beim (Mit)Lesen in diesem Forum hatte ich immer viel Spaß, doch heute muss ich mich selber erstmals zu Wort melden. Mein Nutzername verrät schon, dass ich einen Rat suche. Über die Frage, ob ich diesen wirklich suche, bin ich selber noch indifferent.
Vielleicht zunächst zu meiner Person: Ich bin inzwischen Ende 20, nach 15-jähriger Pause vor 1,5 Jahren zum Judo zurückgekehrt. Aufgehört habe ich - ein waschechtes ADHS-Kind - damals vordergründig, weil mein Trainer wechselte. Tatsächlich war ich einfach nur extrem sprunghaft und habe in meiner Kindheit wahrhaft "Sporthopping" betrieben. Dazu kamen diverse Verhaltensauffälligkeiten und Phobien in Bezug auf meinen Körper und mich. Vom Handstand, über Übungen am Barren bis hin zu dem gesamten Programm des Bodenturnens. An nichts von alledem war während des Schulsports für mich zu denken. Von den meisten Aktivitäten war ich durch Attest befreit. Es hatte nichts mit Unlust zu tun oder Bewegungslegasthenie, es war tatsächlich die pure Angst vor diesen Übungen. Wirklich hängen geblieben bin ich schlussendlich bei keiner Sportart, weswegen ich spätestens mit Beginn meiner Pubertät gar keinen Sport mehr in meiner Freizeit betrieben habe, was sich bis ins Erwachsenenalter auch nicht mehr geändert hat. Ich hatte keine ganz unkomplizierte Kindheit.
Jedenfalls hat meine Sportabstinenz gepaart mit einer verfehlten Ernährung aus einem zwar absolut unsportlichen, aber doch sehr schlanken Jungen etwa mit dem Zeitpunkt meiner Volljährigkeit einen zunehmend übergewichtigeren Erwachsenen gemacht. Innerhalb kürzester Zeit nahm ich 30kg zu. Am Ende stand ein BMI von 31,0.
Im Alter von 19 Jahren begann ich Tennis zu spielen. Natürlich war das physisch bedingt nicht wirklich leicht. Doch bin ich dem Sport - jedenfalls unregelmäßig - bis heute treu geblieben.
Auslösend für eine ziemliche Veränderung meines Lebens waren dann zwei Begebenheiten:
Zum einen stand ich im Sommer 2014 - immer noch mit einem BMI von 31,0 - auf dem Tennisplatz und ein Kind, das mir (damals Mitte 20) beim Tennisspielen zusah, identifizierte mich gegenüber meinen Mitspielern mit den Worten "der mit dem dicken Bauch". Das saß. Kindermund tut wohl doch Wahrheit kund

Zum anderen stellte ich mich zu diesem Zeitpunkt vor den Spiegel und befand: Ich muss etwas an meinem Leben ändern. Im Sommer 2014 betrieb ich soviel Sport wie niemals zuvor in meinem Leben. Ich stand praktisch täglich auf dem Tennisplatz. Stellte meine Ernährung um. Und begann tatsächlich etwas Gewicht zu verlieren.
Am Ende des Sommers, die Tennisplätze wurden für den Winter gesperrt, kehrte ich dann zum Judo zurück. Weshalb es ausgerechnet das Judo geworden ist, kann ich nicht genau sagen. Ich glaube, es war der Reiz etwas (wieder) zu tun, das ich als Kind eigentlich gar nicht so schlecht fand. Vor allem aber etwas, das den gesamten Körper beansprucht. Immerhin hatte ich fest das Ziel vor Augen, mein Leben zu ändern und auf Normalgewicht herunterzukommen. Und ein stückweit auch etwas, das durch die Phobien meiner Kindheit - jedenfalls teilweise - gekennzeichnet ist. Ich wollte mich meinen Ängsten stellen.
