Jûdô und Waffen

Hier geht es um Techniken, deren Ausführung und Beschreibung
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von Reaktivator »

Lin Chung hat geschrieben:
Also "damals" waren sie das bestimmt nicht! Denn die Zeit, über die wir hier reden, sind die 1920er bis 1940er Jahre - und da standen sich definitiv nirgendwo irgendwelche Samurai- oder gar Ninja-Streitkräfte gegenüber, die sich auf dem Schlachtfeld mit traditionellen Kampfkünsten bekämpft hätten.
...wir reden hier allgemein vom traditionellen Judo und damit ist auch die Zeit vor 1920 gemeint (...)
Nein, denn wir reden hier die ganze Zeit vom Waffentraining im Kōdōkan - und das begann in regelmäßiger Form erst in den 1920er Jahren.
Lin Chung hat geschrieben:(...) oder beginnt bei dir das Judo erst ab 1920?
Nein, es beginnt 1882 mit der Gründung des Kodokan durch Jigoro Kano. Aber auch zwischen 1882 und den 1920er Jahren gabe es keinerlei Samurai- oder gar Ninja-Schlachten, in denen diese sich mit traditionellen Kampfkünsten bekämpft hätten....
Zuletzt geändert von Reaktivator am 19.11.2008, 15:20, insgesamt 4-mal geändert.
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tutor!
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von tutor! »

tom herold hat geschrieben: Also da widersprichst du dir.
Öhm - ich habe eigentlich nur versucht, eine Zusammenfassung der bisherigen Argumente zu schreiben und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ich mich ihnen anschließen kann oder nicht. Ergänzend dazu habe ich versucht, Ihre Aussagekraft zu beschreiben/relativieren.

Wenn in meinem Beitrag Widersprüche sind, dann weil die Widersprüche im Faden so übrig geblieben sind.

Ich zwar eine persönliche Meinung zum Thema, muss aber feststellen, dass es einen Mix aus von niemandem bestrittenen Fakten gibt und von Argumenten/Indizien, die man so oder so interpretieren kann.

Ohnehin interessiert mich der größere Kontext viel mehr, nämlich ob und wieweit und ggfls. wie Kampfkünste generell dafür missbraucht wurden, die aggressive Militärpolitik in Japan zu unterstützen - und zwar sowohl auf der Ebene der (vorbereitenden) Erziehung als auch auf der konkreten militärischen Ausbildungsebene.

Genau in diesem Zusammenhang interessiert mich die Rolle und Funktion von Kano - und mich interessiert, wie nach dem Krieg eine Aufarbeitung stattgefunden hat.

Es interessiert mich deshalb, weil die analogen Vorgänge in Deutschland einer meiner Studienschwerpunkte war und ich gelernt habe, dass wir Konsequenzen aus dem Missbrauch von Leibeserziehung und Sport ziehen müssen. Wir müssen die Fehler in den Erziehungskonzepten - wenn es ein muss auch in Kanos(!) - suchen und ausmerzen. Wir müssen dafür hinter das vordergründige Treiben schauen.

Die Frage, ob jemand im Kodokan noch lernte, wie man Schwert oder Stock benutzt, oder ob es anderweitig gelernt wurde, tritt doch hinter diese anderen Fragen in ihrer Bedeutung zurück.

Ich hoffe, dass wir dazu einen Konsens haben.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von Reaktivator »

@ Tom Herold: Falsche Behauptungen und falsche Schlußfolgerungen werden nicht dadurch richtig, daß man sie ständig wiederholt.
Wenn man sich mit historischen Themen beschäftigt, muß man (nachprüfbare und durch Quellen belegbare) Fakten sowie nicht nachweisbare Mutmaßungen und persönliche Meinungen strikt trennen – letztere bleiben ad ultimo reine Spekulation.

Deshalb hier noch einmal einige Fakten zum nachweislich am Kōdōkan durchgeführten Waffentraining:

1) Ab April 1928 wurde an festgelegten Wochentagen im Kōdōkan Bōjutsu trainiert.
(MARUYAMA, Sanzō: Dai Nihon Jūdō shi (Jūdō-Geschichte Groß-Japans). Tōkyō: Kōdōkan 1939. Seite 206)

2) Dieses Waffentraining war nicht in das normale Jūdō-Training integriert, sondern fand unabhängig davon an festgelegten Wochentagen und zu festgelegten Uhrzeiten statt. Im Jahr 1938 (= Todesjahr Kanōs) / 1939 war dies montags, mittwochs und freitags, jeweils von 18:00 bis 19:30 Uhr.
(Ebd., 311)

3) In zeitgenössischen Quellen ist dabei auch von "Kōdōkan-Bōjutsu" (講道館棒術) die Rede.
(Ebd., 206)

4) Organisiert war dieses Training in einer eigenen Abteilung: der Bōjutsu-bu (棒術部) - wörtl.: "Bōjutsu-Abteilung".
(Ebd., 206; sowie auch z.B.: HIOKI, Takasuke: Bōjutsu no shugyō-hōhō (Übungsmethoden des Bōjutsu). Teil 1 in: Jūdō 7 (1936) Nr. 3, 18)

5) Dieses Training wurde nachweislich zumindest bis Frühjahr 1939 durchgeführt.
(MARUYAMA 1939, 206)

6) Indizien sprechen dafür, daß dieses Training auch noch eine zeitlang darüberhinaus fortgeführt wurde, da nämlich in der o.a. Quelle wörtlich übersetzt von "gegenwärtig" die Rede ist (Ebda, 206), d.h. also dem Zeitpunkt der Abfassung (Bei Erscheinungsdatum Mai 1939 und einem Werk mit mehr als 1.350 Seiten ist in Anbetracht der seinerzeit noch sehr aufwendigen Satzarbeiten davon auszugehen, daß dies spätestens im Laufe des Jahres 1938, allerspätestens Anfang 1939 war.)

