Das Thema, warum ist es so schwer ist, Menschen für Judovereine zu gewinnen, hatten wir sehr häufig in diesem Forum. Vieles wurde dazu gesagt. Ich möchte heute das Thema ganz anders angehen und eine ganz andere Lösung zur Diskussion stellen. An dieser Lösung bin ich sehr ernsthaft interessiert und arbeite an der Umsetzung. Es ist nicht mein eigenes Problem, sondern eigentlich das Problem von allen Judovereinen, die Mitglieder im Breitensportbereich werben wollen. Dabei gehe ich von drei Situationen aus, die es schwer machen, Menschen für Judo zu gewinnen:
( 1 ) Die klassischen Kampfsportarten sind sehr ausgereift und erscheinen einem breiten Publikum als weitgehend homogene Sportangebote. Judo sticht nicht heraus.
( 2 ) Judo hat zwar sein technisches Alleinstellungsmerkmal, mit dem es sich klar von anderen Kampfsportarten (Karate, Aikido, Kung Fu) unterscheidet, was aber von vielen Menschen nicht als so wesentlich empfunden wird, dass sie sich für Judo entscheiden.
( 3 ) Menschen orientieren sich an Gewohnheiten. Verhaltensweisen anderer werden kopiert, ohne sich zu fragen, ob das wirklich das Beste für die eigene Person ist.
Judo war bereits zu Kanos Zeiten nicht nur eine Kampfsportart, sondern auch ein Erziehungssystem und - wir können modern formulieren - auch ein Lebensstil, der das Leben im und außerhalb des Dojo eine Richtung gab. Dass mit einer Sportart auch ein gewisser Lebensstil verbunden wird ist nichts Neues. Das kennen wir vom Golf, vom Pferdepolo, vom Rugby und vom BMX. So geht mein Gedanken dahin, dass die Seite „Lebensstil“ des Judos stärker betont und gelebt werden sollte. Dieser Lebensstil soll den Menschen im Alltag das geben, was sie zu wenig vorfinden und persönlich suchen.
Meine Vision des Judo ist folgende:
„Judo gibt den Menschen für ihre persönliche Weiterentwicklung etwas, war ihnen im Alltag fehlt. Judo ist ein sportlicher Lebensstil, mit dem sich die Menschen vielfältig ausprobieren, gesund leben und mit Kanos Prinzipien gemeinschaftlich die kollektive Wohlfahrt mehren können.“
Damit will ich ganz besonders die Jugendlichen und die älteren Erwachsenen ansprechen, weil sie beide auf der Suche nach einem guten Lebensstil sind. Aus etlichen persönlichen Beobachtungen im Rugby, in den BMX-Freundeskreisen und aus Bewertungen von Gästen, bei mir im Judotraining waren, denke ich mir, das ist etwas, was sie suchen und ihnen auch ziemlich wichtig ist.
Wenn man Judo intensiver als Lebensstil und nicht nur als Sportart neben anderen Sportarten (Fußball, Hockey, Schwimmen, …) bewirbt, dann muss man das auch ganz konkret auf und neben der Judomatte vorleben. Denn sonst steht auf dem Etikett etwas drauf, was nicht in der Flasche ist. Aber keine Angst. Das Gürtelprüfungsprogramm muss nicht geändert werden, alle Kata-Freunde üben weiterhin ihre Kata, an dem Wettkampfjudo muss nichts geändert werden und die Wettkampfregeln bleiben unverändert. Es geht nur darum, Judo inhaltlicher zu ergänzen und dies den Breitensportlern in der Werbung deutlicher zu machen. Das Judotraining an sich, dass was auf der Matte stattfindet, wird inhaltlich bereichert. Es ist nicht ein Mehr vom Gleichen, sondern ein Mehr von dem, nach dem die Menschen suchen für ihre eigene Weiterentwicklung, die ihnen ziemlich wichtig ist.
Ich will jetzt gar nicht noch in die Details (Trainingsplanung) gehen, die es gibt, sondern im ersten Schritt einfach nur diesen grundsätzlichen Gedanken zur Diskussion stellen.
Ist das absurd? Unrealisierbar? Etwas was andere auch schon beobachtet haben? Etwas was andere schon längst praktizieren? Etwas was sich lohnt, konkret zu vertiefen? Sollte man das einfach mal ausprobieren und die Wirkungen beobachten? ….
