Lieber Jupp,
ich bin erfreut, aus deinem Munde zu hören, daß es reine Spekulation ist, von folgenden Fakten ausgehend entsprechende Schlußfolgerungen zu ziehen:
1. Mifune hat nie etwas anderes als Jûdô trainiert (es läßt sich jedenfalls nichts Derartiges belegen).
2. Er konnte exzellent mit dem Schwert umgehen (und mit dem Bô).
3. Er war ein hervorragender Jûdôka - auch als Lehrer.
Nun weist du darauf hin, daß all dies NICHT bedeutet, daß er seine Waffentechniken am Kodôkan erlernt haben muß. Das, so sagst du, sei Spekulation - und dann ergehst du dich in Spekulationen, WO und von wem er den Umgang mit dem Schwert erlernt haben könnte.
Auf die einfache Idee, daß Kano, Nagaoka oder ein anderer Jûdôka ihn diesbezüglich unterrichtet haben könnte, kommst du zwar auch - aber ich verstehe nicht, WIESO das nichts mit Jûdô zu tun haben soll.
Das ist mir zu viel Spekulation deinerseits, um als wirkliches Argument durchzugehen.
Zu den Quellen der Waffentechniken der Koryû - guck dir das Okugisho an oder andere Texte ... da gibt es jede Menge! Ich zähle das hier nicht noch einmal im einzelnen auf ... schau bei Skoss nach, bei Amdur, bei Lowry ...
Und nein - ich habe nie geschrieben, daß die Fähigkeiten im Umgang mit den traditionellen Waffen DAS entscheidende Kriterium dafür sind, ob jemand wirklich Jûdô praktiziert oder doch nur Ringkampf in weißen Kitteln. Ich habe das Waffentraining als EIN (wenngleich wichtiges) Kriterium bezeichnet, nicht als DAS entscheidende Merkmal.
Leg mir bitte nicht schon wieder Worte in den Mund, die ich so nicht gesagt habe.
Du schreibst:
Wir können uns also nicht an Jigoro Kanos Darstellung des Kodokan-Judo orientieren, wenn wir es lernen sollen, sondern wir benötigen, Spekulationen und – nicht belegbare – Interpretationen, um endlich zu wissen, was authentisches Kodokan-Judo ist?
Ach nee ...?
Auf einmal geht es doch um das, was Kano unter Jûdô verstand ...?
Dann erklär mir doch bitte mal, wieso du in deinem Büchlein "Wir machen Judo" schreibst, daß Judo zur SV nicht geeignet, sondern ein Sport sei und daß Judo-SV nur im Kino funktionieren würde?
Wie, bitte sehr, setzt du das denn in Beziehung zu dem, was Kano über Randori und den "ernsthaften Kampf" schreibt (um nur ein Beispiel zu nennen)??
Wie setzt du das in Beziehung zu Kanos Text in "Mind over Muscle", in welchem er eiinen ganzen Abschnitt unter die Überschrift stellt "Judo as Martial Art"???
Wie setzt du das in Beziehung zur ersten der drei Ebenen des Jûdô ...?
Ich meine das nicht böse, ich bin nur erstaunt ...
Nicht der Kodokan beschreibt den Inhalt und Umfang des authentischen Kodokan-Judo, sondern eine kleine Gruppe "Wissender" in Deutschland?
Nein, nicht der (heutige) Kodôkan legt das fest, sondern Kano.
Am besten hat mir dieser Satz von dir gefallen:
Nach allen bisherigen Diskussionsbeiträgen bleibt festzuhalten:
Zwar werden Waffen bei Angriffen in verschiedenen Kodokan-Kata verwendet, aber:
es gibt keine Waffentechnik als Inhalt des Kodokan-Judo.
(Jedenfalls nicht, so weit wir es bisher wissen!)
Dazu hat Fritz bereits etwas sehr Passendes geschrieben.
Ich möchte es ergänzen: Kano hat also in den Kata vorausgesetzt, daß Angriffe mit verschiedenen Waffen abzuwehren seien.