7) Zu dem Training in dieser Bōjutsu-Abteilung gibt es noch diverses weiteres Material, z.B. eine zwischen März und Oktober 1936 in der vom Kōdōkan herausgegebenen Monatszeitschrift "Jūdō" erschienene Artikel-Serie.
(HIOKI, Takasuke: Bōjutsu no shugyō-hōhō (Übungsmethoden des Bōjutsu). Teil 1 in: Jūdō 7 (1936) Nr. 3, 18-24. Teil 2 in: Jūdō 7 (1936) Nr. 4, 30-35. Teil 3 in: Jūdō 7 (1936) Nr. 5, 24-29. Teil 4 in: Jūdō 7 (1936) Nr. 6, 24-26. Teil 5 in: Jūdō 7 (1936) Nr. 8, 26-32. Teil 6 in: Jūdō 7 (1936) Nr. 9, 20-21. Teil 7 in: Jūdō 7 (1936) Nr. 10, 39-44.)

Falls Interesse daran besteht, kann ich u.U. demnächst noch einige Punkte mehr dazu nennen (evtl. zu den einzelnen Techniken, den namentlich nachweisbaren Lehrern, etc.) – bitte aber um Verständnis, daß ich das nicht fest versprechen kann, da diese Angelegenheit bei mir keine große Priorität genießt und ich derzeit mit anderen Dingen mehr als ausgelastet bin.

Mir ist übrigens nicht bekannt, daß außer diesem o.a. Bōjutsu noch ein anderes regelmäßiges Waffentraining am Kōdōkan durchgeführt worden wäre. (Sieht man einmal von dem bereits mehrfach erwähnten Gebrauch von Schwert und Dolch – sowie Stock und später auch Pistole – in den zur Genüge dokumentierten Kōdōkan-Kata ab.)
Auch lassen sich in allen mir bekannten Quellen keinerlei entsprechende Hinweise finden.

Sollte jemand anderslautende - nachprüfbare - Informationen haben (Bitte keine Spekulationen, sondern nur nachprüfbare Fakten!), dann wäre ich für eine entsprechende Quellenangabe sehr dankbar.
Zuletzt geändert von Reaktivator am 19.11.2008, 14:41, insgesamt 1-mal geändert.
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HBt

Ideale: Knabenführung, ...

Beitrag von HBt »

Tutor! hat geschrieben:Die Frage, ob jemand im Kodokan noch lernte, wie man Schwert oder Stock benutzt, oder ob es anderweitig gelernt wurde, tritt doch hinter diese anderen Fragen in ihrer Bedeutung zurück.
Natürlich: Konsens, aber das ist doch nicht die eingangs gestellte Frage! Der Transfer ist wichtig. Was wollen wir heute?
Jupp
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von Jupp »

Zunächst einmal einleitend:
ich bin kein Experte im Umgang mit Waffen - aber: ich habe schon mit Waffen im Judo geübt und trainiert. (Ich würde mich auch nicht als Experte im Fußball bezeichnen, obwohl ich dort vor sehr vielen Jahren sogar eine Trainerlizenz erworben habe) Aber was heißt schon, irgendwo ein Experte zu sein?
Vielleicht bin ich ein Experte im Umgang mit Worten - das müssen andere beurteilen. Jedenfalls bin ich darin geübt.

Tom Herold schreibt am 19.11.2008 um 13:17 Uhr:
Und WARUM sollen diese zahlreichen Vorkriegs-Jûdôka ihre Fähigkeiten im Umgang mit Waffen nun unbedingt WOANDERS erworben haben, wenn es doch im Kodôkan darauf ankam, genau diese Fähigkeiten wenigstens als Uke einzusetzen ...?
Wo etwa sollte denn Mifune den Umgang mit dem Schwert erlernt haben, wenn er doch nie etwas anderes als Jûdô trainiert hat??
(Nebenbei: ich bin echt sauer auf Jupp, weil der hier im Forum im "Tai-Otoshi"-Faden den Blödsinn erzählt hat, daß Mifune aus einer anderen Schule des "Jiu Jitsu" stammen würde als Kano ...)
Wo Mifune seine Waffentechnik gelernt hat, ist offensichtlich nicht bekannt.
Er kann sie im Kodokan von Kendoka gelernt haben, außerhalb des Kodokan von anderen Budoka oder sogar von anderen Judokollegen, die damit umgehen konnten – wir wissen es nicht.
Nun aber zu schlussfolgern, weil er a) mit Waffen umgehen konnte, müsse er b) die Waffentechnik im Kodokan gelernt haben und daher müsse c) Waffentechnik Teil der Judoausbildung gewesen sein, ist doch zu viel Spekulation hintereinander, um als wirkliches Argument herzuhalten.

Tom Herold schreibt:
So, lieber Tutor, zum Schluß möchte ich dich mit einigen Gedanken vertraut machen, die einer unserer japanischen Sensei (ich habe ihn schon erwähnt) dazu äußerte. Er sagte sinngemäß, daß es für das Fehlen eines "Waffen-Curriculums" im Kodôkan mehrere Gründe geben könne.
Zu Zeiten seines Großvaters, der um 1900 zum Jûdô kam, war es selbstverständlich, daß die traditionellen Waffen zu allem gehörten, was sich "Gendai Budô" nannte (zu den Koryû ja sowieso).
Es existierten (und existieren) zahlreiche hervorragende Werke, in denen der Umgang mit Schwert, Langstock und anderen Waffen ausführlichst dargestellt wird. Diese Werke beruhen auf den empirisch gewonnenen Erfahrungen vieler Jahrhunderte.
Mich würden diese Quellen sehr interessieren, damit ich mir selber eine Meinung zu diesem Thema bilden kann.

Tom Herold schreibt:
Spekulation: Kano sah es nicht als notwendig an, diesen Werken ein weiteres hinzuzufügen, welches letztlich doch nur (anders als bei den Wurftechniken) Altbekanntes extemporierte.
Der Einsatz der traditionellen Waffen gegen Menschen ist nicht an das Schlachtfeld gebunden.
Ein Schwertschlag ist ein Schwertschlag, ob der Gegner nun eine Rüstung trägt oder nicht ...
Weiter schreibt Sensei, daß Kano sich sehr dagegen wehren mußte, daß das Militär aus dem Kodôkan eine Militärakademie machte. Möglicherweise hat das etwas damit zu tun, daß Kano nichts über die Waffentechniken des Jûdô veröffentlichte (jedenfalls soweit wir bisher wissen!).
Obwohl also Kano (wie TH hier bestätigt) nichts über Waffentechnik im Zusammenhang mit Kodokan-Judo veröffentlicht hat (so weit wir bis heute wissen) ist genau dieses Waffenstudium (das Kano unseres Wissens nach bis heute nicht näher beschrieben hat) das entscheidende Kriterium dafür, ob jemand richtiges/authentisches Kodokan-Judo macht?

