Motivationsproblem

[Shinbashi]

Heute waren wir mit unseren U10-Kindern auf einem Turnier.
Meine Tochter fing nach dem Wiegen vor Kampfbeginn an, unruhig zu werden.
Auf meine Frage hin sagte die was von Schmerzen (Bauch, Kopf, Fuß... )
Da ich mein Kind kenne, fragte ich nach und da kam raus, daß sie Angst hat und sehr aufgeregt ist. Also bin ich mit ihr erstmal raus und vom Trubel weg und habe mit ihr geredet.
(Das die Anderen auch aufgeregt sind und evtl. "Angstgegner" haben usw. und das niemand wirklich verliert, sondern alle gewinnen und sei es an Erfahrung)
Das schien zu funktionieren und zum ersten Kampf ging sie gut ran.
Ihr Angriff scheiterte und die andere kam zu einem guten Kesa-Gatame, aus dem meine nicht rauskam. Dann war alles aus. Tränen und Geheul und "Ich kämpfe nie mehr!"
Also habe ich sie rausgenommen und sich umziehen lassen, denn zwingen ist falsch und geht nach hinten los (denke ich).
Ich habe sie meine Enttäuschung schon merken lassen, aber nicht weiter gebohrt und drauf rumgehackt. Für dieses Jahr ist es mit Turnieren sowieso vorbei.
Wie motiviere ich sie für das nächste Jahr???

Gruß
shinbashi

[tutor!]

Wie motiviere ich sie für das nächste Jahr???
shinbashi

Gar nicht! Lass sie nur kämpfen, wenn sie das von sich will. Und zwar ohne, dass ihr irgendjemand - und schon gar nicht der Vater - sagt, dass sie kämpfen soll. Wenn sie will ist es gut - und wenn nicht, dann muss es auch gut sein!

[Lin Chung]

Wie motiviere ich sie für das nächste Jahr???

...sie wird schon von alleine kommen. Sicher sie ist erst mal frustriert, da es nicht sofort geklappt hat. Aber dass ist im Sport so. Hoffe, sie hat sich die anderen Kämpfe noch angesehen.
Wichtig ist für sie, dass sie sich jetzt erstmal im verstärkt im Boden das Herauskommen übt oder das Verhindern. Wenn das klappt, wird sie denken, warum habe ich das damals nicht so gemacht.

Einfach im nächsten Jahr fragen: "Hast du Lust. "

[Shinbashi]

Danke für die Tipps.

Klar haben wir uns die Kämpfe angesehen. Besonders die nachfolgenden U13 waren schon ein anderes Kaliber.
Das Schärfste habe ich erst heute erfahren. Nach den Kämpfen hat ihre "Angstgegnerin" sie angesprochen und bedauert, daß meine nicht mitgemacht hat.
Das hat sie schon getroffen
Wobei Angstgegnerin das falsche Wort ist. Sie treffen bei jedem Turnier aufeinander und sind etwa gleichstark. Mal gewinnt die Eine - Mal die Andere.
Das Mädchen ist halt etwas zäh und blockt. Oft gewinnt eine nur durch das Sammeln kleiner Wertungen. Das strengt schon an.

Gruß
shinbashi

[Syniad]

Vielleicht ein bisschen OT, aber ich möchte gern bemerken, wie schön ich das

Das Schärfste habe ich erst heute erfahren. Nach den Kämpfen hat ihre "Angstgegnerin" sie angesprochen und bedauert, daß meine nicht mitgemacht hat.

finde. Das spricht doch für einen ernsthaften, freundlichen Umgang miteinander.
Gut, dass ich nicht Deiner Haut stecke, Shinbashi: Mir würde garantiert nichts einfallen, was man noch sagen oder tun könnte und was pädagogisch wertvoller und effektiver wäre.

Gruß,
Sonja

[Lileu]

Ich habe sie meine Enttäuschung schon merken lassen, aber nicht weiter gebohrt und drauf rumgehackt.

Du hast sie nicht im Ernst Deine Enttäuschung über ihre Niederlage merken lassen?!
In der Altersklasse U10 darf es nun wirklich nicht mit Leistungsdruck gehen!
Da geht kein Kind gerne kämpfen, wenn es weiß, wenn ich jetzt verliere, sind meine Eltern enttäuscht.

[Shinbashi]

Du hast sie nicht im Ernst Deine Enttäuschung über ihre Niederlage merken lassen?!
In der Altersklasse U10 darf es nun wirklich nicht mit Leistungsdruck gehen!
Da geht kein Kind gerne kämpfen, wenn es weiß, wenn ich jetzt verliere, sind meine Eltern enttäuscht.

