Problemfelder bei Danprüfungen

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tutor!
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Re: Problemfelder bei Danprüfungen

Beitrag von tutor! »

Caesar hat wesentliche Probleme angesprochen, für die es auch keine Patentlösungen gibt.

Die praktische Umsetzung der Prüfungen ist Ländersache, das darf man nicht vergessen. Deshalb ist es schwierig verallgemeinernde Aussagen zu Problemen der Praxis zu machen. Diese müssten immer vor dem Hintergrund des konkreten LVs bewertet werden.

Ein weiteres Problem ist aus meiner Sicht, dass die Dan-PO nur unzureichend unterschiedliche Biographien und unterschiedliche persönliche Schwerpunkte abdeckt. Weiter oben habe ich bewusst Beispiele aus den höheren Dan-Graden genommen, jedoch streben die Mehrzahl der Prüflinge den 1. oder 2. Dan an.

Hier habe ich in der Vergangenheit aktuelle Nationalkämpfer genauso geprüft wie Kandidat/innen, die erst im Alter von +30 Jahren mit Judo begonnen haben und von daher vollkommen andere persönliche Ziele verfolgt haben. Das eine, wie das andere hat seine Berechtigung und die einen wie die anderen sollten ihrer jeweiligen Judowirklichkeit angemessenen Prüfungsaufgaben bekommen, denn zumindest bei den unteren Dan-Graden kann man keine umfassende Judokompetenz in allen Segmenten erwarten.

Mit anderen Worten: Mir persönlich sind die Prüfungsaufgaben in den unteren Dan-Graden zu wenig differenzierend. Und weil sie das nicht sind, liefern sie auch m.M.n. wenig Potential zu intrinsischer Motivation, sich mit den Aufgaben zu beschäftigen und sich dann auch einer Dan-Prüfung zu stellen. Und weil das so ist, kann man schon lange nicht mehr davon sprechen, dass hoher Dan-Grad und Judokompetenz zwingend Hand in Hand gehen. Viele hervorragende Judoka - Wettkämpfer wie Trainer - sind relativ niedrig graduiert, weil die Vorbereitung und das Ablegen einer Dan-Prüfung für sie wenig reizvoll erscheint. Dem sollte man zumindest versuchen, Abhilfe zu schaffen.
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Option Danprüfung

Beitrag von HBt. »

Nach den letzten Beiträgen, die ich übrigens sehr gut und hilfreich finde - etwas Lobhudelei muss sein ;-), stellt sich im Grunde genommen nur eine einzige Frage:
wie und wodurch kann die Prüfungsordnung motivierend wirken, eben anregend' eine individuelle und trotzdem sehr anspruchsvolle ... zügig auf der Karriereleiter voranzuschreiten ...

nach der Relevanz (Akzeptanz & Verständnis)?! Attraktiv sollte sie sein, also anspruchsvoll - mit Aufgabenfeldern gefüllt, Lernfelder.

Grundsätzlich muss vorab geklärt und damit auch definiert sein, welche Fähigkeiten mindestens abzudecken sind, auf den Stufen 1 bis 5. Wurde dieses in den letzten Jahrzehnten nach dem letzten
großen Weltkrieg schon abschließend getan? Möglicherweise habe ich es vergessen, das kann schon sein.
tutor! hat geschrieben:Bei der Theorieprüfung zum 5. Dan habe ich immer Bauchschmerzen. Als Prüfer bekomme ich dann eine Ausarbeitung, die umfangreichste hatte 140 Seiten. Da machen sich manche eine gewaltige Arbeit, aber wenn ich dann in den Inhalt schaue, dann tue ich mir schwer, das zu bewerten. Für viele ist das die erste umfangreiche Arbeit überhaupt - entsprechend zäh liest es sich dann auch....

Ein anderes Problem ist die eigene Kata. Da muss erstens bewertet werden, ob die Zusammenstellung über der Messlatte liegt oder ob es sich um eine Trivialsammlung verschiedener Übungen handelt. Als zweites Kriterium kommt dann noch die Ausführungsqualität dazu.

Wie soll ich als Prüfer mit Aktionen in der SV umgehen, die eindeutig einen Notwehrexzess darstellen?

Ein weiteres Problem ist, dass insbesondere am Boden Situationslösungen ausgesucht werden, die mit einer realistischen Anwendungsmöglichkeit wenig zu tun haben.

Beim Fach Spezialtechniken, sieht man immer wieder, dass Techniken gezeigt werden, die die Prüflinge mit hoher Wahrscheinlichkeit nie erfolgreich im Randori angewendet haben.
Diese Beispielpunkte illustrieren sehr schön die realen Schwierigkeiten und Probleme, sie bringen die teilweise gegebene Absurdität auf den Punkt und könnten bei Gelegenheit tiefer erörtert werden.
Aus Sicht der Prüflinge fehlt noch der Gegenpart und darum dreht sich vielleicht dieser Faden(?).

HBt.

#
Auf die Neuorientierung der APO bin ich sehr gespannt, es könnte gut werden oder auch nur schön verpackt :D ;).
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Judokompetenz

Beitrag von HBt. »

tutor! hat geschrieben:Und weil das so ist, kann man schon lange nicht mehr davon sprechen, dass hoher Dan-Grad und Judokompetenz zwingend Hand in Hand gehen.
Was ist das?

Jenes sollte unmissverständlich definiert werden. Und letztendlich das Ziel eines jeden Judotreibenden sein, vorher muss er wissen, was das ist. Gehts nicht mehr Hand in Hand
mit der illusionistischen Progression, alleine durch Prüfung 1 bis 5, dann sind die Graduierungen obsolet und absurd - unlösbar, insbesondere in der heutigen Zeit oder völlig normal?.

Hilfreich ist:
  • eine Auflistung der (Judo)Kompetenzen
    mit Erklärungen
    aufgeschlüsselt zu den angestrebten Graduierungen, und-oder Lernfeldern.
Fragwürdig ist:
  • die Linearität
    1,2,3,4,5,6,... 10.
Zuletzt geändert von HBt. am 03.04.2021, 12:11, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Judokompetenz

Beitrag von tutor! »

HBt. hat geschrieben: 03.04.2021, 11:56
tutor! hat geschrieben:Und weil das so ist, kann man schon lange nicht mehr davon sprechen, dass hoher Dan-Grad und Judokompetenz zwingend Hand in Hand gehen.
Was ist das?

