Alltags- und Übungskleidung

Hier geht es um die Geschichte und um Traditionen des Judo
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von Reaktivator »

tutor! hat geschrieben:Also links der Herr in schwarz ist wohl Yokoyama und rechts ist Mufune - jedenfalls wenn man den Angaben im englischen Forum trauen darf
Darf man in diesem Fall!
(Wobei wir uns wohl einig sind, daß er "Mifune" heißt und nicht "Mufune"...)
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von Reaktivator »

Jobi hat geschrieben:Hallo, ich finde das Foto interessant, offensichtlich sind die beiden Herren in schwarz die Lehrer/ Instruktoren, sie trugen also keinen Keigogi, sondern traditionelle jap. Kleidung.
Ja, so ist es.

Das von "tutor!" gepostete Foto ist in der Tat interessant - deshalb noch einige kurze Anmerkungen dazu:

1) Daß es sich bei den "beiden Herren in schwarz" um Sakujirō Yokoyama und Kyūzō Mifune (später Träger des 10. Dan) handelt, wurde ja bereits geschrieben.

2) Die "traditionelle jap. Kleidung" nennt man Haorihakama (羽織袴) - im Deutschen sinnvollerweise auch nur als "Haori und Hakama" bezeichnet.

3) Rein interessehalber habe ich gerade eben einmal diverse andere Fotos aus dieser Zeit gesichtet: Und kein einziges Bild gefunden, auf dem am Kōdōkan jemand in dieser Kleidung Randori gemacht hätte. (Im Gegensatz zu Kata- und anderen Demonstrationen, für die oft der Haorihakama bevorzugt wurde - vor allem auch von Jigorō Kanō.)

4) Insgesamt spricht ohnehin vieles dafür, daß dieses Bild nicht den wirklichen Trainingsalltag zeigt, sondern eine gestellte Aufnahme ist. (Im englischsprachigen Forum sind ja schon einige ziemlich eindeutige Indizien dafür genannt worden.)

5) Es ist also davon auszugehen, daß sich auch Yokoyama und Mifune, die entweder als Aufsicht (und/oder Instruktoren) ohnehin im Dōjō anwesend waren oder aber vielleicht sogar extra für dieses Ereignis ins Dōjō gekommen sind (Denn zu dieser Zeit wurden immerhin auch die Japaner noch nicht jeden Tag fotografiert... ;-) ), eigens für das Foto in "Randori-Pose" begeben haben.

Und um nun den Kreis wieder zu schließen und noch einmal auf das von mir gepostete Foto im Eingangsbeitrag zurückzukommen:

Während in dem traditionellen Haorihakama, wie oben geschrieben, auch am Kōdōkan durchaus Kata-Studium und -Demonstrationen durchgeführt wurden, wurde der Keikogi im engeren Sinne letztendlich speziell für Randori entwickelt.

Keikogi (稽古着) heißt wörtlich "Trainingskleidung" (in unserem Sprachgebrauch auch: "Jūdō-Anzug") und besteht aus zwei Wortbestandteilen:
keiko (稽古): "Training" (s.u.)
gi (着): "-Kleidung(sstück)" - von kiru (着る): "(Kleidung) tragen, anziehen"

Keiko ("Training") wird beim Jūdō heutzutage übrigens de facto als Synonym für "Randori" verwendet - während man in Bezug auf Kata von Renshū (wörtl. "Übung") spricht:
keiko o suru: trainieren (wörtl. "Training machen") = (hauptsächlich) Randori machen
kata o renshū suru: Kata üben
Zuletzt geändert von Reaktivator am 05.12.2008, 23:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von Jobi »

Hallo Reaktivator, hallo Tutor!,
dann ergibt sich für mich daraus schon wieder die nächste Frage: wenn ich jetzt, sagen wir mal zu einer Danprüfung oder "offiziellen" Vorführung/Demonstration im schwarzen Hakama aufkreuzen würde, um, sagen wir mal , die Nage no Kata zu machen, wäre dass zulässig?
Oder würden mich die Verantwortlichen von der Matte jagen mit der Aufforderung, mir normale Judohosen anzuziehen. Iss jetzt sehr hypothetisch, aber sowas wäre auch mal interessant.
Die Nage no Kata mit Hakama wirkt auf Zuschauer bestimmt ganz anders, als nur mit weißer Hose!