Im September 2014 stand ich also erstmals (wieder) auf der Matte. Zunächst zweimal die Woche. Die Ernährungsumstellung und das Sporttreiben trugen auch schnell Früchte. Die ersten 10kg waren innerhalb eines halben Jahres runter. Vom Normalgewicht trennten mich dann noch 7kg, von meinem damaligen Zielgewicht lediglich 12kg. Zeitgleich absolvierte ich eifrig Gürtelprüfungen, fuhr vereinzelt zu Anfängerturnieren (die gibt es für erwachsene Anfänger m. E. in viel zu geringer Zahl) und hatte auch abseits der Matte viel Spaß mit den Sportkameradinnen und -kameraden aus dem Verein.
Umzugsbedingt wechselte ich zum August 2015 den Verein. Nunmehr ging ich vier- bis fünfmal in der Woche zum Training. Der Gewichtsverlust setzte sich - wenn auch verlangsamt - fort. Der Sport - und natürlich auch die positive körperliche Veränderung - machte mich auch glücklicher.
Inzwischen habe ich mein Zielgewicht nicht nur erreicht, sondern um weitere 3kg unterschritten. Mein BMI beträgt heute 23,1. Mit den optischen Resultaten bin ich noch nicht vollständig zufrieden, aber die Herren in diesem Forum werden das Problem mit dem Bauchfett wahrscheinlich kennen. Wenn es erstmal da ist, ist es wirklich hartnäckig

Weswegen ich das alles schreibe? Ich persönlich bin ein Freund von Kontext und gebe daher gerne denselben preis.
Der Titel dieses Themas lautet "Selbstzweifel". Und genau die plagen mich derzeit. Nicht nur, weil ich derzeit mit den optischen Veränderungen auf der Stelle trete. Auch nicht, weil ich merke, dass ich mit Judoka vergleichbaren Alters, die dem Judo seit ihrer Kindheit ununterbrochen treu geblieben sind, technisch und körperlich nicht mithalten kann. Das sind alles Umstände, die zu akzeptieren ich völlig anstandslos bereit bin. Aber ich habe vor allem das Gefühl, dass ich mit meinem eigenen Judo nicht mehr weiter komme. Techniken gelingen mir einfach nicht. Und damit meine ich nicht, dass es mir nur an Schnelligkeit oder Kraft mangelt. Es mangelt schon an der einfachen technischen Ausführung. Auch nach wiederholter Einweisung gelingt es mir einfach nicht, die Techniken so auszuführen, wie sie gedacht sind - wie ich sie sogar theoretisch verstanden habe und die zugrunde liegenden Technikprinzipien erklären kann. Von einer Anwendung im Randori mag ich dabei noch nicht einmal sprechen. Es sind vielmehr einfache koordinative Fähigkeiten, die mir fehlen. Koordinative Fähigkeiten, die ich in meiner Kindheit niemals erlernt habe. Fähigkeiten, ohne die mir die Technik gänzlich misslingt. Fähigkeiten, von denen ich bezweifle, dass ich sie heute noch erwerben kann.
Menschen halten mich üblicherweise für sehr selbstbewusst. Manche vielleicht für arrogant. Ich habe auch im Beruf keinerlei Schwierigkeiten und vermag mich dort durchzusetzen. Selbstzweifel waren mir in meinem Leben bislang völlig fremd.
Doch nun bin ich an einem Punkt angelangt, gerade mal 1,5 Jahre nachdem ich das Judo wieder für mich entdeckt habe, an dem ich ernsthaft überlege, den Sport wieder an den Nagel zu hängen. Davon hält mich derzeit nur ab, dass ich meine Sportkameradinnen und -kameraden, meinen Trainer sowie meinen Verein wirklich mag. Aber was ist das schon wert, wenn ich mich aus meiner eigenen Sicht nicht weiter entwickle? Wenn ich nicht glücklich bin? Wenn mich Selbstzweifel plagen?
Suche ich tatsächlich einen Rat? Oder doch nur Zuspruch, dass ich mit dem weiter machen soll, was ich tue? Dass ich aufbauen soll, auf das, was ich bisher erreicht habe? Kann ich die 1,5 Jahre jetzt einfach so abtun? Und (wieder) aufhören? Bedauert habe ich schon das letzte Mal.
Es grüßt Euch
Ein Ratsuchender