Tsuri, Tsuri-komi, Hikite

Hier geht es um einzelne Begriffe und deren wörtliche Übersetzung bzw. deren Bedeutung in verschiedenen Zusammenhängen.
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caesar
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Tsuri, Tsuri-komi, Hikite

Beitrag von caesar »

Häufig lese ich als Übersetzung für Tsuri-goshi "Hüftzug" und für Tsuri-komi, wie z.B. in Tsuri-komi-goshi, "Hebezug".
Wenn ich mir die Kanji angucke, finde ich für Tsuri 釣 was sich mit angeln; anlocken; verleiten übersetzt.
Für Tsuri-komi finde ich diese Kanji 釣 込 welche mit hineinlocken; hereinlocken; hinreißen übersetzt werden. 込 allein finde ich als einschließen; hineintun; enthalten übersetzt.

Sind da die Kanji falsch? Übersetzt wadoku die Kanji einfach nicht im richtigen Zusammenhang? Oder ist die gebräuchliche Übersetzung nicht richtig?

Im Gegensatz dazu finde ich für Hikite und Tsurite folgende Kanji 引手 (Hikite) und 釣手 (Tsurite). 手 ist mir soweit klar als Hand. 引手 kann als Griff übersetzt werden, wobei 引 als ziehen übersetzt werden kann und damit ja eigentlich der hier gebräuchlichen Übersetzung für Tsuri entspricht.
Hikite wird ja auch als Zughand bezeichnet, wobei Tsurite dann als Hubhand bezeichnet wird. Die Kanji, so wie ich sie gefunden habe sind in Tsurite und Tsuri-goshi gleich, werden aber unterschiedlich übersetzt, einmal als ziehen und einmal als heben.

Kann da jemand helfen?
tutor!
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Re: Tsuri, Tsuri-komi, Hikite

Beitrag von tutor! »

An dem Beispiel zeigt sich einmal mehr, dass gebräuchliche deutsche "Übersetzungen" oft keine wirklichen Übersetzungen, sondern neue umschreibende Wortschöpfungen sind. Ich mache mir von daher keine großen Gedanken mehr darüber, ob die Namen sprachlich "stimmen".

Hiki kommt vom Verb "hiku" und heißt meist ziehen, so wie man den Gegner am Ärmel zieht.

Tsuri stammt vom Verb "tsuru" und ich finde als Übersetzung auch angeln, allgemeiner würde ich sagen "herausziehen", so wie man den Fisch aus dem Wasser herauszieht. Ich interpretiere das als eine Zug-und Hebebewegung mit einem Anteil nach oben auf den eigenen Körper zu, was auch auf Tsuri-goshi und Tsuri-komi-goshi passt.

込 in der Aussprache "komi" bedeutet unter anderem "Dorn" (http://www.wadoku.de/entry/view/10091983). Nach meinem Verständnis kann man tsuri-komi als "angeln und aufspießen" übersetzen. Dies würde die Bewegung recht gut beschreiben, bei der zunächst (heraus-)gezogen und dann nach oben gedrückt wird. Insofern ist der deutsche Begriff Hubhand so unpassend nicht, wenngleich er nur auf eine einzige (Teil-)Funktion abstellt.

Welche Gedanken Ende des 19. Jahrhunderts bei der Namensgebung verfolgt wurden, weiß ich allerdings auch nicht.

In der heutigen Systematik bei der Benennung der Wurftechniken spielt die Funktion der Hand allerdings nicht (mehr?) die entscheidende Rolle. Die Koshi-waza, die mit der hinteren Hüfte und ohne Einsatz eines Schwungbeins ausgeführt werden, werden danach unterschieden, ob die rechte Hand (bei Rechtsausführung - also die "Tsurite") den Judogi gefasst hat (Tsuri-goshi, Tsuri-komi-goshi, Sode-tsuri-komi-goshi) oder nicht (O-goshi, Uki-goshi, Koshi-guruma)

Dabei gilt:
  • Griff/Zug am Gürtel --> Tsuri-goshi
  • Griff/Zug am (linken) Ärmel --> Sode-tsuri-komi-goshi
  • Griff/Zug am übrigen Judogi --> Tsuri-komi-goshi
Bei der Unterscheidung der Techniken ist es eindeutiger nach Griffpositionen vorzugehen, als nach Funktionen, da Funktionen auch mehrdeutig ("multifunktional") sein können, während Griffpositionen in aller Regel ziemlich eindeutig sind.