Mehr Menschen für Judovereine gewinnen
- Peter el Gaucho
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Mehr Menschen für Judovereine gewinnen
"Beklage dich nicht über die Dunkelheit. Zünde eine Kerze an." (Konfuzius)
- McMarc
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Re: Mehr Menschen für Judovereine gewinnen
Hallo Peter El Gaucho,
Ich denke, zuerst sollte man Judoka befragen, welche spät (sagen wir mal nach dem 20. Lebensjahr oder später) mit Judo begonnen haben, was für sie die Gründe waren, mit Judo zu beginnen.
Dass jemand mit Judo begonnen hat, um sich selbst zu verwirklichen oder sich persönlich weiterzuentwickeln, wäre mir tatsächlich neu, habe ich so noch nicht gehört, aber ich bin da auch nicht der Maßstab.
Die drei Fälle, die ich kenne:
Mich selbst: Sohn sieht Judo-Vorführung auf einem Fest, möchte das auch machen und ich melde ihn an. Ich schaue beim Training zu und bin sofort fasziniert, speziell von den Würfen und mit dem Judo-Virus infiziert. Mein Sohn hat mittlerweile aufgehört und ich bin noch dabei, kann mir ein Leben ohne Judo auch nicht mehr vorstellen. Ich liebe es, meinen Körper und Geist gleichermaßen zu fordern.
Fall zwei: 30-Jähriger hat vor Jahren mal Taekwon-do gemacht, wollte wieder Kampfsport machen und ist bei uns gelandet und geblieben.
Seine 3 Söhne sind mittlerweile auch bei uns.
Fall 3: UNSER ältestes Mitglied hat mit 16 Jahren mit Judo aufgehört.
Letztes Jahr mit 58 bei uns wieder angefangen, weil er Sport machen wollte, um im Alter fit zu bleiben.
Natürlich ist für uns 3 Judo eine persönliche Entwicklung, war aber kein Grund, um mit Judo anzufangen.
Dass du andere Erfahrungen hast, finde ich durchaus spannend und man müsste tatsächlich ein Konzept ausarbeiten, um damit werben und trainieren zu können.
Außer an Einzelfälle mag ich aber an einen echten Erfolg nicht so nicht glauben.
Gruss
Marc
Ich denke, zuerst sollte man Judoka befragen, welche spät (sagen wir mal nach dem 20. Lebensjahr oder später) mit Judo begonnen haben, was für sie die Gründe waren, mit Judo zu beginnen.
Dass jemand mit Judo begonnen hat, um sich selbst zu verwirklichen oder sich persönlich weiterzuentwickeln, wäre mir tatsächlich neu, habe ich so noch nicht gehört, aber ich bin da auch nicht der Maßstab.
Die drei Fälle, die ich kenne:
Mich selbst: Sohn sieht Judo-Vorführung auf einem Fest, möchte das auch machen und ich melde ihn an. Ich schaue beim Training zu und bin sofort fasziniert, speziell von den Würfen und mit dem Judo-Virus infiziert. Mein Sohn hat mittlerweile aufgehört und ich bin noch dabei, kann mir ein Leben ohne Judo auch nicht mehr vorstellen. Ich liebe es, meinen Körper und Geist gleichermaßen zu fordern.
Fall zwei: 30-Jähriger hat vor Jahren mal Taekwon-do gemacht, wollte wieder Kampfsport machen und ist bei uns gelandet und geblieben.
Seine 3 Söhne sind mittlerweile auch bei uns.
Fall 3: UNSER ältestes Mitglied hat mit 16 Jahren mit Judo aufgehört.
Letztes Jahr mit 58 bei uns wieder angefangen, weil er Sport machen wollte, um im Alter fit zu bleiben.
Natürlich ist für uns 3 Judo eine persönliche Entwicklung, war aber kein Grund, um mit Judo anzufangen.
Dass du andere Erfahrungen hast, finde ich durchaus spannend und man müsste tatsächlich ein Konzept ausarbeiten, um damit werben und trainieren zu können.
Außer an Einzelfälle mag ich aber an einen echten Erfolg nicht so nicht glauben.
Gruss
Marc
Re: Mehr Menschen für Judovereine gewinnen
Durch die Mischung von gemeinsamen Anstrengungen, körperlicher Nähe, aber letztlich doch recht schonungslosem "Zurechtstutzens"
allzu großer Überheblichkeiten und dem unbestimmten Gefühl, trotzdem Nichtjudoka etwas
voraus zu haben (berechtigt oder nicht sei mal dahingestellt) könnten man schon zu dem Schluß kommen,
daß es sowas wie einen "Judo-Lebensstil/-Kameradschaft" gibt.
