Kata und ihr Sinn

Katameisterschaften, Katatraining, Lehrgänge, allgemeine Fragen
pmhausen

Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von pmhausen »

Patrick hat geschrieben:
pmhausen hat geschrieben: Ich habe neulich einen unserer Ettlinger Trainer gefragt, ob wir in der Erwachsenen-Gruppe am Freitag Abend nicht, z.B. mal Ju-no-Kata machen könnten. Ein paar Wochen lang vielleicht.

Antwort: "Wofür brauchst Du das? Ist doch erst beim 4. Dan in der Prüfung?"
Das war keine Antwort, sondern eine Gegenfrage. Interessant wäre zu wissen, wie Deine Antwort auf die Gegenfrage des Trainers lautete... ;)
Ich habe ihm erklärt, daß ich bei Kano gelesen habe, daß speziell die Ju-no-Kata schon von Anfängern geübt werden sollte.
Weiterhin, daß ich meine Beweglichkeit, mein Gleichgewicht, etc. verbessern möchte. Daß ich Kata als Trainingsdrill einsetzen
möchte, um meine Wurftechnik zu verbessern. Daß ich gerne Kata und Randori trainieren würde und nicht nur Randori.

Und, nein, es gibt hier sicher keine langfristige Konzeption, die über "wir halten ein paar Freizeitsportler jenseits der Vierzig
mit Randori fit" hinausgeht, jedenfalls nicht am Freitagabend. Das ist ja der springende Punkt. Jede Woche dasselbe - ich
möchte aber gerne dazulernen. Und nicht nur dann, wenn zum Prüfungstermin "Dan-Vorbereitung" stattfindet.
Und ich bin nicht der einzige.

Viktors Frage war eindeutig rhetorisch gestellt: "Das braucht man doch erst zur Prüfung." Das war keine Gegenfrage.

Ich will ihn wirklich nicht in die Pfanne hauen und ich gehe gerne in Ettlingen trainieren. Ich habe aber noch kein
Angebot bzw. keine Gruppe gefunden, in der ich gezielt etwas für meine Technik tun kann. Viel für die Fitness,
ja. Anwendung auch. (Wurf-)Technik nicht so arg viel. Deshalb zeige ich gerade etwas Initiative innerhalb des
Vereins, statt nur zu meckern. Ute Pfeiffer habe ich auch schon angemailt.

Liebe Grüße,
Patrick
Lin Chung
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von Lin Chung »

2. Ihr seit ja, wie ich sehe, Traditionalisten
...nein, sind sie nicht.
Normalerweise sollte man die Finger davon lassen, eine eigene Kata zu kreieren, denn man wird niemals Kanos Gedanken nachvollziehen können.
Grüße
Norbert Bosse
ボッセ・ノルベルト

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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von tutor! »

pmhausen hat geschrieben:Deshalb zeige ich gerade etwas Initiative innerhalb des Vereins, statt nur zu meckern.
So soll es ja auch sein, auch wenn ich sagen muss, dass sich Ju-no-Kata in letzter Zeit zwar einer stetig steigenden Beliebtheit erfreut, aber bis es so weit ist, dass sie wirklich verbreitet ist, wird es noch eine Weile dauern.

Wolfgang Hofmann hat übrigens sehr häufig am Ende des Trainings zum "cool-down" eine Technik der Ju-no-Kata machen lassen. Allerdings war der Kenntnisstand über diese Kata in den 70er Jahren katastrophal. Allmählich wird es besser, aber mit großen regionalen Unterschieden.

Letztlich schätze ich aber die Zahl der Paare, die Ju-no-Kata aus dem Stand heraus komplett machen können in Deutschland auf vielleicht 50 bis 100 - und das ist eher hoch als niedrig geschätzt.
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von Lin Chung »

Die ihre Kata nach dem Prinzip machen:" Ich habe das so gezeigt bekommen und mache das dann auch genau so ohne Fragen zu stellen, weil das genau so gemacht werden muss" ?*
..man sollte schon anfangen, zu fragen, was und warum man das macht, welchen Zweck die Technik hat.
Nur dann kann man das verstehen und richtig ausführen.