MfG
Jobi
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von jkano »

Ich habe heute mit einem meiner Trainer darüber gesprochen. Der hat an einer Kata-Meisterschaft im Hakama teilgenommen. Er musste zwar erst mit den Veranstaltern diskutieren, konnte dann aber teilnehmen. Ich denke also nicht, dass das ein Problem wäre.
tutor!
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von tutor! »

Bei den Kata-Meisterschaften von DJB/EJU/IJF heißt es ausdrücklich in den Regeln, dass in einem Judogi in gutem Zustand angetreten werden muss. Bei Dan-Prüfungen wird es sicher vom Prüfungsleiter abhängen.

Ich selbst kann mir allerdings nur vorstellen, die Koshiki-no-kata in Hakama zu machen. Auf der anderen Seite: das hat sonst immer nur Kano gemacht und das wäre für mich ein Grund es nicht zu tun. Das war ihm vorbehalten.
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von BadenIkkyu »

Mich stört daran, dass der Hakama keine Judobekleidung ist. Den gibts im Kendo und Aikido. Und Kano war der Erfinder und Gründer, der darf alles. ^^ Was aber nicht heisst, dass die Schüler das auch dürfen....
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von Jobi »

Reaktivator hat geschrieben:3) Rein interessehalber habe ich gerade eben einmal diverse andere Fotos aus dieser Zeit gesichtet: Und kein einziges Bild gefunden, auf dem am Kōdōkan jemand in dieser Kleidung Randori gemacht hätte. (Im Gegensatz zu Kata- und anderen Demonstrationen, für die oft der Haorihakama bevorzugt wurde - vor allem auch von Jigorō Kanō.)

Und um nun den Kreis wieder zu schließen und noch einmal auf das von mir gepostete Foto im Eingangsbeitrag zurückzukommen:

Während in dem traditionellen Haorihakama, wie oben geschrieben, auch am Kōdōkan durchaus Kata-Studium und -Demonstrationen durchgeführt wurden, wurde der Keikogi im engeren Sinne letztendlich speziell für Randori entwickelt.

Keikogi (稽古着) heißt wörtlich "Trainingskleidung" (in unserem Sprachgebrauch auch: "Jūdō-Anzug") und besteht aus zwei Wortbestandteilen:
keiko (稽古): "Training" (s.u.)
gi (着): "-Kleidung(sstück)" - von kiru (着る): "(Kleidung) tragen, anziehen"

Keiko ("Training") wird beim Jūdō heutzutage übrigens de facto als Synonym für "Randori" verwendet - während man in Bezug auf Kata von Renshū (wörtl. "Übung") spricht:
keiko o suru: trainieren (wörtl. "Training machen") = (hauptsächlich) Randori machen
kata o renshū suru: Kata üben
Hallo BadenIkkyu,
daß gerade der Hakama keine Bekleidung im Judo darstellen soll, sondern ausschließlich im Aikido, Kendo usw., ist für mich, der Judo ohne Wettkampfbezug und dafür im traditionellen Sinn betreibt, nicht nachvollziehbar. Schließlich sind nicht zuletzt die Kata ein starker Bezug zu den Ursprüngen des Judo (vor allem Kime- und Koshiki no Kata), der freilich für Leute, die Judo ausschließlich als Wettkampfsport auffassen, nicht besteht.
Wir hatten hier mal einen Faden "Popularitätssteigerung des Judo", dort habe ich auch schon geäußert, das es sicherlich für die Wahrnehmung der Öffentlichkeit anders wäre, würde bei einer Vorführung eines Teiles einer Kata (z.B. Te-Waza der Nage no Kata, Kansetsu-Waza der Katame no Kata) Hakama getragen werden, wenn mann als Verein Judo eben nicht nur mit reinem Sportbezug anbietet.

MfG
Jobi
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von tutor! »

Jobi hat geschrieben: das gerade der Hakama keine Bekleidung im Judo darstellen soll, sondern ausschließlich im Aikido, Kendo usw., ist für mich, der Judo ohne Wettkampfbezug und dafür im traditionellen Sinn betreibt, nicht nachvollziehbar.
Aus Sicherheitsgründen! Bei vielen Aktionen im Judo wäre ein Hakama nicht nur hinderlich, sondern es besteht eben auch die Gefahr, dass sich der Partner sich im Hakama verheddert.

