Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Hier geht es um die Geschichte und um Traditionen des Judo
Jupp
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 829
Registriert: 31.01.2007, 15:53

Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von Jupp »

In diesem Faden möchte ich in unregelmäßigen Abständen ausgewählte Texte aus dem Buch „Judo Memoirs of Jigoro Kano“ in einer deutschen Übersetzung veröffentlichen.
Dadurch sollen möglichst viele deutsche Judoka die in diesem Buch zusammengefassten Texte Jigoro Kanos lesen können und sich selbst ein Urteil darüber bilden können, was für eine Persönlichkeit der Judobegründer Jigoro Kano gewesen sein mag.
Hier im Forum finden viele Spekulationen darüber statt, was Kano denn nun eigentlich gewesen ist: ein Krieger, ein Kämpfer, ein Politiker, ein Erzieher, ein Künstler usw.
Mit Hilfe seiner eigenen Aussagen können sich in Zukunft die interessierten Judoka selber ein Bild machen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn in diesem Faden sich auch andere bereit finden würden, einige Kapitel, die sie besonders interessieren, zu übersetzen.
Mich interessierte zunächst einmal ganz besonders das Vorwort des Autors Brian N. Watson, den man durchaus als einen profunden Kano-Kenner bezeichnen kann.

Über mögliche Copyrightverstöße habe ich mir im Zusammenhang mit diesen Übersetzungen bisher keine Gedanken gemacht.

Jupp



Zusammengefasste Arbeiten von Jigoro Kano (Volum III)

Auszüge aus der englischen Übersetzungen von Brian N. Watson von Kano-Artikeln, die dieser um 1927 seinem früheren Schüler Torahei Ochiai zur Mitschrift gab.

Über den Autor:
„Der Autor Brian N. Watson ist in England geboren. Er trägt den 4. Dan und war früher ein „Special research Student“ des Kodokan. Er hat Beiträge für das britische Magazin JUDO von 1967 bis 1985 geliefert. Seine Veröffentlichungen umfassen u.a. „Yasuhiro Yamashitas frühes Leben“ (Tokyo, Otori Shobo, 1986) und „The Father of Judo“ – eine Kano Biografie“ (New York, Kodansha International, 2000).
Er ist Korrespondent und Japanisch-Übersetzer. Er besitzt Diplome für Japanisch der Tokyo School of Japanese Language, Takushoku University Tokyo sowie der Universität von London.“



Judo Memoirs of Jigoro KanoBy Brian N. Watson
Victoria (Canada) 2008, ISBN 978-1-4251-6349-5

Unter einem Portrait von Professor Kano steht:
„Der Zweck des Judo besteht darin, sich selbst zu perfektionieren in körperlicher, intellektueller und moralischer Hinsicht, um dadurch zum Wohl der Gesellschaft beizutragen.“ (Jigoro Kano 1860-1938, der Gründer des Judo)

Anmerkung des Autors:
„Das meiste Material in diesem Buch bezieht sich auf die Erfahrungen von Jigoro Kano bezüglich der Gründung des Judo. Es sind seine gesprochenen Erinnerungen von historischen Begebenheiten, besonders aus dem Zeitraum von 1882 bis 1928. Gelegentlich gibt es bei Kano einige Wiederholungen. Doch im Interesse sowohl der Bedeutung als auch der Klarheit erschien es angemessen diese beizubehalten, obwohl sie wo immer es möglich war, vermieden wurden.“ (IX)


Vorwort von Brian N. Watson (XV)

Jigoro Kano ist unter den Enthusiasten der Kampfkünste weltweit als Begründer des Judo bekannt. In Japan jedoch ist er jedoch auch dafür bekannt, das japanische Olympiateam nach den Niederlagen bei den ersten drei Teilnahmen anlässlich der Spiele 1912, 1920 und 1924 zu Erfolgen mit Goldmedaillen inspiriert zu haben, die bei den Olympischen Spielen 1928 in Amsterdam erreicht wurden und bis heute anhalten.
Aber noch bemerkenswerter ist seine Bekanntheit für seine Arbeiten bei der Einführung von Reformen in Japans Erziehungssystem. Kano, vielleicht mehr als jeder andere japanische Erzieher seiner Generation, ermutigte eine ganze Reihe von Studenten der Tokyo-Lehrerbildungsanstalt sich für den Lehrerberuf zu entscheiden und die Sportausbildung zu entwickeln.
Durch seine positive Entschlossenheit bezüglich der Weiterentwicklung der Körpererziehung, des Judo und der Lehrerausbildung, war die Körperbildung und die schulische Entwicklung der japanischen Kinder, besonders derjenigen, die eine höhere Bildung erhielten, in den Jahren um 1900 und den folgenden Dekaden durch Kano sehr stark beeinflusst.
So zeigten sich die Früchte seine Engagements zu einem gewissen Ausmaß in der Verbesserung der Gesundheit und in den speziellen Fertigkeiten zahlreicher Arbeitskräfte japanweit, die sich in der fortgesetzt stabilen Ausbreitung von Japans Wirtschaft deutlich zeigte.
Für diejenigen, die ein tieferes Interesse an der Geschichte des Judo haben, schrieb Kano unglücklicherweise niemals seine Autobiografie. Obwohl also sowohl Einzelne als auch Gruppen von Autoren Biografien über Kano geschrieben haben, gibt es wenig Informationen speziell betreffend seiner Familie oder der Entwicklung des Kodokan-Dojo, die von ihm selber aufgeschrieben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Nichtsdestoweniger gab er im Alter von knapp 67 Jahren Auskünfte über viele seiner Erfahrungen an seinen Interviewer, Torahei Ochiai, einen Gymnasialdirektor und früheren Studenten Kanos.
Kanos wörtliche Überlieferungen, die die frühe Judogeschichte umfassen, wurden von Ochiai zusammengestellt und gedruckt aufbewahrt. Die Ersten erschienen als eine Serie von Magazinartikeln in den späten 1920er-Jahen. Dieses Material umfasst auch Ereignisse aus Kanos Schultagen, seinem Jujutsu-Training, sowie seine akademischen Erfahrungen, Überseereisen sowie einige Aspekte seines Privatlebens. Für die Judo-Anhänger ist vielleicht bedeutender, dass er auch zahlreiche Informationen über die Gründung, die Entwicklung und spätere Ausbreitung des Kodokan gab, was für ihn eine äußerst wichtige, lebenslange Bedeutung hatte.
1877 begann Kano Tenjin Shinyo Jujutsu, zu Beginn unter der regulären Leitung von Hashinosuke Fukuda. Fukuda starb zwei Jahre später. Nach dem Tod seines zweiten Tenjin Shinyo Jujutsulehrers, Masatomo Iso, nahm Kano das Studium des Kito Stils des Jujjutsu auf, unter Tsunetoshi Iikubo.
Im Mai 1882, immer noch ein unbekannter Student von 21 Jahren, eröffnete er sein kleines, unbeschriebenes Kodokan-Dojo in „Downtown Tokio“, wo er einer Gruppe von neun Studenten Jujutsu vermittelte.
Seine Wahl für den Namen „Kodokan“ symbolisiert eine frühe Reife für einen so jungen Menschen und ist sehr bedeutsam, denn es heißt „den Ort, an dem man auf seinem Weg ins Leben begleitet wird.“ Damit ist die Straße gemeint, auf der man im Sinne der Selbstkultivierung reist, was Kano als den besten Weg im Leben ansah. Diese Kultivierung kann jedoch nur erreicht werden durch jahrelanges Training und gewaltige Anstrengungen das letzte Ziel zu erreichen, die Selbstperfektion.
Mit 24 Jahren gab Kano abrupt das Unterrichten dieser alten und insgesamt gesehen brutalen Aktivität auf und unterrichtete Jujutsu nie wieder. In seinem Versuch eine moderne, nicht-gewaltsame, spirituell inspirierte antagonistische Kunst zu entwickeln, begann er verschiedene Jujutsu-Stile zu untersuchen. Ausgehend von dem Interesse, sowohl Sicherheit als auch Praktikabilität zu erhalten, änderte er die Techniken und fügte seine eigenen Ideen hinzu. All dies fügte er seinem später entwickelten System von Fertigkeiten hinzu, das er „Kodokan-Judo“ nannte.
Später erläuterte Kano in Lektionen oft Folgendes: „ Das letzte Ziel des Judo-Studiums besteht darin, den Körper und den Geist zu kultivieren durch die Praxis von Angriff und Verteidigung. Und indem man die Grundlagen dieser Kunst meistert entwickelt man die Perfektion des Selbst und bringt Wohltaten für die Welt.“
Kano sah in der Entwicklung des Judo also etwas Positives, was sich aus etwas überwiegend Negativem entwickelt hatte. Er pflegte seine Kunst Judo, verbreitete sie in Japan und später in der Welt für Jung und Alt, Männer und Frauen, zur Erinnerung an seine Zeit.
Kano war ein Mann mit vielen Facetten. Schon in jungen Jahren mit 25 wurde er Lehrer für Poltische Wissenschaften und Ökonomie sowohl an der Komaba Landwirtschaftsschule als auch am Gakushuin, einer Adelsschule. Später wurde er Rektor der Tokioer Lehrerausbildungs-Anstalt, eine osition, die er mehr als 20 Jahre lang innehielt. Kano war darüber hinaus ein produktiver Schriftsteller, ein Übersetzer, ein Kalligraf, Editor, Sportadministrator und gegen Ende seines Lebens auch Politiker.
Bei all seinen unterschiedlichen Interessen waren jedoch die Herausarbeitung von Erziehungsstandards für Japan, die Weiterentwicklung des Kodokan-Judo sowie Fortschritte in der Moralerziehung die allerwichtigsten Überlegungen in seinem Leben. Kanos Ideale werden herausgestellt in den Botschaften, die er in seinen Essays oder Kalligrafien zum verdeutlicht. In ihnen bringt er die außerordentliche Bedeutung einer gelungenen Erziehung zum Ausdruck, die einen entschlossenen Willen fördert aber auch das Bestreben, dabei zu helfen, die menschliche Gesellschaft positiv zu entwickeln. In einer Rede 1934 sagte er: „Nicht ist unter der Sonne wichtiger als Erziehung. Indem wir einen Menschen erziehen und ihn in seine Generation entlassen, tragen wir dazu bei, dass weitere hundert Generationen beeinflusst werden.“ Diese Botschaft ist überliefert und bewahrt in einer der berühmtesten Beispiele seiner Kaligrafie.