Das hast du falsch verstanden. Nicht die Niederlage ist die Enttäuschung sondern das Theater vorher.
Sie hätte ja vorher sagen können, daß sie nicht kann/will. Da hätten wir von Anfang an zugeschaut und das wäre auch ok gewesen. Mein liebes Kind hat ja auch am Vortag bis um 23:00 Nintendo spielen müssen und war dann übermüdet.
So kam alles zusammen. (sowas erfahre ich immer erst hinterher )
Jetzt warte ich ab, ob sie zu den nächsten Turnieren gehen will.
Wenn ja, kriegt sie die volle Unterstützung dazu.

[Ronin]

Klingt für mich alles nach:

Beim nächten Mal ist es alles nicht mehr so heiss, wie es gekocht wurde.

Ich würde mir da gar nicht so viele Sorgen machen.

[Jupp]

...ein paar Tipps:
1. Viele Kinder gehen auf Turniere und wissen überhaupt nicht, was sie dabei machen sollen. Meine Fragen an Dich als Vater (auch als Trainer?):
- hat Deine Tochter geübt, was sie im Wettkampf machen will?
- d.h. kennt sie den Griff für ihren Wurf, mit dem sie werfen will genau?
- hat sie im Training geübt, wie man seinen Griff findet und wie man dann genau den Wurf macht, wenn der andere sich bewegt?
Angst entsteht nämlich oft deswegen, weil man nicht weiß, was auf ein zukommt. Wenn man einen (auch einen ganz einfachen) Wettkampfplan hat, kann das die Angst schon mindern

2. Viele Kinder bereiten sich auf Turnieren nicht oder nicht richtig auf ihre Kämpfe vor!
Meine Fragen an Dich als Vater (auch als Trainer)?
- macht Dein Kind ein vorher geübtes Aufwärmprogramm?
- ist dieses Programm sorgfältig aufgebaut, also allgem. Aufwärmen mit Laufen und Gymnastik, spezielles Aufwärmen mit Werfen und Fallen und Wiederholen der Dinge, die man im Wettkampf machen will?
- hilfst Du Deinem Kind bei einem solchen Programm, sich gewissenhaft vorzubereiten?

3. Viele Kinder haben alles mögliche im Kopf bei einem Turnier, aber nicht ihre Kämpfe, auf die man sich körperlich und geistig einstellen muss, auch als Gelbgurt in der U10!
Meine Fragen an Dich als Vater (auch als Trainer)?
- hast Du mit Deinem Kind vor den Kämpfen über seine Ziele für den Wettkampftag gesprochen?
- kennst Du die genaue Motivation Deines Kindes an Judo-Wettkämpfen teilzunehmen? (will es siegen?, will es sich erproben?, will es Dir gefallen?, will es mit den Freunden zusammen sein? Hat es Angst, als Außenseiter dazustehen, wenn es nicht mitmacht usw.)

Wie Du vielleicht siehst, ist es manchmal ganz schön schwer, sich richtig auf einen Wettkampf vorzubereiten, vor allem, wenn man erst neun Jahre alt ist. Vielleicht ist Dein Kind auch einfach noch nicht so weit, mit dem Stress eines Judo-Wettkampfes außerhalb des Vereins fertig zu werden. Das ist ja auch nicht ohne...! Meine Empfehlung: vielleicht ein paar Kämpfe mehr auf Vereinsebene, im Training, in einer anderen Gruppe, extra an einem Wochenende mit den anderen Vereinskids.... . So kann man sich ans Kämpfen gewöhnen und fühlt sich in der gewohnten Umgebung sicherer. Wenn dann der Wunsch, der Ehrgeiz da ist, mehr zu wollen, dann kann man den nächsten Schritt tun.

