DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Hier geht es um Fragen zur Vereinsarbeit, Verbänden und Organisationen
Kumamoto
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Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von Kumamoto »

Ich würde nicht von "Luxusproblem" reden.
Das Problem ist meiner Meinung nach, Angebote zu finden, die Jugendliche dazu zu bewegen im Judo zu bleiben bzw. Erwachsene zum Wiedereinstieg zu bringen.
Wenn einem Judo keinen Spaß mehr macht, liegt es auch daran, dass immer das gleiche gemacht wird, weil die Gruppe altersmäßig nicht mitwächst, sondern immer auf dem gleichen Altersniveau bleibt. Mit neuen Angeboten kann man Mitglieder binden.
Es kommt aber auf die Nachfrage nach einem Angebot an, ob es zustandekommt.
Ich denke, dass in Deutschland kaum ein Verein im Luxus lebt und steigende Mitgliederzahlen verzeichnen kann. Ausnahmen sind die Vereine, die entweder reine Wirtschaftsunternehmen sind (Angebot und Nachfrage bestimmen den Markt) oder mitgliederorientiert arbeiten, d.h. sich am veränderten Bedarf der Mitglieder orientieren und nicht nur ihr gewohntes Programm abspulen, sondern Ergänzungen suchen.
califax
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Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von califax »

katana hat geschrieben:Man sollte hier natürlich zwei Dinge konkret voneinander trennen, um nicht
aneinander vorbeizudiskutieren:
- Judo als Kindersport, mit dem Elternziel die Kinder mit möglichst geringem Aufwand zu versorgen
- Judo als Zukunftsfähiger Breitensport, mit dem Vereinsziel, langfristig auch junge und ältere Erwachsene
zu binden.
Beides erfordert komplett andere Ansätze, wenn man nicht gar soweit geht, zu sagen...es widerspricht sich
in der Praxis zwangsläufig.
Gut, Kinderbespaßung findet im MT eher nicht statt. :)
Im Karate freilich schon.
Und Kinderbespaßung hat andere Umstände als Breitensport für Halbstarke und Erwachsene.
Aber die Probleme des Kinderjudo scheinen ja den normalen Rahmen nicht zu übersteigen.
Meinem Eindruck nach läuft da alles prima.
Und mit irgendwelchen Funjudosachen wird es noch lustiger und spannender.
Und im Kinderjudo gibt es ja auch keine ernsthaften Nachwuchsprobleme.
Bei den Halbstarken und den Erwachsenen, wo man eh nur noch mit einer im Vergleich zum Kindersport stark geschrumpften Anzahl potentieller Mitglieder rechnen kann, brechen die Zahlen weg.
Und es stimmt eben nicht, daß in dieser Altersgruppe einfach nicht genug Interesse an KS da wäre.
Nur eben nicht genug Interesse am Jackenreißen, Brüche heben und Gelenke ruinieren.
Die Gyms und Dojos sind voll.
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pmhausen

Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von pmhausen »

Califax, das liegt m.E. daran, dass es jenseits des 1. oder 2. Dan in den meisten Vereinen keine Inhalte mehr gibt, die unterrichtet werden können. Und zwar sowohl in der Praxis als auch mit dem nötigen theoretischen Fundament. Sowas wollen Erwachsene aber, wenn sie jahrelang dabei bleiben sollen. Ich will das zumindest und einige meiner Freunde auch.

Das Erwachsenen-Training hier im lokalen Verein ist entweder Leistungsport ("Kampftraining") oder mehr oder weniger Kinderbespaßung für Erwachsene - Hockey zum Aufwärmen, bißchen Technik, bißchen Randori, haben wir alle mal wieder gut geschwitzt, und das war's. Keine fortgeschrittenen Inhalte. Ein Trainer auf meine Frage, ob wir uns mal mit der Ju no Kata beschäftigen könnten: "Wozu, die brauchst Du doch erst zum 4. Dan?". D.h. Kata sind etwas, was man für die Prüfung abspult. Aber das war ja sowieso schon klar.

Kano hat die Ju no Kata in dem wenigen, was wir schriftlich in Englisch haben, ausdrücklich Anfängern zur Körperschulung empfohlen. Nachdem ich in den letzten eineinhalb Jahren ja auch ein wenig was gelernt habe, wage ich zu behaupten, Ju no Kata ist Feldenkrais-Methode. Awareness through Movement.