Wenn man einige der Kommentare auf den folgenden Seiten als Beurteilungsgrundlage nimmt, dann kann es so scheinen, dass Kano sein Judo vor allem entwickelt hat, wegen seines tiefen Verlangens die Erziehung in Japan voranzutreiben. Er glaubte nämlich, dass die Erfahrungen, die man mit dem Judotraining gewinnen konnte, einen positiven Einfluss sowohl auf die allgemeine Gesundheit als auch auf die charakterliche Entwicklung seiner Studenten haben werde.
Beim traditionellen Jjutsu hingegen hatte Kano schon früh in seinem Leben erkannt, gab es Nachteile und es war daher eine unpassende Aktivität für eine zivilisierte Gesellschaft in der modernen Zeit. Besonders dadurch, dass es sich um eine brutale Form der Selbsterhaltung handelte, gab es beim Üben nur wenig Regeln zu beachten. Daher sah Kano nur wenig Vorteile, die dazu führen würden, eine ganzheitliche Charakterbildung seiner Studenten zu entwickeln. Im Wesentlichen sind die Übungsstunden Kampf und daher enthalten sie immer ein Gefahrenelement, ganz besonders, wenn scharfe Waffen ins Spiel kommen.
Auf der anderen Seite wurde Judo, bei dem keine Waffen benutzt werden, allmählich zu einem Sport und war als solcher relativ sicher auszuüben. Und zwar nicht nur von körperlich geeigneten Männern, Frauen und Kindern sondern sogar von denjenigen, die körperliche Behinderungen verschiedener Art aufweisen.
Während seines Lebens widmete Kano viel Zeit und Energie auf erzieherische Studien. Er machte 13 offizielle Überseereisen, um über aktuelle Erziehungssysteme des Auslands zu berichten, besonders über die Leibeserziehung des Westens. Bei diesen Gelegenheiten versuchte er auch ein internationales Interesse am Kodokan-Judo zu vermitteln, indem er Demonstrationen, Vorträge und Interviews in den Medien während seiner weltweiten Reisen gab.
Sowohl als Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees für mehr als 20 Jahre, als auch als Gründer und erster Vorsitzender der Japanischen Amateur Athletik Vereinigung hat Kano sich dafür eingesetzt, die Popularität des olympischen Sports voranzutreiben, ganz besonders unter den jungen Japanern.
Einige der Anmerkungen auf den folgenden Seiten unterstellen, dass welche Ziele auch immer man im Leben anzustreben wünscht, man zuerst und ganz besonders darauf achten muss, seine Gesundheit zu erhalten und eine robuste körperliche Konstitution und einen entschlossenen Willen für die Durchsetzung seiner Ziele zu entwickeln.
Ohne diese grundlegenden Voraussetzungen wird man nur wenig wirklich Substanzielles erreichen. Durchsetzungsvermögen, so behauptet Kano, kann einem Judoübenden vermittelt werden als Ergebnis einen zielstrebigen und disziplinierten Judotrainings. Durch die Schaffung des Judo hat Kano deshalb versucht, eine Möglichkeit bereitzustellen, mit der seine Studenten eine intensive Motivation aufbauen können. Er riet allen, ganz gleich welchen Studienschwerpunkt sie auch hatten, ein solches Training aufzunehmen, weil, so glaubte Kano, neben körperlicher Fitness auch ihr Wille, im Leben erfolgreich zu sein, dadurch zunehmend gestärkt werde.

Die wesentliche Ziele dieses Buch zu schreiben sind zweifach. Zum einen in der Überlegung, bis zu welchem Grad Kanos Ziele, besonders die, die mit Judo zu tun haben, erreicht wurden und andererseits darüber nachzudenken, welchen Einfluss diese Ziele auf die Gesellschaft gehabt haben.
Im abschließenden Teil dieser Arbeit habe ich daher einige der Auswirkungen, die Judo auf die japanische Gesellschaft gehabt hat kommentiert. In diesem Zusammenhang zeige ich auch besonders die Erfahrungen und Errungenschaften von drei Persönlichkeiten auf, sowohl aus Japan als auch von außerhalb, die durch Kanos Lehren stark beeinflusst wurden. Indem ich das Wirken dieser Männer beschreibe, habe ich mich bewusst nicht auf einen der weltbesten Judo-Champions konzentriert, weder aus der Vergangenheit noch von heute. Die größte Mehrzahl der Judoübenden weltweit sind eben keine Wettkämpfer und erhalten deswegen auch nur selten öffentliche Aufmerksamkeit.
Und natürlich dürfen wir nicht vergessen, dass Kano stets darauf bestand, dass Judo in erster Linie dazu dienen sollte, von Nutzen im täglichen Leben zu sein. Tatsächlich war es Kanos Absicht, dass Judo dazu dienen sollte die Entwicklung von Körper und Geist voranzutreiben und er war deswegen sehr dagegen, dass Judo sich in einen Sport verwandelte.
Er behauptete, dass Judo eine der Budokünste sei und deswegen Mut, Tugend und den Intellekt kultivieren sollte, alles Eigenschaften, die großen Einfluss auf die Zufriedenheit im Leben haben. Er wollte Judo nicht als eine Imitation von anderen Sportarten sehen, bei denen das wesentliche Ziel der meisten Übenden ausschließlich darin besteht, eine Medaille zu gewinnen.
Die folgenden Anmerkungen in dieser Hinsicht machte er 1936 in einem Brief an Gunji Koizumi: „Ich bin von Leuten aus zahlreiche Bereichen nach der Weisheit und Möglichkeit gefragt worden, Judo bei den Olympischen Spielen einzuführen. Meine Einstellung zu diesem Vorhaben ist gegenwärtig ziemlich passiv. Wenn es der Wunsch anderer Mitgliedsnationen (des IOC) ist, so habe ich keine Einwände. Aber ich sehe mich nicht veranlasst, selber aktiv zu werden. Auf der einen Seite ist Judo kein reiner Sport oder ein Spiel. Ich betrachte es als ein Lebensprinzip, eine Kunst und Wissenschaft. Eigentlich dient es persönlich kultureller Zweckerfüllung. Nur eine Form des Judotrainings, das so genannte Randori, kann als Sport eingeordnet werden. Zusätzlich haben die Olympischen Spiele einen stark nationalistischen Beigeschmack, dass es möglich ist, dadurch beeinflusst zu werden und den Judowettkampf als eine rückschrittliche Form zu entwickeln, so wie es Jujutsu vor der Gründung des Kodokan war. Judo sollte so frei von Einflüssen von außerhalb sein, wie Kunst und Wissenschaft, frei von politischen, nationalen, rassistischen, finanziellen oder anderen organisierten Interessen. Alles, was mit Judo verbunden ist, sollte zu dem letzten Ziel führen, dem Wohlergehen der Menschheit“.