Kleines Beispiel:
Die erste Technik ist ein Mae Geri (Vorwärtstritt) zur Körpermitte. Die zweite, ein Tsuki (Fauststoß) vorwärts, nach oben zum Kopf.

Doch was macht der Gegner nach der ersten Technik? Bleibt er stehen?
Nein, er wird sich krümmen und reflexartig zur schmerzenden Stelle fassen.
Also würden wir mit der zweiten Technik nicht den Kopf treffen, sondern in die Luft schlagen und deshalb machen wir was anderes, was in dieser Situation passt. So sind die Techniken aus einer Kata im American Kenpo aufgebaut. Selbiges im TKD und Karate. Für das Judo gilt das Gleiche.

Was lehrt uns das? Man soll sich mit der Materie auseinandersetzen und nicht blind tun, was geschrieben steht oder gezeigt wird. Erst dann lernt man die Form (Kata) richtig auszuführen und hat die Prinzipien verstanden.
Grüße
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von Jobi »

N`Amd`
Es wäre halt auch mal (grundsätzlich?) zu klären, wann denn welche Kata in welchem Alter zu welchem Zeitpunkt sinnvoll wäre, als fortgeschrittener Schüler (3. kyu bis 3. Dan).
Iss nicht für "Sportjudo"- Fans, iss bloß ein Vorschlag:
3. Kyu (ab ca. 13-14 Jahre) NnK (Koshi Waza), KnK (Osaekomi Waza) (SZKTI Tandoku renshu, als Übung, nicht Form)
2. Kyu (ab ca. 14-15 Jahre) NnK (Ashi Waza, Koshi Waza) KnK (Shime Waza, Osaekomi Waza) (SZKTI Tandoku renshu, als Übung, nicht Form)
1. Kyu (ab ca. 15-16 Jahre) NnK (Te Waza, Ashi Waza, Koshi Waza) KnK (Kanssetsu Waza, Shime Waza, Osaekomi Waza) (SZKTI Tandoku renshu, als Übung, nicht Form)
1. Dan (ab ca. 18-20 Jahre) NnK (komplett), Kime Shiki
2. Dan (ab ca. 20-23 Jahre) NnK (komplett), Kodokan Goshin jutsu no Kata, Ju Shiki- St. 1
3. Dan (ab ca. 22-25 Jahre) (Yiyu) Kodokan Goshin jutsu no Kata als freie Version (n. Mifune) Ju Shiki- St. 2

MfG
Jobi
Zuletzt geändert von Jobi am 22.08.2009, 08:41, insgesamt 1-mal geändert.
Mit freundlichen Grüßen
Jobi


Wer das Ziel kennt, kann entscheiden.
wer entscheidet, findet Ruhe.
Wer Ruhe findet, ist sicher.
Wer sicher ist, kann überlegen.
Wer überlegt, kann verbessern.
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von katana »

Also ich muß sagen,
daß ich deinen Aufbau der Kata-Bausteine sehr
gut finde, :eusa_clap
wenn ich auch bekanntermaßen kein Freund
von Altersvorgaben bin.

Gruß
KK
tutor!
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von tutor! »

@pmhausen

Von Ettlingen ist es doch gar nicht so weit nach Speyer. Schau Dich doch dort einmal um (http://www.judo-speyer.de/ z.B. über Bereiche --> Kata).
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pmhausen

Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von pmhausen »

Hallo, Tutor,
tutor! hat geschrieben: @pmhausen
Von Ettlingen ist es doch gar nicht so weit nach Speyer. Schau Dich doch dort einmal um (http://www.judo-speyer.de/ z.B. über Bereiche --> Kata).
Danke für den Tip. Ist dann aber doch ein wenig weit für regelmäßiges Training. Außerdem fängt ja jetzt auch bei uns in Ettlingen
wieder "Dan-Vorbereitung" an, da klinke ich mich dann erst mal ein. Der Karlsruhe Budo-Club bietet auch ein allen Interessierten
offenes Kata-Training einmal die Woche. De facto ist das aber nur im Herbst vor den Prüfungen "aktiv".