Jenes sollte unmissverständlich definiert werden. Und letztendlich das Ziel eines jeden Judotreibenden sein, vorher muss er wissen, was das ist. Gehts nicht mehr Hand in Hand
mit der illusionistischen Progression, alleine durch Prüfung 1 bis 5, dann sind die Graduierungen obsolet und absurd - unlösbar, insbesondere in der heutigen Zeit oder völlig normal?.
Nun, ich kenne wirklich hervorragende Judoka, nicht nur aktive Wettkämpfer, sondern auch gereiftere Trainer, mit 2. bis 4. Dan, während ich auch eine ganze Reihe "Bahnschranken" kenne, die der ersten Gruppe auch nicht annähernd das Wasser reichen können. Das ist damit gemeint.

Ursache hierfür ist in erster Linie, dass für viele der ersten Gruppe ein höherer Dan-Grad nicht (mehr) erstrebenswert erscheint, bzw. sie sich nicht einer Prüfung durch Vertreter der zweiten Gruppe aussetzen wollen. Meine letzte Prüfung liegt über 30 Jahre zurück - heute würde ich das vermutlich auch nicht mehr wollen.
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Istzustand

Beitrag von HBt. »

tutor! hat geschrieben:Nun, ich kenne wirklich hervorragende Judoka, nicht nur aktive Wettkämpfer, sondern auch gereiftere Trainer, mit 2. bis 4. Dan, während ich auch eine ganze Reihe "Bahnschranken" kenne, die der ersten Gruppe auch nicht annähernd das Wasser reichen können. Das ist damit gemeint.

Ursache hierfür ist in erster Linie, dass für viele der ersten Gruppe ein höherer Dan-Grad nicht (mehr) erstrebenswert erscheint, bzw. sie sich nicht einer Prüfung durch Vertreter der zweiten Gruppe aussetzen wollen. Meine letzte Prüfung liegt über 30 Jahre zurück - heute würde ich das vermutlich auch nicht mehr wollen.
Exakt so hatte ich Dich auch verstanden, noch einmal ein Dankeschön für die erweiterte Erklärung :D.

Trotzdem muss der Begriff der Kompetenz im Speziellen schriftlich (und eindeutig) fixiert werden, verständlich und für jeden nachvollziehbar sein, u.U. an die Graduierung gekoppelt sein - scheinbar ist jenes nicht immer der Fall, QM ist dabei noch ein ganz anderes Thema.
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Korrektur

Beitrag von HBt. »

Hilfreich ist:

eine Auflistung der (Judo)Kompetenzen
mit Erklärungen
aufgeschlüsselt zu den angestrebten Graduierungen, und-oder Lernfeldern.

Fragwürdig ist:

die zwingende Linearität
1,2,3,4,5,6,... 10.
tutor! hat geschrieben: Meine letzte Prüfung liegt über 30 Jahre zurück.
Damit warst Du ein durchaus noch sehr junger "fünfter Dan" - so sollte es sein.
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Mist, wir schweifen ab ...

Beitrag von HBt. »

im weiteren Verlauf sollten wir uns wieder der Sammlung widmen
tutor! hat geschrieben:"Problemfelder" kann man auf unterschiedliche Weise verstehen:
  • als Felder, auf denen die Prüflinge oft schwache Leistungen zeigen,
    als Felder, bei denen ich mich als Prüfer unwohl finde.
und aufkommende Fragen klären.
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Re: Problemfelder bei Danprüfungen

Beitrag von caesar »

tutor! hat geschrieben: 02.04.2021, 11:54 Caesar hat wesentliche Probleme angesprochen, für die es auch keine Patentlösungen gibt.