Kanos Ideale waren daher sehr grundlegend und anregend für weitere Überlegungen. Obwohl Judo mittlerweile seit vielen Jahrzehnten zu einem ziemlich populären Massensport in vielen Ländern der Welt geworden ist, habe ich mich dennoch bei meinen Kommentaren zu Kano überwiegend darauf konzentriert, seine Lehren herauszustellen, ganz besonders die Auswirkungen des Judo auf die japanische Gesellschaft. Vor allem weil die Geschichte des Judo in anderen Gesellschaften viel kürzer ist und daher die Auswirkungen viel weniger wirksam geworden sind als in Japan. Dies führt dann zum abschließenden Teil dieses Buches.

(Leo.de oder leo.org ist ein Übersetzungsprogramm für zahlreiche Sprachen.)

Manche Menschen scheinen mit den meisten persönlichen Problemen in ihrem Leben angemessen umgehen zu können und verfügen daher oft über ein ausreichendes Maß an Selbstvertrauen. Andere jedoch sind bei ähnlichen Problemen nicht in der Lage, diese zu lösen und leiden darunter. Manchmal führt dies zu traurigen Konsequenzen von Minderwertigkeitsgefühlen. Einige suchen den Ausweg aus ihren Problemen im Trinken, in übermäßigem Spielen oder - zunehmend in der heutigen Zeit – in der Abhängigkeit oder dem Missbrauch von Drogen. Doch durch ein solches Verhalten verschwinden die Probleme ja nicht einfach, sondern sie vervielfältigen sich im Gegenteil sogar, indem sie den Menschen körperliche Schmerzen oder geistige Verwirrung bereiten.
Gibt es etwas, was man aus dem Judotrainig herausziehen kann, was einem in solchen Fällen möglicherweise weiterhilft? Wenn man Kanos Beobachtungen auf den folgenden Seiten heranzieht, dann schien er das zu glauben. Denn wenn erst einmal der Geist der Entschlossenheit eingepflanzt wurde, so kann er darauf konzentriert werden, Niedergeschlagenheit oder andere Schwierigkeiten, denen man im Leben gegenübersteht, zu überwinden.
Kano scheint zu seiner Zeit eine sehr populäre Persönlichkeit gewesen zu sein, denn seine akademischen Studenten gingen gemeinsam mit seinen Judoschülern in die Zehntausende. Dies war natürlich lange vor der Zeit, in der schneller Ruhm durch moderne Medienpersönlichkeiten hergestellt wurde.
Auch wenn sein Charisma ihm eine ansehnliche Anhängerschaft brachte, müssen wir die Frage im Hinterkopf bewahren: „Haben seine Lehren für unsere heutige Zeit irgendeine Bedeutung?“
Nach der Lektüre der folgenden Seiten mögen einige Leser mit Kanos Meinungen und seinen Überlegungen bezüglich Sport, Judo und Erziehung übereinstimmen. Andere hingegen werden zweifellos eine andere Auffassung haben. Nichtsdestoweniger fallen Überlegungen zu unterschiedlichen Auffassungen nicht in meinen Aufgabenbereich, denn ich möchte lediglich so akkurat wie möglich die Methoden und die Ziele erklären, die Kano so nachdrücklich angestrebt hat und mich dabei bei spezifischen Fragen auf keine Seite stellen.
Natürlich muss man bei einer solchen Studie immer ein gewisses Maß an Balance halten. Man könnte z.B. berechtigterweise sagen, dass es Judo-Begeisterte gibt, die in ihrer Jugend Champions waren, aber später daran scheiterten, einen ähnlichen Erfolg auf den anderen Wegen des Lebens zu erreichen. Dann gibt es auch diejenigen Jugendlichen, die im Judo keinerlei Erfolge hatten oder überhaupt in irgendeinem Sport, die aber trotzdem auf irgendeine Art von verschiedenen Erfahrungen auf unterschiedlichen Gebieten profitieren konnten und Erfolge in ihrem Leben erzielten.

Im Jahre 2000 habe ich die Biografie von Jigoro Kano „The Father of Judo“ (Kodansha International) veröffentlicht, mit der ich mich an jüngere Leser wandte und die einen Überblick über einige persönliche Details aus Kanos Leben gibt. Die hier vorliegende Studie dagegen konzentriert sich mehr auf die Schwierigkeiten und die Wirkungen die Kano bei der Umsetzung der Ziele des Kodokan erlebte als auf seine privaten Dinge.
Viele von Kanos Bemerkungen über diese und andere bedeutsame Angelegenheiten lassen sich auf den folgenden Seiten dieses Buches finden, die meine englische Bearbeitung von Torahei Ochiai´s schon weiter vorne erwähntem Bericht in japanischer Sprache enthält, der gedruckt zuerst als eine Serie von Artikeln zwischen Januar 1927 und Dezember 1928 in der monatlichen Zeitschrift „Sako“ des Kodokan Kultur Ausschusses erschien.
1992 wurden diese Artikel mit einer Zahl seiner ESSAY-Beiträge der Monatsmagazine „Judo“ und „Yuko no Katsudo“ zusammengefasst und neu veröffentlicht unter dem Titel „Kano Jigoro Chosakusho“ (Die zusammengefassten Arbeiten Jigoro Kanos) Volume III.

Brian N. Watson

(Für die Korrektheit der Übersetzung in allen Details kann ich keine Gewähr übernehmen!
Jupp)
Lin Chung
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 2161
Registriert: 20.05.2006, 14:54
Bundesland: Nordrhein-Westfalen

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von Lin Chung »

Über mögliche Copyrightverstöße habe ich mir im Zusammenhang mit diesen Übersetzungen bisher keine Gedanken gemacht.
...sobald du selbst was übersetzt und es niederschreibst, verstößt du gegen kein Copyright. Erst, wenn du das abschreibst (also Originalsprache).
Auf der einen Seite ist Judo kein reiner Sport oder ein Spiel. Ich betrachte es als ein Lebensprinzip, eine Kunst und Wissenschaft. Eigentlich dient es persönlich kultureller Zweckerfüllung. Nur eine Form des Judotrainings, das so genannte Randori, kann als Sport eingeordnet werden. Zusätzlich haben die Olympischen Spiele einen stark nationalistischen Beigeschmack, dass es möglich ist, dadurch beeinflusst zu werden und den Judowettkampf als eine rückschrittliche Form zu entwickeln, so wie es Jujutsu vor der Gründung des Kodokan war. Judo sollte so frei von Einflüssen von außerhalb sein, wie Kunst und Wissenschaft, frei von politischen, nationalen, rassistischen, finanziellen oder anderen organisierten Interessen. Alles, was mit Judo verbunden ist, sollte zu dem letzten Ziel führen, dem Wohlergehen der Menschheit“.
...sollte eigentlich zu denken geben und wie schon oft gesagt wurde, der Wettkampf ist nur ein kleiner Teil des Judo.
Grüße
Norbert Bosse
ボッセ・ノルベルト

Wissen stirbt, wenn es bewahrt wird, und lebt, wenn es geteilt wird.
Non scholae sed vitae discimus (Nicht für die Schule - für das Leben lernen wir)
You're only as old as you date. Keep em young boys!
tutor!
Moderator
Moderator
Beiträge: 3890
Registriert: 08.08.2008, 10:41

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von tutor! »

Lin Chung hat geschrieben:...sollte eigentlich zu denken geben und wie schon oft gesagt wurde, der Wettkampf ist nur ein kleiner Teil des Judo.
Hat denn jemals irgendjemand behauptet, der Wettkampf wäre das einzig Wichtige am Judo?
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
katana
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 1054
Registriert: 15.01.2009, 21:44

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von katana »

Hat denn jemals irgendjemand behauptet, der Wettkampf wäre das einzig Wichtige am Judo?
Ich meine von einem Großurenkel mütterlicherseits gehört zu haben,
es soll da 1 oder 2 Leute geben, die sowas glauben. :D ;)
Angeblich haben sie ein weißes Fell und sollen im Himalaya gesehen worden sein. ;)
Lin Chung
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 2161
Registriert: 20.05.2006, 14:54
Bundesland: Nordrhein-Westfalen

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von Lin Chung »

Komischerweise tauchen hier immer wieder solche Leute auf, die den Wettkampf über alles stellen, während alles andere für sie Ballast ist. (Shaku Yaku).
Grüße
Norbert Bosse
ボッセ・ノルベルト

Wissen stirbt, wenn es bewahrt wird, und lebt, wenn es geteilt wird.
Non scholae sed vitae discimus (Nicht für die Schule - für das Leben lernen wir)
You're only as old as you date. Keep em young boys!
Benutzeravatar
Timitry
Orange Grün Gurt Träger
Orange Grün Gurt Träger
Beiträge: 47
Registriert: 04.05.2009, 20:34
Bundesland: Nordrhein-Westfalen

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von Timitry »

Ich habe dieses Buch bereits gelesen und kann es nur sehr weiterempfehlen. Einige Kapitel sind sicherlich interessanter als andere, es dreht sich eben nicht ausschließlich um Judo, sondern auch um Kanos Leben.