Einzelne Übungen, wie z.B. Kime-no-Kata, Koshiki-no-Kata oder auch Ju-no-Kata oder Itstutsu-no-Kata können natürlich in Hakama eleganter aussehen und bergen auch nicht die o.g. Risiken.
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von Jobi »

Hallo Tutor!,
aber ich meine doch Kataübung / Vorführung, ich würde da die Randori no Kata mit einbeziehen.

MfG
Jobi
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von tutor! »

Jobi hat geschrieben:Hallo Tutor!,
aber ich meine doch Kataübung/ Vorführung, ich würde da die Randori no Kata mit einbeziehen.
Sieht bestimmt klasse aus...... ich hatte den Kontext verloren, sorry.
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von jkano »

Wir üben Kata grundsätzlich im Hakama. Wenn es sich ergibt, dass Fragen zu Würfen beim Kata-Training auftauchen (wir haben leider nicht die Zeit Kata- und normales Training zu trennen) führen wir auch die Würfe mit Hakama aus. Ich kann die Meinung von dir, tutor, nicht teilen, dass Uke dadurch gefährdet wird. Allerdings gebe ich gerne zu, dass wir (bisher) kein Randori im Hakama ausgeführt haben. Ich denke aber, dass ich das bei nächster Gelegenheit einmal ausprobieren werde, nur um festzustellen, ob dort eine Gefährdung für Uke vorliegen kann.

Zusammenfassend noch einmal.
1. Kata sollte meiner Meinung nach im Hakama trainiert werden. Ich habe dabei bemerkt, dass man viel eher auf seine Fußtechnik achtet.
2. Zumindest bei der Vorführung von Wurftechniken besteht keine Gefahr für Uke (zumindest war das bisher bei uns der Fall und ich denke nicht, dass sich da was ändern wird)
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von Fritz »

@Jupp: Im Judomagazin 12/2008 Seite 18 schreibst Du,
Da die Jacke bis Anfang des 20.Jahrhunderts nur sehr kurze Ärmel hatte, konnten zwar Techniken
wie Seoi-Nage und Harai-Goshi ausgeführt werden, zum Beispiel aber nicht Tai-Otoshi.
Kano, der Begründer des Judos, verlängerte die Ärmel der Jacken.
Die Widerlegung dieser These findest in Toshiro Daigo, "Kodokan Judo Throwing Techniques",
ISBN-13:978-4-7700-2330-8, First edition 2005.
Und zwar auf Seite 31 befinden sich unter der Überschrift Shikatsu Jizai Sekkotsu Ryoho, Jujutsu Seirisho
alte Zeichnungen von Koryu-Würfen unter anderem auch vom Tai-Otoshi.
Dort gehen die Ärmel auch nur knapp bis zum zum Ellbogen.

Ansonsten kennst Du ja die Stelle sogar selbst
http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... 375#p31375
wie mir die Suchfunktion verriet...

Fazit: Kurze Ärmel sind mit Tai-Otoshi vereinbar ;-)

Ich gebe Dir natürlich recht (ist meine rein subjektive Ansicht), daß es durch längere Ärmel
sicherlich einfacher ist, bestimmte Würfe auszuführen. Aber eigentlich funktionieren
alle Grund-Würfe auch ohne Ärmel... (komplett ohne Jacke wird sicherlich der eine oder andere
Wurf nicht möglich sein (Morote-Seoi-Nage mal als schnelles Beispiel genannt))
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben:@Jupp: Im Judomagazin 12/2008 Seite 18 schreibst Du,
Da die Jacke bis Anfang des 20.Jahrhunderts nur sehr kurze Ärmel hatte, konnten zwar Techniken
wie Seoi-Nage und Harai-Goshi ausgeführt werden, zum Beispiel aber nicht Tai-Otoshi.
Kano, der Begründer des Judos, verlängerte die Ärmel der Jacken.
Ich hab das Judo-Magazin nicht zur Hand, aber unter dem von Dir genannten Link finde ich:
Ulrich hat geschrieben:“Tenjin-shinyo-ryu, a style of jujitsu popular in the Edo era utilized randori as well as kitoryu. There were sixteen techniques including nage waza and shime waza in it. Because the uniform for practicing jujitsu had very short sleeves, techniques like seoi nage and harai goshi could be practiced, where tai otoshi could not be performed. Jigoro Kano, the founder of judo, lengthened the short sleeves of the jujitsu uniform with the idea of increased safety. Entnommen aus: “The History of Randori in Judo: the Origins and Development of Randori” by Yoshiaki Todo (Tsukuba University), from Bulletin for the Association for the Scientific Studies on Judo, Kodokan, Report VII, 1994, Copyright, Kodokan, Tokyo, Japan. (nachzulesen im Internet auf judoinfo.com)
Im Moment gehe ich davon aus, dass Urich auch im Judo.Magazin eine Quellenangabe gemacht hat.

