Kodokan Judo vs. Judo Inyo Ryu

Hier geht es um die Geschichte und um Traditionen des Judo
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Ronin
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Kodokan Judo vs. Judo Inyo Ryu

Beitrag von Ronin »

Um es gleich vorwegzunehmen: ein Verbandsdiskussion anzuzetteln habe ich in diesem Faden nicht vor, aber einige Fragen haben sich mir im Laufe meiner Besichtigungstour auf http://www.Judo-preetz.de aufgedrängt.

Eine davon:
Es wird unterschieden zwischen den oben genannten Judo Richtungen, verschiedene Prüfungsordnungen etc...
Aus unseren bisherigen Diskussionen habe ich zumindst nicht herauslesen können, dass es hier einen gibt. Wo liegt er?

Im Laufe des Fadens komme ich bestimmt auch noch auf einige -zumindest mir - unbekannte Fachbegriffe zu sprechen.
tom herold
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kodokan judo vs. (?) inyo ryu

Beitrag von tom herold »

... zunächst mal ist das "vs." falsch.
Das Konzept sieht so aus: diejenigen, welche sich dem Judo eher auf der "sportlichen" Schiene nähern, beginnen "normal", indem sie Wurftechniken, Hebel, Würgen und den ganzen üblichen Kram erlernen. Dazu gehören natürlich auch viel Randori und dreimal im Jahr Wettkämpfe etc. etc.
Wer diesen Weg geht, der beginnt erst ab der Vorbereitung zum Braungurt, sich mit den Atemi-Waza, den Bu-Waza und all den anderen schönen Dingen zu befassen.
Dies wiederum liegt daran, daß Kinder - und da werdet ihr mir wohl zustimmen - die Tritt- und Schlagtechniken, die Waffentechniken usw. nicht erlernen sollten, ehe sie nicht das schwierigste Gebiet des Judo, nämlich die Wurftechniken, einigermaßen erforscht und die Inhalte der Nage-Waza verinnerlicht haben.
(Wenn Kinder bspw. das trainieren, was hierzulande oft als "Karate" gilt, dann ist das etwas anderes - dort kommen so schwierige Dinge wie Wurftechniken in der Regel nicht vor.)
Als Faustregel kann gelten: wer zuerst die Wurftechniken und den Bodenkampf erlernt, der hat später kaum Probleme damit, die Tritt- und Schlagtechniken, die Waffentechniken usw. zu erlernen.
Umgekehrt sieht das schon anders aus ...

