'Wie entsteht eine xyz-Ordnung im DJB?

[tutor!]

Eigentlich müsste ich einen anderen Text überarbeiten, da ich mich aber nicht mehr so recht konzentrieren kann, habe ich mir ein Glas Wein genommen und beschreibe einmal die Vorgänge, wie eine x-beliebige Ordnung, z.B. eine Prüfungsordnung im DJB entsteht. Vorweg: an der Erarbeitung einer PO war ich noch nicht beteiligt, ich habe auch das Verfahren nicht erfunden und sitze auch an keiner verantwortlichen Stelle. Ich beschreibe nur.

Wie wird die Erstellung/Überarbeitung einer Ordnung initiert?

Bevor irgendetwas in Gang gesetzt wird, braucht es erst einmal einen Auftrag, bzw. einen dokumentierten Willen. Dieser kann in einem Verein oder Verband nach demokratischen Regeln nur von der Mitgliederversammlung kommen. Die Mitglieder des DJB sind die Landesverbände. Deren gewählte Vertreter - die LV-Präsidenten - tagen (mindestens) einmal jährlich und fassen die entsprechenden Beschlüsse.

Damit ein Beschluss gefasst werden kann, muss ein Antrag gestellt werden. Anträge können a) das DJB-Präsidium und b) alle Landesverbände stellen. Wenn ein einzelner Verein einen Antrag stellen möchte, kann er das auch, allerdings nur über den Umweg des Landesverbandes. Der Verein stellt den Antrag an den Landesverband (genauer: einen Antrag, dass der LV an die MV des DJB einen Antrag stellt) und bringt ihn dort zur Abstimmung. Ist eine Mehrheit im eigenen LV gefunden, muss der LV den Antrag an die MV des DJB stellen. Dort wird dann weiter abgestimmt. Wenn ein einfaches Mitglied einen Antrag an den DJB stellen möchte, muss er in gleicher Weise zuvor bei seinem Verein eine Mehrheit bekommen.

Nehmen wir an, die Argumente sind nicht nur gut, sondern überzeugen auch noch die Stimmberechtigten, dann beschließt die MV die Erstellung/Überarbeitung einer Ordnung. Möglicherweise sind im Beschluss schon erste Aussagen zur Schlagrichtung getroffen, wie z.B. vor einigen Jahren, als die MV beschlossen hatte, eine Prüfung zum 6. Dan einzuführen und ein Auftrag erteilt hat, die Dan-PO entsprechend anzupassen.

Wie geht es dann weiter?

Mit dem Beschluss der MV hat zunächst das Präsidium des DJB den Auftrag, den Beschluss auch umzusetzen. Dieses betraut den zuständigen Spartenleiter mit der Erledigung, im Falle der PO den Lehr- und Prüfungsreferenten des DJB. Dieser ist zuvor von den Lehr- und Prüfungsreferenten der Landesverbände auf deren einmal jährlich stattfindender Tagung gewählt worden.

Wer darf mitarbeiten?

Das ist dann immer die spannenste Frage, weil es mehr Leute gibt, die mitmachen, als die mitarbeiten wollen und es gibt auch immer mehr Leute die mitarbeiten wollen, als die mitarbeiten können. In aller Regel wird nun eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Einige Leute beruft der zuständige Referent direkt - was er auch tun können sollte, da die Umsetzung seines Auftrags, er ist ja verantwortlich, von den Leuten abhängt, die in der Gruppe sind. Ich würde sie mir aussuchen wollen - nein: ich würde sogar darauf bestehen, dass ich sie mir aussuchen kann (zumindest weitgehend). Klugerweise bindet man auch einige Querdenker ein und verteilt die Mitglieder der Arbeitsgruppe auf mehrere Landesverbände...

Wie wird gearbeitet?

Tja, das hängt von den Leuten ab. Treffen in der Gruppe ist mit umfangreichen Reisen verbunden, also finden sie nicht zu häufig statt. Man trifft sich, verteilt Arbeitsaufträge, trifft sich wieder, verteilt erneute Arbeitsaufträge, diskutiert, schließt Kompromisse usw.

Von Zeit zu Zeit berichtet man dem Fachgremium, also den gewählten Ressortleitern der Landesverbände und legt dort Zwischenergebnisse der Arbeit zur Abstimmung vor. Diese werden abgesegnet oder auch nicht - egal, wie es ist, die Arbeit geht weiter.

Wie wird beschlossen?

Zunächst einmal gilt es die Mitglieder des Fachgremiums zu überzeugen - im Falle der PO also die Lehr- und Prüfungsreferenten der Landesverbände. Nur was dort beschlossen wird, geht an die Mitgliederversammlung des DJB. Dort wird es dann endgültig beschlossen oder abgelehnt.

Wie kann man sich einbringen?