Die praktische Umsetzung der Prüfungen ist Ländersache, das darf man nicht vergessen. Deshalb ist es schwierig verallgemeinernde Aussagen zu Problemen der Praxis zu machen. Diese müssten immer vor dem Hintergrund des konkreten LVs bewertet werden.
Die Liste könnte man bestimmt noch zahlreich fortsetzen, aber eine Prüfungsordnung kann ja nicht für alle Eventualitäten da sein. Noch nicht einmal die Wettkampfregeln machen das, dafür gibt es da Artikel 27.
Natürlich zählt in der Bewertung und Einschätzung das Kompetenzargument aber das Feingefühl für Bewertungen ist keine Judokompetenz.
Die Frage ist, ob in den Landesverbänden über solche und ähnliche Fragen gesprochen wird. Du schreibst hier vom Hintergrund des LVs nach dessen bewertet werden müsste, aber wenn die LV durch Grundsatzordnung und Prüfungsordnung eng an die Vorgaben des DJB gebunden sind, gibt es da überhaupt einen individuellen Hintergrund in den LV? Soweit ich weiß dürfen die LV ja auch nicht von den Vorgaben des DJB abweichen.
tutor! hat geschrieben: 02.04.2021, 11:54 Mit anderen Worten: mit persönlich sind die Prüfungsaufgaben in den unteren Dan-Graden zu wenig differenzierend. Und weil sie das nicht sind, liefern sie auch m.M.n. wenig Potential zu intrinsischer Motivation, sich mit den Aufgaben zu beschäftigen und sich dann auch einer Dan-Prüfung zu stellen. Und weil das so ist, kann man schon lange nicht mehr davon sprechen, dass hoher Dan-Grad und Judokompetenz zwingend Hand in Hand gehen. Viele hervorragende Judoka - Wettkämpfer wie Trainer - sind relativ niedrig graduiert, weil die Vorbereitung und das Ablegen einer Dan-Prüfung für sie wenig reizvoll erscheint. Dem sollte man zumindest versuchen, Abhilfe zu schaffen.
Ich persönlich glaube nicht, dass andere Prüfungsaufgaben das Problem lösen werden. Die Hauptmotivationen für Danprüfungen sind nach meiner Erfahrung an erster Stelle der Gürtel wird schwarz und an zweiter Stelle, dass man den Dangrad für eine andere Lizenz (Kampfrichter, Trainer) braucht. Diese Punkte sind nach dem zweiten Dan meist aufgebraucht.
Wofür sollen die Leute sich also die Mühe machen sich weiteren Prüfungen zu stellen, wenn sie die Zeit der Vorbereitung dafür auch anderweitig nutzen können?
Das Problem, dass Judokompetenz und ein hoher Dangrad nicht Hand in Hand gehen, hat sich der DJB mit der Reduktion der Prüfungsinhalte und der vereinfachten Vorgabe der Bewertungskriterien selbst gegeben. Zumindest in der letzten Entwicklung der Prüfungsordnung und Bewertungskriterien ist quasi unmöglich geworden nach dem 2. Dan durchzufallen. Einfach weil für ein (+) kaum etwas verlangt wird (da hatte ich mich in einem anderen Faden ja schon zu geäußert) und ab dem 3. Dan viel die eigene Meinung gefragt und man eine eigene Meinung relativ schlecht mit (-) bewerten kann, sofern sie die Prüfungsaufgabe behandelt. Jemand der den 2. Dan besteht, besteht dann auch den 5. Dan, eine Aufgabe, bei der man durchfallen könnte, sehe ich danach irgendwie nicht mehr. Dazu kann man die theoretischen Sachen auch googlen, Beispiellösungen finden sich da und sich den Aufwand also auch sehr gering gestalten. Auch wenn ich nicht hoffe, dass das jemand macht, denke ich realistisch betrachtet, dass das schon einmal vorgekommen ist.
Auch generell ist das Prüfungsprogramm für "professionelle Judoka" wenig reizvoll, denn es ist für die eigentlich nur ein Abrufen dessen, was sie eh ständig machen, bzw. dieses in die Prüfungsaufgabe zu pressen und dazu eine, für sie nutzlose, Choreographie zu lernen, um dann den gleichen schwarzen Gürtel weiter zu tragen. Warum sollten sie noch einen weiteren Beweis über ihre Fähigkeiten bringen, wenn sie das doch eh regelmäßig mehrmals im Jahr, eigentlich fast jeden Tag der Woche machen? Dann wie von tutor! angesprochen auch noch von Leuten, die diese Fähigkeiten vielleicht gar nicht nachvollziehen können.
Es ist auch manchmal schwierig, jugendliche Leistungssportler überhaupt zu diesem Schritt zu motivieren. Wenn diese überhaupt keinen eigenen Antrieb haben, dass der Gürtel schwarz wird, ist es schwer, sie zu diesem Schritt zu bewegen. Die Sportler sehen ja auch andere Danträger, die nicht im Ansatz ihre praktischen Fähigkeiten haben, aber eben teilweise wesentlich höhergraduiert sind. Was soll man da sagen außer "für Olympia brauchst du den aber" oder "du kannst ein besseres Beispiel sein"?

Wie kriegt man also die guten "Judopraktiker" dazu, ihr Wissen in einer Prüfung zu demonstrieren? Du sprichst davon, dass dir "die Prüfungsaufgaben in den unteren Dan-Graden zu wenig differenzierend" sind. Was meinst du damit? Differenzierung der Aufgaben nach "Breitensportler" und "Wettkampfsportler"? Eine Differenzierung nach Alter oder Trainingsstand? Man kann solche Aufgaben groß ausdifferenzieren, aber ist das wirklich zielführend? Hat die Unterscheidung in "Selbstverteidigung" und "normales Programm" etwas gebracht?
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Re: Problemfelder bei Danprüfungen

Beitrag von tutor! »

Um es genau zu sagen, schrieb/meinte ich, dass die Problemfelder bei Dan-Prüfungen LV-spezifisch betrachtet werden müssen. Hintergrund ist, dass obwohl die Prüfungsinhalte dieselben sein sollten, die Art und Weise, wie damit bei den Prüfungen umgegangen wird, teilweise recht unterschiedlich ist. Warum ist das so?

Es gibt große Landesverbände wie NRW, wo rund 70-80 Dan-Prüfer tätig sind. Und es gibt kleine Landesverbände, die nur eine Handvoll Prüfer verfügen. Seitens des DJB sind ja nur Inhalte benannt und es ist keineswegs selbstverständlich, dass sich daraus auch übereinstimmende Vorstellungen über die zu erwartenden Prüfungsanforderungen ergeben. Hierzu müssten auch Bewertungsmaßstäbe mit vereinheitlicht und in fortlaufenden Prozessen evaluiert und angepasst werden. Dazu bräuchte es zumindest einen LV-übergreifenden Austausch, für den aber erstens die Zeit fehlt und zweitens wage ich zu bezweifeln, dass irgend jemand die dafür erforderlichen Kosten übernehmen möchte. Mal ganz abgesehen davon, dass man dann auch eine bundesweite Lizenzierung der Prüfer vornehmen müsste. Für Letzteres dürfte sich außerdem kaum eine Mehrheit unter den LV finden lassen.

Was die Aufgaben und die m.M.n. verbesserungsbedürftige Differenzierung betrifft habe ich vielfach die Erfahrung gemacht, dass manch Prüfungsteile nicht zur Judo-Biografie der Prüflinge passen. Ich habe z.B. eine Dame in Erinnerung, die den 2. Dan machen wollte. Sie hat erst als Erwachsene mit Judo begonnen und war mittlerweile Ende 40. Sie sollte Lösungen erläutern und Demonstrieren, wenn die Spezialtechnik verhindert wird. Da sie mit ihrer Biografie nie eine wirkliche Spezialtechnik entwickelt hatte, war die Prüfungsleistung in diesem Fach entsprechend schwach, obwohl sie sich redlich Mühe gegeben hat.

An einem anderen Tag habe ich einen Nationalkämpfer zum 1. Dan geprüft. Uke war ebenfalls ein Nationalkämpfer. Man kann nicht sagen, dass sie sich keine Mühe mit der Nage-no-Kata gegeben hätten, aber letztlich war das Erlernen für eine Gesamtdemonstration eine reine Zeitverschwendung.