Was mich an dem Buch stört, sind nicht die übersetzten Texte, ich vermute mal, dass Watson diese sicherlich soweit richtig übersetzt hat.
In den Texten von Watson selber sind mir allerdings einige Sachen aufgefallen, die meiner Meinung nach falsch sind - Da mein Wissen zum Thema Judo und dessen Geschichte allerdings sehr beschränkt sind, will ich nicht behaupten, dass dem wirklich so ist, sondern diese Punkt nur einmal erwähnen:

-Im "Glossary" steht bei "Kata": "A slow-motion performance by both attacker and defender of pre-arranged armed or unarmed martial arts techniques." Man kann Kata vielleicht auch in Zeitlupe vorführen, aber normalerweise ist dem doch wohl nicht so...
-Im "Afterword", auf Seite 166, steht: "Currently one of the world's most famous politicians, Angela Merkel, Germany's first female Chancellor, also trained in judo and holds a black belt." Die vermutliche Quelle für diesen Irrtum wurde hier im Forum bereits diskutiert

Hm, sollten eigentlich noch mehr Beispiele werden, den Rest hab ich auf die schnelle nicht mehr gefunden, ich werd versuchen, das nachzureichen! Ich will durch das Aufzeigen dieser vermeintlichen Fehler auch nur erreichen, dass die von Watson verfassten Texte kritisch gelesen werden und nicht automatisch alles als ultimative Wahrheit angesehen wird :-)

Ich find's aber auf jeden Fall schön, dass du dir die Mühe mit dem Übersetzen der Texte machst! *daumenhoch*
tutor!
Moderator
Moderator
Beiträge: 3890
Registriert: 08.08.2008, 10:41

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von tutor! »

Timitry hat geschrieben:Hm, sollten eigentlich noch mehr Beispiele werden, den Rest hab ich auf die schnelle nicht mehr gefunden, ich werd versuchen, das nachzureichen! Ich will durch das Aufzeigen dieser vermeintlichen Fehler auch nur erreichen, dass die von Watson verfassten Texte kritisch gelesen werden und nicht automatisch alles als ultimative Wahrheit angesehen wird :-)

Ich find's aber auf jedenfall schön, dass du dir die Mühe mit dem Übersetzen der Texte machst! *daumenhoch*
So ist es immer! Absichtliche Fehler macht niemand, aber sie passieren eben. Wenn ich mich aber recht entsinne, stammen zumindest Teile der Texte, die Kano zugeschrieben werden, gar nicht von Kanos selbst, sondern von einem Journalisten namens Ochiai, der Kano interviewed hat. Dieser hat die Texte dann als Artikelserie herausgegeben. Die Texte sind nicht sauber referenziert, was dem Leser deutlich machen sollte, dass es kein wissenschaftliches Werk ist, aber natürlich dennoch viel Interessantes beinhaltet.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
Reaktivator
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 1326
Registriert: 01.02.2007, 18:07

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von Reaktivator »

tutor! hat geschrieben:Wenn ich mich aber recht entsinne, stammen zumindest Teile der Texte, die Kano zugeschrieben werden, gar nicht von Kanos selbst, sondern von einem Journalisten namens Ochiai, der Kano interviewed hat.
Das ganze Buch stammt aus der Feder von Ochiai:

Jigoro Kano hatte seine Erinnerungen mündlich dargelegt und Torabei Ochiai hat sie dann schriftlich aufgezeichnet. Sie wurden zuerst in Form einer 20-teiligen Artikel-Serie zwischen Januar 1927 und Dezember 1928 in der von der Kodokan-Kulturvereinigung (Kodokan Bunkakai) herausgegebenen Zeitschrift "Sakko" veröffentlicht.

Da die Texte aber in dieser Form von Kano autorisiert (und ja auch schon zu seinen Lebzeiten veröffentlicht) wurden, ist es also nicht verkehrt, Kano als den Autor dieser Texte zu bezeichnen. (Eine Vorgehensweise, die bis heute in Japan immer noch weit verbreitet ist - auch und gerade z.B. im wissenschaftlichen Bereich, wo als maßgeblicher "Autor" z.T. nur der Projektleiter genannt wird - auch wenn er selber u.U. keine einzige Zeile zu Papier gebracht hat...).

Ich sitze gerade im Büro und habe deshalb das Buch nicht vorliegen - aber wenn ich mich recht erinnere, übersetzt Niehaus den Titel bezeichnenderweise mit: "Mein Leben als Judoka".
Im Original heißt es: "Judoka toshite no Kano Jigoro" - wörtlich übersetzt: "Jigoro Kano als Judoka".
Ein Forenmitglied ohne Signatur ist wie ein Forenmitglied ohne Namen.
(Alte Internet-Weisheit, frei nach "Reaktivator")
jankle
Weiß Gurt Träger
Weiß Gurt Träger
Beiträge: 2
Registriert: 08.09.2009, 16:13

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von jankle »

Man lernt ja immer wieder was dazu! :D
Schönen Tag und Gruß vom Feuerspucker Jan - So kann es bleiben...
Benutzeravatar
Timitry
Orange Grün Gurt Träger
Orange Grün Gurt Träger
Beiträge: 47
Registriert: 04.05.2009, 20:34
Bundesland: Nordrhein-Westfalen

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von Timitry »

Reaktivator hat geschrieben:
tutor! hat geschrieben:Wenn ich mich aber recht entsinne, stammen zumindest Teile der Texte, die Kano zugeschrieben werden, gar nicht von Kanos selbst, sondern von einem Journalisten namens Ochiai, der Kano interviewed hat.
Das ganze Buch stammt aus der Feder von Ochiai
Ergänzung hierzu: Ochiai hat an einigen Stellen Anmerkungen gemacht, die aber deutlich gekennzeichnet sind, und es gibt ein Vor- und Nachwort von Brian N. Watson, sowie einen weiteren Artikel von ihm - ebenfalls deutlich gekennzeichnet.


Den Hintergrund des Buches kannte ich noch nicht, auf jedenfall gut zu wissen!
Jupp
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 829
Registriert: 31.01.2007, 15:53

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von Jupp »

Hier also mein 2. Teil der "ausgewählten Übersetzungen" von Judo Memoirs of Jigoro Kano.
Ich habe mich diesmal auf den Bereich KATA konzentriert, der ja für viele im Forum ein wichtiges Thema ist.

Kanos Aussagen sind manchmal überraschend und es wird deutlich, dass auch im Kodokan "Rom nicht an einem Tag gebaut" worden ist (was den meisten Geografen vermutlich schon längst klar war - aber dies ist ja auch ein historischer Exkurs!).

Die Übersetzungen der nachfolgenden Kapitel 57 ("Absegnng der Judo Kata durch den Butokukai", 57 (Ju no ata und Go no kata) sowie 58 ("Itsutsu no kata") ist für die kommenden Wochen geplant (eventuell nach den Herbstferien fertig).

Es spricht auch weiterhin nichts dagegen, wenn andere Forumsteilnehmer sich an die Übersetzung von Kapiteln machen, die sie persönlich für wichtig halten und dann in diesem Faden veröffentlichen.

