Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Hier geht es um Fragen und Inhalte zu den Kyu und Dan Prüfungen
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Ronin
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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von Ronin »

Jupp hat geschrieben: 7. Inhaltlich wird in der Kyu-PO von 2004 (in allen 8 Prüfungen!) viel mehr überprüft, als ich es seit Beginn meiner Judokarriere 1969 je erlebt habe. Aus meinen Erfahrungen als Vereinstrainer und als Mitarbeiter in den verschiedenen Experten-Gremien umfassen die derzeitigen Prüfungen ab dem 6. Kyu teilweise eher zuviel Inhalte als zu wenig.
Dem möchte ich widersprechen.
Ich nehme als Vergleich einmal das Programm, was ich seinerzeit (Ende der Achziger) zum gelben Gürtel zeigen musste (aus dem Gedächtnis) und vergleiche in Kürze mit heute. Wir mussten damals die erste Gruppe der Gokyo lernen, aus diesen 8 (!)Würfen sollten an der Prüfung dann 4 (wie heute) gezeigt werden, ich durfte mir aussuchen, welche das waren (dazu sollte man dann aber alle schon mal gemacht haben). Die Würfe mussten natürlich aus der (sinnvollen) Bewegung demonstriert werden. Vier Haltegriffe (Haltegriffkreis) und Befreiungen war obligatorisch. Ok, Randori wurde nicht geprüft, aber den Sinn davon habe ich auch noch nicht wirklich verstanden (ist aber für den Moment egal), dann bleibt noch die Kleinigkeit mit den Bankumdrehern, die wir früher nicht hatten, aber dafür mehr Würfe.
Ich habe den Eindruck, dass der heute zu demonstrierende Stoff "künstlich aufgebläht" wird. Ich zeige heute dieselbe Technik, blöd gesagt einmal links rum, einmal rechts rum, dann laufe ich mit Uke rückwärts und später mache ich es nochmal im Randori, das alles ist nur schwieriger zu merken. Mehr Stoff ist es gerade dann bei den höheren Kyu Graden bei weitem nicht. Und dass ich O-Goshi, wenn ich ihn kann, auch aus verschiedenen Bewegungsaufgaben zeigen kann, sollte selbstverständlich sein. Schämen müssten sich dann nur die Trainer, die ihr Niveau so weit heruntergeschraubt haben, das wirklich nur noch das totale mögliche Minimum der PO damals gelehrt wurde.
Jupp hat geschrieben: Hier im Forum haben sich Forumsmitglieder darüber beschwert, bei den letzten Änderungen nicht persönlich befragt worden zu sein (wg. Basisdemokratie bzw. Demokratie überhaupt!).
Also: oft sehen die Dinge einfacher aus, als sie sind - manchmal sind sie aber eben auch ganz einfach - wenn man selber etwas daran tut!
Da war ich ja auch ganz vorne mit dabei und du Jupp (übrigens in guter Gesellschaft mit Ralf Lippmann - mit dem ich dann über unseren Prüfungsreferenten wegen der Dan-PO indirekt in Kontakt war) hast's überhaupt nicht verstanden, was unter anderem ich mit den Kommentaren überhaupt wollten. Schade, dass Basiswünsche nur so oberflächlich zur Kenntnis genommen werden.

Es ging damals darum, dass niemand wollte, daß heimlich, hinter verschlossenen Türen jemand eine PO entwickelt und plötzlich gibt es eine Mitteilung, dass die ab jetzt gilt. Man hätte dies öffentlicher tun müssen. Z.B. im Judomagazin darüber schreiben etc...
Es ging darum, daß bestimmte satzungsgemäße Prozeduren eingehalten werden. Die MVs der Mitgliedsverbände müssen z.B. in Baden über Ordnungsänderungen abstimmen... oder man ändert die Satzungen dahingehend.

Und stimmt, mitmachen wäre toll gewesen, aber wenn niemand weiß, dass er bei etwas mitmachen kann, dann ist es schwierig. Da hätte es schon Wege gegeben, mehr Menschen zu integrieren und viele (z.B. auch ich) hätten dafür keine Sitzungs- und Fahrtgelder als Spesen abgerechnet, da gibt es andere (bessere) Möglichkeiten.
Und ja, es können nicht 190'000 Mitglieder eine PO zusammen entwerfen, deswegen, war es richtig, eine Kommission zu benennen, die das tut. Nur eben nicht, ohne dass jemand etwas davon weiß. Darüber ärgere ich mich heute noch schwarz und das wird sich politisch in meinen Wahlverhalten in den MVs sicherlich für die Zukunft lange widerspiegeln.

