es ja so langsam aber sicher effektivere Waffen.
Dann wäre es auch logisch, das sie separat neben dem Judo auch weiterhin geübt werden sollten. Das gibt auch einen Sinn für die Kata, die ja überwiegend Angriffe "simuliert". Vielleicht sollte das auch zur Wahrung der Traditionen der alten Kriegskünste sein und deutlich machen, dass die Techniken des Judo eben aus diesen Künsten abgewandelt wurden.
Allerdings würde das dann im Umkehrschluß bedeuten, dass sie nicht unbedingt in ihrer Gänze Bestandteil des Judo wären. Eben, weil die KK auch separat an anderen Stellen weiter unterrichtet und trainiert wurden.
Viele Grüße
U d o
HBt

Jûdô ohne Waffen ???

Beitrag von HBt »

Tutor! hat geschrieben: (..) mangelte es ja laut Kano auch schon damals in Japan.
Das bestätigt J.Kano explizit in vielen Textstellen in dem vorliegenden Werk von Watson.
Tutor! hat geschrieben:(..) das Problem war Didaktik und Pädagogik
Richtig, und heute ist es leider umgekehrt: mit Didaktik und Pädagogik im allgemeinen sind wir schon übersättigt, leider sind die Techniken/Prinzipien jetzt das Kernproblem, oder?
Udo hat geschrieben:Als Kano sein Judo gründete, war da nicht in Japan der Umgang mit dem Schwert, Langstock usw. immer noch selbstverständlich. Allein schon, weil es jahrelang auch Kriegskünste waren.
Das mag man annehmen, aber J. Kano erinnert sich eher diametral. Wie wir alle mittlerweile wissen war es für ihn nicht gerade leicht geeignete Lehrer zu finden. In seinen jungen Jahren war es für ihn (nicht Bälz) eine Passion diverse Ryu zu meistern (100% erfolgreich!), doch trennte er nach 1894 Jujutsu und Judo (Kodokan Judo, etwas anderes gibt es nämlich nicht) "überdeutlich" voneinander, warum nur? Tomita und Saigo ordneten sich dem noch sehr jungen Meister, immerhin war J. Kano Anfang 20, bedingungslos unter. Irgendwie bezeichnend.
Udo hat geschrieben:Vielleicht wollte er nur darauf hinweisen, dass diese Dinge nicht langsam aber sicher untergingen, weil sie zur Verteidigung nicht mehr nötig waren. Für mich wäre das auch eine vernünftige Erklärung, dass man diese Künste dann aus Traditionsgründen in einen Sport umwandelte. Zum kämpfen gab es ja so langsam aber sicher effektivere Waffen.
Nö, darum ging es nie. Die damaligen Herausforderungen gingen um 'Leben und Tod', um es theatralisch auszudrücken.
Auch in den 'Lebenserinnerungen v. J. Kano' (Watson) findet sich kein wirklicher Hinweis bzgl. des Sportgedankens, ich finde den sollten wir hier auch mal schnell vergessen, wollen wir doch Judo als Ganzen begreifen und nicht als (naja ich bin geneigt hier Böses zu schreiben, aber dann haut mich Fritz spätestens am 16./17.05., dat will isch net) ...
Udo hat geschrieben:Dann wäre es auch logisch, das sie separat neben dem Judo auch weiterhin geübt werden sollten. Das gibt auch einen Sinn für die Kata, die ja überwiegend Angriffe "simuliert". Vielleicht sollte das auch zur Wahrung der Traditionen der alten Kriegskünste sein und deutlich machen, dass die Techniken des Judo eben aus diesen Künsten abgewandelt wurden.
Ja durchaus. Was Kano/Watson über Kata (Go no kata!, ja es gibt sie, Kano selber nennt sie in einem Atemzug mit der Ju no kata, welcher sonst?) schreibt ist auch hier ziemlich eindeutig.
Udo hat geschrieben:Allerdings würde das dann im Umkehrschluß bedeuten, dass sie nicht unbedingt in ihrer Gänze Bestandteil des Judo wären. Eben, weil die KK auch separat an anderen Stellen weiter unterrichtet und trainiert wurden.
Auch hierzu Interessantes, nämlich die Aussage (wieder von Kano / Watson): to master ... um Judo zu meistern muß man ..., ohne ist es leider ein Ding der Unmöglichkeit.
Prima, wir sind alle noch Anfänger :crybaby Gemeinheit.
tutor!
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Re: Jûdô ohne Waffen ???

Beitrag von tutor! »

HBt hat geschrieben:
Tutor! hat geschrieben:(..) das Problem war Didaktik und Pädagogik
Richtig, und heute ist es leider umgekehrt: mit Didaktik und Pädagogik im allgemeinen sind wir schon übersättigt, leider sind die Techniken/Prinzipien jetzt das Kernproblem, oder?
Ich denke eher, dass es zu wenig Leute gibt, die beides gleichermaßen können - und zwar theoretisch und auch praktisch.

Go-no-Kata: bereits in seinem Vortrag von 1889 erläutert Kano, dass er zwei Kata zum Zwecken der Leibeserziehung geschaffen hätte. Bei beiden würde nicht geworfen, sondern nur ausgehoben, nicht die Kleidung gefasst und auch nicht am Nacken gezogen. Bei der einen wenden beide erst "Härte" an, wobei Tori schließlich "Sanftheit" (Begriff von Niehaus - im Original sicherlich "ju") anwende und so Uke kontrolliert. Bei der anderen Kata würden beide von vorne herein "Sanftheit" ("ju") anwenden. Ich habe keinen Zweifel, dass Kano hier über Go-no-Kata und Ju-no-Kata gesprochen hat. Go-no-Kata hieß ursprünglich übrigens "goju-no-kata" (hoffentlich hab ich das jetzt das "go" und das "ju" nicht vertauscht hatte ich :( ).
Zuletzt geändert von tutor! am 31.01.2009, 21:11, insgesamt 1-mal geändert.
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