Beide Prüflinge stellen sicherlich Extreme im Spektrum dar. Die ältere Dame sollte doch mit anderen Prüfungsaufgaben ihren 2. Dan bekommen können, wie auch der Nationalkämpfer seinen 1. Dan. Eine zusätzliche Kata - z.B. Ju-no-Kata oder die Seiryoku-zenyo-kokumin-taiiku - wäre doch der Dame viel angemessener gewesen und der Nationalkämpfer hätte mehr davon gehabt, wenn er einzelne Techniken der Nage-no-Kata intensiver geübt hätte und ihm dafür die Gesamtdemonstration mit Lernen der Reihenfolge und Positionen auf der Matte erspart geblieben wäre.

Und ja - ich glaube man muss bei den niedrigen Dan-Graden differenzierende Aufgabenstellungen finden, die eine bessere Passung an die jeweilige Biografie ermöglichen. Bei den hohen Dan-Graden erwarte ich dagegen eine umfassendere Expertise. Dort würde ich die Differenzierung eher etwas zurückfahren. Im Moment ist es gerade anders herum.
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Fritz
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Re: Problemfelder bei Danprüfungen

Beitrag von Fritz »

Also ich kenn das so, daß Prüfungskommissionen durchaus in der Lage sind, sich die Judobiographie des Prüflings anzuschauen und entsprechend zu berücksichtigen.
Ebenso wie Alter und körperlichen Zustand.

Ansonsten bin ich der Meinung, Ziel der Prüfungen sollte schon sein, Judowissen zu bewahren.
Von daher hatte ich mit den recht umfangreichen Stoffsammlungen der vor 2010er(?) POs eher kein Problem.
Ganz extrem gesagt, gerade die Dinge, welche bei den aktuellen Wettkampfregeln eher nicht so im Fokus liegen, sollten unbedingt
bei Prüfungen zu zeigen sein. Damit wären diese Anforderungen auch für gute Kämpfer etwas "Neues" u. evt. eine Motivation
für nach dem Ende der Wettkampfkarriere ;-) Und wenn solche Leute dem Judo erhalten bleiben, bleibt auch deren
Judo-Können in der Regel noch etwas erhalten.
Ansonsten werden die Leute, welche sehr gut kämpfen, ja in der Regel auch so in Dan-Grade einsortiert ...

Und wenn wir wieder dazu kommen, Inhaber von höheren Dan-Graden als Judo-Lehrer anzusehen, einfach weil die sich mit mehr Techniken
bzw. Judo-Aspekten als nur "Spezialtechnik, wie komme ich dahin u. was mache ich, wenn die nicht klappt" beschäftigt haben und diese
Dinge auch halbwegs ordentlich erläutern können, fände ich das nicht schlecht.
Dann könnten sich die ÜL-/TrainerLizenz-Ausbildungen dann mehr Dingen beschäftigen, wie Trainingskonzepte, Didaktik, Psychologie, ...
- also alles, was übers Erklären u. Demonstration der reinen Technik hinausgeht.

Und die Ausarbeitung von 140 Seiten 'fragwürdigen' Inhalts, stellt leider ein Versagen des Instrumentes Dan-Prüfung dar, was in dem Fall bitter ist,
denn der Prüfling war ja offensichtlich bereit, viel Zeit und Energie dafür zu investieren, wurde aber offensichtlich im Vorfeld der Prüfung
nicht genügend betreut ...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
caesar
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Re: Problemfelder bei Danprüfungen

Beitrag von caesar »

Vielen Dank für deine Ausführung tutor!

Ich persönlich halte eine Trennung im Danprogramm für gefährlich. Wenn man beispielsweise ganz simpel in ein Programm Richtung Breitensport und ein Programm Richtung Wettkampfsport differenziert, besteht immer die Wahrscheinlichkeit, dass hier ein "Dan 2. Klasse" entsteht. Zwar gibt es dafür keine Kennzeichnung, aber ich denke das Beispiel ist klar.

Wenn wir das gern genommenem Bild des 1. Dan als Judo-Abitur in Europa nehmen, auch wenn zu meinem Erschrecken sehr viele noch von "Meister" sprechen, dann könnte man meiner Meinung nach das Kyu-Programm beispielsweise gern in Wettkämpfer- und Breitensportlerprogramm unterteilen. Wenn man zur Schule geht, hat man ja auch unterschiedliche Schwerpunkte, auch wenn der grobe Rahmen der gleiche ist. Zum Abitur dann aber ist die Prüfung im Land einheitlich. Dort werden alle gleich geprüft und die, die vorher bessere Lehrer hatten und mehr gemacht haben, haben eben einen Vorteil. Genauso könnte man es beim Judo mit der Danprüfung halten.