Und Lin Chung: die Älteren werden nicht (und wurden vorher auch nicht) wie die Kinder behandelt. Sie haben heute die Möglichkeit einer kürzeren Vorbereitungszeit und hatten früher die Möglichkeit der "Doppelprüfung".
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Fritz
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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von Fritz »

Jupp hat geschrieben:Aus meiner Sicht ist die Kyu-PO im Hinblick auf einen mit den Kyugraden inhaltlich und umfangreich steigenden Schwierigkeitsgrad nicht ganz ausgewogen.
Das stimmt, wenn nur oberflächlich geprüft wird. Da sind tatsächlich Blau und Braun weniger
umfangreich als die Kyu davor. Man kann das als Prüfer aber ändern: Indem man das "Vorwissen" anständig
prüft. Und dabei erwartet, daß einem ein potentieller Blaugurt z.B. einen O-Soto-Otoshi
zeigen kann, der sich qualitativ (zum besseren hin) von dem unterscheidet, was bei Halbgelb akzeptiert wird.
Und ein potentieller Braungurt, sollte schon die ersten drei Nage-No-Kata-Gruppen zeigen müssen, alles andere
wäre m.E. nicht im Sinne der PO, da die Kata-Gruppen ja wohl genau deswegen hineingenommen wurden,
um einen leichteren Zugang zur Nage-No-Kata bei der Shodan-Vorbereitung zu ermöglichen.

Also es ist schon möglich, basierend auf der gegenwärtigen PO den Schwierigkeitsgrad ansteigen zu lassen.
Veranstaltet der LV aber "intelligenterweise" ab 2. od. 1.Kyu zentrale Massenprüfungen, wo möglichst viele
Prüflinge in kurzer Zeit "geprüft" werden, dann wird es zwangsläufig nur zum Abprüfen von Minimalanforderungen
kommen (also Vorwissen nur, wenn beim aktuellen Stoff "Unsicherheiten" bestehen oder so).
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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kastow
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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von kastow »

Grundsätzlich stimme ich deinem letzten Beitrag zu. Nur eine Sache möchte ich gern noch etwas genauer hinterfragen:
Fritz hat geschrieben:Veranstaltet der LV aber "intelligenterweise" ab 2. od. 1.Kyu zentrale Massenprüfungen, wo möglichst viele Prüflinge in kurzer Zeit "geprüft" werden, dann wird es zwangsläufig nur zum Abprüfen von Minimalanforderungen kommen (also Vorwissen nur, wenn beim aktuellen Stoff "Unsicherheiten" bestehen oder so).
Sind das Problem wirkliche die zentralen Prüfungen oder eher jene Übungsleitungen, die nur genau die abgeprüften Minimalanforderungen als Prüfungsanforderungen unterrichten?
Herzliche Grüße,

kastow

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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von Lin Chung »

Und Lin Chung: die Älteren werden nicht (und wurden vorher auch nicht) wie die Kinder behandelt. Sie haben heute die Möglichkeit einer kürzeren Vorbereitungszeit und hatten früher die Möglichkeit der "Doppelprüfung".
Hallo Ronin

..ich habe zu meiner Zeit keine Doppelprüfung gemacht, da es keine Zwischengürtel gab.
Es gab immer nur eine Prüfung zu einer Stufe der Gokyo, also insgesamt 5.
Grüße
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Fritz
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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von Fritz »

Sind das Problem wirkliche die zentralen Prüfungen oder eher jene Übungsleitungen, die nur genau die abgeprüften Minimalanforderungen als Prüfungsanforderungen unterrichten?
Unterrichten kannst Du, was
Du willst. Die potentiellen Prüflinge sind in der Regel nur bereit, auch etwas dauerhaft "zu verinnerlichen",
wenn eine halbwegs große "Gefahr" besteht, daß es bei der nächsten Prüfung relevant ist.
Und bei zentralen Prüfungen gibt es dann auch in der Regel zentrale Lehrgänge, wo ihnen sehr detailliert
erklärt wird, was "relevant" ist und was nicht.
Und dann beginnen sie, sich auf ihre Prüfung "gezielt" vorzubereiten. An sich ja löblich, nur brauchst Du dann
als ÜL/Trainer ihnen nicht mehr damit kommen, daß dies und jenes ja auch nützlich für 'nen Braungurt wäre -
wenn Du nicht selbst der Prüfer bist...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von kastow »