Und damit möchte ich nochmal was zu Shaku-Yakus Eingangsfrage sagen. Ich gebe zu, nur aus der Theorie und aus Gesprächen
mit Leuten zu schöpfen, die schon weiter sind als ich. Wir sind uns aber doch einig, daß z.B. die Nage-no-Kata als Trainingselement
mindestens fördert:

Gefühl für Abstand
Gefühl für Timing
Kuzushi
Ukemi (für Uke)

All diese Dinge sind unmittelbar kampfrelevant. Und jetzt zeige mir mal einer einen Verein, in dem Teile der NnK regelmäßig
in das Training eingebaut werden! Gut, Speyer, hast gewonnen ;) Aber wieviele Vereine mögen es insgesamt sein?

Klar, daß man nicht in jedem Training die NnK einmal komplett durchwirft. Ich bezweifle auch stark, daß man das zu Kanos
Zeiten getan hat, schon gar nicht in der ritualisierten Demonstrations-Form. Aber warum sich nicht eine der 5 Gruppen der
NNK vorknöpfen? Regelmäßig, immer wieder eine andere. So würde wieder ein Trainings-Instrument daraus, statt die
Kata nur noch mit dem Ziel der Demonstration zu üben.

Ich lese Deine Ausführungen immer wieder gerne, sie wirken meist fundiert und belegen, daß man auch an entscheidenden
Stellen im DJB nicht so "untraditionell" ist, wie von mancher Seite behauptet. Allein, was ich noch nicht sehe, ist, wie dieses
Wissen an der Basis ankommen soll. Du schriebst selbst, daß wahrscheinlich nur 50 bis 100 Paare in Deutschland die
JnK durchführen können. Wie kriegen wir denn bitte in jeden Verein einen Trainer, der diese wertvollen Trainings-Instrumente
wieder lehren kann? Die Meinung "richtiges Judo == Randori und Shiai", schlimmstenfalls noch kombiniert mit reinem
Kraft und Kondition Bolzen, begegnet mir persönlich immer noch viel zu häufig.

Edit: entschuldigt bitte, ich hatte "Katana" mit "Shaku-Yaku" verwechselt. Immer diese Pseudonyme aber auch ;)
Nachsatz: worauf ich hinaus will - wenn regelmäßig Kata-Elemente im Training verwendet würden, dann erübrigte
sich Shaku-Yakus Frage.


Grüße,
Patrick
Zuletzt geändert von pmhausen am 22.08.2009, 17:06, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von katana »

Das liegt halt daran,
daß es für "Kraft und Kondition bolzen" Medaillen und Bundesadler gibt,
für ausgewogenes Training nix.
Lin Chung
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von Lin Chung »

Das liegt halt daran,
daß es für "Kraft und Kondition bolzen" Medaillen und Bundesadler gibt,
für ausgewogenes Training nix.
...nun Kondition bolzen ist okay, da es dem Sinne der Leibeserziehung Kanos entspricht.
Aber Kraft? Wofür, nur damit man kaschiert, dass man die Würfe nicht richtig ausführt?
Bedenke, Kano war kein Kraftpaket und bezwang Ori nach einer gewissen Zeit.
Man muss endlich weg von dem "Nur Sport-Image". Judo ist eine Kampfkunst.
Judo: Sport or Art?
When Judo became an olympic sport in 1964, its spiritual side was greatly minimized.
As the art was exported to other countries, it was feared that if it were promoted as a Japanese art, it might not become popular in the West. So, sessions on spiritual principles (ko and mondo) that were used in the early days, and emphasis on pre-arranged drills (kata) were replaced by conditioning exercises and the more competitive aspects of the art (randori and shiai). Judo is an example of what happens, when a traditional art is re-formatted as a sport. Once it becomes a sport, the art is used mostly for personal or national glory. Victories and thropies replaces its true meaning....

