Eine bestürzend erwartbare Reaktion, lieber "Jupp" ...
Also nochmal (auch für Kumamoto): es ging darum, daß es den Tai-Otoshi (der auch unter anderen Namen bekannt war) in den KORYÛ BUGEI bereits seit Jahrhunderten gab.
Wo er erfolgreich angewandt wurde und deshalb im Curriculum etlicher Ryû-ha verblieb.
Tai-Otoshi ist keine Erfindung Kanôs.
(Hat auch niemand behauptet, ich weise trotzdem nochmal darauf hin).
Dieses Wurfprinzip "Tai-Otoshi" wurde völlig unabhängig von der Länge der Ärmel des Gegner eingesetzt, und zwar effektiv, sonst wäre es im Curriculum etlicher Koryû nicht aufgetaucht.
Mir ist auch nicht bekannt, daß es in den Densho dieser oder jener Ryû-ha einen Hinweis darauf geben würde, der besagt: "Tai-Otoshi ist nur bei Gegnern mit langen Ärmeln effektiv anwendbar!"
Nochmal zum Merken: die Ärmel der Jacken (Uwagi/Shitagi) waren sogar oft so lang, daß sie hochgebunden werden mußten mit extra dafür vorgesehenen, "Tasuki" genannten Bändern.
Nochmal zum Merken: es gab KEINE "Jûjutsu-Jacken".
Es gab - anders als von "Jupp" dargestellt - keine Trainingsuniform für das Training der Koryû, und bis zur Entwicklung der Keikogi durch Kanô gab es auch KEINE Trainingsuniform im Kôdôkan Jûdô!
Da Kanô also die Keikogi um die Jahrhundertwende entwickelte, wurde sein Jûdô ein paar Jährchen lang (von 1882 bis zum Ende der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts) NICHT in den uns heute bekannten Jûdôgi (Keikogi), sondern in Alltagskleidung ausgeübt.
Nochmal: dabei trug man überwiegend Hakama und "Uwagi" oder "Shitagi" genannte Jacken, deren Ärmel mal kurz und mal länger waren.
Nun fragen wir uns, wie und ob überhaupt der Tai-Otoshi bzw. das Wurfprinzip gleichen Namens von Kanôs Schülern ausgeführt und angewandt wurde, wenn doch VOR der Erfindung des Keikogi jeder im Training trug, was er gerade hatte ... und die Effektivität des Tai-Otoshi ja angeblich von der Länge der Ärmel des Gegners abhing.
Es ist zwar vergeblich, aber es sei noch einmal gesagt: die Ausführung des Tai-Otoshi hängt NICHT von der Länge der Ärmel ab.
Und es gab keine "Jûjutsu-Jacken"!!
Es wäre mir neu, wenn für das Training der Koryû Bugei in Japan während der Edo-Zeit (oder noch früher) oder während der beginnenden Meiji-Epoche Jacken hergestellt worden wären, die EXPLIZIT für das Training der Koryû Bugei vorgesehen waren.
Sollte ich ich da irren, und hat es eine solche Produktion von "Jûjutsu-Jacken" tatsächlich gegeben, bitte ich um handfeste Belege dafür.
Bislang aber ist von einer Produktion von "Jûjutsu-Jacken" weder in der Edo-Zeit noch in der beginnenden Meiji-Epoche etwas zu finden.
Nach dem derzeitigen Stand des Wissens gab es KEINE "Jûjutsu-Jacken".
Folglich ist "Jupps" Einlassung zur Effektivität des Tai-Otoshi, der angeblich erst durch die Verlängerung der Ärmel der "Jûjutsu-Jacken" wirklich effektiv wurde, einfach nur falsch.
Es hätte mir, wie gesagt, wirklich sehr großen Respekt abgenötigt,wenn "Jupp" in der Lage gewesen wäre, schlicht und einfach mal zuzugeben, daß er sich geirrt bzw. eine falsche Schlußfolgerung übernommen hat, einfach weil sie logisch klang.
Reaktivator schrieb:
Beim Koryū-Bujutsu trainierte man keineswegs "IMMER in Alltagskleidung" - im Gegenteil: Es gab z.T. innerhalb einzelner Ryūha sogar unterschiedliche Trainingskleidung, je nachdem, ob man Kata oder Randori machte.
Dann müssen sich die Vertreter jener Ryû-ha, mit denen ich mich seit längerem über dieses Thema austausche, wohl allesamt irren und haben von ihren eigenen Schulen, deren Curriculum und deren Geschichte keine Ahnung.
Man trug im Training der Koryû entweder die "Unterwäsche der Männer" (eine lange Leibbinde) oder Hakama samt Uwagi/Shitagi.
Und das waren nun mal - ANDERS als der von Kanô entwickelte Keikogi - Kleidungsstücke, die im Alltag getragen wurden, also KEINE extra für das Training (und NUR zu diesem Zweck) produzierten Klamotten.