Fritz hat geschrieben:Unterrichten kannst Du, was Du willst. Die potentiellen Prüflinge sind in der Regel nur bereit, auch etwas dauerhaft "zu verinnerlichen", wenn eine halbwegs große "Gefahr" besteht, daß es bei der nächsten Prüfung relevant ist.
Also bei denen, die bis zum Blau- oder Braungurt dabeibleiben, stelle ich diese Einstellung selten fest - eher bei Neueinsteigern bis zum vierten Kyu. Außerdem unterrichte ich grundsätzlich nicht für die nächste Prüfung, sondern wenn überhaupt für die nächsten Prüfungen. Alleine dieses Wortspiel hilft dem Verständnis in den meisten Fällen auf die Beine.
Fritz hat geschrieben:Und bei zentralen Prüfungen gibt es dann auch in der Regel zentrale Lehrgänge, wo ihnen sehr detailliert erklärt wird, was "relevant" ist und was nicht. Und dann beginnen sie, sich auf ihre Prüfung "gezielt" vorzubereiten. An sich ja löblich, nur brauchst Du dann als ÜL/Trainer ihnen nicht mehr damit kommen, daß dies und jenes ja auch nützlich für 'nen Braungurt wäre -wenn Du nicht selbst der Prüfer bist...
Die Teilnahme an zentralen Prüfungs-Lehrgängen empfehle ich nur jenen, die schon ein ordentliches Programm stehen haben. Sie müssen sich dann nur noch den "Feinschliff" abholen (oder auch nicht ;) ). Dadurch besteht eigentlich kaum Gefahr, dass sie sich auf Minimalanforderungen beschränken. Und bevor diese Ausage falsch ausgelegt wird: grundsätzliche empfehle ich gerne Lehrgangsteilnahmen. Nur bei Prüfungslehrgängen treffe ich eine Vorauswahl - was einem letztendlich auch die potentiellen Prüflinge und die Referenten danken.
Herzliche Grüße,

kastow

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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von Hofi »

Hi!
In Bayern werden die 1. Kyu zentral in den Bezirken geprüft. Ich durfte als Prüfer bisher einmal an einer solchen teilnehmen, beim letzten Termin musste ich leider aus familiären Gründen absagen.
Soweit ich es beurteilen konnte, haben wir wirklich nicht nur die Mindeststandards geprüft, sondern gerade über die Vorkenntnisse deutlich darüber hinaus.
Bis dann
Hofi
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Heimat ist dort, wo man von der Dorfbevölkerung, die einen duzt, gelyncht wird.
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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von Reaktivator »

...und mit den letzten Beiträgen sind wir ja auch wieder bei der alten Diskussion:

Prüfungsordnung <-> Unterricht:
- Prüfungsordnung: In der "alten" PO (= bis 1994) waren ja nur 20 Würfe aus der Gokyo gefordert - in der "neuen" (ab 1994/2005) immerhin 34 Würfe aus der Gokyo.
- Unterricht: Unabhängig davon konnte und kann jeder Übungsleiter damals wie heute bei sich im Verein alles unterrichten, was er will...
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Fritz
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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von Fritz »

@Reaktivator:
Bis 1994 waren in der "alten PO" 40 Würfe und 18 Bodentechniken und
28 SV-Anwendungen gefordert. ;-)

(http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... 795#p10795)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von Reaktivator »

@"Fritz": Tut mir leid - die SBZ hatte ich außer acht gelassen... ;-)
Ich hatte i.d.T. nur die Prüfungsordnung des DJB ("Trizonesien") vor Augen.