Es gibt so viel geniales Zeug, das man machen kann. Gestern im Iai mit einem Glas Wasser auf einem Tablett runter in Seiza, rauf, runter, rauf, ... was denkst Du, was ich dabei über die Stellung meiner Hüfte gelernt habe? ;)

Grüße,
Patrick
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Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von califax »

pmhausen hat geschrieben: Es gibt so viel geniales Zeug, das man machen kann. Gestern im Iai mit einem Glas Wasser auf einem Tablett runter in Seiza, rauf, runter, rauf, ... was denkst Du, was ich dabei über die Stellung meiner Hüfte gelernt habe? ;)
Ja, man kann auch Ukemi aufpeppen, wenn sie sicher sitzt: Rollen und Fallen mit Waffen, Gegenständen, Gepäckstücken.
Für die ganz guten: Fallschule mit gefülltem Trinkbecher auf festem Untergrund. Ohne das gute Bier zu verschütten! Sehr alltagsrelevant. :)
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Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von Kumamoto »

Ich denke, dass sich ein 1. oder 2. Dan gut selbst unterrichten können, selbst Inhalte finden können. Das Problem besteht eher darin, die Mitglieder bis dahin zu bringen und den Einbruch im Jugendbereich zu verhindern. Wirksames Mittel ist meiner Meinung nach eine Angebotserweiterung bzw. ein verändertes Rangehen an das "sanfte" Judo.
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Hofi
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Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von Hofi »

Hi!
Klingt jetzt böse, aber wen ein Verein Probleme hat, liegt es nicht am Judo an sich, sondern an den Leuten die den Verein leiten, also an Vorstand und an den Trainern.
Bis dann
Hofi
Wer die Wahrheit sagt, braucht ein verdammt schnelles Pferd.

Heimat ist dort, wo man von der Dorfbevölkerung, die einen duzt, gelyncht wird.
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Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von pmhausen »

Kumamoto hat geschrieben:Ich denke, dass sich ein 1. oder 2. Dan gut selbst unterrichten können, selbst Inhalte finden können.
Nein! Ein 1. oder 2. Dan ist ein Fortgeschrittener. Kein "Meister". Und - siehe die Diskussion über die Atemi - wie soll er sich denn weiterführende Inhalte erarbeiten ohne einen Lehrer, der ihm die Kuden vermittelt?

Problem an dem ganzen Kram ist, dass die Japaner trotz ihrer ausgeprägten Schriftkultur (aus dem Verwaltungsbereich existieren mittelalterliche Aufzeichnungen über alles und jedes) eine absolut paranoide Einstellung entwickelt haben bei allem, was von der Struktur her eine Koryu ist. Gleich, ob Kampfkunst, Teezeremonie, Ikebana oder Theater. Damit die Geheimnisse ja nicht in die falschen Hände geraten, wird hier auch seit dem Mittelalter alles nur mündlich weitergegeben.

Weshalb denn sonst Kata? Das sind Gedächtnisstützen, damit der Lehrer nicht vergisst, was er dem Schüler alles beibringen muss. Und damit der Schüler sich den Kram leichter merken kann. So wie Homers Werke, die auch immer wieder identische Floskeln drin haben, an denen man sich entlang hangeln kann, um das Auswendiglernen zu unterstützen.
Läuft unserer westlichen Schriftkultur gerade im Bildungsbereich natürlich vollständig entgegen. Viel Schulwissen kann man auch mit einem Lehrbuch ganz ohne Lehrer lernen. Das geht mit Japanischen Kampfkünsten grundsätzlich nicht. Meiner geringen Erfahrung nach.

Und wenn dann mal ein Bruch stattgefunden hat (kein Nachfolger), dann ist spätestens nach einer weiteren Generation eine Schule einfach weg. Als ob sie nie existiert hätte. Was hoffentlich auch in Verbänden wie dem DJB nicht in den nächsten 20-30 Jahren wieder ins Judo zurückgeführt wird - und das bedeutet in die Köpfe und Körper von Menschen, die es weitergeben können - das wird ebenfalls weg sein. Für immer. Falls wir noch 20 Jahre haben. Wer weiß denn, wenn Daigo tot ist, noch fundamental etwas über Kito Ryu? Sicher (tutor! oder Tom wissen vielleicht mehr) gibt es auch noch eine Handvoll weiterer Personen neben Daigo. Die sind aber alle in seinem Alter, möchte ich wetten!

Grüße,
Patrick
Zuletzt geändert von pmhausen am 22.10.2010, 11:06, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von tutor! »

Kumamoto hat geschrieben:Ich denke, dass sich ein 1. oder 2. Dan gut selbst unterrichten können, selbst Inhalte finden können.
Genau an diesem Punkt möchte ich Dir ganz energisch widersprechen. Üblicherweise hat ein 1. oder 2. Dan einen noch ziemlich eingeschränkten Horizont, was Judo betrifft - dann jedenfalls, wenn er immer nur in einem Verein und nur gelegentlich außerhalb trainiert hat.

