Liebes Forum,
in einem anderen Diskussionsfaden (Pfefferspray) tauchte mehrfach der Hinweis "von unsichtbaren Grenzen" auf; die leicht und völlig unbedarft überschritten werden (können), teilweise mit fatalen Folgen.
Wir kennen dieses im Alltag in den unterschiedlichsten Formen und Ausprägungen, wenden vielleicht sogar die eine oder andere Grenzüberschreitung bewußt an.
Bitte betrachtet diese Diskussionseröffnung als einen Sammelcontainer für Eure Erfahrungen, Gedanken, ...
Grenzen überschreiten
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- 3. Dan Träger
- Beiträge: 2161
- Registriert: 20.05.2006, 14:54
- Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Re: Grenzen überschreiten
Okay, dann setz ich noch mal mein Erlebnis hier rein.
Mein Erlebnis:
Kiel, Gruppe Rocker aus Düsseldorf mit Freundin und Maschine steht an der Straße, du gehst vorbei. Plötzlich einer hinter dir, schreit dich an, du drehst dich um und der fragt dich, wieso du gelacht hast. Keine Ahnung was der Typ meint, ich sag es ihm und der verpasst dir eine Kopfnuss auf die Nase. Klappt aber nicht ganz, da du den Kopf etwas gesenkt hast und du siehst erstmal Sterne.
Sofort kommt der Schlag hinterher. Dein Glück, da du reflexartig abwehrst.
Irgendwie bekommst du den rechten Arm zu packen, trittst ihm noch zwischen die Beine, er klappt nach unten und du hast ihn im Armhebel. Du hebst dein linkes Bein und lässt dich abwärts fallen. Dein Kontrahent knallt mit dem Gesicht voll aufs Pflaster. Dann nichts wie weg. Du hörst noch, wie die Kumpels hinter dir her schreien und eine Bierflasche fliegt an dir vorbei. Ein Glück, dass da eine andere Gruppe Erwachsener auftaucht und du schließt dich denen an. Das ist mir als 18jährigen passiert, als ich nur Judo kannte. Ein Erlebnis, das meinen Horizont erweitert hat.
Mein Angreifer hatte genau den gleichen Blick wie der Herr auf diesem Bild, sowas vergisst man nicht.
http://static.rp-online.de/layout/fotos ... rweger.jpg
Ich hatte richtig Schwein. Meine Meinung.
Mein Erlebnis:
Kiel, Gruppe Rocker aus Düsseldorf mit Freundin und Maschine steht an der Straße, du gehst vorbei. Plötzlich einer hinter dir, schreit dich an, du drehst dich um und der fragt dich, wieso du gelacht hast. Keine Ahnung was der Typ meint, ich sag es ihm und der verpasst dir eine Kopfnuss auf die Nase. Klappt aber nicht ganz, da du den Kopf etwas gesenkt hast und du siehst erstmal Sterne.
Sofort kommt der Schlag hinterher. Dein Glück, da du reflexartig abwehrst.
Irgendwie bekommst du den rechten Arm zu packen, trittst ihm noch zwischen die Beine, er klappt nach unten und du hast ihn im Armhebel. Du hebst dein linkes Bein und lässt dich abwärts fallen. Dein Kontrahent knallt mit dem Gesicht voll aufs Pflaster. Dann nichts wie weg. Du hörst noch, wie die Kumpels hinter dir her schreien und eine Bierflasche fliegt an dir vorbei. Ein Glück, dass da eine andere Gruppe Erwachsener auftaucht und du schließt dich denen an. Das ist mir als 18jährigen passiert, als ich nur Judo kannte. Ein Erlebnis, das meinen Horizont erweitert hat.
Mein Angreifer hatte genau den gleichen Blick wie der Herr auf diesem Bild, sowas vergisst man nicht.
http://static.rp-online.de/layout/fotos ... rweger.jpg
Ich hatte richtig Schwein. Meine Meinung.
Grüße
Norbert Bosse
ボッセ・ノルベルト
Wissen stirbt, wenn es bewahrt wird, und lebt, wenn es geteilt wird.
Non scholae sed vitae discimus (Nicht für die Schule - für das Leben lernen wir)
You're only as old as you date. Keep em young boys!
Norbert Bosse
ボッセ・ノルベルト
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Signale
@Norbert,
welche Art der Grenzüberschreitung hast Du begangen? Du bist ein Passant gewesen, ein junger Fußgänger ohne "böswillige Absichten"! Was hat sich räumlich geändert, kannst Du dich noch an deine Wahrnehmungen erinnern? Was hast Du gefühlt, als "der Rocker" in deinen Rücken trat und dich verbal attackierte?
welche Art der Grenzüberschreitung hast Du begangen? Du bist ein Passant gewesen, ein junger Fußgänger ohne "böswillige Absichten"! Was hat sich räumlich geändert, kannst Du dich noch an deine Wahrnehmungen erinnern? Was hast Du gefühlt, als "der Rocker" in deinen Rücken trat und dich verbal attackierte?