Wir können uns also nicht an Jigoro Kanos Darstellung des Kodokan-Judo orientieren, wenn wir es lernen sollen, sondern wir benötigen, Spekulationen und – nicht belegbare – Interpretationen, um endlich zu wissen, was authentisches Kodokan-Judo ist?

Nicht der Kodokan beschreibt den Inhalt und Umfang des authentischen Kodokan-Judo, sondern eine kleine Gruppe "Wissender" in Deutschland?

Tom Herold schreibt:
Sodann ist es in der heutigen japanischen Gesellschaft Konsens, die Zeit von 1928-1945 möglichst nicht zu thematisieren. Sensei verwies mich auf die Wiederzulassung des Jûdô 1947 und darauf, daß diese nur zustandekam, weil man den Besatzern vorgaukelte, Jûdô sei eine harmlose Ringkampfsportart.
Die meisten Jûdô-Lehrer waren im II. WK gefallen. Und die wenigen Übriggebliebenen, die über nennenswerte Kenntnisse verfügten, sahen sich mit der Ansicht konfrontiert, Jûdô solle sich nunmehr zu einer harmlosen Sportart "weiterentwickeln".
Auch hier wäre es für eine wertende Beurteilung dieser Schlußfolgerungen sehr hilfreich, wenn man über die Quellen verfügen würde, aus denen man z.B. die Zahl der gefallenen "Judo-Lehrer" und der "wenigen Übriggebliebenen" erkennen könnte. Oder auch auf welche Quellen sich die Aussage bezieht, "es sei in der heutigen japanischen Gesellschaft Konsens, die Zeit von 1928-1945 nicht zu thematisieren". Hat da mein Lehrer Mahito Ohgo gegen einen gesellschaftlichen Konsens verstoßen?

Tom Herold schreibt:
Ich denke, daß dies alles eher dafür spricht, daß bis heute Lehrinhalte des Jûdô einfach vergessen oder bewußt versteckt wurden.
Nein, das hat nichts mit "Verschwörung" zu tun.
Ich frage mich dennoch, warum einige ein so überaus starkes Interesse daran haben, die Frage, welche (nicht OB) Waffentechniken es im Jûdô gab, vom Tisch zu wischen oder für unwichtig zu erklären.
Ich frage mich, warum der konkrete Nutzen dieser Waffentechniken nicht erkannt oder sogar geleugnet wird.
Dies trifft gar nicht den Kern der Diskussion, diese Frage ("Ist Waffentechnik im Judo wichtig?") wird hier überhaupt noch nicht diskutiert! Sie kann erst entschieden werden, wenn geklärt ist, was authentisches Kodokan-Judo denn überhaupt ist (umfasst).

Die hier geäußerte Spekulation Waffentechnik gehöre zum Judo-Lehrplan, wird durch keine Darstellung in irgendwelchen Lehrbüchern offiziell erhärtet.
Bis zum Beweis des Gegenteil sind alle dahingehenden Behauptungen nicht weiter als Vermutungen, Annahmen, Spekulationen, Schlussfolgerungen.
Gegen Spekulationen ist letztendlich überhaupt nichts einzuwenden, wenn man es dabei belässt, aus Spekulationen keine Gewissheiten oder Beweise machen zu wollen.

Nach allen bisherigen Diskussionsbeiträgen bleibt festzuhalten:
Zwar werden Waffen bei Angriffen in verschiedenen Kodokan-Kata verwendet, aber:

es gibt keine Waffentechnik als Inhalt des Kodokan-Judo.
(Jedenfalls nicht, so weit wir es bisher wissen!)

So weit also zum Stand der Dinge!

Jupp
Zuletzt geändert von Fritz am 19.11.2008, 15:52, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von Fritz »

Jupp hat geschrieben:Nach allen bisherigen Diskussionsbeiträgen bleibt festzuhalten:
Zwar werden Waffen bei Angriffen in verschiedenen Kodokan-Kata verwendet, aber:

es gibt keine Waffentechnik als Inhalt des Kodokan-Judo.
(Jedenfalls nicht, so weit wir es bisher wissen!)
Waffen werden verwendet in Kodokan-Kata, aber deren Handhabung ist kein Inhalt vom Kodokan-Judo?
Also Kodokan-Kata sind letztendlich kein Inhalt vom Kodokan-Judo?
Merkwürdige Schlußfolgerung... (auch vor dem Hintergrund der angeführten Kano-Zitate)
Jupp hat geschrieben:Zunächst einmal einleitend:
ich bin kein Experte im Umgang mit Waffen - aber: ich habe schon mit Waffen im Judo geübt und trainiert.
Na sieh an...
Wozu eigentlich? Nach Deiner Ansicht gehört es ja nicht zum Kodokan-Judo, warum
übtest Du dann damit im Judo? ;-)

--

Ich entnehme für mich aus diesem Faden:

Im Kodokan wurde sich auch mit Waffen beschäftigt.
"Ideale" Judolehrer sollten auch Waffen beherrschen.
"Früher" war der Umgang mit dem Schwert ein gewisses Allgemeingut in Japan.
Kodokan-Kata beschäftigen sich mit Waffen, bestimmte Techniken sind
erst unter diesem Gesichtspunkt zu "entschlüsseln".
Kano wollte "Kendo" ins Judo integrieren...
Mit dem Langstock wurde bereits ein Weile fleißig am Kodokan trainiert.
Kano versuchte, seine beiden Prinzipien des Judo möglichst allumfassend anzuwenden...