Außerdem ist das nicht notwendigerweise ein Widerspruch. Man müsste danach fragen, was der ursprüngliche Autor unter Tai-Otoshi verstand. Erst danach kann man die Korrektheit der Aussage beurteilen.
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von Fritz »

@tutor:
Du findest da auch eine Referenz auf meine o.g. angesprochene Abbildung:
Ulrich hat geschrieben:Während der Meiji-Zeit wurde Tai-otoshi mit seitlich ausgestrecktem Bein unterrichtet (vgl. Toshiro Daigo, S. 31 dort wird ein Tai-otoshi aus dem Shikatzu Jizai Sekkotsu Ryoho, Jujutsu Seirisho gezeigt, bei dem eindeutig mit dem Bein vor Uke eine Blockade errichtet wird) und das Gewicht befand sich auf der Innenseite des Fußes. Dies verwarf man jedoch später, weil das Knie bei dieser Ausführung in einer sehr verletzungsträchtigen Position platziert war und sich in Japan bei Wettkämpfen einige Verletzungen gezeigt hatten.
tutor! hat geschrieben:Außerdem ist das nicht notwendigerweise ein Widerspruch. Man müsste danach fragen, was der ursprüngliche Autor unter Tai-Otoshi verstand. Erst danach kann man die Korrektheit der Aussage beurteilen.
Das mag sein. Deswegen auch der letzte Absatz in meinem vorigen Beitrag.
Pauschal formuliert ist die Aussage offensichtlich aber falsch.
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben:
tutor! hat geschrieben:Außerdem ist das nicht notwendigerweise ein Widerspruch. Man müsste danach fragen, was der ursprüngliche Autor unter Tai-Otoshi verstand. Erst danach kann man die Korrektheit der Aussage beurteilen.
Das mag sein. Deswegen auch der letzte Absatz in meinem vorigen Beitrag.
Pauschal formuliert ist die Aussage offensichtlich aber falsch.
Lesen heißt zunächst, die Gedanken desjenigen, der sie in Schriftform gebracht hat, so zu verstehen, wie der Verfasser sie gemeint hat.

Ganz offensichtlich ist es doch so, dass der Verfasser zum Ausdruck bringen wollte, dass sich das technische Spektrum im Randori durch die gänderten Jacken verändert hat. Der Autor macht dies an Beispielen deutlich und erwähnt dabei Tai-otoshi. Dabei hat er mit Sicherheit eine konkrete Vorstellung von dem, was Tai-otoshi für ihn ist.

Wenn wir nun diese Aussage lesen, beziehen wir sie - was ganz natürlich ist - auf das, was wir unter Tai-otoshi verstehen. Wenn nun hiermit unterschiedliche Dinge - wenn auch nur in Nuancen - gemeint sind, werden wir seine Kernaussage, nämlich das veränderte Technikrepertoire im Randori anders verstehen, als es vom Verfasser gemeint war.

Wenn wir nun eine Aussage eines Autors anders verstehen, als sie gemeint war, und gehen dann den Schritt weiter und sagen, dass diese Aussage falsch sei, so tun wir nichts anderes als festzustellen, dass das, was wir verstanden haben falsch sei. Dies kann nun an zwei Dingen liegen: nämlich daran, dass der Verfasser tatsächlich einen Denkfehler hat, oder einfach daran, dass es uns nicht gelungen ist, die Gedanken des Verfassers so zu erschließen, wie sie von diesem gedacht waren. Dann ist nicht dessen Aussage falsch, sondern unsere Lesekompetenz beschränkt.