The drive to win at all costs also brings physical damage. Judo has one of the highest rates of injury among olympic sports. The irony is that this is not because Judo is a dangerous or rough art. Its name means "the gentle way". It is because of the way we practice it in the West! Consider this-Dr. Jigoro Kano. Judo's founder, practiced the art far into his old age. Judo's great master, Kyuzo Mifune, practiced it every day until he died in his mid-seventies. At the time he dies in his mid-seventies, my Sensei was practicing Judo five times a week. What did these folks know that we don't? ...
Quelle:The Tao of Judo von H.B. Calvacanti, 2001
Ich habe nur einen kleinen Ausschnitt hier reingestellt. Man sollte es lesen.

...und nun zurück zum Thread.
Grüße
Norbert Bosse
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von Ko-soto-gake »

Lin Chung hat geschrieben: ...nun Kondition bolzen ist okay, da es dem Sinne der Leibeserziehung Kanos entspricht.
Aber Kraft?
Ist zwar OT, aber Kraft ist eine Komponente der Kondition.
Eine Gelegenheit, den Mund zu halten, sollte man nie vorübergehen lassen.
tutor!
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von tutor! »

Hallo Patrick,

ich greife aus Deinem Beitrag einmal die für mich wichtigste Passage heraus.
pmhausen hat geschrieben:Ich lese Deine Ausführungen immer wieder gerne, sie wirken meist fundiert und belegen, daß man auch an entscheidenden Stellen im DJB nicht so "untraditionell" ist, wie von mancher Seite behauptet. Allein, was ich noch nicht sehe, ist, wie dieses Wissen an der Basis ankommen soll. Du schriebst selbst, daß wahrscheinlich nur 50 bis 100 Paare in Deutschland die JnK durchführen können. Wie kriegen wir denn bitte in jeden Verein einen Trainer, der diese wertvollen Trainings-Instrumente wieder lehren kann? Die Meinung "richtiges Judo == Randori und Shiai", schlimmstenfalls noch kombiniert mit reinem Kraft und Kondition Bolzen, begegnet mir persönlich immer noch viel zu häufig.
Du schreibst "wieder lehren" kann. Das suggeriert mir (und ich hoffe, dass ich Dich nicht überinterpretiere), dass Du der Meinung bist, dass dies einmal anders - besser - war als heute.

Ich kann heute von mir sagen, dass ich drei Kata - Ju-no-Kata, Nage-no-Kata und Gonosen-no-kata - auf einem "gesättigten" Niveau beherrsche. Gesättigt meint, dass eine weitere Verbesserung außer Reichweite erscheint, obwohl mir immer noch das ein oder andere Detail bewusst wird.

Für keine dieser Kata hatte ich einen Lehrer im Verein. Die Kata kommt nicht zu Dir. So weit sind wir noch nicht. Du musst zur Kata hin! Nehmen wir JnK.

Als ich Ju-no-Kata zum ersten mal gelernt habe (es gab drei Phasen des Lernens dieser Kata), gab es im Umkreis von 100km nur einen einzigen Lehrer, der sie vermitteln konnte - und dieser galt als führend in ganz Deutschland. Also bin ich zu ihm gefahren, um die Kata zu lernen. Zwischendrin habe ich im Verein ohne Anleitung und Kontrolle geübt. Ab und und zu bin ich wieder zu diesem Lehrer gefahren und habe mich korrigieren lassen. Heutzutage gibt es dagegen immer wieder Lehrgänge auf denen man an einem langen Tag durch die Kata hechelt. Man kann zu Hause üben und sich auf den Lehrgängen wieder neue Anregungen holen und dazu lernen. Zu Hause wieder üben - und dann wieder zum Lehrgang.