Und da habe ich jetzt gerade noch einmal nachgelesen und festgestellt, dass es mit der Gokyō noch weit weniger her war als ich dachte:
Denn es waren selbst zum Braungurt noch nicht einmal 20 Würfe aus der Gokyō gefordert - sondern irgendwelche...
Wörtlich hieß es (beim Braungurt): "Demonstration von 20 Wurftechniken nach eigener Wahl aus der Bewegung (Yakusoku-geiko). Davon sollen mindestens 4 Techniken aus dem 1. Kyu sein."
Für den Braungurt konnte man danach also z.B. durchaus nur 4 Würfe aus der "Braungurt-Stufe" (bzw. der 5. Stufe, jp.: Dai-go Kyō, der "Gokyō no waza") zeigen - und 16 andere (irgendwelche, ganz beliebig - war offiziell nicht festgelegt!).

Und im Extremfall brauchte jemand bei allen Prüfungen zusammen bis zum Braungurt nur insgesamt 20 Wurftechniken aus der Gokyō zu zeigen (nämlich die jeweils geforderten "mindestens 4" aus der jeweiligen Stufe.) - und wenn er sich in seiner Judo-Laufbahn auf eben nur diese "mindestens 4" beschränkte, konnte er die gleichen Techniken danach dann immer wieder zeigen... insgesamt halt nur 20.
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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von Jupp »

Noch einmal ein paar ergänzende Anmerkungen:

1. Die Wurftechniken des Kodokan umfassen derzeit (lt. Toshiro Daigo) 67 Würfe. Davon sind 40 Würfe in der Gokyo zusammengefasst. Es gibt also im Kodokan-Judo durchaus mehr als die 40 Würfe der Gokyo. Man sollte die weiteren 27 nicht vergessen!

2. Lt. Verfahrensordnung für Judo Kyu-Grade zum Ende der achtziger Jahre (vgl. Das Budo ABC 1988, S. 284) musste die Vorbereitungszeit für Judoka über 14 Jahre 6 Monate, für die unter 14 Jahre 10 Monate betragen. Zwischen dem 2. und 1. Kyu mindestens 1 Jahr, mit Verkürzung bei Kampfpunkten auf 6 Monate.

Es konnte immer nur eine Prüfung gemacht werden. Ab dem 3. Kyu auch mit SV.

Die Wurftechniken bei der Kyu-Prüfung mussten "aus der Bewegung" und "nach eigener Wahl" gemacht werden (5. Kyu) - man konnte sich seine Würfe bei dieser Prüfung also völlig frei ausuchen!.

Zum 5. Kyu mussten keine Befreiungen gezeigt werden, sondern nur "zwei verschiedene Wechsel von einem Haltegriff in einen anderen unter Ausnutzung von Ukes Befreiungsversuchen." (Wie man das lernen sollte ohne die Befreiungen gleichzeitig zu lernen, ist eine Frage...; vielleicht lernte man ja nur, sich aus den Haltegriffen zu befreien zu versuchen?)

Befreiungen wurden erst ab dem 4. Kyu verlangt, dann aber doppelt!

Beim 4. Kyu gab es die Sonderregelung für "unter 10 Jahre", die anstatt Würge- und Hebeltechniken je drei Halte- und Befreiungstechniken zeigen sollten (sogar noch beim 3. Kyu konnte auch Hebel - und Würger für unter 10-jährige verzichtet werden).

Wenn ich mir jetzt rückblickend diese Prüfungsordnung von vor 22 Jahren anschaue (und ich weiß, dass ich danach auch lange geprüft habe!), dann hat sich mit der derzeitigen Kyu-PO doch einiges sehr positiv verändert - auch für die "älteren" Judoanfänger!

Oft täuscht man sich in der Erinnerung an die "goldene" Vergangenheit, die oft überhaupt nicht golden war, sondern manchmal eben nur doof. Wenn man sich nicht nur erinnert, sondern genauer informiert, wird das einem (leider) sehr schnell klar.

Jupp
tutor!
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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von tutor! »

Ich möchte das, was Jupp so treffend (be)schreibt, in einen etwas größeren Kontext stellen und versuche einmal aus meiner Sicht zusammen zu fassen, was sich in den 20-25 Jahren im Westen vor der 1994er Kyu-PO geändert hat.

Judo wurde immer populärer und wie Jupp weiter oben schrieb, die Judoanfänger immer jünger. War es in den 1960er Jahren schwierig unter 10 Jahren mit Judo anzufangen, sank das Einstiegsalter in den 1980er Jahren teilweise auf bis zu 4 Jahren.