Um deine zwei Extrembeispiele aufzugreifen und auch meine Probleme damit darzustellen
tutor! hat geschrieben: 04.04.2021, 13:00 Beide Prüflinge stellen sicherlich Extreme im Spektrum dar. Die ältere Dame sollte doch mit anderen Prüfungsaufgaben ihren 2. Dan bekommen können, wie auch der Nationalkämpfer seinen 1. Dan. Eine zusätzliche Kata - z.B. Ju-no-Kata oder die Seiryoku-zenyo-kokumin-taiiku - wäre doch der Dame viel angemessener gewesen und der Nationalkämpfer hätte mehr davon gehabt, wenn er einzelne Techniken der Nage-no-Kata intensiver geübt hätte und ihm dafür die Gesamtdemonstration mit Lernen der Reihenfolge und Positionen auf der Matte erspart geblieben wäre.
Auch losgelöst von der Betrachtung eines Judo-Abiturs, warum sollten die Nationalkämpfer dann überhaupt die Prüfung machen müssen, wenn sie für sie keinerlei Herausforderung im Lernprozess darstellt? Eventuell noch die ganze Bodennomenklatur auswendig lernen und das wars. Der Rest ist lediglich ein Abrufen dessen, was sie eh machen und auch wenn dies prinzipiell ein wünschenswerter Zustand ist, halte ich es für nützlich, wenn die Wettkämpfer doch wenigstens einmal Kontakt mit der Nage-no-kata hatten und nicht später einmal dastehen und sagen "hab ich nicht gemacht, kann ich nicht". Auch wenn sie sich danach höchstwahrscheinlich nicht damit beschäftigen werden, halte ich einen Erstkontakt für wichtig. Ich weiß nicht genau, wie du dir ein "einzelne Techniken der Nage-no-Kata intensiver geübt" vorstellst. Vielleicht reicht mir das auch als Erstkontakt mit der Kata. Die Kata ist nach meiner Erfahrung das Einzige, was Wettkämpfern vor der Prüfung etwas Respekt bereitet.
Das Beispiel mit der Späteinstiegerin ist für mich quasi gleich zu betrachten. Warum genau sollte sie sich nicht mit den Möglichkeiten eines Anschlussverhaltens an die Spezialtechnik beschäftigen? Das ihre Demonstration der Technik dann nicht super ist, ist denke ich jedem klar, allerdings können ja ihre theoretischen Ausführung und Ideen dazu hervorragend sein, weil sie sich intensiv damit beschäftigt hat. Dies erweitert ihren Judohorizont und das kann sie als potenzielle Trainerin dann auch weitergeben. Ich sehe eher das Problem, sie davon zu befreien, sich mit diesem Judo-Problem zu beschäftigen.
tutor! hat geschrieben: 04.04.2021, 13:00 Und ja - ich glaube man muss bei den niedrigen Dan-Graden differenzierende Aufgabenstellungen finden, die eine bessere Passung an die jeweilige Biografie ermöglichen
Ich bin da anderer Meinung. Entweder alle gleich, oder alle individuell. Alle gleich haben wir aktuell und wie Fritz es dargestellt funktioniert es eigentlich, wenn die Prüfer etwas Feingefühl in der Bewertung und im Umgang mit der Situation haben. Selbst wenn man das Programm etwas ausdifferenziert, wird man an diesem Feingefühl der Prüfer nicht vorbeikommen. Da bin ich ganz bei Fritz.

Alle individuell stelle ich mir z.B. so vor. Es gibt unterschiedliche Aufgabenstellungen zur Wahl, die je nach z.B. Anspruch unterschiedlich viele Punkte geben. Um den 1. Dan zu erhalten, muss man dann eine bestimmte Punktzahl erreichen. Das kann man noch mit unterschiedlichen Pflichtkriterien verknüpfen, z.B. es muss aus dem Bereich Tachi-waza und Ne-waza mindestens eine Aufgabe gewählt werden, es dürfen maximal 2 Kata gezeigt werden oder ähnliches.
Ganz vereinfacht ohne realistisches Beispiel braucht man für einen 1. Dan bspw. mindestens 10 Punkte. 6 Wurftechniken aus der Bewegung zeigen, bringt 1 Punkt. 6 Wurftechniken beidseitig aus der Bewegung zeigen, bringt 2 Punkte. Nage-no-kata bringt 4 Punkte. Die Halte-, Würge-, Hebelgriffe vorzeigen bringt einen Punkt. Erarbeiten von Bodentechniken bringt 2 Punkte.
Da kann man beliebig viele Aufgaben finden und stellen. Auch eine Niveausteigerung für den 2. Dan sollte sich problemlos einbauen lassen.
Fritz hat geschrieben: 05.04.2021, 00:30 Ansonsten bin ich der Meinung, Ziel der Prüfungen sollte schon sein, Judowissen zu bewahren.
Ziel einer Prüfung sollte doch die Überprüfung von Judowissen und Judofertigkeiten sein. Für die Bewahrung von Judowissen gibt es Lehrgänge und das eigene Training. Eine Prüfung kann nur einen Teil des Trainings abbilden. Ich fände es daher falsch, bestimmte Sachen aus einer Prüfung auszuschließen, aber zur Pflicht würde ich sie nicht erklären. Aber warum sollte nicht jemand beim ersten Dan bei den Kontertechniken einen Te-guruma gegen einen Uchi-mata Angriff zeigen?
Fritz hat geschrieben: 05.04.2021, 00:30 Und die Ausarbeitung von 140 Seiten 'fragwürdigen' Inhalts, stellt leider ein Versagen des Instrumentes Dan-Prüfung dar, was in dem Fall bitter ist,
denn der Prüfling war ja offensichtlich bereit, viel Zeit und Energie dafür zu investieren, wurde aber offensichtlich im Vorfeld der Prüfung
nicht genügend betreut ...
Davon abgesehen dass ich das Programm zum 5. Dan allgemein recht suboptimal finde, sprichst du mit der Betreuung einen wichtigen Punkt an.
Nur weil sich eine Arbeit zäh liest, muss sie ja inhaltlich nicht schlecht sein. Ich persönlich hatte tutor! zumindest nicht so verstanden, dass die Arbeit zwingend schlecht ist, sondern der Prüfling eher Probleme hat, seine Gedanken passend zu Papier zu bringen. Sicherlich ist auch das eine Frage der Betreuung des Prüflings, wobei wenige Prüfer entsprechend geschult sein dürften, eine solche Arbeit passend zu betreuen.
Die Frage nach der Betreuung von Prüflingen stellt sich ja aber auch allgemein, auch schon bei den unteren Dangraden. Diese findet wahrscheinlich in jedem LV auch unterschiedlich statt. Wie eng sollte diese Betreuung sein? Wie weit beeinflusst die Betreuung die Prüfungsleistung und in wie weit ist dies dann nur auf die Prüfungsleistung und nicht auf die allgemeine Judoqualität zu beziehen? Im Idealfall sollte sich mit einer Betreuung die Judoqualität auch steigern und nicht nur die Ausführungsvariante an den Wunsch den Betreuers oder Prüfers angepasst werden.
Sollte die Betreuung durch die späteren Prüfer stattfinden oder allgemein von einem Prüfer erfolgen oder sogar einfach zentral durchgeführt werden?
Aber auch das ist ein Thema für die LV und ihre individuellen Möglichkeiten. Trotzdem kann man darüber einmal allgemein nachdenken.
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Einwurf

Beitrag von HBt. »

"Der Prüfling" sollte nicht bewertet werden, im Sport dreht es sich nicht um die Person, den Menschen im Judokleid, sondern um seine objektive Leistung,
um das WAS und das WIE der erfüllten Aufgabenstellung. Eine Überprüfung unterschiedlicher Lernfelder und die Frage der Versetzung in eine andere Klassenstufe.