Reaktivator schrieb auch:
Wenn "Jupp" von einer Jūjutsu-"Jacke" spricht, so versteht man darunter also doch wohl zunächst einmal einfach nur eine Jacke, die man beim Jūjutsu trägt bzw. früher trug.
Das sehe ich, mit Verlaub, ein wenig anders.
Es geht um Korrektheit.
Wenn ich zu meinem Muay-Thai-Training eine Jeans trage (wäre zwar nicht optimal, aber möglich), ist diese Jeans dann eine "Muay-Thai-Hose"?
Wenn ich zum Jûdôtraining ein stabiles Jackett aus Harris Tweed trüge (was der Herr verhüten möge) - ist dieses Sakko dann eine "Jûdôjacke"??
Wenn ich wollene Fausthandschuhe zu meinem Boxtraining über meine Hände streifen würde - wären das dann "Boxhandschuhe"?
Zu Kanôs beim Training der Kitô-Ryû getragener Jacke schreibt Reaktivator:
Die Abbildung habe ich Yoshiaki Tōdōs 2007 in gedruckter Form erschienenen Dissertation zur Jūdō-Geschichte entnommen, konkret dem Kapitel zur Kitō-ryū.
Siehe: T̄ŌDŌ, Yoshiaki: Jūdō no rekishi to bunka (Geschichte und Kultur des Jūdō). Tōkyō: Fumaidō Shuppan 2007, Seite 48
Dazu die Frage - hat Yoshiaki Tôdô nachgewiesen, daß diese Jacke eine extra für das Training der Koryû hergestellte Jacke war? Oder hat er das irgendwo behauptet?
Oder ist es ncht vielmehr so, daß er lediglich eine Abbildung der Jacke zeigt, die Kanô beim Training des Kitô Ryû Jûjutsu trug?
Ist es nicht so, daß es sich bei dieser Jacke um ein Alltagskleidungsstück handelt, welches Shitagi genannt wurde und ganz normaler Bestandteil der japanischen Alltagskleidung jener Zeit war?
Gut, ich hab mich wieder mal hinreißen lassen ...
Ich denke, die Fakten liegen offen zutage.
Wer nun immer noch glauben möchte, daß "der Tai-Otoshi erst seine volle Wirksamkeit entfalten konnte, nachdem Kanô die Ärmel der Jûjutsu-Jacken verlängert hatte ..."
Der soll das halt glauben.
Nota bene:
Einige mir gut bekannte Vertreter der Yôshin Ryû haben diese Diskussion hier (und die frühere, von Tutor verlinkte) einigermaßen fassungslos verfolgt und haben sich besonders an "Jupps" Begriff der "Jûjutsu-Jacken" erfreut. Ebenso wie an der Behauptung, für die Anwendung des Wurfprinzips "Tai-Otoshi" sei die Ärmellänge des Gegners von entscheidender Bedeutung.
Aber was wissen die schon ...
Kumamoto schrieb:
Grundsätzlich muss ein Zusammenhang zwischen Schnitt und Größe des Judogi und der Anwendbarkeit von Würfen bestehen - denn nicht umsonst werden auf Turnieren die Jacken und Hosen reglementiert, um Chancengleichheit zumindest theoretisch zu gewährleisten.
Lieber Kumamoto,
du bringst den heutigen Wettkampfsport durcheinander mit Kanôs Kampfkunst des späten 19. Jahrhunderts.
Nochmal: Kanôs Schüler trainierten bis zur Entwicklung des Keikogi durch Kanô ganz einfach in Alltagskleidung ... und da hatten die verschiedenen Jackentypen (Uwagi/Shitagi) unterschiedlich lange Ärmel. Manche waren, wie gesagt, so lang, daß sie hochgebunden werden mußten, manche waren kurz ...
Die heutigen Reglementierungen über die Ärmellänge der Jûdôgi und deren Weite in Zusammenhang zu bringen mit der generellen Anwendbarkeit der von Kanô aus etlichen Koryû übernommenen Techniken halte ich für sehr gewagt ...
Denk da mal drüber nach.
Ich hätte - ein wenig Entgegenkommen und Einsicht vorausgesetzt - einige Dinge über die "Trainingskleidung" bspw. der Yôshin Ryû u.a. zur Verfügung stellen und belegen können, ebenso wie einige Dinge über den Tai-Otoshi der Koryû allgemein und der Daitô Ryû und zweier anderer Schulen im Besonderen, aber da hier lieber darauf bestanden wird, daß "schon alles gesagt" sei und "Jupp" (wie schon so oft) von ihm begangene Fehler um nichts in der Welt zugeben kann, möchte ich hier niemanden weiter belästigen.
Gut, das Thema hat sich dann hier in diesem Forum für mich erledigt.