In den 1970er und 1980er Jahren wurden sehr viele Vereine gegründet, was natürlich auch eine Folge der wachsenden Nachfrage war. Durch die neuen Vereine gab es auch mehr Möglichkeiten Judo zu machen, was die Nachfrage weiter anheizte. Es war eine regelrechte Boom-Zeit.

Allerdings gab es auch einen Trend zu weniger Trainingseinheiten pro Woche. Habe ich als Weißgurt noch selbstverständlich zweimal die Woche trainiert - plus ein Sonntagstraining für Anfänger und Fortgeschrittene, musste mein Verein in den Boomzeiten das Anfängertraining auf einmal wöchentlich reduzieren. Mehr Platz war einfach nicht da.

Es fehlten auch an allen Ecken und Enden qualifizierte Übungsleiter und Trainer. Die Ausbildungen waren noch gar nicht richtig aufgebaut. Fachübungsleiter waren selten. Darunter litten insbesondere die neu gegründeten Vereine.

Ende der 1960er Jahre - ich meine es war 1969 - wurde dann die Kyu-PO inhaltlich auf die von Jupp beschriebenen Punkte reduziert. Anfangs änderte sich das Training in den Vereinen nicht und die Prüfer erwarteten immer noch dasselbe Können wie vor der Reduktion des Programms, aber mit der Zeit verflachte das Niveau immer mehr, bis hin zu dem Punkt, dass viele Braungurte nicht mehr die ganze Gokyo - die ich in der Vorbereitung auf meine Braungurtprüfung noch komplett beidseitig üben musste - konnten, sondern tatsächlich nur noch 20 Würfe, und die teils mehr schlecht als recht.

Solche Braungurte waren dann irgendwann "Fachübungsleiter".....

In den frühen 1980ern wurde ich von unserem Prüfungsbeauftragten oft als Prüfer "ins Ländchen" geschickt und konnte mir ein Bild von den Realitäten der Judovereine machen, die nicht nach außen in Erscheinung traten. Es war teilweise wirklich grausam! Anstatt vieles zu lernen und einiges davon zu zeigen, lernten viele Kinder in den Vereinen nur das absolut minimale, das in der PO stand.

Die genannten Einflussfaktoren:
  • immer jüngere Anfänger
  • reduzierter Trainingsumfang
  • Mangel an qualifizierten Übungsleitern
  • Vereinfachungen in der Prüfungsordnung
  • minimalistische Auslegung der Kyu-PO
führten dazu, dass Anfang der 1990er Jahre ein Umdenken einsetzte und auch einsetzen musste. Aus der reinen "Prüfungsordnung" wurde eine "Ausbildungs- und Prüfungsordnung", d.h., was bis dato als reine Inhaltsaufzählung existierte, wurde nun in einen Ausbildungsgang gegossen und danach wurde dann auch geprüft. Soweit jedenfalls (im Groben) die Theorie.

Gelungen ist dies nur teilweise, weil viele Leute den Paradigmenwechsel nicht verstanden haben. Auch könnte man im Nachhinein einiges zur konkreten Umsetzung des Konzepts schreiben. Herausgekommen war ein Lehrplan, so wie er für diese Zeit typisch war. Heute würde man so etwas ganz anders angehen, aber das kann man niemandem rückwirkend zum Vorwurf machen.

Die weiteren wesentlichen Eckpunkte waren:
  • Erhöhung des Gesamtumfangs der zu prüfenden Techniken
  • vielfältigere Prüfung von Anwendungen der Techniken
  • Streckung des Programms von 5 auf 8 Kyu-Prüfungen
Im Grundsatz lag man damit m.M.n. schon richtig, aber dass immer jüngere Kinder in immer geringerem Umfang bei teilweise wenig erfahrenden Übungsleitern trainieren, konnte man dabei auch nicht verbessern. Insofern sollte man auch die Ursache für weniger befriedigende Leistungen in den Vereinen nicht in der PO suchen, sondern in den Problemen, die durch eine PO auch nicht verbessert werden können. Auch nicht durch die jüngste Weiterentwicklung der Kyu-PO...
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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von judoka50 »