Übrigens bin auch ich "ganz klar bei Fritz" und /aber auch bei 'tutor!'. Wie bekommen wir nun die Kuh vom Eis, vor allem hier im JF?
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Hinweis

Beitrag von HBt. »

Viele 'Judotreibende' benötigen eine gewisse Portion der 'Budoromantik', um sich überhaupt mit dem was sie verrichten identifizieren zu können -> einen Halt, auch einen Nimbus.

Also einen sicheren Rahmen, Regeln und einen besonderen Kodex, eben Rituale -> vielleicht auch einen besonderen Ort, an dem sie den Alltag vergessen können ...

#
Wollen wir uns dieses alles nehmen?
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Re: Problemfelder bei Danprüfungen

Beitrag von tutor! »

caesar hat geschrieben: 05.04.2021, 04:38 Sollte die Betreuung durch die späteren Prüfer stattfinden oder allgemein von einem Prüfer erfolgen oder sogar einfach zentral durchgeführt werden?
Aber auch das ist ein Thema für die LV und ihre individuellen Möglichkeiten. Trotzdem kann man darüber einmal allgemein nachdenken.
Wie wahr! Gerade hier sind die Unterschiede extrem. Nehmen wir einmal den größten Landesverband NRW.

Laut Homepage des NWDK gibt es in Normalzeiten jedes Jahr rund ein Dutzend Dan-Prüfungstermine mit insgesamt - laut Bericht des Prüfungsbeauftragten 300 bis 400 Prüflingen. Die Dan-Vorbereitung findet organisiert als Lehrgangsreihen in den Kreisen, also regional vor Ort statt. Diese Lehrgangsreihen haben irgendwo zwischen 10 und 20 Termine und werden von den Kreis-Dan-Vorsitzenden organisiert. Einige der Referenten sind Dan-Prüfer, andere nicht. Es ist auch nicht jeder KDV Dan-Prüfer.

In der Regel ist es so, dass am Ende eines Vorbereitungslehrgangs auch ein Prüfungstermin in der Region stattfindet. Die Referenten der Dan-VB sind zum Teil als Prügfer eingesetzt, es kommen aber immer weitere Prüfer mit dazu. Wenn ich selbst prüfe, kenne ich gefühlt ein Drittel bis die Hälfte der Prüflinge, die anderen sehe ich zum ersten mal. Sofern keine Buschtrommels etwas verraten haben, wissen die Prüflinge vor dem Prüfungstag nicht, von wem sie geprüft werden. Die Prüfer wissen auch nur die Zahl der Prüflinge und die Grade, zu denen geprüft wird - es sei denn, sie müssen vorher eine schriftliche Ausarbeitung lesen.

Szenenwechsel....

In anderen Landesverbänden gibt es die Konsultationen. Die Prüflinge treffen sich mit den späteren Prüfern und stellen sich und ihren Leistungsstand vor. Der Prüfer gibt Rückmeldung und Hinweise, woran zu arbeiten ist und hoffentlich auch, was schon gut funktioniert. Der Prüfer begleitet also den Prüfling über einen gewissen Zeitraum. Wie gut das in der Praxis funktioniert, müssen die Beteiligten beurteilen. Ich stelle mir vor, dass das sehr stark von den Personen abhängt.

Für mich haben beide Konzepte ein Für und Wider. Es ist ein Stück weit die ewige Diskussion vom eigenen Lehrer als Prüfer versus Fremdprüfern. In Schule, Uni und Ausbildung wird dieses Problem meist mit einem "Sowohl als auch" gelöst.
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Judo-Beförderungsprüfungen

Beitrag von HBt. »

So ist es (und leider sollten wir alle -hier- diesen Umstand ganz genau kennen, auch 'caesar') und von dieser bewährten Praxis sollte man auch nicht abrücken, vielmehr
sollte man nur Judoka als Prüfer einsetzen, die auch in Lage sind, neutral zu bewerten. Nicht jeder sogenannte Referent ist auch ein guter Prüfer /oder Lehrer.

#
Ist der Einsatz bestimmter Personen als Prüfer ein Problem/Feld bei Danprüfungen? Könnte man jetzt fragen. Ja, bestimmt - auch diese Antwort liegt zwar auf der Hand, doch vielleicht wird sie aus Gründen der Bequemlichkeit gerne vergessen.

Für mich sortiere ich:
Kata, Theorie, Tokuiwaza als momentane Schwachpunkte, Feldern in denen man überdeutlich differierend Leistungen dokumentiert sieht. Doch das Problem ist nicht das
Fach oder Modul, sondern ursächlich liegt es nicht im /am ..., sondern ...?

Stichwort 'Ursachenforschung'

Versuchen wir uns mit 1001 Fragen der jeweiligen oder generellen Ursache zu nähern, werden wir sie nicht finden, beheben schon einmal gar nicht, weil wir unsere Zeit mit immer den selben Fragenkaskaden verplempern.
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Re: Problemfelder bei Danprüfungen

Beitrag von Fritz »

caesar hat geschrieben: 05.04.2021, 04:38
Fritz hat geschrieben:Ansonsten bin ich der Meinung, Ziel der Prüfungen sollte schon sein, Judowissen zu bewahren
.
Ziel einer Prüfung sollte doch die Überprüfung von Judowissen und Judofertigkeiten sein. Für die Bewahrung von Judowissen gibt es Lehrgänge und das eigene Training. Eine Prüfung kann nur einen Teil des Trainings abbilden. Ich fände es daher falsch, bestimmte Sachen aus einer Prüfung auszuschließen, aber zur Pflicht würde ich sie nicht erklären. Aber warum sollte nicht jemand beim ersten Dan bei den Kontertechniken einen Te-guruma gegen einen Uchi-mata Angriff zeigen?
Also ich kenne es so, ganz allgemein aus Schule und Studium, es gibt Unterricht, Lehrgänge, Seminare, individuelle Beschäftigung mit Themen und dann wird eine Prüfung gemacht, in der letztlich
ein bestimmter Wissenserwerb dokumentiert wird. Und machen wir uns nichts vor, in der Regel wird sehr viel von dem, was vor der Prüfung kommt, schon an den Prüfungsthemen ausgerichtet.
Wenn also ein Prüfungsfach im Judo wäre:
"Zeigen Sie x Übergänge vom Stand zum Boden durch mittels Beingreif-Techniken, beachten Sie insbesonders grundsätzliche Verteidigungs-Optionen des Angegriffenen, sowohl noch im Stand,
als auch in der Bodenlage und zeigen Sie entsprechendes Neutralisations-Verhalten", dann bräuchte keiner die Befürchtung haben, daß Beingreif-Techniken vergessen werden - und sich ein Judoka
direkt blamiert, wenn er mal mit einem Ringer oder BJJler Randori macht ;-)