In Japan kommt aber auch kein Mensch auf die Idee, Dan-Prüflinge (oder gar Kyu-Prüflinge) die Unterschiede demonstrieren und erklären zu lassen....
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Fritz
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Re: Tsuri, Tsuri-komi, Hikite

Beitrag von Fritz »

Ihr müßt auch mal die Grundform des Verbs eingeben, bei
Komu geht die Bedeutung klar in Richtung drängen...
http://www.wadoku.de/search/%E8%BE%BC%E3%82%80

Tsuru 釣る hat wohl tatsächlich die Bedeutung von "angeln".
Allerdings gibt es auch noch weitere Kanji, die "tsuru" gelesen werden...
(manchmal hab ich die alten Judoka im Verdacht, sich gewisse sprachliche Spielereien zu genehmigen, bspw. heißt
es sicherlich nicht grundlos "Hane", obwohl das verwendet Kanji durchaus auch als "tobi" zu lesen wäre, wie bspw. im
Karate gebräuchlich, "hishigi" ist auch so ein merkwürdiger Kandidat ;-) )

Hiku http://www.wadoku.de/search/%E5%BC%95%E3%81%8F - da gibt es die Bedeutung "spannen" - das Zeichen 引
selbst enthält m.W. links das Radikal für den Bogen (also die Waffe), das könnte einen Anhalt zur Art
des Ziehens liefern...

Für mich ergibt das also durchaus sprachlich einen Sinn, die Zughand zieht in der Regel wie beim Bogen spannen,
die Hubhand, angelt sich den Körper des Gegners (durch geschickte Handbewegungen)
bei Tsuri-Komi wird sich was geangelt und gedrängt/gedrückt...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
nonidit
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Re: Tsuri, Tsuri-komi, Hikite

Beitrag von nonidit »

Die englische Wikipedia hat zu jeder Technik die korrekten Kanji mit aufgeführt. Bei Tsurikomi-goshi wäre dies 釣込腰.

Wenn man nach den ersten beiden Kanji sucht, findet man das Verb "tsurikomu", welches so viel wie "hineinziehen" bedeutet. Daher wirkt es auf mich auch sinnvoll, die Technik als "Tsurikomi-goshi" an Stelle von "Tsuri-komi-goshi" zu bezeichnen. Der "komi"-Anteil ist dabei anscheinend der gleiche wie in z.B. "makikomi" und kann grob als "hinein" im Sinne von "hineinlegen", "hineingehen" übersetzt werden.

@tutor: Ich selbst kann leider kein Japanisch, aber die Übersetzung als "Dorn" kommt mir von dem Hintergrund aus eher seltsam vor. Ergeben meine Ausführungen denn Sinn?
tutor!
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Re: Tsuri, Tsuri-komi, Hikite

Beitrag von tutor! »

Auch hier gilt - es ist ein Name, keine Funktionsbeschreibung. Die Namen stammen aus dem Ende des 19. Jahrhunderts - seither gab es Sprach- und Schriftreformen. Ich werde bei Gelegenheit einmal nachfragen - kann aber etwas dauern.
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Fritz
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Re: Tsuri, Tsuri-komi, Hikite