Wer seinen Horizont erweitern will, muss in die Welt hinaus. Das ist eine Binsenweisheit! Und egal, wie viel jemand schon weiß oder kann - aus sich selbst heraus kann man nur begrenzt viel lernen. Natürlich gehören Eigeninitiative, nachdenken, ausprobieren etc. dazu, aber das sind nur Elemente der aktiven Verarbeitung von Impulsen, die von außen kommen müssen.
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Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von califax »

Kumamoto hat geschrieben:Ich denke, dass sich ein 1. oder 2. Dan gut selbst unterrichten können, selbst Inhalte finden können.
Darf ich kurz an die Kata mit den Atemi und dem unaussprechlichen Namen im Atemi-Thread erinnern?
Da steht ein Schwarzgurt.
Ohne fachkundige Anleitung wird der über das Level, auf dem er da rumturnt, nie hinaus kommen.
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Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von tutor! »

pmhausen hat geschrieben:Wer weiß denn, wenn Daigo tot ist , noch fundamental etwas über Kito Ryu? Sicher (tutor! oder Tom wissen vielleicht mehr) gibt es auch noch eine Handvoll weiterer Personen neben Daigo. Die sind aber alle in seinem Alter, möchte ich wetten!k
Kito-ryu wird von mehreren Seiten her studiert, da auch M. Ueshiba Kito-ryu studiert hat, gibt es auch aus der Aikido-Richtiung Interesse an Kito-ryu.

Die Gruppe um Daigo am Kodokan umfasst derzeit etwa 25 Personen, die zum allergrößten Teil >65 Jahre alt sind.

Das Judo kennt übrigens offiziell keine Kuden. Inoffiziell gelten aber die Lehren der Kito-ryu die "Kuden des Judo", weshalb sich die Gruppe um Daigo auch mitunter selbstironisch "Kuden-kai" nennt.

Aber das führt jetzt sehr weit weg vom eigentlichen Thema.....
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Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von pmhausen »

tutor! hat geschrieben: Das Judo kennt übrigens offiziell keine Kuden.
Stimmt. Trotzdem hat mir in meiner alten Sportjudo-Laufbahn vor 20 Jahren nie jemand einige Dinge erklärt, die ich jetzt von Frank und Tom gezeigt bekomme. Und mit diesen Informationen (und Übung) funktionieren die Wurftechniken auf einmal ganz ohne Krafteinsatz. Und ich habe diese Kleinigkeiten noch in keinem Lehrbuch gesehen, von denen ich inzwischen eine ganze Menge habe.

Danke für die Klarstellung. Wie nennen wir dann stattdessen das fundamentale Wissen um Körpermechanik im Zusammenhang mit Judo-Techniken, das man sich nicht oder nur sehr schlecht selbst beibringen kann? Nehmen wir doch mal als Beispiel das gerne als Lehrmaterial für die Prüfung zum ersten Dan empfohlene Büchlein von meinen Vereinskollegen Günter Bauer und Ute Pfeiffer. Kennst Du sicher. Kann man damit als Anleitung seine Wurftechnik (in Anwendung!) grundlegend verbessern? Ich denke, nicht. Und ich will den beiden jetzt wirklich nichts böses. Bin ja nicht der böse Tom. ;) Aber bei Draeger und bei Legget findet man dann doch etwas mehr Grundlagen. Doch auch die beiden Werke - zum Selbststudium?

Und dann mal zum Vergleich dasselbe mit einem guten Lehrer, der weiß, wie es sich anfühlen muss, und der dem Schüler von außen ansehen kann, ob es sich für den richtig anfühlt!

Gruß,
Patrick
tom herold
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Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von tom herold »

Dass 7 km von uns entfernt (hinter dem Klosterforst) ein "ganz anderes" (besseres?) Judo gelehrt wird, habe ich hier im Forum gelernt. Das ist es also NICHT, was den DJB die Mitglieder kostet.
Oh, oh ...

Da muß ich aber widersprechen.
Die gesamte Jûdô-Trainingsgruppe aus Plön (10km entfernt) ist inzwischen bei uns.
Für einen erklecklichen Teil der Jûdô-Gruppe aus Schönberg gilt dasselbe.
Und die Truppe hier in Preetz selbst ist doch wohl das beste Beispiel dafür, daß Kinder, Jugendliche und Erwachsene eben DOCH dahin wechseln, wo sie ein (subjektiv) besseres Training und interessantere Angebote bekommen.
Insofern bist du da nicht besonders gut informiert.