Wie es der Zufall will, bekam ich vor einiger Zeit Videoaufnahmen dieses Lehrer beim Demonstrieren der Ju-no-Kata geschenkt. Sie war gespickt mit gravierenden Fehlern und heute würde er damit bei einer Dan-Prüfung wohl durchfallen. Und bevor jetzt Mutmaßungen kommen: Nein, nicht weil sich Anforderungen oder Kriterien geändert hätten - ich kenne auch die damaligen Lehrfilme des Kodokan.

Nachdem in den 90er Jahren die Lehrvideos des Kodokan erschienen waren, hat der DJB bundesweite Kata-Workshops auch speziell zur JnK durchgeführt, bei denen ich jeweils zugegen war. Dort zeigte sich, wie schwach das Niveau damals war, aber es wurde langsam besser, weil sich auch eine Fan-Gemeinde gebildet hat, die durch die Republik reist, um Kata zu üben.

Und wie ist jetzt Deine Situation? Du fährst von Ettlingen nach Speyer und kannst bei jemandem die JnK lernen, der sie deutlich besser beherrscht als z.B. mein erster Lehrer.

Du fragst, was man tun kann, damit jeder Verein einen solchen Übungsleiter hat. Die Antwort liegt doch eigentlich auf der Hand: die Vereine müssen ihre Übungsleiter dazu motivieren die Kata (damit meine ich jetzt alle verschiedenen Kata, nicht nur JnK) erst einmal selbst zu lernen. Das kann z.B. kein Verband tun. Der kann nur Angebote machen. Und die gibt es ja. Wer JnK (oder eine anderen Kata) lernen möchte, kann sie innerhalb eines Jahres ganz passabel lernen, nur muss man sich - im Wortsinn - bewegen.

Letzte Woche war Shiro Yamamoto in Hessen, dieses WE ist er in NRW und nächste Woche wird er in Sachsen sein. Derartige Besuche gibt es seit einigen Jahren regelmäßig. In den 60ern, 70ern und 80ern waren Besuche von japanischen Kata-Lehrern sehr selten.

Heute ist die Situation doch unter dem Strich viel besser als damals. Letztlich gibt es aber natürlich nach wie vor weniger gute Trainer als Leute, die sich bessere Trainer wünschen als sie haben. Außerdem gibt es im Internetzeitalter auch einige Veränderungen. Als ich JnK zum ersten mal machte, hatte ich keine Chance, ein Video davon zu sehen. Heute gehe ich ins Subforum "Kata", lese mir die Erklärungen durch und klicke mich dann zu Weltklassedemonstrationen oder zum offiziellen Lehrvideo durch. Dadurch fallen natürlich die Defizite der Trainer in den Vereinen/Verbänden auf und viele "Normalos" verfügen über Informationen, die früher nur mündlich weitergegeben wurden (oder nicht).
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von Lin Chung »

Also bin ich zu ihm gefahren, um die Kata zu lernen. Zwischendrin habe ich im Verein ohne Anleitung und Kontrolle geübt. Ab und und zu bin ich wieder zu diesem Lehrer gefahren und habe mich korrigieren lassen.
...Hallo Patrick
so mache ich es auch heute noch, auch wenn es jetzt TKD heisst. Man muss eine feste Größe haben und sich erstmal orientieren. Dann muss man versuchen die Ausführungen zu verstehen und letztendlich seine persönliche Kata machen. 100 % wirst du nicht sofort erreichen, das wird noch Jahre dauern. Aber, man muss dran arbeiten...
Du fragst, was man tun kann, damit jeder Verein einen solchen Übungsleiter hat.
...das wäre doch was für dich in deinem Verein oder? Du kannst doch fragen, ob da jemand mit dir die Kata üben möchte. Dann zeigst du ihm deine Version und ihr übt zusammen. Vielleicht unterstützt ihr euch dannach gegenseitig und wer weiss, wenn jemand in deinem Verein oder in einem in der Nähe weiss, dass ihr das schon macht, vielleicht seid ihr dann später schon mehr Leute.
Grüße
Norbert Bosse
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von pmhausen »