Irgendwann starb Kano und dann kam der Krieg - danach mußte sich der Kodokan an neue
Gegebenheiten anpassen, um einem ähnlichen Schicksal (Schließung) wie der Butokukai zu entgehen.
Die Anpassung bestand u.a. in einer (Außen)-Darstellung des Judo als "harmloser" Sport.
Mit freundlichem Gruß

Fritz
Jupp
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von Jupp »

Lieber Fritz,

zunächst einmal:
auch Pistolen (bzw. Pistolenattrappen) werden in Kodokan-Kata verwendet; dennoch gehört die Handhabung von Pistolen nicht zum Curriculum des Kodokan-Judo. Genau so verhält es sich mit den anderen Waffen, die in den Kata verwendet werden: sie werden zum Angriff benutzt, um sich dagegen mit Kodokan-Wurf-, Griff-oder Atemi-Techniken zu verteidigen, genau so wie übrigens auch Boxtechniken wie z.B. "Kinnhaken", die in Kodokan-kata zum Angriff verwendet werden.
In diesen Zusammenhängen habe ich sie im Judo verwendet - so wie sehr viele fortgeschrittene andere Judoka des DJB auch.

Mit Waffen geübt habe ich auf der Judomatte beim Aikido-Training, dass ich eine relativ kurze Zeit bei einem bekannten japanischen Aikidotrainer meines damaligen Vereins Bushido Köln praktiziert habe, ebenso wie Karate bei zwei damals bekannten Karatetrainern.

Dann: Ich habe vor allem die Kodokan-Wurf-, Griff- und (weit weniger intensiv, aber auch!) Tritt-/Stoßtechniken geübt, mit denen man sich gegen Angriffe verteidigen kann - gegen Waffen aller Art, ohne dass diese Waffen zum Studium des Kodokan-Judo gehörten.

Zuletzt: die von Dir aufgeführten 6 Behauptungen mögen jede für sich alleine stimmen, daraus jedoch die Schlußfolgerung zu ziehen (bzw. anderen die Schlußfolgerung nahe zu legen), zum Curiculum des Kodokan-Judo gehöre auch Waffentraining, ist reines Wunschdenken. Es lässt sich leider durch keinen Nachweis rechtfertigen.

Noch einmal: wer sich dem Studium von Waffen widmen möchte, weil er glaubt, dass sich dadurch sein Verständnis des Judo erweitern würde, dem sei dies unbenommen.

Wer allerdings von anderen behauptet, sie würden kein authentisches/richtiges Judo machen, wenn sie den Umgang mit Waffen nicht studieren und an ihre Schüler weitergeben, der kann dies - wenigstens nach dem Stand unseres derzeitigen Wissens - nicht mit den curricularen Vorgaben des heutigen Kodokan oder des Vorkriegs-Kodokan oder des Kodokan aus der Zeit von 1882-1918 begründen.

Falls ich mit diesen Feststellungen falsch liege, bin ich bei einem nachprüfbaren Quellennachweis (am Besten von Kano oder einem ihm nahestehenden Schüler) gerne bereit, meine Auffassung zu ändern.

Jupp
tom herold
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von tom herold »

Lieber Jupp,
ich bin erfreut, aus deinem Munde zu hören, daß es reine Spekulation ist, von folgenden Fakten ausgehend entsprechende Schlußfolgerungen zu ziehen:
1. Mifune hat nie etwas anderes als Jûdô trainiert (es läßt sich jedenfalls nichts Derartiges belegen).
2. Er konnte exzellent mit dem Schwert umgehen (und mit dem Bô).
3. Er war ein hervorragender Jûdôka - auch als Lehrer.

Nun weist du darauf hin, daß all dies NICHT bedeutet, daß er seine Waffentechniken am Kodôkan erlernt haben muß. Das, so sagst du, sei Spekulation - und dann ergehst du dich in Spekulationen, WO und von wem er den Umgang mit dem Schwert erlernt haben könnte.
Auf die einfache Idee, daß Kano, Nagaoka oder ein anderer Jûdôka ihn diesbezüglich unterrichtet haben könnte, kommst du zwar auch - aber ich verstehe nicht, WIESO das nichts mit Jûdô zu tun haben soll.
Das ist mir zu viel Spekulation deinerseits, um als wirkliches Argument durchzugehen.

Zu den Quellen der Waffentechniken der Koryû - guck dir das Okugisho an oder andere Texte ... da gibt es jede Menge! Ich zähle das hier nicht noch einmal im einzelnen auf ... schau bei Skoss nach, bei Amdur, bei Lowry ...

Und nein - ich habe nie geschrieben, daß die Fähigkeiten im Umgang mit den traditionellen Waffen DAS entscheidende Kriterium dafür sind, ob jemand wirklich Jûdô praktiziert oder doch nur Ringkampf in weißen Kitteln. Ich habe das Waffentraining als EIN (wenngleich wichtiges) Kriterium bezeichnet, nicht als DAS entscheidende Merkmal.
Leg mir bitte nicht schon wieder Worte in den Mund, die ich so nicht gesagt habe.

Du schreibst:
Wir können uns also nicht an Jigoro Kanos Darstellung des Kodokan-Judo orientieren, wenn wir es lernen sollen, sondern wir benötigen, Spekulationen und – nicht belegbare – Interpretationen, um endlich zu wissen, was authentisches Kodokan-Judo ist?
Ach nee ...?
Auf einmal geht es doch um das, was Kano unter Jûdô verstand ...?
Dann erklär mir doch bitte mal, wieso du in deinem Büchlein "Wir machen Judo" schreibst, daß Judo zur SV nicht geeignet, sondern ein Sport sei und daß Judo-SV nur im Kino funktionieren würde?
Wie, bitte sehr, setzt du das denn in Beziehung zu dem, was Kano über Randori und den "ernsthaften Kampf" schreibt (um nur ein Beispiel zu nennen)??
Wie setzt du das in Beziehung zu Kanos Text in "Mind over Muscle", in welchem er eiinen ganzen Abschnitt unter die Überschrift stellt "Judo as Martial Art"???
Wie setzt du das in Beziehung zur ersten der drei Ebenen des Jûdô ...?
Ich meine das nicht böse, ich bin nur erstaunt ...
Nicht der Kodokan beschreibt den Inhalt und Umfang des authentischen Kodokan-Judo, sondern eine kleine Gruppe "Wissender" in Deutschland?
Nein, nicht der (heutige) Kodôkan legt das fest, sondern Kano.