So können sich alle in Zukunft ersparen, darüber zu klagen, das die Schriften Kanos nicht gelesen werden. Es genügt ein kurzer Hinweis und "Zack!" findet man auf deutsch entsprechende Artikel, mit denen dem beklagenswerten Zustand abgeholfen werden kann.
Dies ist mein Verstädnis von Forumsarbeit: Fehler erkennen und abstellen helfen!
Hier können alle mithelfen und es nicht nötig, Wissen zu teilen, wenn man es mit-teilt!

Grüße
Jupp

Jigoro Kano über Kata
(aus: Brian S. Watson „Judo Memoirs of Jigoro Kano“, Victoria (Canada) 2008, S. 77- 79; ISBN 978-1-4251-6349-5)

55. Die Entwicklung der Kodokan Judo Kata
Das Folgende ist eine kurze Zusammenfassung der Umstände bei der Zusammenstellung der Judo Kata. Schon weiter vorne habe ich die Situation erläutert, die am Ende der Feudalperiode das Jujutsu betraf, als ich mit dem Üben von Kata und Randori begann.
Vor dieser Zeit bestand praktisch das gesamte Jujutsu Training ausschließlich aus Kata. Jujutsu Randori Training, das auf Kata aufbaute, war bis 1867 nicht weit verbreitet. Die Jujutsu Meister dieser Zeit studierten dann Methoden, ihre Techniken in der „Mode“ des Randori auszuprobieren und allmählich wurde diese Art Training bekannter. Daher kann man sagen, dass vor dem Beginn der Meijiperiode 1868 die große Mehrzahl der Jujustu Meister überhaupt kein Randori unterrichtete.
Als ich anfing Jujutsu unter den Meistern des Tenjin Shinyo ryu und Kito ryu zu erlernen, unterrichteten beide jedoch schon Kata und Randori. Von einem rationellen Standpunkt aus betrachtet, ist dies auch ganz natürlich, denn Jujutsu darf niemals im Ganzen als das Eine oder das Andere gesehen werden, sondern immer als eine Kombination von Beidem.
Das Erlernen von Kata ist vergleichbar mit dem Erlernen von Grammatik, während das Studium des Schreibens und das Randori-Üben vergleichbar sind mit dem Schreiben selbst. Mit anderen Worten: um eine Komposition zu schreiben, benötigt man eine gewisse Grammatik. Daher ist es notwendig, Kenntnisse in Kata zu haben, um Randori gut auszuüben. And darüber hinaus: ganz gleich, wie gut man Grammatik beherrscht, ist das keine Voraussage dafür, dass jemand auch sehr gut schreiben kann. Im Jujutsu verhält es sich genau so: wenn wir keine Kata studieren, so können wir zwar Methoden des Angriffs und der Verteidigung lernen – doch auf der anderen Seite können wir nicht hoffen, diese wirklich zu meistern.
Umgekehrt verhält es sich allerdings auch so, dass das regelmäßige Üben von Kata allein dazu führt, dass man sich ungeschickt verhält, wenn man plötzlich und unerwartet mit einer unbekannten Technik angegriffen wird. Deswegen, ganz gleich wie man angegriffen wurde, war für den Angreifer und den Verteidiger das Ergebnis ein Kampf. Auf diesem Hintergrund wurde in das Jujutsu Üben sowohl Kata als auch Randori eingeführt. Daher entschied ich mich, sowohl Kata als auch Randori zu studieren. Auch wenn wir viel Erfahrung in Randori gewonnen haben, können wir darin scheitern, Kata auszuüben. Darüber hinaus ist das Üben von Randori realistischer für die Vorbereitung auf den „Ernstfall“ und üblicherweise auch interessanter als Kata. Wenn also Studenten sich in dieser Hinsicht sich selbst überlassen bleiben, werden sich zweifellos die meisten mit Randori beschäftigen und Kata vernachlässigen.
In den frühen Tagen des Kodokan habe ich nicht viel Kata unterrichtet. Ich entschloss mich jedoch während der Wiederholungspausen der Randorikämpfe einige diesbezügliche Lektionen zu geben. In diesem Zusammenhang glaube ich übrigens auch nicht, dass Literaturstudenten Grammatik isoliert vermittelt erhalten sollten, sondern im Zusammenhang mit eigenen praktischen Schreibfertigkeiten. Zu dieser Zeit unterrichtete ich Kata im Einzelunterricht jedem Studenten. Doch es wurden immer mehr. All diesen Studenten weiter Einzelunterricht zu geben wurde eine ziemlich zeitraubende Angelegenheit. Daher fragte ich einen meiner „Senior Students“ ob er mich bei der Leitung der Randori-Sessions ersetzen könne und ich erinnere mich wieder, dass ich Probleme damit hatte, wie ich Kata am besten unterrichten sollte. Nur kurz darauf wurde mir klar, dass neue Judo Kata notwendig waren.


56. Kata-Studium
Im Zusammenhang mit der Einrichtung des Kodokan unterrichtete ich meinen Studenten sowohl die traditionellen Tenjin Shinyo und Kito jujutsu Kata. Auch wenn beide Kata exzellente Techniken enthalten, war ich nicht vollkommen zufrieden mit ihnen, seitdem ich herausgefunden hatte, dass ihnen im Hinblick auf die Verwendung im Judo etwas fehlte. Daher entschied ich mich, eine komplette Gruppe von Judokata selbst zu entwickeln. Die erste, die ich entwickelte war die Nage-no-kata. Anfangs stellte ich nur zehn Techniken zusammen, aber später fügte ich fünf weitere hinzu, wobei die großen Neuerungen Kata-guruma und Sumi-otoshi waren. Seitdem habe ich keine weiteren Änderungen vorgenommen (1). Die Anzahl der Techniken ist mit 15 insgesamt bis heute gleich geblieben.
Ich habe mir diese Judokata vor allem ausgedacht, um die wichtigen Punkte zu illustrieren, die ich meinen Schülern während der Pausen bei den Randori-Übungen zu erklären wünschte. Dies sind die eigentlich wichtigen Prinzipien des Judo, wobei gezeigt wird, wie man zum Beispiel das Gleichgewicht des Gegners in verschiedene Richtungen brechen kann. Wenn bei einer solchen Gelegenheit viele Übende auf der Matte waren, empfand ich es als schwierig, alle Techniken der Nage-no-kata zu demonstrieren. Um diese Prinzipien genauer zu erläutern wählte ich dann repräsentative Würfe aus jeder der fünf Gruppen, auch aus den drei Ma-sutemi und den drei Yoko-sutemi Würfen und verglich dann wie die Hände, die Hüften oder Beine die Hauptrolle bei der korrekten Ausführung der Würfe spielten (2).
Indem meine Studenten Nage-no-kata übten, waren sie eher in der Lage, schneller zu verstehen, wie diese Wurftechniken mit maximalem Effekt im Randori ausgeführt werden sollten. Genau wie die Nage-no-kata umfasst auch die Katame-no-kata mittlerweile fünfzehn Techniken, wobei es in der originalen Fassung ebenfalls nur zehn waren. Die Bodentechniken werden in drei Gruppen unterteilt: Haltegriffe, Würgegriffe und Armhebel. Und wiederum können die Studenten durch das Studium der Katame-no-kata schneller verstehen, wie und in welcher Richtung sie auf die gegnerischen Versuche zu entkommen, reagieren können.
Ich dachte mir die Kime-no-kata etwas später aus. Ursprünglich hatte ich geplant nur vierzehn bis fünfzehn Techniken zu verwenden. Doch am Ende wurden es insgesamt zwanzig, wobei acht aus der formellen Seiza Sitzposition ausgeführt und zwölf im Stand praktiziert werden.
Durch das Üben der Nage-no-kata und der Katame no kata sind die Studenten in der Lage, schnell die Prinzipien des Randori zu lernen. Auf der anderen Seite ist die Kime-no-kata vollkommen anders. Es ist eine Kampf-Kata und wird als solche manchmal auch als Shinken shobu (3) no-kata bezeichnet. Techniken dieses Typs, die üblicherweise mit hölzernen Waffenimitationen ausgeführt werden, basieren auf „Leben und Tod-Situationen“ und wurden oft in den Jujutsu Schulen unterrichtet.
Vielleicht stimmt das nicht in jedem Fall, aber oft wird gesagt, dass die Jujutsu-Männer in früheren Zeiten ihre Kata mit extremem Elan und Spirit ausführten, nicht wie viele der Kampfkunstübenden heutzutage, die diese ziemlich passiv machen.
Einige Jujutsu Techniken sind zu gefährlich, um sie für das Randori zu erlauben. Anfänger werden daher diese Techniken Schritt für Schritt und in Zeitlupe unterrichtet. Diese Unterrichtsmethode führt jedoch dazu, dass die Studenten weniger kompetent in der Ausführung dieser Techniken werden als es für eine Anwendung auf dem Schlachtfeld wünschenswert wäre. Ich denke, dass die grundlegenden Überlegungen für die Entwicklung und Ausübung der Kata von den heutigen Judo-Studenten nicht voll verstanden sind und die Übenden deswegen nicht in der Lage sind, die wirkliche Bedeutung der Kata-Techniken zu erfassen. Wenn das so ist und sie nicht in der Lage sind, die wirkliche Bedeutung der Kata-Techniken zu verstehen, enttäuscht mich das dann doch (4).