Hallo,
tutor! hat geschrieben: Du schreibst "wieder lehren" kann. Das suggeriert mir (und ich hoffe, dass ich Dich nicht überinterpretiere), dass Du der Meinung bist, dass dies einmal anders - besser - war als heute.
Erwischt ;) Das ist mir zwar unbewußt hineingeraten, aber natürlich habe ich das gedacht. Ich denke dabei
aber an die Koryu Bujutsu, in denen ausschließlich per Kata gelehrt wurde, was m.E. den Schluß erlaubt,
das auch im Kodokan der Kata-Anteil um die Jahrhundertwende 19./20. deutlich höher war als im üblichen
modernen Training heute.

Zu den anderen Hinweisen von Dir und Norbert: danke, genau das versuche ich ja gerade. Gut Ding will
Weile haben. Ich kann aber nicht ganz nachvollziehen, daß Du es als gegeben hinnimmst, daß man
sich die Inhalte von weiter her holen muß. Es handelt sich doch - zumindest nach dem Begründer unserer
Kampfkunst - um zentrale Lehrinhalte. Wie konnten diese so vollständig aus dem täglichen/wöchentlichen
Training verschwinden?

Grüße,
Patrick
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von Lin Chung »

Wie konnten diese so vollständig aus dem täglichen/wöchentlichen
Training verschwinden?
...nun, das liegt an jedem Lehrer selbst. Entweder man hat es nie richtig gemacht und möchte deshalb nicht, dass seine Schüler die gleichen Fehler machen oder man kann es nicht, ich sag mal: weitergeben, da man sonst in Erklärungsnot käme. Umso besser, wenn sich jemand wie du aufrafft und sich mit der Kata beschäftigt. ;)
Grüße
Norbert Bosse
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von Judo_HoHan »

Hallo Shaku-Yaku,
wenn du Judo trainierst und dein Trainer dir bei deinen ersten Wurf Vorgaben gemacht hat (Bein dahin, mit den Fuß vorgehen, usw.) hast du nichts anderes gemacht als Kata. Was heißt eigentlich Kata: Kata ist eine vorgegebene Reihenfolge von Bewegungen. Ran heißt in Japan durcheinander, und nun setze mal davor das Japanische Wort für den Werfende. Was wird daraus "Ran-Tori", da aber im japanischen das t zum weichen d wird heißt es nun Randori. Also machst du nichts anders als Kata und Randori-Training, weil dazwischen es nichts gibt. Und wie Fritz und die andern schon geschrieben haben, hast du den Sinn der Kata nicht erkannt. Sogar mein Sohn (11 Jahre) war heute beim Kata-Training und der Referent (Wolfgang Dax-Romswinkel) hat meinem Sohn beigebracht, seinen Angstwurf Tomoe-Nage zu werfen und zu fallen in der Kata.
Gruß
Holger
Zuletzt geändert von Fritz am 24.08.2009, 00:19, insgesamt 3-mal geändert.
Grund: kleinere Tippfehler beseitigt
Um kämpfen zu können, brauchen wir nicht nur starke Arme und einen schnellen Geist; wir brauchen den Glauben

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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von Lin Chung »

Sogar mein Sohn (11 Jahre) war heute beim Kata Training und der Referent( Wolfgang Dax-Romswinkel) hat meinen Sohn bei gebracht seinen Angstwurf Tomoe-Nage zu werfen und zu fallen mit der Kata.
Hallo Holger,
mit der Kata fällt man nicht. Auch wenn ich jetzt spitzfindig bin. ;)

Du hast es richtig gesagt und ich habe darauf auch schon hingewiesen:
Formen (Kata, Tul, Hyong, Poomse) sind alles fest vorgegebene Reihenfolgen von bestimmten Techniken (Würfe, Atemi, Hebel, usw.).
Deren Sinn und Wirkung man verstehen muss. Kata im Judo, welche von Kano erstellt wurden, haben ihren Sinn, der hinterfragt werden muss, um sie zu verstehen.