Am besten hat mir dieser Satz von dir gefallen:
Nach allen bisherigen Diskussionsbeiträgen bleibt festzuhalten:
Zwar werden Waffen bei Angriffen in verschiedenen Kodokan-Kata verwendet, aber:

es gibt keine Waffentechnik als Inhalt des Kodokan-Judo.
(Jedenfalls nicht, so weit wir es bisher wissen!)
Dazu hat Fritz bereits etwas sehr Passendes geschrieben.
Ich möchte es ergänzen: Kano hat also in den Kata vorausgesetzt, daß Angriffe mit verschiedenen Waffen abzuwehren seien.
Er soll es jedoch mit Fleiß versäumt haben, seinen Schülern den Umgang mit diesen Waffen beizubringen. So nach dem Motto: wenn ihr das lernen wollt, seht doch zu, wo ihr es beigebracht bekommt.

Erstens ist diese Interpretation spekulativ, zweitens negiert sie den Inhalt diverser Kata - UND es ist eine Geisteshaltung, die ich traurig finde, denn sie läßt imho erkennen, daß man sich mit dem, was diese Kata tatsächlich vermitteln, überhaupt nicht auseinandergesetzt zu haben scheint.
Kata als "Aneinanderreihung von Techniken", ja?
Tote Form.
Schade ...

@Reaktivator:
Danke für die Infos.

Aber du bestätigst damit eher, was ich sage, statt es zu widerlegen.
Das Training mit dem Bô fand zu anderen Zeiten statt als das Training der Wurftechniken und Bodengriffe ...?
Ja und?
Daraus leitest du ab, es habe nicht zum Jûdô gehört ...?
Mit welchem Recht behauptest du das? Das ist reine Spekulation! Das ist nicht mehr als deine persönliche Meinung.

Ich vermute (reine Vermutung, wie gesagt), daß du nicht sehr erfahren im Umgang mit Schwert, Lanze, Langstock und ähnlichen Waffen bist. Sonst wüßtest du, daß Waffentraining mit Schwert, Langstock usw. nun mal nicht gleichzeitig mit dem Wurftraining stattfinden kann ... aus naheliegenden Gründen.

Und noch etwas finde ich bedauerlich - man merkt, daß du (bei all deinem sonstigen Wissen, daß dir niemand absprechen will!) wenig Ahnung vom Training in den Koryû hast.
Wirkliches Randori kann es nun mal nur in "unbewaffneter" Form geben.
In den Koryû wurden im Waffentraining IMMER nur Kata geübt (vgl. Amdur, Skoss, Lowry u.a.).
Diese Kata aber waren reale Drills realer Fertigkeiten (wer die Waffendrills bspw. der FMA kennt, kann sich eine ungefähre Vorstellung davon machen).
Und genau diesem Konzept folgte wohl auch Kano - wozu sonst Waffen in den Kata??

Und noch etwas - Tutor schreibt:
"Attack and Defence" darf zwar nicht auf Wettkampf oder Randori reduziert werden, wird aber genau dort gelehrt und praktiziert. Randori war DIE Übungsform für Kano, um "attack and defence" zu entwickeln
NEIN!!

Randori ist EINE Trainingsform des Jûdô, nicht DIE Trainingsform.
Wäre Randori DIE (einzige) Trainingsform, welche befähigt, "attack and defence" zu entwickeln, WOZU hätte Kano dann Kata für sein Jûdô benötigt?

Fazit: es gibt Waffen im Jûdô, der Umgang mit ihnen wurde auch regelmäßig trainiert und sogar gesondert gelehrt (Bo Jutsu).
Die Kata und die Existenz dessen, was man "Kodôkan Bojutsu" nennt, beweisen es.
(Übrigens: nochmal ein großes Dankeschön an reaktivator für diese Informationen zum Bojutsu im Kodôkan!)

Um das akzeptieren zu können, müßte man natürlich die Kata als etwas anderes verstehen als eine "ästhetische Aneinanderreihung von Techniken ..."

Ich sehe jedoch, daß es in dieser Frage wohl leider keinen Konsens geben wird.
Ich wiederhole es: auch zur Go-no-Kata gab (und gibt) es keinerlei Text von Kano. Dennoch gibt es Go-no-Kata.
Auf wie viele Dinge im Jûdô mag das noch zutreffen ...?
Mich jedenfalls macht das neugierig.

Und die Indizien dafür, daß es Waffentechniken im Jûdô gibt, finde ich persönlich überwältigend.
Aber das darf natürlich jeder so sehen, wie er gern möchte ...
Zuletzt geändert von tom herold am 19.11.2008, 19:29, insgesamt 2-mal geändert.
tom herold
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von tom herold »

Ergänzung ...

Du schreibst:
zunächst einmal:
auch Pistolen (bzw. Pistolenattrappen) werden in Kodokan-Kata verwendet; dennoch gehört die Handhabung von Pistolen nicht zum Curriculum des Kodokan-Judo.
Was soll das denn? Da du dich ja nur auf "Kodôkan Goshin Jutsu" beziehen kannst, möchte ich darauf hinweisen, daß dies erstens keine Kata ist und zweitens nicht von Kano geschaffen wurde (im Gegensatz zur authentischen Goshin Jutsu no Kata, die selbstverständlich Waffen beinhaltet).

Du hast doch vorhin betont, wie unerläßlich es sei, sich auf Kano (und nur auf diesen) zu beziehen ...?
Nein, zu Kanos Lebzeiten wurde - soweit mir bekannt - in keiner Kata die Abwehr von Bedrohungen mit der Pistole unterrichtet.

Du schreibst:
Genau so verhält es sich mit den anderen Waffen, die in den Kata verwendet werden: sie werden zum Angriff benutzt, um sich dagegen mit Kodokan-Wurf-, Griff-oder Atemi-Techniken zu verteidigen, genau so wie übrigens auch Boxtechniken wie z.B. "Kinnhaken", die in Kodokan-kata zum Angriff verwendet werden.
In diesen Zusammenhängen habe ich sie im Judo verwendet - so wie sehr viele fortgeschrittene andere Judoka des DJB auch.
Nein, es verhält sich eben damit nicht so.
Erstens kann man mit einer traditionellen Waffe nur dann effektiv angreifen, wenn man damit umgehen kann. Alles andere ist sinnloses, ungefährliches Gefuchtel, das nicht unter Einsatz aller Mittel abgewehrt werden muß.
Dazu bestand eigentlich bereits Konsens ...