Aber vermutlich weißt Du das alles ja auch selber...
Uli Klocke

[andygalke]

hi,
das kommt immer mal vor, daß einer mal keine Lust oder Angst vor einen Kampf hat. Das beste Beispiel war am Samstag auf der Nordbayrischen Meisterschaft der MU 14, war mit fünf von meinen Schützlingen dabei. Kam auf einmal mein bester Kämpfer zu mir und sagte es geht im schlecht (Bauchweh angeblich). Da hab ich zu ihm gesagt: "Ruh dich aus und wenn du vor deinem Kampf auch noch Bauchweh hast, dann brauchst du nicht kämpfen." Ich hab es ihm irgendwie nicht abgekauft, ich kenn ihn schon, seitdem er acht ist. Und hab dann von meinen anderen Schützlingen erfahren, daß er Angst hat zu versagen, weil seinen Eltern halt ihn ein wenig unter Druck setzen. Daraufhin bin ich zu ihn hingegangen und hab mit ihm darüber geredet, war vielleicht nicht der perfekte Zeitpunkt, aber hat sich mir geöffnet und über sein Problem geredet, ich hab ihn daraufhin Mut zugesprochen, und ihm klar gemacht, dass das hier nur ein Turnier ist: "Wenn du verlierst, ist auch nicht so schlimm." Es gibt noch andere wichtige Turniere in deinem Leben. Danach hab ich ihn noch mal warm gemacht mit meinen anderen vier Schützlingen. Und was er dann gemacht, hat war einfach unglaublich, er hatte in der ersten Runde ein Freilos gehabt, weil er mittelfränkischer Vizemeister wurde. Im Achtelfinale souverän durch Seoi-nage gewonnen nach ca. einer Minute. Im Viertlfinale, durch einen sehr schönen Tomoe-nage gewonnen. Und dann im Halbfinale sogar nach 20 Sekunden durch einen De-ashi-barai gewonnen. Im Finale war dann sein Gegner von der Mittelfränkischen Meisterschaft und da hat er sogar im Golden Score mit einen Yuko durch seinen Tomoe-nage, sogar den nordbayrischen Meistertitel gewonnen. Und meine anderen vier Schützlinge belegten die Plätze einmal fünfter, einmal siebter und zweimal T. War wirklich ein schöner Tag mit Höhen und Tiefen. So ist es halt im Leben.

[Shinbashi]

@Jupp:
So umfassend habe ich das noch gar nicht betrachtet!
Wenn es wieder soweit ist, werde ich das berücksichtigen. Danke für die Tipps.

Es ist ja nicht so, daß sie die totale Anfängerin ist. Sie war schon bei 5 Turnieren und da sind 3x 1. ,1x 2. und 1x 3. dabei rausgekommen. Deswegen war ich so überrascht.

[Fritz]

Sie war schon bei 5 Turnieren und da sind 3x 1. ,1x 2. und 1x 3. dabei rausgekommen.

Das ist auch ein großes Problem, wenn Kinder gleich bei den ersten Turnieren
zu erfolgreich sind. Dadurch setzen sie sich manchmal selbst extrem unter Druck und das
kann dann umschlagen in die beobachtete Reaktion, wenn sie spüren, daß sie nen schlechten Tag
haben und den eigenen überhöhten Ansprüchen nicht gerecht werden können.

Du mußt sie dazu bringen, Kämpfe als das zu sehen, was sie in der Altersklasse auch sein sollten:
Gelegenheit zum Training, sammeln von Erfahrung - ob da eine Plazierung hinterher rauskommt
oder nicht ist zweitrangig, wichtig ist, daß sie was gelernt hat...

[Shinbashi]

kleines Update: bei uns gibt es das "Rebland-Randori". Da trainieren Kinder und Jugendliche aus Vereinen der Region miteinander und messen sich in kleinen, lockeren Randori.

http://www.judo-sinzheim.de/pdf/2008%20 ... andori.pdf

Meine Tochter ist erst jetzt dazugekommen, da der vorige Verein nicht mitmachte.
Sie ist mit Eifer dabei und scheint zu alter Kraft zurückgefunden zu haben.
Auch mit höher Graduierten oder Älteren hatte sie kein Problem.
Das Training macht ihr Freude und ich denke, der "Aussetzer" war wirklich das Zusammentreffen
verschiedener Faktoren.

Gruß
shinbashi

[franzü]

Bei mir war das am Anfang genauso, wie bei deiner Tochter.
Als ich mein erstes Turnier hatte, wollte ich auch nie wieder kämpfen. Aber irgendwann war dann ein Turnier, dass mit Zeltlager verbunden war und ich wollte unbedingt mit. Eigentlich wollte ich nur mit zum Zelten, aber irgendwie hat es mein Trainer geschafft, mich zu überreden, auch zu kämpfen.
Das hat mir dann wieder so einen Spaß gemacht, da wollte ich dann wieder Turniere machen.