Te-Guruma gegen Uchi-Mata sollte in Prüfungen machbar sein, es empfiehlt sich natürlich seitens des Prüflings, daß dies aktuell nach IJF-Regeln nicht erlaubt wäre, wobei ja dort noch die taktische Abwägung wäre: Shido erhalten oder Ippon abgeben ;-)
tutor! hat geschrieben: 05.04.2021, 13:04 Szenenwechsel....

In anderen Landesverbänden gibt es die Konsultationen. Die Prüflinge treffen sich mit den späteren Prüfern und stellen sich und ihren Leistungsstand vor. Der Prüfer gibt Rückmeldung und Hinweise, woran zu arbeiten ist und hoffentlich auch, was schon gut funktioniert. Der Prüfer begleitet also den Prüfling über einen gewissen Zeitraum. Wie gut das in der Praxis funktioniert, müssen die Beteiligten beurteilen. Ich stelle mir vor, dass das sehr stark von den Personen abhängt.

Für mich haben beide Konzepte ein Für und Wider. Es ist ein Stück weit die ewige Diskussion vom eigenen Lehrer als Prüfer versus Fremdprüfern. In Schule, Uni und Ausbildung wird dieses Problem meist mit einem "Sowohl als auch" gelöst.
"Massenprüfungen" wie offensichtlich im NRW üblich, sind, denke ich, für den ersten Dan durchaus noch vertretbar, wenn man den Shodan als "Abitur" oder "Gesellenprüfung" ansieht.

Ansonsten halte ich die Verfahrensweise mit optionalen Konsultationen für sehr gut. Da ist dann die Prüfung eher als Prozess zu sehen, Unklarheiten in den Aufgabenstellung
können im Vorfeld geklärt u. korrigiert werden und es bringt nicht nur den potentiellen Prüfling weiter, sondern oft erhalten auch die Prüfer Denkanstöße, welche in der konkreten Prüfungssituation evt. zur
"Das ist falsch"-Reaktion führen würden, aber so vielleicht zu: "Ich da noch mal drüber nachgedacht/-gefragt/-gelesen, war mir auch neu, verstehe jetzt, worauf es hinausläuft, wäre für mich akzeptierbar/im Detail XYZ verbesserbar".
Und der Prüfling erhält rechtzeitig eine Rückmeldung, der Art: "Deine Kata ist soweit in Ordnung, investiere jetzt mal besser etwas mehr Zeit in Aufgabenstellung XYZ" ...

Ich denke auch nicht, daß der konsultierte Prüfer nun unbedingt als "eigener Lehrer" anzusehen ist, eher wie der "Betreuer" bei einer Diplom oder Doktor-Arbeit ...
Ansonsten ist es bei den Konsultations-Sache ja regelmäßig so, daß in meinem LV der konsultierte Prüfer mit in der Kommission sitzt und eben halt noch zwei andere, was ja irgendwie auch Sinn ergibt ...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
HBt.
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Ich ...

Beitrag von HBt. »

möchte noch einmal nachhaken und meine Frage nach den sportartspezifischen Fertigkeiten, quasi den Judokompetenzen, wiederholen(!?).

Es klingt möglicherweise profan oder gar albern: doch wir sollten sie benennen und aufschreiben, denn es steht die Frage im Raum, ob
wir 'Techniken' oder Technik(ab)folgen abfragen oder Fertigkeiten (auch höhere, sowie moralische ...) prüfen.

Das 'sie' sich in der Ausführung einer Technik (und ihrer Qualität sowie eben der Ausführungsqualität) wiederspiegelt, versteht sich von selbst, doch welche sind es?

Auch das Lösen einer vorgegebenen Situation (Anwendungsaufgaben ... etc.pp.) erfüllt per se auch diesen Umstand, macht eine Beurteilung allerdings schwerer.

Für bedenklich erachte ich die geäußerte Meinung, dass die Beschäftigung mit z.B. der Nage no kata "Zeitverschendung" war, weil Kata schlicht ein Instrumentarium darstellt ... keine Einzelkata, sondern in unserem Kontext eine Gesamtzusammenstellung, eine Choreografie, auch eben ein Spiel, und mit Sicherheit ein Rahmen ... Wer dieses Instrumentarium für sich nutzen will, muss in die Kata eintauchen und beständig weiter üben - sie wird sich ändern, ab diesem Zeitpunkt zieht man Gewinn aus ihr, vorher eher recht wenig (und trotzdem kann es auch schon recht viel sein, in der eigenene Wahrnehmung, auf der ersten Stufe).

Aber egal: wenn Kaderathleten Kata für unwichtig und obsolet halten sollten, dann mag das für ihre sportartspezifischen Belange durchaus richtig sein, aber es passt nicht zum Kodokan-Judo oder gar dem Gedanken an eine traditionelle Kampfkunst (mit ihren Werkzeugen, Methodik & Didaktik, ihrem Lehrgebäude ...), hier liegt ein Paradoxon vor.

Wodurch erlange ich die spezifischen Fertigkeiten? Muss ich das Instrumentarium oder die einzelnen technischen Lösungen, benannt mit einem Techniknamen, an die PO koppeln und abfragen?

'Julius Caesar' hat einen wichtigen Umstand angemerkt: nur Abfragewissen - und nach dem 2.Dan kann man ja nicht mehr durchfallen.