Er soll es jedoch mit Fleiß versäumt haben, seinen Schülern den Umgang mit diesen Waffen beizubringen. So nach dem Motto: wenn ihr das lernen wollt, seht doch zu, wo ihr es beigebracht bekommt.
Erstens ist diese Interpretation spekulativ, zweitens negiert sie den Inhalt diverser Kata - UND es ist eine Geisteshaltung, die ich traurig finde, denn sie läßt imho erkennen, daß man sich mit dem, was diese Kata tatsächlich vermitteln, überhaupt nicht auseinandergesetzt zu haben scheint.
Kata als "Aneinanderreihung von Techniken", ja?
Tote Form.
Schade ...
@Reaktivator:
Danke für die Infos.
Aber du bestätigst damit eher, was ich sage, statt es zu widerlegen.
Das Training mit dem Bô fand zu anderen Zeiten statt als das Training der Wurftechniken und Bodengriffe ...?
Ja und?
Daraus leitest du ab, es habe nicht zum Jûdô gehört ...?
Mit welchem Recht behauptest du das? Das ist reine Spekulation! Das ist nicht mehr als deine persönliche Meinung.
Ich vermute (reine Vermutung, wie gesagt), daß du nicht sehr erfahren im Umgang mit Schwert, Lanze, Langstock und ähnlichen Waffen bist. Sonst wüßtest du, daß Waffentraining mit Schwert, Langstock usw. nun mal nicht gleichzeitig mit dem Wurftraining stattfinden kann ... aus naheliegenden Gründen.
Und noch etwas finde ich bedauerlich - man merkt, daß du (bei all deinem sonstigen Wissen, daß dir niemand absprechen will!) wenig Ahnung vom Training in den Koryû hast.
Wirkliches Randori kann es nun mal nur in "unbewaffneter" Form geben.
In den Koryû wurden im Waffentraining IMMER nur Kata geübt (vgl. Amdur, Skoss, Lowry u.a.).
Diese Kata aber waren reale Drills realer Fertigkeiten (wer die Waffendrills bspw. der FMA kennt, kann sich eine ungefähre Vorstellung davon machen).
Und genau diesem Konzept folgte wohl auch Kano - wozu sonst Waffen in den Kata??
Und noch etwas - Tutor schreibt:
"Attack and Defence" darf zwar nicht auf Wettkampf oder Randori reduziert werden, wird aber genau dort gelehrt und praktiziert. Randori war DIE Übungsform für Kano, um "attack and defence" zu entwickeln
NEIN!!
Randori ist EINE Trainingsform des Jûdô, nicht DIE Trainingsform.
Wäre Randori DIE (einzige) Trainingsform, welche befähigt, "attack and defence" zu entwickeln, WOZU hätte Kano dann Kata für sein Jûdô benötigt?
Fazit: es gibt Waffen im Jûdô, der Umgang mit ihnen wurde auch regelmäßig trainiert und sogar gesondert gelehrt (Bo Jutsu).
Die Kata und die Existenz dessen, was man "Kodôkan Bojutsu" nennt, beweisen es.
(Übrigens: nochmal ein großes Dankeschön an reaktivator für diese Informationen zum Bojutsu im Kodôkan!)
Um das akzeptieren zu können, müßte man natürlich die Kata als etwas anderes verstehen als eine "ästhetische Aneinanderreihung von Techniken ..."
Ich sehe jedoch, daß es in dieser Frage wohl leider keinen Konsens geben wird.
Ich wiederhole es: auch zur Go-no-Kata gab (und gibt) es keinerlei Text von Kano. Dennoch gibt es Go-no-Kata.
Auf wie viele Dinge im Jûdô mag das noch zutreffen ...?
Mich jedenfalls macht das neugierig.
Und die Indizien dafür, daß es Waffentechniken im Jûdô gibt, finde ich persönlich überwältigend.
Aber das darf natürlich jeder so sehen, wie er gern möchte ...