Eigene Kata ergeben manchmal keinen Sinn.
Bein dahin, mit den Fuß vorgehen, usw...
... sind Bewegungsbestandteile der Techniken.
Grüße
Norbert Bosse
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von tutor! »

pmhausen hat geschrieben:Erwischt ;) Das ist mir zwar unbewußt hineingeraten, aber naürlich habe ich das gedacht. Ich denke dabei
aber an die Koryu Bujutsu, in denen ausschließlich per Kata gelehrt wurde, was m.E. den Schluß erlaubt,
das auch im Kodokan der Kata-Anteil um die Jahrhundertwende 19./20. deutlich höher war als im üblichen
modernen Training heute.
Ja und nein.... und damit sind wir bei der Frage was Kata ist. Kata ist eine Methode des Übens. Bei dieser Methode des Übens werden den Lernenden die Bewegungen vorgegeben. Der Lernende ist also nicht frei in dem, was er tut. Übersetzt heißt Kata eben "Form". Auf diese Weise ist das Üben eines vorgegebenen Bewegungsablaufes die Methode "Kata".

Die Frage ist nun: "Wer macht diese Vorgaben?" Wenn sie der Trainer macht, der sich diese Bewegungsvorgaben ausdenkt, dann ist die Methode zunächst einmal "Kata": das Üben eines vorgegebenen Bewegungsablaufs. Dies passiert in jedem Verein praktisch in jedem Training. Deshalb wird auch heute noch viel "Kata" gemacht, auch wenn es kaum jemand als solches bezeichnet. Wenn wir wissen, wie wenig Randori in vielen Vereinen gemacht wird, könnte man fast sogar sagen, es wird zu viel "Kata" gemacht.

Nun habe ich "Kata" bewusst in Anführungsstrichen geschrieben, denn obwohl das Beschriebene der Methode Kata entspricht, verstehen wir unter dem Üben von Kata meist etwas anderes. Für uns ist Kata nämlich vielfach keine Methode des Übens (mehr), sondern wir verstehen unter Kata Zusammenstellungen von Techniken, die einem übergeordneten Sinn folgen und bestimmte Ideen illustrieren. Vom Begriff her hat Kata nun eine andere Bedeutung - jedoch bleiben es vorgegebene Bewegungsabläufe.

Woher kommen nun diese Zusammenstellungen? Ich erinnere mich, dass sich die Landes- und Bezirkstrainer meines Landesverbandes abgesprochen haben, dass alle Nachwuchssportler bestimmte Techniken als Grundlage für das weitere Training lernen sollten. Es wurde also ein Programm aufgesetzt, bei dem sich die Trainer darauf verständigten, es verbindlich durchzuziehen.

Wir sind also eine Ebene weiter. Nicht der einzelne Übungsleiter lässt sich seine "Kata" - also die von ihm stets vermittelten Bewegungen - einfallen (oder übernimmt sie von woanders her), sondern es gibt Vorgaben für die Trainer, an die sie sich halten sollten. "Kata" (immer noch in Anführungsstrichen) wird also zu einem Programm für "Junior"-Trainer.

Nun kommt als nächstes ein ganzer Verband auf die Idee, solche Vorgaben zu machen, und da er sowohl die Trainer ausbildet und lizensiert, als auch für Graduierungen zuständig ist, hat er eine gewisse Macht, dieses auch durchzusetzen.

Ohne jetzt auf die PO unserer derzeitigen Verbände zu kommen - ich möchte auf die Dai-Nihon-Butokukai hinaus, die 1906 den Wunsch hatte, Kata - also bestimmte Bewegungsformen als verbindlichen Lehrstoff - zu standardisieren. Dies geschah ja auch, wie wir alle wissen.