Die Fußnoten wurden von mir eingefügt
1) Das Interview mit Kano fand wohl um die Mitte de 20-er Jahre des vorigen Jahrhunderts statt. Von Januar 1927 bis Dezember 1928 erschien eine Serie von Artikeln in der monatlichen Ausgabe des Magazins Sako des „Kokodan-Kultur-Council“. Mir ist derzeit nicht bekannt, wann Sumi-otoshi gegen einen anderen Handwurf (vielleicht gegen Uki-otoshi?) ausgetauscht wurde.
2) Hier macht Kano deutlich, dass er Kata als Übungsform im normalen Training verwendete und nicht – wie heute oft missverstanden – als reine Demonstrationsform.
3) Shinken-shobu bedeutet „mit scharfen Waffen kämpfen“; eine Shinken-shobu-no-kata ist also eine „Form des wirklichen Kampfes“
4) Diese Klagen Kanos von vor knapp 85 Jahren klingen genau so, wie die vieler Judotrainer heute: „Früher war alles besser…“



Jupp, September 2009
tutor!
Moderator
Moderator
Beiträge: 3890
Registriert: 08.08.2008, 10:41

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von tutor! »

Vielen Dank für die Mühen! In diesem Punkt kann ich zur Aufklärung beitragen.
Jupp hat geschrieben:Mir ist derzeit nicht bekannt, wann Sumi-otoshi gegen einen anderen Handwurf (vielleicht gegen Uki-otoshi?) ausgetauscht wurde.[/i]
Watson ist schlicht einem Fehler aufgesessen. Es hätte Sumi-gaeshi heißen müssen und nicht Sumi-otoshi. Ich habe es in Deiner Übersetzung im Text korrigiert, weil ich es zunächst für einen simplen Tippfehler Deinerseits gehalten habe. Als ich dann aber bei Watson nachschaute, stellte ich fest, dass dieser den Fehler gemacht hat. Ich lasse es dennoch korrigiert stehen.

Die "10er" Nage-no-Kata ist nicht bekannt. Die ursprüngliche 15er Nage-no-Kata enthielt:

- Sukui-nage ersetzt durch Kata-guruma (übrigens als Abwehr gegen einen Faustschlag von oben wie bei Seoi-nage)
- Tsuri-otoshi ersetzt durch Sumi-gaeshi
(Bild Tsuri-otoshi von 1904: http://www.library.umass.edu/spcoll/ima ... 006_13.jpg)

Eine fast vollständige Fotoserie der NNK von 1904 (Y. Yamashita) hatte ich schon einmal geposted:
http://www.library.umass.edu/spcoll/ead/muph006.htm

Bitte beachten: Einige Tippfehler bei den Namen sind auffällig (z.B. ura-hage) und wir müssen daran denken, dass zur damaligen Zeit keine noch Bewegungsbilder gemacht werden konnten, sondern alle Aufnahmen im wahrsten Sinne des Wortes gestellt werden müssen.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
Reaktivator
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 1326
Registriert: 01.02.2007, 18:07

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von Reaktivator »

Eigentlich wollte ich mich aus diesem Faden inhaltlich weitestgehend heraushalten - aber aufgrund des heutigen Postings von "Jupp" muß ich nun doch die Euphorie etwas dämpfen.

Einmal ganz abgesehen davon, daß dieser Punkt hier auch noch im Raum steht:
Jupp hat geschrieben:Über mögliche Copyrightverstöße habe ich mir im Zusammenhang mit diesen Übersetzungen bisher keine Gedanken gemacht.
Lin Chung hat geschrieben:...sobald du selbst was übersetzt und es niederschreibst, verstößt du gegen kein Copyright. Erst, wenn du das abschreibst (also Originalsprache).
Dem ist nicht so. Vielmehr ist der übersetzte Text sowohl nach nationalem als auch nach internationalem Recht geschützt - und darf nicht ohne Einwilligung des Autors übersetzt und veröffentlicht werden.
(Siehe hierzu u.a.: deutsches "Urheberrechtsgesetz" (UrhG), deutsches "Wahrnehmungsgesetz" (WahrnG) und deutsches "Verlagsgesetz" (VerlG) - aber auch internationales "Berner Übereinkommen zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst" (RBÜ), im Falle von Watson auch britischen und kanadischen "Copyright Act" sowie amerikanischen "Digital Millenium Copyright Act".)

Unabhängig davon, daß mir beim flüchtigen Lesen von "Jupp"s Übersetzung einige Dinge merkwürdig vorkamen (die ich aber aus Zeitgründen dann weder im Englischen bei Watson noch im japanischen Original überprüft habe...), bin ich besonders über eine Passage gestolpert, die bei mir sämtliche Alarmglocken klingeln ließen:
Jupp hat geschrieben:Auf der anderen Seite ist die Kime-no-kata vollkommen anders. Es ist eine Kampf-Kata und wird als solche manchmal auch als Shinken shobu (3) no-kata bezeichnet. Techniken dieses Typs, die üblicherweise mit hölzernen Waffenimitationen ausgeführt werden, basieren auf „Leben und Tod-Situationen“ und wurden oft in den Jujutsu Schulen unterrichtet.
Die "hölzernen Waffenimitationen" machten mich stutzig - deshalb prüfte ich das nach:

Bei Watson steht:
"Kime no Kata, on the other hand, is completely different; it is a combative kata and as such is sometimes referred to as Shinken Shobu no Kata. Techniques of this type, using wooden imitation weapons, are based on life or death situations, and were often taught at jujutsu schools".

Im Japanischen ist das deutlich kürzer:
"Kime no kata wa shōbu no kata to tonaete ita node, sunawachi mukashi no jūjutsu shoryū no mokuteki de atta shinken-shōbu no kata de aru."
Mehr der weniger wörtlich übersetzt: "Die Kime no kata wurde Shōbu no kata genannt, das heißt, es ist eine Kata für den "Kampf auf Leben und Tod" (shinken-shōbu), der ja der Zweck der früheren Jūjutsu-Schulen war."

Irgendwie ist doch der ganze Satz deutlich anders!? Und von "hölzernen Waffenimitationen" ist beim besten Willen überhaupt keine Rede....

Interessanterweise erinnerte mich das Ganze auch direkt an eine Passage aus "Mind over Muscle", wo an einer Stelle umgekehrt das "Schlagen mit dem Schwert" geflissentlich weggelassen wurde.

Da stellen sich mir gleich mehrere Fragen:

1) Haben evtl. die Übersetzer/Lektoren von englischen Kano-Übersetzungen ein generelles Problem mit Waffen, insbesondere mit dem Schwert?
(Der eine läßt es weg, der andere dichtet ein hölzernes hinzu...)

2) Was spricht gegen mehr oder weniger wortgetreue Übersetzungen - auch auf die Gefahr hin, daß an der einen oder anderen Stelle die flüssige Lesbarkeit etwas darunter leidet?
(Die Diskussion gab/gibt es ja z.B. auch im englischen Judoforum - auch in Bezug z.B. auf das gerade erschienene Buch von Alex Bennett, vgl. hier: http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... 974#p45974.)
Ich für meinen Teil hätte lieber möglichst ungefilterte Informationen - dann bleibt es jedem selbst überlassen, was er mit dieser Information anfängt. (z.B. ob er sich ein hölzernes Schwert hinzudenkt...)