Liest man sich den Text unter der Hauptfrage durch, nämlich den Einfluss des Schnitts eines Gi auf die Entwicklung von Techniken, so müsste sich eigentlich jedem erschließen, dass der Verfasser nicht pauschal behaupten wollte, dass Tai-otoshi in jeglicher Form mit der bis dahin üblichen Kleidung nicht möglich gewesen sei, sondern dass sich der Tai-otoshi als im Randori erfolgreiche Technik erst mit den neuen Gi entwickelt habe.

Dem widerspricht überhaupt nicht, dass es auch schon vorher Tai-otoshi gab, die Frage ist nur - Du sprichst es ja auch an - wie dieser Tai-otoshi aussah. Der Tai-otoshi, wie wir ihn heute kennen und er weit verbreitet ist, wurde erst später entwickelt und wurde vor allem von einem Kämpfer erst Jahrzehnte später auf das höchste Niveau gebracht: Tokio Hirano, wie wir alle wissen. Wir müssen doch davon ausgehen, dass ein 1994 geschriebener Aufsatz, indem es um die Entwicklung von Techniken geht, mit der Bezeichnung einer Technik die zum Zeitpunkt des Verfassers vorherrschende Art der Ausführung meint, sofern nichts anderes explizit benannt wird. Wenn der Verfasser also in etwa geschrieben hätte " ein Tai-otoshi, wie er heute zumeist gemacht wird, war mit kurzen Ärmeln nicht möglich", hätte es doch gar keinen Widerspruch gegeben. Hinzu kommt, dass es sich auch hier wieder um eine Übersetzung handelt und wir nicht wissen, wie strikt es im Original formuliert war (nicht möglich / kaum möglich / schwer möglich usw.).

Ferner bezieht sich Todo ausdrücklich auf Tenjin-shinyo-ryu und Kito-ryu sowie auf die Anwendung im Randori, was eine weitere Einschränkung ist.

Was mich stört - und zwar relativ massiv - ist eine Wortglauberei, die hier immer wieder festzustellen ist und immer wieder nach dem selben Muster abläuft.

Anstatt nach dem Sinn und Kern einer Aussage zu fragen, wird ein Zitat aus dem Kontext gerissen, mit eigenen Interpretationen von Begriffen versehen anstatt sich um das Begriffsverständnis des Verfassers zu bemühen, um anschließend in einer fast schon typisch deutschen Besserwisserei und Rechthaberei diese Aussage als falsch zu bezeichnen und damit die Kompetenz des Verfassers zu negieren. In einer Klausur in der Schule würde zu Recht mit rot daneben stehen: "Du hast die Aussage des Textes nicht korrekt verstanden".

Man täte also viel besser daran, erst einmal verstehen zu wollen, was ein Verfasser mit einer Aussage inhaltlich tatsächlich meint - vielleicht könnte man so auch einmal sich einen interessanten Gedanken zu eigen machen und etwas daraus lernen.
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st.gregor

Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von st.gregor »

Das von tutor! beschreibene Verfahren nennt man in anderem Kontext "Exegese", eine hervorragende Methode einen Text solange zu deuten, bis er genau das aussagt, was der Exeget lesen möchte. Ist allerdings mühevoll, einfacher wäre, ein Autor würde sich bemühen, seine Texte so zu formulieren, dass für Auslegungen ebensowenig Raum wie Bedarf bleibt.

Z.B.:
Liest man sich den Text unter der Hauptfrage durch, nämlich den Einfluss des Schnitts eines Gi auf die Entwicklung von Techniken, so müsste sich eigentlich jedem erschließen, dass der Verfasser nicht pauschal behaupten wollte, dass Tai-otoshi in jeglicher Form mit der bis dahin üblichen Kleidung nicht möglich gewesen sei, sondern dass sich der Tai-otoshi als im Randori erfolgreiche Technik erst mit den neuen Gi entwickelt habe.
Ist eine tolle Aussage, denn in ihrem ersten Teil sagt sie uns, was Jupp eigentlich sagen wollte (gesagt hat er allerdings genau das Gegenteil.) Und der zweite Teil ist eine durch nichts belegte Behauptung, da der Autor sehr offensichtlich keine Ahnung hat, wie Tai-otoshi zur Zeit der kurzen Ärmel aussah.
Wohin also soll das führen?