Nur ein kleiner Gedankenstoß - es gab früher auch die Möglichkeiten einer Prüfung für Kinder- und Jugendgürtel.
Wir haben darüber schon an anderer Stelle geschrieben. Das waren auch "Streifengürtel" - allerdings mit einem abgespeckten Programm. Diese wurden dann später unter "Zurückstufung" in einer normalen Prüfung für Erwachsene - volle Gürtelfarben.
Da ist es heute irgendwie einfacher und gerechter mit der unterschiedlichen Vorbereitungszeit - bis 14 Jahr ein halbes Jahr und darüber hinaus 3 Monate.
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Shinbashi
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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von Shinbashi »

Die Motivation, die Kyu-PO neu zu gestalten, um den jüngeren Anfängern gerecht zu werden, mag man nachvollziehen können.
Hat es aber wirklich Judo weitergebracht? Muß man unbedingt mit 4 Jahren Judo anfangen? Wäre es nicht sinnvoller, bis zu einem gewissen Alter (wenn die Motorik entsprechend ausgebildet ist) eine Art Judo-Spiel anzubieten ?
Ich stelle einfach mal die Behauptung in den Raum, daß ein Braungurt nach dem alten Gokyo-Prüfungsprogramm besser ausgebildet war als ein heutiger Braungurt. Gerade im DDR-Judo war es nunmal so, daß die Gokyo-Gruppen geprüft wurden und je höher man aufstieg, mußte man die vorangegangenen Gruppen komplett wiederholen inkl. SV Elementen schon bei Orange.
Jedenfalls war es bei mir so. (Orange-Prüfung 1983)

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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von tutor! »

Shinbashi hat geschrieben:Muß man unbedingt mit 4 Jahren Judo anfangen? Wäre es nicht sinnvoller, bis zu einem gewissen Alter (wenn die Motorik entsprechend ausgebildet ist) eine Art Judo-Spiel anzubieten ?
Deshalb wurde ja später das Mindestalter für die erste Prüfung nach oben gesetzt und ein entsprechendes Programm für die jüngeren Kinder geschaffen.
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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von FunnyEric »

judoka50 hat geschrieben:Nur ein kleiner Gedankenstoß - es gab früher auch die Möglichkeiten einer Prüfung für Kinder- und Jugendgürtel.
Wir haben darüber schon an anderer Stelle geschrieben. Das waren auch "Streifengürtel" - allerdings mit einem abgespeckten Programm. Diese wurden dann später unter "Zurückstufung" in einer normalen Prüfung für Erwachsene - volle Gürtelfarben.
Da ist es heute irgendwie einfacher und gerechter mit der unterschiedlichen Vorbereitungszeit - bis 14 Jahr ein halbes Jahr und darüber hinaus 3 Monate.
Ich mische jetzt auch mal wieder mit 8)
Hab Einiges gelesen, wozu ich einen Kommentar abgeben könnte, aber Romane will ja hier auch keiner lesen. Also nur zwei Punkte!

@Judoka50
Ich halte das nicht unbedingt für gerecht! Klar ist so ein 8jähriger Knirps süß, wie er sich beim Judo versucht. Wenn ich mich als Erwachsener aber so anstellen würde, wäre das eher peinlich - zurecht natürlich. Gerecht ist allerdings nicht, dass von mir mehr verlangt wird als von dem Kind. Das wird irgendwann auch erwachsen und darf seinen Gürtel selbstverständlich weiter tragen, egal ob er die zugehörige Prüfung als Erwachsener nochmal bestehen würde oder nicht.

Zweiter Punkt:
Beim Lesen hab ich mehrmals die Fragen gefunden, wo denn der Vorteil darin liegen soll, zwei Prüfungen auf einmal nach sechs Monaten durchführen zu dürfen. Leute, lest bitte mal die ersten beiden Seiten durch, da wurde schon so viel zu geschrieben.
Was mir immer noch nicht einleuchtet ist der Vorteil, das Leuten zu verbieten?