3) Was ist mit dem "Rest" der Watson-Übersetzung?
(Ich habe jetzt zugegebenermaßen nur diese eine kleine Passage nachgeprüft - bin aber direkt bei der Gelegenheit auch noch über andere Dinge gestolpert, die man eigentlich auch hinterfragen müßte.*)

4) Ist es - nicht zuletzt auch vor diesem Hintergrund - wirklich sinnvoll, den Watson jetzt hier ins Deutsche zu übersetzen?
(Zumal ja bei jeder Übertragung von einer zweiten in eine dritte Sprache ohnehin noch weitere Ungenauigkeiten hinzukommen können...)

5) Oder sollte man nicht lieber warten, bis weitere Kano-Texte direkt aus dem Japanischen ins Deutsche übersetzt vorliegen?
(Niehaus z.B. hat in seiner Dissertation gezeigt, daß man deutlich näher am Original bleiben kann als das in den genannten englischen Büchern der Fall ist - und die Texte trotzdem noch verständlich sind. Und auch, was bisher über die deutschen Ausgaben der Daigo-Bücher (vgl: http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... 261#p33261) sowie auch von "Mind over Muscle" durchsickerte, läßt hoffen, daß die deutschsprachigen Leser in Zukunft objektivere und näher am japanischen Original liegende Texte zur Verfügung haben werden als die englischsprachigen.)


- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

* Hierzu nur zwei kleine Beispiele, die ich aus Zeitgründen aber nicht vertiefen möchte:

1) Es geht schon mit der Kapitel-Überschrift los:
Watson schreibt "Kata Research" (was "Jupp" - dem Englischen folgend - mit "Kata-Studium" übersetzt).
Im Japanischen steht aber: "kata no seitei" - wörtl.: "Festsetzung/Festlegung der Kata" .
So hieß z.B. auch das Gremium der Butokukai, das 1906 die Judo-Kata festlegte ("standardisierte"): Jūdō kata seitei iin - "Ausschuss zur Festlegung der Jūdō-Kata", vgl.: http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... 061#p41061.

2) Watson schreibt im gleichen Kapitel (auch in Bezug auf die Kime-no-kata):
"Originally I had planned to use only fourteen or fifteen techniques." (Was "Jupp" - dem Englischen folgend - übersetzt mit: "Ursprünglich hatte ich geplant nur vierzehn bis fünfzehn Techniken zu verwenden.")
Vielleicht hat Watson Recht - vielleicht hatte Kano (= "ich") das tatsächlich so geplant.
Indes: Im Japanischen steht einfach nur: "Saisho wa jū-yon/go-hon shika nakatta no de aru." - wörtl.: "Ursprünglich gab es nur 14 bis 15 Techniken". (Und das ist zunächst einmal nur eine sachliche Feststellung, die man auch so neutral hätte übersetzen können - ohne eine Absicht Kanos hineinzuinterpretieren...)
Zuletzt geändert von Reaktivator am 21.09.2009, 10:20, insgesamt 2-mal geändert.
Ein Forenmitglied ohne Signatur ist wie ein Forenmitglied ohne Namen.
(Alte Internet-Weisheit, frei nach "Reaktivator")
Jupp
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 829
Registriert: 31.01.2007, 15:53

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von Jupp »

Hallo tutor, Hallo reaktivator,
zunächst einmal Danke für Eure Beiträge und Korrekturen.

Es stellt sich nun tatsächlich die Frage, ob es Sinn macht, die englischen Übersetzungen weiter ins Deutsche zu übersetzen - und dabei in Kauf zu nehmen, dass sich gleich zweimal kleinere oder auch größere Fehler/Ungenauigkeiten einschleichen (können).

Wenn also schon so - nachweislich - größere Übersetzungsfehler auftreten, wie sicher kann man dann Informationen glauben, die auf "Hörensagen" basieren oder aber - ohne wissenschaftlich korrekte Quellenangaben - als "logische" Schlussfolgerungen (eigentlich als Meinungsäußerungen) in den Raum gestellt werden.

Die Aufarbeitung der Judo-Geschichte scheint doch etwas komplexer (komplizierter) zu sein, als es uns manch (ehemaliges) Forumsmitglied glauben machen möchte. Auch wenn man (oder vielleicht gerade wenn man) Kanos Texte aufmerksam liest.

Jupp
katana
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 1054
Registriert: 15.01.2009, 21:44

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von katana »

Jupp hat geschrieben:
Mir ist derzeit nicht bekannt, wann Sumi-otoshi gegen einen anderen Handwurf (vielleicht gegen Uki-otoshi?) ausgetauscht wurde.[/i]

Watson ist schlicht einem Fehler aufgesessen. Es hätte Sumi-gaeshi heißen müssen und nicht Sumi-otoshi. Ich habe es in Deiner Übersetzung im Text korrigiert, weil ich es zunächst für einen simplen Tippfehler Deinerseits gehalten habe. Als ich dann aber bei Watson nachschaute, stellte ich fest, dass dieser den Fehler gemacht hat. Ich lasse es dennoch korrigiert stehen.
Hi Tutor,
mich würde in diesem Zusammenhang ernsthaft interessieren, ob dieser "Fehler" faktisch belegbar ist ?
Da ja in einem anderen Faden bereits Unterschiede des "früheren", zum "heutigen" Uki Otoshi angesprochen wurden,
würde dies meine Theorie bezüglich der ursprünglichen Technikausführung nämlich durchaus bestätigen.
Ums kurz aufzuwärmen,
meiner Meinung nach, liegt der "ältere Uki Otoshi" viel näher an dem, was wir heute unter "Sumi Otoshi" verstehen,
und wurde früher als Kuki Nage bezeichnet.
Auch im (engl.Daigo) heißt es sinngemäß im kapitel Uki Otoshi:
Points to consider on Uki Otoshi / The Origin of Kuki Nage.
Die erste der beiden Formen von Kuki Nage wurde von Meister Mifune entwickelt.
Diese ist als Sumi Otoshi bekannt.
Der zweite "Uki Otoshi" wurde von Keishichi Ishiguro erarbeitet.
Diese wurde später als "Ishiguro Style Uki Otoshi" entwickelt und ist auch unter "Mae Sumi Otoshi" bekannt.
Dieser in gerader nach vorne (Mae) Linie (die von mir behauptet Änderung in der nage No Kata)geworfene Sumi Otoshi,
ist identisch mit dem heutigen Uki Otoshi.

Ich halte die Passage also durchaus nicht für einen Druckfehler.

Gruß
KK
Reaktivator
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 1326
Registriert: 01.02.2007, 18:07

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von Reaktivator »

.
Aufgrund der Nachfrage von "katana" habe ich besagte Stelle eben einmal überprüft:

In den beiden mir vorliegenden Reprints des Artikels aus den Jahren 1983 und 1988 steht tatsächlich eindeutig: "Sumi-otoshi".
(Also hat Watson hier keinen Fehler gemacht! Zumal er ja offensichtlich auch den 1983er Nachdruck als Grundlage hatte.)

Leider habe ich im Moment jedoch keinen Zugriff auf den Original-Artikel aus dem Jahr 1927, um überprüfen zu können, wie es dort war.

Spontan tippe ich aber entweder auch auf einen Druckfehler (entweder schon in der Original-Ausgabe oder aber erst beim Reprint) oder auf eine "Freud'sche Fehlleistung" beim Erzählen/Aufzeichnen, da ja - wie "tutor'!" richtig schreibt - Sumi-gaeshi an die Stelle des Tsuri-otoshi (als 3. Technik der Ma-sutemi-waza) trat - gedanklich vielleicht dann aus Versehen verwurstelt zu Sumi-otoshi.
(Dafür, daß die beiden von Kanō erwähnten "großen Neuerungen" Kata-guruma und Sumi-gaeshi betrafen, gibt es ja auch andere Quellen. Und von Uki-otoshi ist in dem Zusammenhang nirgendwo die Rede.)
Ein Forenmitglied ohne Signatur ist wie ein Forenmitglied ohne Namen.
(Alte Internet-Weisheit, frei nach "Reaktivator")
tutor!
Moderator
Moderator
Beiträge: 3890
Registriert: 08.08.2008, 10:41

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von tutor! »

Die "Neuerungen" in der NNK waren Kata-guruma und "Sumi-?????". Da Sumi-otoshi heute defnitiv nicht in der Nage-no-Kata enthalten ist, wäre die Neuerung eine andere gewesen, nämlich in dem Fall wohl der Uki-otoshi (eine reine Spekulation von Jupp - nicht mehr und nicht weniger und als solche gekennzeichnet!).