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- 3. Dan Träger
- Beiträge: 2161
- Registriert: 20.05.2006, 14:54
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Re: Grenzen überschreiten
Nun, die Grenze war vielleicht ein Blick zu meinem Gegner, vielleicht habe ich ihn auch nur gestreift. Oder auch der Abstand, an dem ich vorbei gegangen bin, keine 3m. (Die hatten ihre Freundin dabei ...)welche Art der Grenzüberschreitung hast Du begangen?
Ich weiss es heute nicht mehr.
Nun, als jemand, der so eine Situation das erste Mal erlebte, habe ich mir gar nichts dabei gedacht. Hatte daher auch kein Gefühl für die Situation. Vielleicht war ich mir auch zu sicher (Judotraining).Du bist ein Passant gewesen, ein junger Fußgänger ohne "böswillige Absichten"! Was hat sich räumlich geändert, kannst Du dich noch an deine Wahrnehmungen erinnern? Was hast Du gefühlt, als "der Rocker" in deinen Rücken trat und dich verbal attackierte?
Ich habe mich umgedreht und in seine Augen gesehen. Er hatte damals meine Größe und stand direkt vor mir. Keine Handbreit entfernt. Ich hatte plötzlich das Gefühl, der macht dich gleich platt. Aber irgendwas im Inneren sagte mir auch, dass es zu spät ist zu verschwinden. Der wartete nur meine Antwort ab, lächelte und dann sah ich auch schon Sterne.
Was weiter passiert ist, habe ich geschrieben. Hätte der mich noch mit dem Schlag erwischt, ich weiss nicht, was dann noch passiert wäre.
Grüße
Norbert Bosse
ボッセ・ノルベルト
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Norbert Bosse
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Re: Grenzen überschreiten
Grenzüberschreitungen - ein ganz, ganz schwieriges Thema, das ich nicht an einem eigenen Erlebnis festmachen möchte, sondern allgemein, vielleicht ein wenig akademisch.
Eine Grenzüberschreitung liegt für mich immer dann vor, wenn jemand einen anderen in eine körperliche oder seelische Bedrängnis bringt. Eng verknüpft mit dem Begriff Grenzüberschreitung ist für mich der Begriff der Gewalt, weil ich nämlich jede Form der Grenzüberschreitung - im vorgenannten Sinn - als Gewalt verstehe. Ich definiere Gewalt also nicht über die Intensität oder die Schwere möglicher körperlicher oder seelischer Folgen. Das bedeutet natürlich auch, dass ich teilweise eher harmlose Dinge - im Sinne von "keine Folgen zu erwarten" schon als "Gewalt" betrachte. Für andere mag Gewalt erst viel später wirklich Gewalt sein, aber dann gibt es eben die definitorischen Probleme, wo denn Gewalt anfängt und wo noch nicht.
Zurück zu den Grenzüberschreitungen. Als Erzieher versuche ich, den Kindern und jugendlichen Respekt vor den Grenzen anderer zu vermitteln. Diese Arbeit verstehe ich als Gewaltprävention (daher auch meine für den ein oder anderen vielleicht etwas merkwürdige Definition von Gewalt). In der Praxis ist das natürlich alles nicht so einfach, wie es sich anhört. Aber es gibt eine ganze Reihe von praktischen Hinweisen.
Grenzen nicht verletzen kann nur derjenige, der weiß, dass andere Grenzen haben und diese auch wahrnimmt. Wir müssen also Kinder und Jugendliche für die Grenzen anderer sensibilisieren. Voraussetzung, dass das funktionieren kann ist natürlich immer, dass die Betroffenen die Grenzen anderer auch respektieren wollen. Respekt ist für viele jedoch ein äußerst wichtiger Begriff, oftmals, weil sie sich nicht immer respektiert fühlen. Das ist manchmal eine Chance, an Respekt zu appellieren.
Das Respektieren der Grenzen anderer ist nur die eine Seite. Kinder und Jugendliche müssen auch lernen, dass nicht alles, was sie als Grenzüberschreitung empfinden, auch tatsächlich so "gemeint" ist. Es geht also um die Arbeit an der Toleranzschwelle.
Wenn es uns gelingt, dass Kinder und Jugendliche lernen, die Grenzen der anderen zu respektieren und gleichzeitig auch anderen gegenüber toleranter zu werden, dann dürfen wir hoffen, dass die ein oder andere Situation nicht so weit eskaliert, dass es schwerwiegende Folgen hat.
Ich halte im Übrigen überhaupt nicht viel davon, Grenzüberschreitungen eines anderen mit eigenen Grenzüberschreitungen zu beantworten, auch wenn es mitunter erforderlich ist. Das mündet normalerweise in nichts anderes als eine Spirale von Grenzüberschreitungen, also von Gewalt. Der Unterlegene lernt ja streng genommen nur zwei Dinge: das eine ganz bestimmte Opfer war eine Nummer zu groß und als zweites lernt er, dass er beim nächsten mal - bei einem anderen - schlicht brutaler sein muss. Bevor mich aber jetzt jemand missversteht: wenn es wirklich unausweichlich ist, dann ist natürlich jedes Mittel, das mich schützt, legitim, aber ich sehe auch die Kehrseite und betrachte einen "Sieg" nicht unbedingt als etwas worauf ich stolz sein sollte.