Zweitens ist es das allerletzte Mittel, sich waffenlos gegen einen Bewaffneten zu wenden.
Die Ratio legt nahe, sich selbst zu bewaffnen, wenn man befürchten muß, in eine bewaffnete Auseinandersetzung zu geraten. Mit diesen Waffen muß man umgehen können - also muß man es üben.
Intensiv.
Ich kann dir versichern, daß es bspw. gefährliche Traumtänzerei ist, unbewaffnet gegen einen Messerstecher vorgehen zu wollen (oder zu müssen), wenn man selbst nicht im Geringsten im Umgang mit dem Messer geübt ist.
Genau das aber bestreitest du mit deinen Aussagen - jedenfalls interpretiere ich deine Aussagen so.
Genau so verhält es sich mit den anderen Waffen, die in den Kata verwendet werden: sie werden zum Angriff benutzt, um sich dagegen mit Kodokan-Wurf-, Griff-oder Atemi-Techniken zu verteidigen, genau so wie übrigens auch Boxtechniken wie z.B. "Kinnhaken", die in Kodokan-kata zum Angriff verwendet werden
Sich gegen eine Waffe (!) mit "Kodôkan-Wurf-, Griff- oder Atemi-Techniken" verteidigen zu wollen, OHNE irgend etwas über den effektiven Gebrauch dieser Waffe zu wissen, ist ebenso unüberlegt wie selbstmörderisch und zeugt von mangelnder diesbezüglicher Erfahrung.

Leg mal im Training deine Attrappen weg und laß mich mit einem "realfighting knife" (einem Messer, welches aus der Klinge rote Flüssigkeit absondert) antreten. Und dann schaun wir mal, WIE effektiv du dich wirklich gegen jemanden verteidigen kannst, der den Umgang mit dem Messer wirklich gelernt hat.
Ich wage die Prognose: gar nicht.
das ist wiederum nicht böse gemeint, aber mancher braucht diese Ernüchterung.
Ob du mir wohl glaubst, wenn rote Striemen massenhaft deinen Hals, deine Brust, deine Unterarme, deine Oberschenkel und deinen Unterleib zieren?

Und was "Boxtechniken" wie den "Kinnhaken" angeht - derlei Hiebe sind keine abendländische Erfindung.
Diese Art von Attacken gab es in allen Koryû von Anfang an. Solche Hiebe gehören zu den Atemi des Jûdô (von den Koryû ganz zu schweigen!).
Und auch dafür gilt: wenn ich beim Üben (oder in der Prüfung) weiß, daß mein kooperativer Uke gleich eine solche Hiebtechnik losläßt, dann habe ich mit deren Abwehr auch kein Problem.
ABER:
Stell dich doch einfach mal unserem "Atemi-Randori" (etwas hochtrabender Begriff für die Anwendung der Tritt- und Schlagtechniken des Jûdô im Randori). Und dann schaun wir mal, wie gut deine "Abwehr" funktioniert ...
Ich wage zu behaupten: gar nicht.
Ist wiederum nicht böse gemeint, sondern soll nur verdeutlichen, daß du einem Irrtum erliegst, wenn du meinst, daß das, was du offenbar unter Jûdô-SV verstehst, irgendwie wirksam wäre.

Du schreibst, bezogen auf das Üben mit Waffen und das Üben der Abwehr von Schlägen:
In diesen Zusammenhängen habe ich sie im Judo verwendet - so wie sehr viele fortgeschrittene andere Judoka des DJB auch.
EBEN!!!!

Abgesprochen, mit kooperativem Uke - und wohl auch nicht sehr oft.
Damit ist deine Einstellung zu diesen Dingen hinreichend erklärt.

Nun sollten wir aber vielleicht wirklich mal überlegen, ob es uns - bei allen Gegensätzen - nur darum geht, dem jeweils anderen Unwissen; Blindheit oder Überheblichkeit vorzuwerfen, oder ob es eine Möglichkeit des Konsens gibt.
Das zu schreiben fällt mir schwer genug, das kannst du glauben ...
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von judoka50 »

1) gefährliche Traumtänzerei ist, unbewaffnet gegen einen Messerstecher vorgehen zu wollen......
2) Sich gegen eine Waffe (!) mit "Kodôkan-Wurf-, Griff- oder Atemi-Techniken" verteidigen zu wollen, OHNE irgend etwas über den effektiven Gebrauch dieser Waffe zu wissen, ist ebenso unüberlegt wie selbstmörderisch und zeugt von mangelnder diesbezüglicher Erfahrung.
Wäre dann nicht das Üben der Kata überflüssig, bzw. auch Traumtänzerei, solange Tori keine Waffen einsetzt.
Die Erläuterungen sind irgendwie sehr im Widerspruch.
Viele Grüße
U d o
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Fritz
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von Fritz »

judoka50 hat geschrieben:Wäre dann nicht das Üben der Kata überflüssig, bzw. auch Traumtänzerei, solange Tori keine Waffen einsetzt.
Die Erläuterungen sind irgendwie sehr im Widerspruch.
Situation: Kime-No-Kata: Beide sitzen, einer zieht das Messer und sticht.
Der andere hat schlicht keine Zeit seine Waffe zu ziehen. Er muß sofort reagieren. Das wird geübt.
Waffe gegen Waffe gibt es im Kendo -> das wollte Kano erst noch integrieren (lt. Zitat),
hätte er es geschafft, dann hättest Du auch Kata Waffe gegen Waffe.
Bojutsu: Da werden sie sicherlich auch Stock gegen Stock gearbeitet haben...