Wir machen es (unbestimmt) ergo an Ansammlungen und dem Nichtdurchfallen fest. Gefordert wird demzufolge: kein Abfragewissen und im weiteren Verlauf muss man auch (gefälligst) durchfallen können.

Ich habe andere Vorstellungen, auch bin der Meinung, dass junge Topathleten sich nicht halbherzig und schnell mit der Nage no kata oder der Katame no kata (gezwungener Maßen) abquälen müssen, um einen schwarzen Gurt um ihre Lenden zu binden -> u.a. weil ihre sportartspezifischen Fähigkeiten ausgereifter sein dürften als die des gemeinen Judospielers.

#
Sobald wir uns über alle Maßen mit anderen Treibenden vergleichen, begehen wir einen eklatanten Fehler. Selbstüberschätzung kann ebenfalls sehr gefährlich werden ... warum das alles? Weil wir verletzungsfrei mit jedem Randori spielen können müssen, wir müssen sicher sein, die Fähigkeiten des anderen beim ersten Greifen zu erfassen ... nebenbei bemerkt, ein Kaderathlet hat mich noch nie verletzt, außer in der U21, da gab es mindestens ein Hormonmonster (übrigens gespritzt!) ... ewig ist es her.

Verletzungen und langfristige Schäden müssen unter allen Umständen vermieden werden, im Breitensport, auch diesen Beitrag sollte die zukünftige APO und alle anderen Ordnungen leisten/beachten. Zu den Kompetenzen zählt eindeutig auch der pflegliche Umgang mit dem Sportgerät.

u.s.w.

HBt.

PS
Alles steht und fällt mit dem Charakter und eben der Ausbildung, auch der Kompetenz zum Eigenstudium. Einen Te-Guruma würde ich mir niemals nehmen lassen ;-). Eine großartige technische Lösung /Technik.
Zuletzt geändert von HBt. am 06.04.2021, 10:08, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Problemfelder bei Danprüfungen

Beitrag von Julian »

Ich kann bezüglich Judo-Prüfungen nur aus begrenzter Erfahrung sprechen. Aber zumindest im TKD und Karate, wo ich deutlich länger und mehr Einblick in das Prüfungsprogramm und seine Anpassungen hatte (mittlerweile allerdings auch schon über zehn, fünfzehn Jahre nicht mehr, außer ganz sporadisch), stellt sich meines Erachtens die Lage recht einfach so dar:
Die Masse der Aktiven ist so zweimal die Woche im Training, will sich bewegen, aber jetzt nicht körperlich und geistig überanstrengen. Und damit gelangt die Lernkurve halt schlicht und einfach nach ein paar Jahren mehr oder weniger zum Erliegen. Egal ob man dann zehn Jahre dabei ist oder zwanzig oder dreißig, so viel Unterschied ist da nicht mehr. Für eine Prüfung wird dann immer mal bisschen angezogen, aber danach fällt man auch meist wieder zurück. Im Grunde sehr menschlich. Trotzdem kann und will man die Leute ja nicht en masse und kontinuierlich durchfallen lassen; dann sind sie am Ende nur unzufrieden und hören auf oder wechseln den Verband (was im Karate und TKD ja deutlich leichter ist als im Judo).
Das traurig-lustige ist, dass alle Prüfungsprogramme diesen Fakt einfach weitgehend ignorieren, weil man ja irgendwie ein Budo oder eine Kampfkunst mit Anspruch haben will. Dann gibt es Wahlmöglichkeiten für Wettkämpfer oder Traditionalisten, extra Regeln für Alte und Junge, Spezialisierungen für SV oder Gesundheit und so weiter und so fort. Am ehrlichsten wäre es denke ich mir mittlerweile seit vielen Jahren, die Gürtel einfach nach Dauer der Zugehörigkeit zu vergeben. Schlimmer als so wie es jetzt ist, wäre es bestimmt auch nicht, aber einfacher.

(Ich mein, wer kennt sie nicht, die nächtelangen Diskussionen wie Qualität und Gürtelfarbe in Einklang bringt, und wie es denn sein kann, dass so viele Leute mit überschaubaren Fertigkeiten mit bunten Gürteln rumlaufen, usw. usf. Damals, als man jung und voller Elan im Verein war :-) )
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Re: Problemfelder bei Danprüfungen

Beitrag von Asakusa »

Julian hat geschrieben: 05.04.2021, 20:26 [...] Am ehrlichsten wäre es denke ich mir mittlerweile seit vielen Jahren, die Gürtel einfach nach Dauer der Zugehörigkeit zu vergeben. Schlimmer als so wie es jetzt ist, wäre es bestimmt auch nicht, aber einfacher. [...]

Na, ein bisserl mehr geht immer... Nachricht aus dem Landesverband: wo ein Funktionär 8 Jahre nach der Verleihung des 3. Dan (wegen organisatorischer Mittätigkeit auf einem Turnier) den 4. Dan verliehen bekommt (wegen organisatorischer Hilfe im Landesverband...). Ich will damit nicht nichts gegen den/die Sporkameradin/Sportkameraden sagen... aber dem einen oder anderen Prüfungsanwärter nimmt sowas schon den Wind aus den Segeln... Ich schaue lieber nicht nach, ob der 2. Dan auch verliehen wurde.
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Re: Problemfelder bei Danprüfungen

Beitrag von tutor! »

Julian hat geschrieben: 05.04.2021, 20:26(...) Dann gibt es Wahlmöglichkeiten für Wettkämpfer oder Traditionalisten, extra Regeln für Alte und Junge, Spezialisierungen für SV oder Gesundheit und so weiter und so fort.(...)
Letztlich sind Wahlmöglichkeiten immer auch Abwahlmöglichkeiten, Spezialisierungen immer auch in gewisser Weise Einseitigkeiten. Vom Ende her gedacht (=dem höchsten Grad) sollte m.M.n. gerade das, so gut es geht, vermieden werden. Sollten solche Differenzierungen nicht besser bei den "mittleren" Graden ermöglicht werden, um unterschiedlichen Biografien gerecht zu werden?
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
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