Stephan
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von tutor! »

st.gregor hat geschrieben: Ist eine tolle Aussage, denn in ihrem ersten Teil sagt sie uns, was Jupp eigentlich sagen wollte (gesagt hat er allerdings genau das Gegenteil.) Und der zweite Teil ist eine durch nichts belegte Behauptung, da der Autor sehr offensichtlich keine Ahnung hat, wie Tai-otoshi zur Zeit der kurzen Ärmel aussah.
Die ursprüngliche Aussage ist nicht von Jupp, sondern von Todo, der sich erkennbar nicht auf Technikausführungen aus der Zeit der kurzen Ärmel bezieht, sondern auf jene, die zu dem Zeitpunkt üblich waren, in der er den Artikel geschrieben hat. Ob er - oder Jupp - dabei wusste, wie tai-otoshi vor ca. 1910 ausgeführt wurde oder nicht ist erstens nicht erkennbar und zweitens für die getroffene Aussage auch gar nicht relevant.

Ich schrieb eigentlich nichts über Exegese, sondern über ganz normale Lesekompetenz. Wer mehr darüber wissen möchte:
http://www.lesekompetenz.th.schule.de/pi-leko.htm
Oder direkt zum textbezogenen Interpretieren:
http://www.lesekompetenz.th.schule.de/pileko1.htm

Zum Thema tai-otoshi habe ich mich Inhaltlich noch gar nicht geäußert, möchte das aber nachholen.

Aus der Erfahrung der 80er Jahre heraus, als die Wettkämpfer immer engere und kürze Ärmel hatten, kann ich sagen, dass es teilweise funktioniert hat, aus einem Doppel-Revers-Griff oder aus einem sehr hohen Ärmelgriff tai-otoshi zu werfen. Es ist allerdings schwieriger als wenn man einen tiefen Ärmelgriff hat. Die Körperhaltung verändert sich etwas, man steht z.B. sinnvoller Weise etwas dichter am Partner.

Ob und gegebenenfalls wie häufig in der Zeit vor 1910 tai-otoshi im Randori erfolgreich angewendet wurde, kann ich nicht sagen. Es ist mir allerdings nicht bekannt, dass einer der berühmten Kodokan-Kämpfer dieser Zeit (Saigo, Yamashita, Yokoyama u.a.) als tai-otoshi-Spezialist gegolten hätte. Der erste legendäre tai-otoshi-Spezialist war IMHO Tokio Hirano, der stes das untere Ärmelende gefasst hat (

Mit Sicherheit lässt sich aber sagen, dass die meisten tai-otoshi Varianten, die nach dem 2. Weltkrieg gemacht und verbreitet wurden, so nicht hätten gemacht werden können, wenn es noch die kurzen Ärmel gegeben hätte.

Das ist die zentrale Aussage des Zitats von Todo und die ist auch so stimmig.
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von judoplayer »

Hallo liebe Judofreunde,

über die damalige Trainingskleidung fand ich im Buch " Judo Memoirs of Jigoro Kano" von Mr. Brian Watson eine interessante Stelle.
Im Kapitel "Pain is a good Teacher" berichtet Kano über das schwerzvolle Training bei Meister Fukuda. Man liest über die damalige Trainingskleidung:
Another thing that made training such a painfull experince was the training wear, which was very different from that worn today. The trousers
were little more than shorts, reaching only half way down the thigh and the jackets had very short, loose fitting sleeves reaching midway down the biceps. Therefore, our exposed elbows, knees and shins were often bruised or grazed during practice sessions.
Viele Grüße

Judoplayer
Wilf Mücke
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von Wilf Mücke »

Reaktivator hat geschrieben:Wie man deutlich sieht, waren bei den damaligen Jūjutsu-Jacken die Ärmel tatsächlich deutlich kürzer
als bei heutigen Jūdō-Jacken - genau wie von "Jupp" beschrieben....
Nach dem Bujinkan sollte ich mir vielleicht wirklich mal etwas modernes Jûdô antun. :eusa_think