Wir haben sogar aus den Filipino Martial Arts Jugendliche und Erwachsene "abgeworben".
Es liegt also wohl doch daran, was man anbietet.
Kumamoto
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Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von Kumamoto »

Was ich eigentlich sagen wollte: Ein 1. oder 2. Dan hat in der Regel so viel Erfahrung, dass er Quellen kennt, mit denen er sein Judo bereichern kann (Bücher, Lehrgänge, etc.)- mit diesem Wissen kann er sich selbst weiterbilden, selbst auf Lehrgänge fahren, wenn er eine Technik schon kennt und kann eine auf einem Lehrgang gesehene Variante probieren.
Klar, ein 1. oder 2. Dan ist noch kein Meister in dem was er kann oder weiß, er sollte aber zumindest soweit in der Lage sein zu wissen, was ihn interessiert, dass er sich darüber weiterbilden kann und Zugang zu Quellen hat. Er ist nicht mehr allein vom Verein/ Vereinsquellen abhängig und kann sich die Impulse selbst extern holen. Ich glaube, wir meinen das gleiche - ich hab es nur etwas verkürzt ausgedrückt.
tutor!
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Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von tutor! »

pmhausen hat geschrieben:....Und dann mal zum Vergleich dasselbe mit einem guten Lehrer, der weiß, wie es sich anfühlen muss, und der dem Schüler von außen ansehen kann, ob es sich für den richtig anfühlt!
Den baucht man natürlich, das hat aber nichts mit Kuden zu tun, einzig mit Qualität des Lehrers. Der eine kann es, der andere nicht.

Deshalb habe ich ja Kumamoto widersprochen ("Selbststudium eines 1. oder 2. Dan"), aber nach seiner Klarstellung weiß ich, dass er im Wesentlichen dasselbe meint wie ich, wenn er sagt, dass ein 1. oder 2. Dan eigentlich wissen müsste, wo er sich weiterentwickeln kann - wenn er es denn möchte....
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Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von califax »

tutor! hat geschrieben:
pmhausen hat geschrieben:....Und dann mal zum Vergleich dasselbe mit einem guten Lehrer, der weiß, wie es sich anfühlen muss, und der dem Schüler von außen ansehen kann, ob es sich für den richtig anfühlt!
Den baucht man natürlich, das hat aber nichts mit Kuden zu tun, einzig mit Qualität des Lehrers.
Ähm, aber genau dieses mündlich durch Korrektur und Belehrung überlieferte Wissen heißt auf japanisch Kuden.
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Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von pmhausen »

tutor, Califax:

Genau. Ich meinte nicht Okuden - fortgeschrittene Geheimlehren, sondern nur die mündliche Unterweisung. Wenn das nicht Kuden heisst, bitte ich um Korrektur.

Gruß,
Patrick
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Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von Kumamoto »

Problem an dem ganzen Kram ist, dass die Japaner trotz ihrer ausgeprägten Schriftkultur (aus dem Verwaltungsbereich existieren mittelalterliche Aufzeichnungen über alles und jedes) eine absolut paranoide Einstellung entwickelt haben bei allem, was von der Struktur her eine Koryu ist. Gleich, ob Kampfkunst, Teezeremonie, Ikebana oder Theater. Damit die Geheimnisse ja nicht in die falschen Hände geraten, wird hier auch seit dem Mittelalter alles nur mündlich weitergegeben.
Die Bibel wurde anfangs auch nur mündlich weitergegeben... Oder die deutschen Hausmärchen... Es braucht halt einen oder viele, die das Niederschreiben. Solange es noch Menschen gibt, die über ein solches Wissen und Können verfügen, sollte dieses Wissen konserviert werden um nicht verloren zu gehen. DAS wäre auch mal ne Aufgabe für einen Verband: Die deutsche Judo- Bibliothek aufzubauen (gerne in Köln an der Sporthochschule)- alles Judowissen (Bücher, Skripten, Videos, etc.) an einem Ort, für jedermann zugänglich.
Beim Thema Holocaust gibt es ja so ein "Projekt gegen das Vergessen" wo Holocaust- Überlebende vor der Kamera interviewt werden um eine Wiederholung des Mordens für alle Zeiten auszuschliessen. So könnte man jeden Lehrgang abfilmen bzw. dokumentieren.
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Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von tutor! »

pmhausen hat geschrieben:Wenn das nicht Kuden heisst, bitte ich um Korrektur.
"Den" ist (normalerweise) die "Überlieferung" oder "Übertragung". Shoden, chuden und okuden bilden ein strukturiertes System von aufeinander aufbauenden Inhalten. Menkyo-kaiden ist die Bestätigung, dass eine Kunst vollständig übertragen wurde. Densho und kuden sind die Übertragungsformen (densho: schriftlich, kuden: mündlich) der theoretischen Aspekte. Überall taucht das Wörtchen "den" auf....