[Trini]

Wir haben im Verein ein Mädchen, das sich ebenfalls mächtig unter Druck gesetzt hat.
Sie kam aus einem anderen Verein mit 9 Jahren und Grüngurt (alte PO). Nach dem Wechsel zu uns und dann in die U 14 musste sie ein Tal durchschreiten und ist jetzt plötzlich überraschend Bezirksmeisterin und LM-Zweite geworden. Selbst bei der Norddeutschen hat sie es zu einem 7. Platz geschafft.
Dieses Mädchen "dient" mir gerade dazu, Sohni zu motivieren, der leider bei der LM seine beiden Kämpfe verloren hat ... und mächtig in den Motivations-Seilen hängt.

Trini

[franzü]

Ich denke mal, dass wenn man zur LM kommt, man schon ganz schön gut ist, weil man muss sich ja auch noch qualifizieren dafür!

[Trini]

Das erklär mal einem Elfjährigen, der am Vormittag sieht, wie seine beiden Vereinskolleginnen auf's Treppchen steigen und am Nachmittag "platzt".

Trini

[Shinbashi]

Wir hatten dieses Wochenende ein kleines Turnier veranstaltet. (Bambini Randori Cup)
Da hat meine Tochter mitgemacht und in ihrer Gewichtsklasse den 2. Platz geholt.
(zwar etwas dumm gelaufen, da die Erste verbotenerweise über die Schulter bzw. um den Hals gegriffen hat,
aber deswegen fange ich kein Streit mit dem Kari an. )
Die ersten Kämpfe hat sie sauber mit Ippon gewonnen. Also ist wieder alles beim alten.

shinbashi

[Shinbashi]

Der Faden ist zwar nun schon Jahre alt, aber immer noch aktuell.
Meine Große ist immer noch dabei. Dieses Jahr ist das beste. Vom Kreis über Bezirk und die Badische Meisterschaft U12
gewonnen. Am Samstag waren wir dann zur offenen Baden-Württembergischen Meisterschaft U 13.
Das hätte als "Sahnehäubchen" noch oben draufgepasst. Aber es wurde nix. Schon im ersten Kampf unkonzentriert und passiv. Mit der "Rolle" (Shido für Passivität) kamen die Tränen und der Kampf ging verloren. Nichtmal mit Ippon sondern 1 Waza-Ari. Dann total ausgeflippt: "nie wieder", "ich kämpfe nicht mehr" etc. Ich habe nur gesagt, dass nix war und sie doch an die "Badische" zurückdenken sollte, wo sie so schön reingegangen ist und geworfen hat. Uchi-Mata, Harai-Goshi und Fußfeger - das volle Programm. Also konnte sie noch 3. werden. Sie hat sich wieder gefangen und den Auftakt der Trostrunde gewonnen. Bei der nächsten fand sie anfangs kein Mittel und schon ging`s wieder los.
Irgendwie ist sie dann zu Boden gekommen und aus dem Haltegriff nicht raus. Das war`s dann.
Danach war sie noch eine halbe Stunde geknickt und dann war`s vergessen. Wie ausgewechselt.
Ich hatte sie noch vorher gefragt, ob wir da hingehen sollen. Sie war euphorisch und hat sich ausgemalt, was sie machen will.
Setzt sie sich selber unter Druck? Ich stehe am Rand und kann das "Unheil" kommen sehen. Ich kann reden, was ich will.

[Jupp]

Das Problem kennt jeder Trainer und jeder Vater!

Immer wieder gibt es Kids, die sich durch Niederlagen von ihrem Weg abbringen lassen.

Dabei sind es doch gerade die Niederlagen, aus denen man am meisten lernen kann. Wer nie lernt zu verlieren, der wird sich auch nicht weiter entwickeln.

Als Betreuer/Vater kann man dann nur die Kids in Ruhe lassen und abwarten bis der "Kummer" vorbei ist. Aber dann sollten Vater/Betreuer und Schüler aus der Niederlage lernen:
- der Vater/Betreuer vielleicht, dass er den Schüler/sein Kind alleine kämpfen lassen und möglichst wenig reinrufen sollte. Dann etsteht auch kein Druck von außen
- das Kind/der Schüler kann dann (auch mit Hilfe eines kompetenten Betreuers/Vaters wenn es will) darüber nachdenken (oder auch diskutieren), was es falsch gemacht hat bzw. wo es noch nicht so weit war, um diesen Kampf zu gewinnen.

Denn auch das muss man lernen: egal wie gut man ist, man wird immer wieder auf jemanden trefffen, der an diesem Tag besser war!

Wer diese Wahrheit nicht aushalten kann, der wird sich im Kampfsport immer sehr schwer tun!

Jupp