Wer in eine derartige Mitarbeit einsteigen will, kann dies praktisch nur auf Landesebene beginnen. Auf Bundesebene einzusteigen ist praktisch unmöglich, wenn auch nicht gänzlich. Aber mir sind weniger als 5 Judoka bekannt, die ohne eine Funktion im Landesverband zu haben, in eine DJB-Arbeitsgruppe berufen wurden. Aber in den Landesverbänden werden immer helfende Hände gesucht.

Am einfachsten schreibt man einen Brief an den Ressortleiter seines Landesverbandes und bietet seine Mitarbeit an - oder, wenn man ihn/sie kennt, spricht man ihn/sie direkt an. Gemeinsam kann man nach einem Einstieg in die Verbandsarbeit suchen. Arbeitsfelder, die praktisch notorisch unterbesetzt sind, sind der Schulsport und der Breitensport, möglicherweise auch der Prüfungsbereich.

Ob man dann irgendwann in ein Spitzengremium berufen wird, hängt von vielen Dingen ab, mindestens aber von der Qualifikation und der nachgewiesenen Zuverlässigkeit. Leider spielen die beiden letzten Punkte auch manchmal gar keine Rolle - und wenn das dann mal passiert, und andere einspringen und mit der heißen Nadel stricken müssen, dann sind nach außen hin natürlich alle Schuld, besonders aber der Vorsitzende, der oft auch nur hängen gelassen worden ist. Wer kennt so Leute nicht? Unsere TEAM-Arbeiter: Toll Ein Anderer Machts.

Wir dürfen, wenn wir uns das Verfahren anschauen, nicht vergessen, dass der DJB ein Verband mit 200.000 Mitgliedern ist, die in mehreren Tausend Vereinen organisiert sind. Das ist keine kleine Organisation...

[Ronin]

Zunächst vielen Dank für die Ausführungen.

Möglicherweise findet sich jetzt noch jemand im Forum, der mir einmal sagen kann, wer den Antrag gestellt hat, eine Dan-PO zu erarbeiten (an der Stelle frage ich mich gerade, wieso ich so ein spannendes Thema im Judomagazin überlesen habe)?

[tutor!]

Ich nehme an, dass das Präsidium den Antrag selbst gestellt und sich den Auftrag auf diese Weise selbst abgeholt hat - aber Näheres müsste sich aus dem Protokoll der MV ergeben. Die Notwendigkeit - aus Sicht der MV, die beschlossen hat - ergab sich z.B. einfach aus Inkonsistenzen zur Kyu-PO, allein schon bei der Aufteilung in Prüfungsfächer. Ein anderes Problem ist, dass die Inhalte der Kyu-PO in der bisherigen Dan-PO vollständig unter Vorkenntnisse, aber gleichzeitig auch zusätzlich in den weiteren Prüfungsfächern vorkommen. Ganz platt ausgedrückt: gehört ein Seoi-nage nun in das Fach Vorkenntnisse oder in das Fach Wurftechniken?

Es geht also nicht um Revolution, sondern um Evolution und ein Stück auch um Bereinigung.

Um das Beispiel - und die Lösung weil ich sie behalten habe - aufzugreifen.

Unter dem Fach "Wurftechnik" stehen für den 1. Dan künftig alle Wurftechniken der Gokyo, die nicht in der Kyu-PO abgeprüft werden. Die Techniken, die bereits in der Kyu-PO stehen, fallen unter Vorkentnisse. Auf diese Weise ist gesichert, dass ein 1. Dan alle Techniken der Gokyo können muss - und einige weitere aus dem Kyu-Programm dazu.

Bisher war es schwammig: zwar musste man zum 1. Dan alle Techniken der Gokyo können und unter Vorkenntnisse das Programm aus der Kyu-PO, jedoch waren diejenigen Techniken aus der Kyo-PO, die auch in der Gokyo enthalten sind, irgendwie doppelt aufgeführt.

So, wie es jetzt ist, ist es formal eindeutiger - aber im Endeffekt kommt es inhaltlich auf dasselbe heraus.

Es gibt natürlich auch andere Dinge, bei denen sich wirklich auch inhaltlich etwas geändert hat, aber letztlich war ich bei den Diskussionen nicht dabei und kann daher zu den Entscheidungsgründen nichts weiter sagen. Letztlich ist aber nach dem Startschuss fast immer egal, warum dieser erfolgt ist. Wenn die Arbeit einmal angefangen hat, ist sie ja noch nicht abgeschlossen und man muss die Ergebnisse abwarten. Man muss auch immer damit rechnen, dass einer ein gute oder auch eine Schnapsidee hat.

[Kumamoto]

Danke tutor!,
Du hast meine Frage(n) erschöpfend und wie immer fachlich äußerst kompetent beantwortet.