Wie also sich selbst verhalten: Kano hat es geschrieben! Die Beziehung zwischen dem Selbst und dem Umfeld genau beachten, reiflich überlegen und entschlossen handeln - durchaus dem anderen zuvor kommen - und vor allem die Grenzen kennen.
Eine Grenzüberschreitung liegt für mich immer dann vor, wenn jemand einen anderen in eine körperliche oder seelische Bedrängnis bringt. Eng verknüpft mit dem Begriff Grenzüberschreitung ist für mich der Begriff der Gewalt, weil ich nämlich jede Form der Grenzüberschreitung - im vorgenannten Sinn - als Gewalt verstehe. Ich definiere Gewalt also nicht über die Intensität oder die Schwere möglicher körperlicher oder seelischer Folgen. Das bedeutet natürlich auch, dass ich teilweise eher harmlose Dinge - im Sinne von "keine Folgen zu erwarten" schon als "Gewalt" betrachte. Für andere mag Gewalt erst viel später wirklich Gewalt sein, aber dann gibt es eben die definitorischen Probleme, wo denn Gewalt anfängt und wo noch nicht.
Zurück zu den Grenzüberschreitungen. Als Erzieher versuche ich, den Kindern und jugendlichen Respekt vor den Grenzen anderer zu vermitteln. Diese Arbeit verstehe ich als Gewaltprävention (daher auch meine für den ein oder anderen vielleicht etwas merkwürdige Definition von Gewalt). In der Praxis ist das natürlich alles nicht so einfach, wie es sich anhört. Aber es gibt eine ganze Reihe von praktischen Hinweisen.
Grenzen nicht verletzen kann nur derjenige, der weiß, dass andere Grenzen haben und diese auch wahrnimmt. Wir müssen also Kinder und Jugendliche für die Grenzen anderer sensibilisieren. Voraussetzung, dass das funktionieren kann ist natürlich immer, dass die Betroffenen die Grenzen anderer auch respektieren wollen. Respekt ist für viele jedoch ein äußerst wichtiger Begriff, oftmals, weil sie sich nicht immer respektiert fühlen. Das ist manchmal eine Chance, an Respekt zu appellieren.
Das Respektieren der Grenzen anderer ist nur die eine Seite. Kinder und Jugendliche müssen auch lernen, dass nicht alles, was sie als Grenzüberschreitung empfinden, auch tatsächlich so "gemeint" ist. Es geht also um die Arbeit an der Toleranzschwelle.
Wenn es uns gelingt, dass Kinder und Jugendliche lernen, die Grenzen der anderen zu respektieren und gleichzeitig auch anderen gegenüber toleranter zu werden, dann dürfen wir hoffen, dass die ein oder andere Situation nicht so weit eskaliert, dass es schwerwiegende Folgen hat.
Ich halte im Übrigen überhaupt nicht viel davon, Grenzüberschreitungen eines anderen mit eigenen Grenzüberschreitungen zu beantworten, auch wenn es mitunter erforderlich ist. Das mündet normalerweise in nichts anderes als eine Spirale von Grenzüberschreitungen, also von Gewalt. Der Unterlegene lernt ja streng genommen nur zwei Dinge: das eine ganz bestimmte Opfer war eine Nummer zu groß und als zweites lernt er, dass er beim nächsten mal - bei einem anderen - schlicht brutaler sein muss. Bevor mich aber jetzt jemand missversteht: wenn es wirklich unausweichlich ist, dann ist natürlich jedes Mittel, das mich schützt, legitim, aber ich sehe auch die Kehrseite und betrachte einen "Sieg" nicht unbedingt als etwas worauf ich stolz sein sollte.
Wie also sich selbst verhalten: Kano hat es geschrieben! Die Beziehung zwischen dem Selbst und dem Umfeld genau beachten, reiflich überlegen und entschlossen handeln - durchaus dem anderen zuvor kommen - und vor allem die Grenzen kennen.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
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- 3. Dan Träger
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Re: Grenzen überschreiten
...und genau das ist es doch was Tom die ganze Zeit meint. Meine Meinung.Wie also sich selbst verhalten: Kano hat es geschrieben! Die Beziehung zwischen dem Selbst und dem Umfeld genau beachten, reiflich überlegen und entschlossen handeln - durchaus dem anderen zuvor kommen - und vor allem die Grenzen kennen.
Übrigens würde ich mich freuen, wenn andere auch mal den Mut haben und IHR Erlebnis hier einmal einzubringen. Man lernt voneinander.
Grüße
Norbert Bosse
ボッセ・ノルベルト
Wissen stirbt, wenn es bewahrt wird, und lebt, wenn es geteilt wird.
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Norbert Bosse
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