Auf der anderen Seite ist in dem Photoalbum von Y. Yamashita eindeutig Tsuri-otoshi als Ma-Sutemi-waza in der Nage-no-Kata des Jahres 1904 - also zwei Jahre vor der Festlegung durch die Butokukai - aufgeführt. Sumi-gaeshi ist übrigens weiter unten abgebildet (http://www.library.umass.edu/spcoll/ead/muph006.htm), im anschluss an die NNK.

1904 ging es in der NNK bereits mit Uki-otoshi los, wie auf den Bildern eindeutig zu erkennen ist. Es handelt sich dabei offensichtlich um genau die Variante des Uki-otoshi, die wir heute immer noch in er NNK machen. Dieser Uki-otoshi ist übrigens aus dem Hiki-otoshi entstanden, der immer noch in der Itsutsu-no-Kata und in der Koshiki-no-Kata enthalten ist - und zwar jeweils genau in der Art, dass Tori auf ein Knie geht und Uke zu sich heranzieht um zu werfen und eben nicht im "Ishiguro-Stil".

Der von Dir erwähnte K. Ishiguro, der in der tat die Form des Uki-otoshi entwickelt hat, der als "Kuki-nage" bezeichnet wird, wurde übrigens 1897 geboren und konnte von daher übrigens keinen Einfluss auf die NNK haben. Die Erfindung des Sumi-otoshi nimmt Mifune für sich in Anspruch, was aber auch nicht ganz korrekt ist. Er hat Sumi-otoshi allerdings weiterentwickelt. Aber auch dies war zu spät, um 1906 einen Einfluss auf die NNK gehabt haben zu können.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
katana
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 1054
Registriert: 15.01.2009, 21:44

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von katana »

1904 ging es in der NNK bereits mit Uki-otoshi los, wie auf den Bildern eindeutig zu erkennen ist. Es handelt sich dabei offensichtlich um genau die Variante des Uki-otoshi, die wir heute immer noch in er NNK machen. Dieser Uki-otoshi ist übrigens aus dem Hiki-otoshi entstanden, der immer noch in der Itsutsu-no-Kata und in der Koshiki-no-Kata enthalten ist - und zwar jeweils genau in der Art, dass Tori auf ein Knie geht und Uke zu sich heranzieht um zu werfen und eben nicht im "Ishiguro-Stil".
Widerlegst du dich gerade selbst ?, oder wie darf ich das verstehen ?
Genau das habe ich doch gesagt.
Ishiguro-Stil , auch bekannt als mae sumi otoshi ist der gerade uki otoshi,
nicht der ursprüngliche.
Wobei Hiki Otoshi eine große Technikgruppe bezeichnet nicht eine spezielle Technik.
Der von Dir erwähnte K. Ishiguro, der in der tat die Form des Uki-otoshi entwickelt hat, der als "kuki-nage" bezeichnet wird, wurde übrigens 1897 geboren und konnte von daher übrigens keinen Einfluss auf die NNK haben. Die Erfindung des Sumi-otoshi nimmt Mifune für sich in Anspruch, was aber auch nicht ganz korrekt ist. Er hat Sumi-otoshi allerdings weiterentwickelt. Aber auch dies war zu spät, um 1906 einen Einfluss auf die NNK gehabt haben zu können.
hier kann ich dir gar nicht mehr folgen, da wirfst du nun alles durcheinander.

Laut Daigo wurde "dieser Wurf" (der Gerade), von dem wir sprechen, durchaus unterschiedlich bezeichnet,
nämlich sowohl als Uki Otoshi,
wie auch als Mae Sumi Otoshi.

Wobei alle, also auch Sumi Otoshi, ausdrücklich als Kuki Nage -Techniken (Überbegriff!) bezeichnet werden.

Sumi Otoshi wurde erst 1920 eigenständig in die Gokyo aufgenommen, davor war er eine Form von Uki Otoshi.
Den Namen Sumi Otoshi erhielt er von Kano selbst. (laut Mifune)
Dieser (Mifune) hat diese Formen nicht "erfunden", sondern entwickelt (im Sinne von spezialisiert).

Ich weiß, daß sich das nicht mit dem deutschen Lehr-Dogma deckt.

Vielleicht kann Reaktivator ja mal nachlesen, was in seiner japanischen Ausgabe steht?
katana
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 1054
Registriert: 15.01.2009, 21:44

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von katana »

Was ich noch sagen wollte,

Ich finde es nicht in Ordnungen, eigenwillig Techniknamen in angeblichen Orginalübersetzungen
einfach so zu ändern,
selbst dann,
wenn es sich tatsächlich um einen Fehler handelt.
Die Fußnote von Jupp war durchaus ausreichend.
tutor!
Moderator
Moderator
Beiträge: 3890
Registriert: 08.08.2008, 10:41

Re: Judo Memoirs of Jigoro Kano by Brian N. Watson

Beitrag von tutor! »

katana hat geschrieben:Widerlegst du dich gerade selbst ?, oder wie darf ich das verstehen ? Genau das habe ich doch gesagt.
Ishiguro-Stil , auch bekannt als mae sumi otoshi ist der gerade uki otoshi, nicht der ursprüngliche.
Wobei Hiki Otoshi eine große Technikgruppe bezeichnet nicht eine spezielle Technik.
Hiki-otoshi ist eine konkrete Technik der Koshiki-no-Kata. Sowohl die Bezeichnung "Kuki-nage" als auch die Art und Weise, wie Ishiguro Uki-otoshi geworfen hat, sind deutlich nach 1906, also der Festlegung der Nage-no-Kata, entstanden. Der heutige Uki-otoshi der NNK ist immer noch der ursprüngliche von Kano.
katana hat geschrieben:
tutor! hat geschrieben:Der von Dir erwähnte K. Ishiguro, der in der tat die Form des Uki-otoshi entwickelt hat, der als "kuki-nage" bezeichnet wird, wurde übrigens 1897 geboren und konnte von daher übrigens keinen Einfluss auf die NNK haben. Die Erfindung des Sumi-otoshi nimmt Mifune für sich in Anspruch, was aber auch nicht ganz korrekt ist. Er hat Sumi-otoshi allerdings weiterentwickelt. Aber auch dies war zu spät, um 1906 einen Einfluss auf die NNK gehabt haben zu können.
hier kann ich dir gar nicht mehr folgen, da wirfst du nun alles durcheinander.
In keiner Weise.... Ishiguru hat _einen_ Uki-otoshi entwickelt. Dieser Uki-otoshi wurde dann "kuki-nage" genannt. Es war nicht der Uki-otoshi, der in der Nage-no-Kata enthalten ist. Die Körperhaltung ist eine vollkommen andere, nämlich ähnlich dem Sumi-otoshi. Deshalb - schreibt Daigo - gab es wohl auch die Bezeichnung "Mae-sumi-otoshi".
katana hat geschrieben:Laut Daigo wurd "dieser Wurf" (der Gerade), von dem wir sprechen, durchaus unterschiedlich bezeichnet, nämlich sowohl als Uki otoshi,wie auch als Mae Sumi Otoshi.
Ich bin mir nicht sicher, dass Du tatsächlich den "richtigen" (Ishiguro-)Uki-otoshi im Kopf hast...
katana hat geschrieben:Wobei alle, also auch Sumi Otoshi , ausdrücklich als Kuki nage -Techniken (Überbegriff!) bezeichnet werden.
Nicht der Uki-otoshi der Nage-no-kata: der war von Kano zuvor bereits eindeutig benannt und erläutert worden.
katana hat geschrieben:Sumi Otoshi wurde erst 1920 eigenständig in die Gokyo aufgenommen, davor war er eine Form von Uki Otoshi. Den Namen Sumi Otoshi erhielt er von Kano selbst.(laut Mifune) Dieser (Mifune) hat diese Formen nicht "erfunden", sondern entwickelt (im Sinne von spezialisiert).
Sumi-otoshi geht wohl zurück auf Nagaoka und Samura und wurde später von Mifune weiterentwickelt.
katana hat geschrieben:Ich weiß, daß sich das nicht mit dem deutschen Lehr-Dogma deckt. Vielleicht kann Reaktivator ja mal nachlesen, was in seiner japanischen Ausgabe steht ?
Ich sehe kein "deutsches Lehr-Dogma" und wenn es eines gäbe, hätte es für mich keine Bedeutung. Die deutsche Fassung des Daigo wird die Sache eindeutig klären.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
Antworten