Allerdings gibt es den wohl so oder so ähnlich auch bei allen anderen Kampfsport-Arten,
bei denen es sowas wie Randori/Sparring/Wettkämpfen/Belastungsproben gibt, da sollten wir uns nichts vormachen, auch wenn
wir unseren "Lebensstil" natürlich als besser empfinden - aber das Warum kann man a) schlecht in Worte fassen oder b) auch keinem
Außenstehenden so recht vermitteln
Man kann also nur drauf achten, daß diese soziale Komponenten im Verein nicht zu kurz kommen und aktiv gelebt werden, so daß
diejenigen, welche sich zu uns verirren, daß selbst erleben und sie sozusagen "heimisch" werden ...
allzu großer Überheblichkeiten und dem unbestimmten Gefühl, trotzdem Nichtjudoka etwas
voraus zu haben (berechtigt oder nicht sei mal dahingestellt) könnten man schon zu dem Schluß kommen,
daß es sowas wie einen "Judo-Lebensstil/-Kameradschaft" gibt.
Allerdings gibt es den wohl so oder so ähnlich auch bei allen anderen Kampfsport-Arten,
bei denen es sowas wie Randori/Sparring/Wettkämpfen/Belastungsproben gibt, da sollten wir uns nichts vormachen, auch wenn
wir unseren "Lebensstil" natürlich als besser empfinden - aber das Warum kann man a) schlecht in Worte fassen oder b) auch keinem
Außenstehenden so recht vermitteln
Man kann also nur drauf achten, daß diese soziale Komponenten im Verein nicht zu kurz kommen und aktiv gelebt werden, so daß
diejenigen, welche sich zu uns verirren, daß selbst erleben und sie sozusagen "heimisch" werden ...
Mit freundlichem Gruß
Fritz
Fritz
Hut ab.
Hallo Peter,
ich möchte Dir (nur kurz) zustimmen. Deine Gedanken finde ich schlüssig und richtig ---> durchaus richtungsweisend .
Das Kernthema ist in meinen Augen schnell genannt:
Identifikation!
"Judo" ist in dieser Ausrichtung mehr als nur ein Sport(treiben), es ist ein Gefühl, ein Lebensstil, es ist gut.
Gruß,
HBt.
ich möchte Dir (nur kurz) zustimmen. Deine Gedanken finde ich schlüssig und richtig ---> durchaus richtungsweisend .
Das Kernthema ist in meinen Augen schnell genannt:
Identifikation!
"Judo" ist in dieser Ausrichtung mehr als nur ein Sport(treiben), es ist ein Gefühl, ein Lebensstil, es ist gut.
Gruß,
HBt.
- McMarc
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- Registriert: 25.09.2013, 21:16
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- Verein: TSV Hitzacker
Re: Hut ab.
Hallo allerseits,HBt. hat geschrieben:Hallo Peter,
ich möchte Dir (nur kurz) zustimmen. Deine Gedanken finde ich schlüssig und richtig ---> durchaus richtungsweisend .
Das Kernthema ist in meinen Augen schnell genannt:
Identifikation!
"Judo" ist in dieser Ausrichtung mehr als nur ein Sport(treiben), es ist ein Gefühl, ein Lebensstil, es ist gut.
Du hast völlig recht Hbt., Judo ist auch für mich ein Lebensweg geworden und mittlerweile völlig unverzichtbar.
Wenn in den Sommerferien die Halle geschlossen ist, werd ich ganz unruhig und meine Frau ist froh, wenn nach den Ferien Judo wieder losgeht[emoji3]
Ich bin dann schön entspannt und ausgeglichen.
Mit Judo als Lebensweg zu werben, halte ich allerdings für problematisch, weil eben dieses Gefühl fürs Judo sich erst mit der Zeit einstellt und natürlich nicht von Anfang an da ist und das kann mitunter doch eine Weile brauchen, bis man feststellt, dass man im Judo alles findet, was man (unterbewusst) schön immer gesucht hat. Bei mir war's ja ähnlich.Von anfänglicher Faszination bis hin zu der Erkenntnis, dass Judo ein Teil von einem selbst geworden ist, hat es schon eine ganze Weile gedauert.
Gruss
Marc