Du hast vorher etwas geschrieben, was diese Aussage eigentlich sofort wieder weitgehend aushebelt - zumindest als Beleg:
Reaktivator hat geschrieben:Es gab z.T. innerhalb einzelner Ryūha sogar unterschiedliche Trainingskleidung [...]
Die auf der nachfolgenden Abbildung gezeigte Trainingskleidung (Keikogi) stammt z.B. aus dem Jūjutsu der Kitō-ryū
Zunächst einmal stammt das Kleidungsstück aus der Kito-ryû und lässt folglich Rückschlüsse nur zu auf....richtig, die Kito-ryû.
Gibt es bereits innerhalb eines Stils verschiedene Trainingskleidung, mag man sich das stilübergreifend selbst ausmalen.
Ronin hat geschrieben:Man kann sich über solche Detailfragen natürlich extrem auslassen

oder es einfach sein lassen. Die praktische Relevanz in dieser fast schon dogmatische geführten Diskussion
um ein Stück Jacke oder Trainingskleidung, halte ich für öde Wortklauberei.
Ja, man muss sich nicht zwingend mit diesen Detailfragen befassen. Tut man es aber, sollte Genauigkeit ein Muss sein,
sonst kommt es leider allzu schnell zur Legendenbildung à la gerades Ninjaschwert usw. usf. - wehret den Anfängen.

@ v.a. Jupp:
Die Frage, die sich mir und anderen Freunden der Tasuki regelrecht aufdrängen sollte, ist jene nach einer weiteren Frage:
Hat Kanô Kito-ryû also trainiert und Ärmel von Jûjutsu-Jacken verlängert, beziehen sich entsprechende Aussagen dann
unter Umständen nicht auf "die" Jûjutsu-Jacken (was ist das überhaupt???), sondern auf die Jûjutsu-Jacken" der Kito-ryû?
WELCHE Jûjutsu-Jacken GENAU?
Reaktivator
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Re: Alltags- und Übungskleidung

Beitrag von Reaktivator »

.
@"Wilf Mücke": Wenn Du schon uralte Fäden wieder ausgräbst, musst Du zumindest einmal genau lesen:
Wilf Mücke hat geschrieben:
Reaktivator hat geschrieben:Wie man deutlich sieht, waren bei den damaligen Jūjutsu-Jacken die Ärmel tatsächlich deutlich kürzer als bei heutigen Jūdō-Jacken - genau wie von "Jupp" beschrieben....
(...)
Du hast vorher etwas geschrieben, was diese Aussage eigentlich sofort wieder weitgehend aushebelt - zumindest als Beleg:
Reaktivator hat geschrieben:Es gab z.T. innerhalb einzelner Ryūha sogar unterschiedliche Trainingskleidung [...]
Die auf der nachfolgenden Abbildung gezeigte Trainingskleidung (Keikogi) stammt z.B. aus dem Jūjutsu der Kitō-ryū
Hier wird nichts ausgehebelt - auch nicht als Beleg.
Denn die "Jūjutsu-Jacken", um die es in "Jupp"s Beitrag ging, waren - - - eben genau jene aus dem Jūjutsu der Kitō-ryū, so wie Kanō sie zuvor bei seinem Training der Kitō-ryū getragen hatte. Und dort waren die Ärmel tatsächlich deutlich kürzer als bei späteren "Jūdō-Jacken".
Da gibt es beim besten Willen keinen Widerspruch.

Und wenn Du schon hier in diesem Forum unterwegs bist, solltest Du auch andere, neue Beiträge zu dem Thema lesen, bevor Du postest:
Wilf Mücke hat geschrieben:Gibt es bereits innerhalb eines Stils verschiedene Trainingskleidung, mag man sich das stilübergreifend selbst ausmalen.
Denn gerade erst heute (!) habe ich in einem anderen Faden wörtlich geschrieben:
Reaktivator hat geschrieben:Generell gab es in Bezug auf die Kleidung große Unterschiede zwischen einzelnen Ryūha - und selbst innerhalb der gleichen Schule gab es Unterschiede auch auf der Zeitachse.
Und um es noch komplizierter zu machen: In manchen Schulen wurde die Kleidung gewechselt, je nachdem, was trainiert wurde, z.B. normaler Uwagi plus Hakama für Kata und spezieller Keikogi für Randori (aber auch z.B. komplette Rüstung, nur Rüstungs-"Unterwäsche", für das Training modifizierte "Unterwäsche", leichte Yukata, kompletter Haori-Hakama, speziell verstärkte Keikogi, "Lendenschurz" Fundoshi, etc.).
Hier muss also differenziert werden.
(http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... 390#p60390)

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
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