Ob man die an sich selbstverständlichen begleitenden Erläuterungen als "Kuden" bezeichnen kann? Rein sprachlich gesehen in gewisser Weise vielleicht?

Ich wundere mich aber ohnehin oft über die mitunter exzessive Verwendung japanischer Begriffe. Aber es gibt ja einen gewissen Trend auch deutsche Lehrer mit "Name-sensei" anzusprechen..... bzw. sogar sich ansprechen zu lassen. Die Japaner lachen sich halbtot darüber.

Für das Judo hatte Kano zwei Methoden der theoretischen Unterweisung: Kogi und Mondo. Oft sprach er davon, dass den Schülern Dinge auch erklärt werden müssten. Ich meine mich sogar an eine Stelle zu erinnern, wo er von "etwas anschreiben" sprach, bin aber nicht mehr ganz sicher. Kano nutzte darüber hinaus auch Medien - z.B. die verschiedenen Zeitschriften - um theoretische Aspekte zu erläutern.

In der gesamten Judo-Terminologie findet man die "den"-Begriffe eigentlich gar nicht. Außer einer kleinen Ausnahme, die findet ihr hier: http://www.judo.or.jp/worldjudo2010/e/oen_boj.php
(BTW ein Kapitel aus Alex Bennetts Buch, von dem hier schön öfters die Rede war.)
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Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von califax »

tutor! hat geschrieben:Ich wundere mich aber ohnehin oft über die mitunter exzessive Verwendung japanischer Begriffe.
Wo es sich um Fachbegriffe handelt, deren Bedeutung sich nicht einfach übertragen oder übersetzen läßt, wie eben bei Kuden, Okuden, etc. ist das sinnvoll. Auf die Matte läßt man auch nur Leute mit Gi, nicht etwa mit einer Trainingsjacke.
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pmhausen

Re: DJB- Maßnahmen zur Basisstärkung?

Beitrag von pmhausen »

tutor! hat geschrieben: "Den" ist (normalerweise) die "Überlieferung" oder "Übertragung". [...]Densho und kuden sind die Übertragungsformen (densho: schriftlich, kuden: mündlich) der theoretischen Aspekte. Überall taucht das Wörtchen "den" auf....
Klar. Sho (書) heißt Buch oder Dokument, auch Schrift. Ku {口) heißt Mund. Den (伝) heißt Überlieferung.
tutor! hat geschrieben: Ob man die an sich selbstverständlichen begleitenden Erläuterungen als "Kuden" bezeichnen kann?
Zumindest hat man mich so informiert, dass in den Koryu die Densho ohne die dazugehörige mündliche Unterweisung völlig wertlos seien. Und das mit Absicht. Siehe meine kurze Ausführung bezgl. mündlicher Übertragung und Paranoia. Warum sollte das im Judo auf einmal grundlegend anders sein? Judo wurzelt in den Koryu. Japanische Lehrer haben lange Zeit in Europa eben nicht gelehrt, sondern ihre Überlegenheit demonstriert und die dummen Europäer im Regen stehen lassen. Ausnahmen wie Kawaishi, Koizumi und Hirano genießen m.W. bei ihren japanischen Kollegen kein sehr hohes Ansehen.
tutor! hat geschrieben: Ich wundere mich aber ohnehin oft über die mitunter exzessive Verwendung japanischer Begriffe. Aber es gibt ja einen gewissen Trend auch deutsche Lehrer mit "Name-sensei" anzusprechen..... bzw. sogar ich ansprechen zu lassen. Die Japaner lachen sich halbtot darüber.
Komisch. Sayo Sensei - meine Lehrerin für Japanisch an der Volkshochschule - findet das völlig normal. Sensei ist nämlich kein Titel sondern eher eine Art Tätigkeitsbezeichnung, die keine besondere Ehrerbietung oder so etwas impliziert. Laut allen meinen Quellen wird in Japan jeder, der in irgendeiner Form unterrichtet, so genannt und auch angesprochen.
Komisch finde ich nur, wenn jemand eine Titel/Ehren-Geschichte daraus macht und auf dieser Anrede besteht. Speziell natürlich, wenn es sich um einen Deutschen handelt - da gebe ich Dir recht.

Gruß,
Patrick
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