Nicht persönlich nehmen, bitte! ;)

Gruß
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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von judoka50 »

Ich halte das nicht unbedingt für gerecht! Klar ist so ein 8jähriger Knirps süß, wie er sich beim Judo versucht. Wenn ich mich als Erwachsener aber so anstellen würde, wäre das eher peinlich - zurecht natürlich. Gerecht ist allerdings nicht, dass von mir mehr verlangt wird als von dem Kind. Das wird irgendwann auch erwachsen und darf seinen Gürtel selbstverständlich weiter tragen, egal ob er die zugehörige Prüfung als Erwachsener nochmal bestehen würde oder nicht.
OK - hätte dabei schreiben müssen, dass die Kleinen damals ein abgespecktes Programm hatten und weniger zeigen mussten, als die Erwachsenen. Aus diesem Grund war dann der Gürtel "nicht so wertvoll" wie ein Erwachsenengürtel und es musste einiges nachgeholt werden.
Um wieder auf das Thema einzugehen:
Es gibt einfach keine Zwischengürtel - jede Farbe auch zweifarbig bringt mit jeder Prüfung Geld in die Kasse.
Der Rest steht hier einheitlich als Grundsatz für alle Landesverbände:
http://www.judobund.de/ausbildung/neue_ ... atzordnung - woran sich jeder zu halten hat.
Ansonsten ist es den Ländern nur möglich, sogenannte Ausführungsbestimmungen zu verfassen. Diese dürfen aber nicht gegen die Grundsatzordnung verstoßen, sondern sie nur noch weiter - nach oben hin - ergänzen oder erläutern.
Auf keinen Fall aber nach unten hin erleichtern.
Siehe das Beispiel bei uns in NRW zum Vergleich wo in anderer Schriftform die Erläuterungen zu erkennen sind.
http://nwdk.de/j15/index.php?option=com ... mid=100092
Insofern sind die am Anfang erläuterten Vorgehensweisen, wenn sie zu Zeiten des Bestehens dieser Ordnungen erfolgt sind, ein klarer Verstoß und die abgelegten Prüfungen einfach nicht gültig. D.h. der Prüfungsbeauftragte hätte die Pässe oder Urkunden auch nicht abstempeln dürfen...........
Viele Grüße
U d o
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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von Lin Chung »

Zum 5. Kyu mussten keine Befreiungen gezeigt werden, sondern nur "zwei verschiedene Wechsel von einem Haltegriff in einen anderen unter Ausnutzung von Ukes Befreiungsversuchen." (Wie man das lernen sollte ohne die Befreiungen gleichzeitig zu lernen, ist eine Frage...; vielleicht lernte man ja nur, sich aus den Haltegriffen zu befreien zu versuchen?)
...kann ich jetzt nicht so stehen lassen. Es wurde schon die richtige Befreiung geübt, wobei man natürlich auch gleichzeitig das Verhindern nicht zu kurz kam. So jedenfalls bei uns in den 70ern.
Grüße
Norbert Bosse
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Re: Beliebigkeit der PO - Zwischengürtel

Beitrag von Hofi »

Lin Chung hat geschrieben:
Zum 5. Kyu mussten keine Befreiungen gezeigt werden, sondern nur "zwei verschiedene Wechsel von einem Haltegriff in einen anderen unter Ausnutzung von Ukes Befreiungsversuchen." (Wie man das lernen sollte ohne die Befreiungen gleichzeitig zu lernen, ist eine Frage...; vielleicht lernte man ja nur, sich aus den Haltegriffen zu befreien zu versuchen?)
...kann ich jetzt nicht so stehen lassen. Es wurde schon die richtige Befreiung geübt, wobei man natürlich auch gleichzeitig das Verhindern nicht zu kurz kam. So jedenfalls bei uns in den 70ern.
Und hier zeigt sich eben wieder der Unterschied zwischen Prüfung/Prüfungsordnung und Training/Unterricht. Ein vernünftiger Trainer lässt bei dieser Aufgabenstellung natürlich die ernsthaften Befreiungen üben, da nur so die Aufgabe sinnvoll gelöst werden kann. Ein anderer Trainer lässt eben Befreiungsversuche üben, egal ob die Sinn machen oder nicht.

So wie es eben manchmal sinnvoll oder bei Wettkämpfern notwendig ist oder einfach nur Spaß macht, andere Techniken, die nicht für die Prüfung verlangt werden, zu zeigen. Meine ganzen U14-Wettkämpfer sind in der Lage zwei der drei geforderten Sankaku-Techniken (Haltegriff und Hebel) aus dem Braungurt zu demonstrieren und Großteils auch im Randori anzuwenden. Warum? Weil sie im Wettkampf darauf treffen können (Bundesstützpunkt Nachwuchs im Bezirk) und sich dagegen verteidigen können sollen. Nur um die Verteidigung zu üben, muss der Partner die Technik können.

Bis dann
Hofi
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