Zum Thema "Waffe nicht handhaben können" gibt es im Netz irgendwo Bilder, wie es aussehen kann,
wenn jemand sein Schwert falsch in die Scheide schiebt usw...
Ansonsten hattest Du nicht richtig zitiert - es fehlt bei 1)
Tom Herold hat geschrieben:... "wenn man selbst nicht im Geringsten im Umgang mit dem Messer geübt ist."
Wenn ich weiß, was man wie mit nem Messer anstellen kann, dann habe ich eine kleine
Chance vielleicht doch einen Angriff vorherzuahnen...
Hier verweise ich gern auf die diesjährige Sommerschule
und zwar auf den SV-Anteil mit Mario Staller (leider nicht auf der DVD drauf, aber vielleicht kann
ja Klaus Kessler nochmal was nachreichen?) Ohne zu wissen, was "ein Messer kann", hat man keine
Chance, ich habs mit Übungsmessern (stumpf und mit Farbe - diese abwaschbare Tinte für diese
Metall-Tafeln ist gut geeignet) ausprobiert bzw. ausprobieren lassen...
Tom Herold hat geschrieben:Das Training mit dem Bô fand zu anderen Zeiten statt als das Training der Wurftechniken und Bodengriffe ...? Ja und?
Um es drastisch zu auszudrücken: Ich hab auch mal irgendwo gelesen, daß das Training der Frauen im Kodokan auch zu anderen Zeiten
stattfand/findet, als richtiges "Männer-Judo" - daraus den Schluß abzuleiten,
daß Frauen kein Kodokan-Judo ausüben, wäre dann aber doch sehr gewagt ;-)

@Jupp: zum Thema "Pistole und Kodokan-Goshin-Jutsu" gibt es einen interessanten Faden
im anderen Forum: http://judoforum.com/index.php?showtopic=30481
Wenn man, wie dort beschrieben üben möchte, dann sollte man schon wissen, wie man mit einer
Pistole richtig umzugehen hat und wenn es nur aus Sicherheitsgründen ist, um
nicht jemanden versehentlich mit Farbmunition ins Auge zu schießen...
Das Spiel mit reinen Attrappen ist meiner Meinung nach nur der Anfang vom Training...
(Und nein, ich meine jetzt nicht, daß man mit echten Pistolen und Gefechtsmunition üben sollte ;-) )
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von Reaktivator »

Fritz hat geschrieben:Bojutsu: Da werden sie sicherlich auch Stock gegen Stock gearbeitet haben...
Und sogar Stock gegen Schwert - habe auf die Schnelle direkt zwei Beweis-Fotos dafür gefunden.
(Ich hoffe, "Tom Herold" wird mir für diesen Hinweis dankbar sein, zumal er ihn ja sicherlich gut für seine Argumentation gebrauchen kann....? ;-) )
Fritz hat geschrieben:Ich hab auch mal irgendwo gelesen, daß das Training der Frauen im Kodokan auch zu anderen Zeiten
stattfand/findet, als richtiges "Männer-Judo" - daraus den Schluß abzuleiten,
daß Frauen kein Kodokan-Judo ausüben, wäre dann aber doch sehr gewagt ;-)
Aber nicht zu gewagt: Denn offiziell heißt es tatsächlich "Joshi-Jūdō" (女子柔道) - wörtl.: "Frauen-Jūdō". ;-)
Und die entsprechende Abteilung des Kōdōkan heißt "Joshi-Jūdō-Bu" (女子柔道部) - wörtl.: "Abteilung für Frauen-Jūdō".

Die Frauen-Abteilung grenzt sich also vom Männer-Training ab.
Fazit: Frauen sind nicht gleich Männer!

Genauso grenzte sich auch die Bōjutsu-Abteilung vom normalen Jūdō ab.
Fazit: Bōjutsu ist nicht gleich Jūdō!
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von Lin Chung »

Genauso grenzte sich auch die Bōjutsu-Abteilung vom normalen Jūdō ab.
Fazit: Bōjutsu ist nicht gleich Jūdō!
Nochmal:
Zitat:
even said "Judo is not Budo; Budo is part of Judo."
...ist ein ganz interessanter Aspekt. Somit wage ich die Behauptung Bōjutsu ist ein Teil vom Judo oder sollte es zumindest sein. Meine Meinung.
Grüße
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von Reaktivator »

Lin Chung hat geschrieben:Nochmal:
Zitat:
even said "Judo is not Budo; Budo is part of Judo."
...ist ein ganz interessanter Aspekt. (...)
Den Kano zwar - zumindest eine zeitlang - propagiert hatte, um Sportpolitik zu betreiben, da er nämlich den Kodokan zu einer möglichst starken Dachorganisation machen wollte...
...dem sich aber noch nicht einmal seine eigenen Schüler anschlossen und erst recht nicht die Vertreter der anderen Budo-Disziplinen, die diesen Gedanken absurd fanden (allen voran die Kendo-Leute, der zweiten "Haupt-Disziplin" neben Judo in Schule, Polizei, Militär - und Butokkai).

Deshalb nochmal:
Lin Chung hat geschrieben:
Genauso grenzte sich auch die Bōjutsu-Abteilung vom normalen Jūdō ab.
Fazit: Bōjutsu ist nicht gleich Jūdō!
Genau so ist es!
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von tom herold »

Hallo Reaktivator, ich sehe das anders als du, wie du dir sicher denken kannst.

Erstens: Daß Frauen und Männer gemeinsam trainierten, wäre für die damalige Zeit ein ungeheurer gesellschaftlicher Skandal gewesen - man beachte die gesellschaftlichen Umstände.
Und zweitens liegen die Schwerpunkte aufgrund körperlicher Unterschiede im "Frauen-Jûdô" natürlich ein wenig anders als bei den Männern.
Daraus nun aber zu schlußfolgern, die Frauen hätten "etwas ganz anderes" im Training gelernt als die Männer (inhaltlich), halte ich einfach für absurd.

Auch das, was die Frauen trainierten war Kodôkan Jûdô. Was, bitte, sollte es denn sonst gewesen sein?

Darf ich daran erinnern, daß es noch gar nicht so lange her ist, daß Jûdô (und da besonders der Wettkampf!) als derartig "unweiblich" galt, daß es keine entsprechenden Frauenwettkämpfe gab?

Ich halte es für eine unzulässige Anwendung rein formaler Logik, aus dem Umstand, daß es für das Waffentraining besondere Zeiten gab, nun ableiten zu wollen, daß es mit dem Jûdô nichts zu tun hatte.
In der Schule hat man schließlich auch nicht gleichzeitig Mathe und Erdkunde, oder? Und dennoch gehört beides zum Unterricht ...
Aber mit solcherart Argumentation im Sinne formaler Logik kommen wir nicht wirklich weiter.

Bo gegen Schwert, ja?
Du hast recht: Wasser auf meine Mühle.
Vielleicht sollten wir uns darauf einigen, daß inzwischen (auch dank deiner Hilfe) bewiesen ist, daß im Kodôkan spätestens ab 1928 mit Waffen (Schwert, Langstock) trainiert wurde.
Wie das nun zu werten ist, wäre eine andere Frage.