Beitrag von Fritz »

nonidit hat geschrieben:er "komi"-Anteil ist dabei anscheinend der gleiche wie in z.B. "makikomi" und kann grob als "hinein" im Sinne von "hineinlegen", "hineingehen" übersetzt werden.
Ja aber m.W. mit dem Schwerpunkt auf "drängen". Einfach nur "hineinkommen" dafür gibt es "hairu" (bsp. in "Hairi-Kata")
tutor! hat geschrieben:Auch hier gilt - es ist ein Name, keine Funktionsbeschreibung.
M.M.n. sind die Namen schon als Merkhilfen gedacht, irgendwo gab es ja mal eine Aussage sinngemäß dahingehend, daß Kano ganz
bewußt die blumigen Namen der alten JJ-Techniken (wie in Koshiki-no-Kata) durch solche halbwegs aussagekräftigen ersetzt hat...
k.A. ob sich das irgendwo belegen läßt...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Tsuri, Tsuri-komi, Hikite

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben:(...) M.M.n. sind die Namen schon als Merkhilfen gedacht, (...)
Bis zu einem gewissen Grad - und eine Merkhilfe ist auch etwas anderes, als eine biomechanische Funktionsdefinition, die obendrein Varianten einschließen soll, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Namens noch gar nicht bekannt waren.....
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Re: Tsuri, Tsuri-komi, Hikite

Beitrag von katana »

Ist euch schon mal der Gedanke gekommen,
daß sich die Begriffe (bei den Wurftechniken) möglicherweise auf das beziehen könnten, was mit Uke (Körper)
geschieht, nicht darauf was Tori macht ?
Da lösen sich manchmal viele Gedanken-Knoten auf.

(nur so ne Idee)
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Re: Tsuri, Tsuri-komi, Hikite

Beitrag von piti »

Wäre es dir möglich, dieses etwas genauer zu erklären bzw. zu beschreiben?

danke im voraus, piti
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Re: Tsuri, Tsuri-komi, Hikite

Beitrag von katana »

ok, stell Dir vor du hast ne Angel mit nem dicken Brummer dran.
Die Schnur ist schräg aufwärts auf Zug, wobei die Rutenspitze stark nach unten gebogen ist.
Würde jetzt der Fisch "loslassen", würde der Haken incl. Blei-Gewicht nach oben katapultiert (also schräg aufwärts gezogen
und dann über die Spitze der Angel ) auf die entgegengesetzte Seite geworfen.
Iss schwierig zu erklären, aber wer schon mal geangelt hat, weiß was ich meine.
Die gespannte Angel beschreibt (aus Sicht des Fisches) genau die Aktionsrichtung bei TKG.
Uke wird nach oben gezogen, und dann am Wendepunkt nach vorne geschnellt/gekippt etc.
Wobei es für Ukes Aufwärtsbewegung theoretisch keinen Unterschied machen würde, ob er am Ankerpunkt der Jacke von oben gezogen oder (wie SodeTKG) von unten(Tori) nach oben gedrückt wird. ((( Ist das verständlich ausgedrückt ???)))
Andere Koshi-waza haben andere Aktionsprinzipien. (Auch wenn das "Aufreißen" oder "Aufziehen" von Uke als "Kuzushi" für alle Eindrehtechniken gepredigt wird, kann man feststellen, daß viele Techniken auch ohne dies funktionieren, und das "Aufreißen" im Wettkampf i.d.R. eher kontraproduktiv ist, da es zwangsläufig einen Gegenreflex erzeugt.)

(es gibt noch ne Menge anderer Beispiele, aber ich schaff es zeitlich momentan nicht, sie aufzuführen)
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Re: Tsuri, Tsuri-komi, Hikite

Beitrag von piti »

Hi Katana,

erst einmal danke für deine Erklärungen. (die sind irgendwie gut :D )
Fritz hat geschrieben:
bei Tsuri-Komi wird sich was geangelt und gedrängt/gedrückt...
Du hast geschrieben:
[.....) daß sich die Begriffe (bei den Wurftechniken) möglicherweise auf das beziehen könnten, was mit Uke (Körper)
geschieht, nicht darauf was Tori macht ?

Mich würde interessieren, was Uke genau macht, damit das Wurfprinzip von Tori klappt.
Ein Wurfprinzip damit zu erklären, was mit Ukes Körper passiert ....... und daraus einen Namen abzuleiten, habe ich momentan noch nicht verstanden.

Aber ich bin lernfähig und immer neugierig.

Gruß, Piti
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