pmhausen hat geschrieben:Erwischt
Das ist mir zwar unbewußt hineingeraten, aber naürlich habe ich das gedacht. Ich denke dabei
aber an die Koryu Bujutsu, in denen ausschließlich per Kata gelehrt wurde, was m.E. den Schluß erlaubt,
das auch im Kodokan der Kata-Anteil um die Jahrhundertwende 19./20. deutlich höher war als im üblichen
modernen Training heute.
Ja und nein.... und damit sind wir bei der Frage was Kata ist. Kata ist eine Methode des Übens. Bei dieser Methode des Übens werden den Lernenden die Bewegungen vorgegeben. Der Lernende ist also nicht frei in dem, was er tut. Übersetzt heißt Kata eben "Form". Auf diese Weise ist das Üben eines vorgegebenen Bewegungsablaufes die Methode "Kata".
Die Frage ist nun: "Wer macht diese Vorgaben?" Wenn sie der Trainer macht, der sich diese Bewegungsvorgaben ausdenkt, dann ist die Methode zunächst einmal "Kata": das Üben eines vorgegebenen Bewegungsablaufs. Dies passiert in jedem Verein praktisch in jedem Training. Deshalb wird auch heute noch viel "Kata" gemacht, auch wenn es kaum jemand als solches bezeichnet. Wenn wir wissen, wie wenig Randori in vielen Vereinen gemacht wird, könnte man fast sogar sagen, es wird zu viel "Kata" gemacht.
Nun habe ich "Kata" bewusst in Anführungsstrichen geschrieben, denn obwohl das Beschriebene der Methode Kata entspricht, verstehen wir unter dem Üben von Kata meist etwas anderes. Für uns ist Kata nämlich vielfach keine Methode des Übens (mehr), sondern wir verstehen unter Kata Zusammenstellungen von Techniken, die einem übergeordneten Sinn folgen und bestimmte Ideen illustrieren. Vom Begriff her hat Kata nun eine andere Bedeutung - jedoch bleiben es vorgegebene Bewegungsabläufe.
Woher kommen nun diese Zusammenstellungen? Ich erinnere mich, dass sich die Landes- und Bezirkstrainer meines Landesverbandes abgesprochen haben, dass alle Nachwuchssportler bestimmte Techniken als Grundlage für das weitere Training lernen sollten. Es wurde also ein Programm aufgesetzt, bei dem sich die Trainer darauf verständigten, es verbindlich durchzuziehen.
Wir sind also eine Ebene weiter. Nicht der einzelne Übungsleiter lässt sich seine "Kata" - also die von ihm stets vermittelten Bewegungen - einfallen (oder übernimmt sie von woanders her), sondern es gibt Vorgaben für die Trainer, an die sie sich halten sollten. "Kata" (immer noch in Anführungsstrichen) wird also zu einem Programm für "Junior"-Trainer.
Nun kommt als nächstes ein ganzer Verband auf die Idee, solche Vorgaben zu machen, und da er sowohl die Trainer ausbildet und lizensiert, als auch für Graduierungen zuständig ist, hat er eine gewisse Macht, dieses auch durchzusetzen.
Ohne jetzt auf die PO unserer derzeitigen Verbände zu kommen - ich möchte auf die Dai-Nihon-Butokukai hinaus, die 1906 den Wunsch hatte, Kata - also bestimmte Bewegungsformen als verbindlichen Lehrstoff - zu standardisieren. Dies geschah ja auch, wie wir alle wissen.
Zuvor hatte aber noch ein gewisser Jigoro Kano das Problem, dass seine Schule aus allen Nähten platzte und er nicht mehr alle Schüler selbst unterrichten konnte. Er hat daher andere die Stunden leiten lassen und ihnen Vorgaben für die Techniken gemacht, die sie vermitteln sollten. So entstand eine "Form" (gemeint ist die einzelne Technik) nach der anderen. Mehrere dieser Formen hat er zu Komplexen Gebilden zusammengefasst und zwar ursprünglich jeweils mit 10 Techniken. Später wurden sie (außer der Go-no-Kata) ergänzt und auf 15 Techniken erweitert. Drei dieser Kata wurden 1906 für ganz Japan zum Standard erklärt.
Und was sehen wir: "eigentlich" passiert heute noch dasselbe wie vor über 120 Jahren.
Allerdings besteht natürlich ein Riesenunterschied und den können wir nicht ignorieren: Die Akribie und der Sachverstand der erforderlich war, um diese Kata damals zu erstellen, war außerordentlich. Von den ersten Anfängen der Nage-no-Kata bis zu ihrer Standardisierung 1906 dauerte es gut 20 Jahre!
Heute entscheiden sich viele Trainer, die Techniken mit anderen Bewegungsvorgaben zu vermitteln, als sie in der Nage-no-Kata gelehrt werden. Es ist immer noch dieselbe Methode - nämlich "Kata" - aber ein andere Vorgabe.
Ich würde mir z.B. wünschen, dass jeder Trainer die Techniken, die in der Nage-no-Kata vorkommen, auch genau so unterrichtet, wie sie in der Kata gemacht werden. Das gesamte Hirnschmalz, das in die Entwicklung dieser Formen geflossen ist, könnte erschlossen werden.
Da alle Techniken der Nage-no-Kata in der PO des DJB vorkommen, wäre es ein leichtes für jeden ÜL so zu verfahren. Wenn Sumi-gaeshi "dran" kommt - warum nicht so vermitteln, wie er in der Kata enthalten ist.
Kata als Methode des Übens ist etwas vollkommen normales und alltägliches. Kata als Medium der Überlieferung ("lebendiges Lehrbuch") ist leider wenig genutzt. Wir müssen Kata als Übungsform entkrampfen und von aufgesetzten Ballast befreien und die großen Kata dann als das sehen, als das sie auch gemacht worden sind: als Beispiele für excellentes Judo und als ein Programm, anhand dessen wir unser Judo verbessern können.
Und eines darf auch nicht vergessen werden: sie sind Studienobjekte und wahre Kunstwerke in dem, was sie uns "erzählen" können.