Auf jeden Fall noch einmal ein ernstgemeintes großes Dankeschön an dich dafür, daß du eine Quelle zitiert hast, an die ich nicht rangekommen bin.

Tom
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Hofi
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von Hofi »

Hi!
Ich denke wir drehen uns ziemlich im Kreis.
Das Argument, ob etwas im Kodokan oder aber zu gesonderten Zeiten trainiert wurde, hilft letztlich weder für die eine noch die andere Seite.
Nun bei uns in der Halle werden, zeitgleich und zeitversetzt neben Judo auch noch, Aikido, Volleyball, Turnen und vieles andere trainiert. Und sogar alles unter dem gleichen Vereinsnamen. Machen die jetzt alle Judo? Oder machen sie keines? Und was, wenn sie versuchen würden, bei Ausübung ihrer Disziplininen die beiden Haupt-Prinzipien Kanos zu beachten. Gerade nachdem Kano sein Judo ja schon eher als Lebenseinstellung denn als Sport oder auch als reine Kampfkunst sah (so lese ich zumindest seine Texte, die ja hier auch immer wieder zitiert werden), ließe sich durchaus begründen, dass jemand der Volleyball unter den Gesichtspunkten von Kanos Hauptprinzipien betreibt auch Judo macht.
Was nun aber die Waffentechniken in dem Sinne, dass mit Waffe gegen Waffe trainiert/gekämpft wird, angeht, lässt sich denke ich nicht abschließend klären, ob diese für das Judo unerlässlich sind.
Es gibt meiner Ansicht drei Möglichkeiten:
1. Die Waffentechniken wurden von Kano sozusagen als Bestandteil der sozialen Kultur Japans seiner Zeit als in Grundzügen bekannt vorausgesetzt. Eine Erwähnung in Veröffentlichungen zu seinem Judo waren daher nicht erforderlich. Das zusätzliche Training im Kodokan diente dann evtl. nur der Steigerung des Ansehens oder der Mitgliederwerbung (Achtung Spekulation).
2. Diese Waffentechniken waren über das bojutsu-Training Bestandteil und Lehrinhalt von Kanos Judo. Dann stellt sich aber die Frage, weshalb sie in keiner der bekannten Veröffentlichungen auftauchen.
3. Kano betrachtete diese Techniken als sinnvolle Ergänzung zum eigentlichen Kerninhalt der Judo-Techniken, von denen er Teile möglicherweise später integrieren wollte, was sein Tod verhinderte. Mit dem bojutsu-Training im Kodokan wäre dann den Judoka eine einfache Möglichkeit eröffnet worden, diese sinnvollen Ergänzungstechniken zu erlernen und man hätte sie nicht an eine andere Schule verweisen müssen. Dies würde auch erklären, warum sie in keiner der Veröffentlichungen zum "Lehrplan" des Judo auftauchen.

Ich halte grundsätzlich alle drei Varianten für denkbar, wobei mir fast die dritte am ehesten zusagt.
Bis dann
Hofi
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Heimat ist dort, wo man von der Dorfbevölkerung, die einen duzt, gelyncht wird.
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von tutor! »

Ich überlege, wie eine Brücke oder ein gemeinsames Verständnis der Sache aussehen könnte und mache einfach einmal einen Versuch.

Ich definiere einfach einmal ein "Judo im engeren Sinn" als "körperliche Aktivität, bei der die offiziellen Inhalte des Judo-Curriculums im Sinne der Grundprinzipen Kanos" aus geführt werden.

Ich definiere ebenso ein "Judo im umfassenden Sinn" als die Beachtung der beiden Prinzipien bei allen täglichen Verrichtungen.

Mit diesen beiden Definitionen:
  • werde ich IMHO Kanos Verständnis von Judo gerecht
  • lasse aber dennoch auch Spielraum für etwas zwischen "eng" und "umfassend".
Niemand kann bezweifeln, dass der Umgang mit Waffen, wenn er Kanos Prinzipien folgt, Judo im umfassenden Sinn (laut obiger Definition) ist. Er ist nur teilweise "Judo im engen Sinn", da nur zum Teil im Judo-Curriculum.

Aber er ist - entsprechend betrieben - sicher Judo im "weiten Sinn", wenn ich als dritte Definition "Judo im weiten Sinn" als Kampfformen definiere, die im Einklang mit Kanos Prinzipien betrieben werden. Denn ich habe noch keine Stimme gehört, die sagte, das ginge nicht.

Bitte aber jetzt nicht wieder über die Verarmung des Judo zu einem Judo im engeren Sinn debattieren. Ich meine es als eine Art Sprachregelung - nicht mehr.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
Lin Chung
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von Lin Chung »

Wie ich das sehe:

Judo sollte nach Kano die beste Kampfkunst der Welt werden.
Was aber bringt eine Kampfkunst, die nur aus Werfen, Hebeln, Würgen und Haltegriffe besteht.
Nichts.
Da viele Jujutsu-Stile neben Atemis auch Waffentraining beinhalteten, wäre es verkehrt, dies nicht auch anzubieten.
Deshalb hat er ja auch seine Schüler zu anderen Ryus geschickt und auch Ryus aufgenommen.
Das es Waffentraining gab, hat Reaktivator inzwischen bestätigt.

Die Frage ist nur, können wir soetwas hierzulande im Judo anbieten.
Wer kann das unterrichten?
Dann hätte Judo wieder einen höheren Stellenwert.
Grüße
Norbert Bosse
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Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von Jobi »

Wenn ich mir die letzten Beiträge so anschaue, ist meine Theorie ja vielleicht doch nicht ganz so absurd.

MfG
Jobi
Mit freundlichen Grüßen
Jobi


Wer das Ziel kennt, kann entscheiden.
wer entscheidet, findet Ruhe.
Wer Ruhe findet, ist sicher.
Wer sicher ist, kann überlegen.
Wer überlegt, kann verbessern.
HBt

Re: Jûdô und Waffen

Beitrag von HBt »

Norbert hat geschrieben:Judo sollte nach Kano die beste Kampfkunst der Welt werden.
Das glaube ich nicht.
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