Zuvor hatte aber noch ein gewisser Jigoro Kano das Problem, dass seine Schule aus allen Nähten platzte und er nicht mehr alle Schüler selbst unterrichten konnte. Er hat daher andere die Stunden leiten lassen und ihnen Vorgaben für die Techniken gemacht, die sie vermitteln sollten. So entstand eine "Form" (gemeint ist die einzelne Technik) nach der anderen. Mehrere dieser Formen hat er zu Komplexen Gebilden zusammengefasst und zwar ursprünglich jeweils mit 10 Techniken. Später wurden sie (außer der Go-no-Kata) ergänzt und auf 15 Techniken erweitert. Drei dieser Kata wurden 1906 für ganz Japan zum Standard erklärt.

Und was sehen wir: "eigentlich" passiert heute noch dasselbe wie vor über 120 Jahren.

Allerdings besteht natürlich ein Riesenunterschied und den können wir nicht ignorieren: Die Akribie und der Sachverstand der erforderlich war, um diese Kata damals zu erstellen, war außerordentlich. Von den ersten Anfängen der Nage-no-Kata bis zu ihrer Standardisierung 1906 dauerte es gut 20 Jahre!

Heute entscheiden sich viele Trainer, die Techniken mit anderen Bewegungsvorgaben zu vermitteln, als sie in der Nage-no-Kata gelehrt werden. Es ist immer noch dieselbe Methode - nämlich "Kata" - aber ein andere Vorgabe.

Ich würde mir z.B. wünschen, dass jeder Trainer die Techniken, die in der Nage-no-Kata vorkommen, auch genau so unterrichtet, wie sie in der Kata gemacht werden. Das gesamte Hirnschmalz, das in die Entwicklung dieser Formen geflossen ist, könnte erschlossen werden.

Da alle Techniken der Nage-no-Kata in der PO des DJB vorkommen, wäre es ein leichtes für jeden ÜL so zu verfahren. Wenn Sumi-gaeshi "dran" kommt - warum nicht so vermitteln, wie er in der Kata enthalten ist.

Kata als Methode des Übens ist etwas vollkommen normales und alltägliches. Kata als Medium der Überlieferung ("lebendiges Lehrbuch") ist leider wenig genutzt. Wir müssen Kata als Übungsform entkrampfen und von aufgesetzten Ballast befreien und die großen Kata dann als das sehen, als das sie auch gemacht worden sind: als Beispiele für excellentes Judo und als ein Programm, anhand dessen wir unser Judo verbessern können.

Und eines darf auch nicht vergessen werden: sie sind Studienobjekte und wahre Kunstwerke in dem, was sie uns "erzählen" können.
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pmhausen

Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von pmhausen »

tutor! hat geschrieben: Allerdings besteht natürlich ein Riesenunterschied und den können wir nicht ignorieren: Die Akribie und der Sachverstand der erforderlich war, um diese Kata damals zu erstellen, war außerordentlich. Von den ersten Anfängen der Nage-no-Kata bis zu ihrer Standardisierung 1906 dauerte es gut 20 Jahre!
...
Kata als Methode des Übens ist etwas vollkommen normales und alltägliches. Kata als Medium der Überlieferung ("lebendiges Lehrbuch") ist leider wenig genutzt. Wir müssen Kata als Übungsform entkrampfen und von aufgesetzten Ballast befreien und die großen Kata dann als das sehen, als das sie auch gemacht worden sind: als Beispiele für excellentes Judo und als ein Programm, anhand dessen wir unser Judo verbessern können.
Zu beiden Aussagen 100% Zustimmung!

:danke

Patrick
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von Fritz »

Judo_HoHan hat geschrieben:Kata ist eine vorgegebene Reihenfolge von Bewegungen.
Nicht jede Bewegungs-Reihenfolge kann als Kata bezeichnet werden, m.M.nach...
Nicht umsonst unterscheiden sie im Kodokan zwischen Kata und Ho (Methode) letzteres bezeichnet
wohl eher Stoffsammlungen, die halt den Ansprüchen an eine Kata nicht genügen (welchen auch
immer), aber doch recht nützlich sein können...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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