Dann sind da jene, die als Erwachsene (oder als Jugendliche, die älter als 16 Jahre sind) zu uns kommen - oder die als Jugendliche, als Erwachsene bereits sehr lange bei uns trainieren.
Diese Judoka wollen ihr Wissen, ihr Können erweitern und erschließen sich dann das Judo Inyo Ryu.
Wie aus der PO ersichtlich, werden dort von Anfang an Wurftechniken mit Atemi-Waza verbunden, es gibt viel Sparring in verschiedenen Formen (reines Box-Sparring, Kickbox-Sparring, reines Wurf-Sparring, reines Boden-Sparring und natürlich jeden erdenklichen mix der vorgenannten Übungsformen.)
Für die bereits erfahrenen Judoka ist das, wie gesagt, eine sinnvolle und nützliche Erweiterung ihres Könnens, da vor allem die Wurftechniken eine gewisse Veränderung erfahren - es fehlt nun oft die Gi-Jacke, die zu greifen der Judoka bisher gewöhnt war ...
Für jungerwachsene oder auch ältere Anfänger ist dieses Training deshalb so ungeheuer attraktiv, weil sie hier genau das bekommen, was viele suchen, wenn sie mit dem Judo beginnen - funktionale Kampfkunst mit dem absoluten Schwerpunkt auf praktikabler SV in jeder nur denkbaren Lage (also auch Training "auf der Wiese", auf einem Parkplatz, im Treppenhaus etc.etc.pp.)
Dies wiederum erweitert den Fokus denn doch beträchtlich, und niemand macht dann den Fehler, "wettkampftaugliche" Techniken für ernstfallrelevant zu halten.
Natürlich muß die PO einer solchen Ausbildung doch ein wenig anders aussehen, als das für ein "normales", sportbezogenes Judo der Fall ist.
Interessant dabei dürfte wohl noch sein, daß alle, die bei uns das eher sportbezogene Judo trainieren, so nach und nach, wenn sie das entsprechende Alter erreicht haben, in die Trainingsgruppen des Inyo Ryu hinein diffundieren.
Umgekehrt ist zu beobachten, daß jene, die eigentlich "nur an SV" interessiert waren, so nach und nach am Training der "normalen" Judogruppen teilnehmen.
Letztendlich bedeutet dies, daß meine schüler Interesse an allen Aspekten und Lehrinhalten des Judo entwickeln - ein langanhaltendes Interesse im Übrigen.
Um nun beide Konzepte nachvollziehbar voneinander abzugrenzen und Anfängern den Einstieg zu erleichtern, wurden zwei verschiedene Namen gewählt.
Um aber jedes Mißverständnis auszuschließen - das Inyo Ryu ist ein Bestandteil des Kodokan Judo, und zwar jener Bestandteil, der einen anderen als den sportlichen Zugang zum Judo gewährt.
Wer unsere Prüfungsordnungen genau betrachtet hat, der hat gewiß auch bemerkt, daß ab dem 1. Dan die Prüfungen identisch sind - sowohl für die "normalen" Judoka als auch für die Kämpfer des Inyo Ryu.
Wer sich bei uns auf den 1. Dan vorbereitet, der hat begriffen, daß es zwei verschiedene Wege zum selben Ziel gibt, die am Ende (also auf der unendlich langen "Zielgeraden") wieder zu einem zusammenfallen.
Nun könnte man ja sagen: "Puh, wie umständlich!"
Ich aber denke, daß das Konzept vernünftig ist und den Interessen unserer Judoka gerecht wird.
Zuletzt möchte ich noch anmerken, daß etliche unserer Judoka gern und häufig an den Wettkämpfen der Mixed Martial Arts teilnehmen. um dort bestehen zu können, müssen sie möglichst vielseitig ausgebildet sein - wer da bspw. nicht mit den eigenen Ellbogen umgehen kann, der hat schon verloren. Wer da nicht in der Lage ist, ordentlich Lowkicks auszuteilen, dieselben auch einzustecken, wer nicht in der Lage ist, im Bodenkampf wirksam zu schlagen, der sollte dort nicht teilnehmen.
Natürlich gibt es in diesen Kämpfen rudimentäre Regeln, daher kann man auch da nicht von "realistischen" Kämpfen sprechen, doch ich denke, daß der Realitätsbezug dieser Art des Kämpfens wesentlich höher ist als das bei heutige Judo-Wettkämpfen (=zivilisiertes Kämpfen) der Fall ist.
Ich denke, als Judoka, der diese Bezeichnung wirklich verdient, sollte man beides können - und man sollte tatsächlich in der Lage sein, sich wirksam zu verteidigen, falls es zu einer unvorhergesehenen Situation kommt. (Ich kenne viele Judoka, die hervorragend darüber reden können, wie sie sich im Ernstfall verteidigen würden - Gerede, nichts als Gerede und Geschwätz, wie ich sehr, sehr oft miterleben mußte!)
Aus diesem Grunde ist die Ausbildung im Judo bei uns so strukturiert, wie sie ist.
Grüße
Tom
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Beitrag von ctjones »

Peng, der gesamte Thread mit einem Beitrag erschlagen! :|

Aber mal was anderes, was versteht man unter Sparring, ich kannte den Begriff nur aus dem Boxen. Ein aktiver und einer der verteidigt.
Wie stellt man sich das beim Wurf Sparring vor?
Bitte versteht mein Verhalten als Zeichen der Ablehnung, mit dem ich euch Gegenüberstehe. (Rebel, Die Ärzte)
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kodokan judo / inyo ryu

Beitrag von tom herold »

... ich hätte das Ganze auch als Randori bezeichnen können. Wie immer gibt es da unendlich viele mögliche Formen. Zumeist greifen aber beide an und beide verteidigen.
Im Bodenkampf haben wir da noch 'ne lustige, beliebig erweiterbare Variante - einer muß gegen zwei Gegner kämpfen. Schult ungemein!

Und wieso ist der Thread durch meine Stellungnahme erschlagen? Ich denke, ihr wolltet von mir sachliche, umfassende, nachvollziehbare Auskünfte?
Oder wäre es besser gewesen, euch das alles häppchenweise zukommen zu lassen? ;)
Grüße
Tom
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Beitrag von ctjones »

Soll keine Kritik an dir sein. Nur bei der Frage/dem Thread war mir klar, das durch einen Beitrag von Dir alles geklärt ist.
Also hätte man diese Frage auch in einem anderen Thread stellen können!

Nun denn, nix für ungut!
Bitte versteht mein Verhalten als Zeichen der Ablehnung, mit dem ich euch Gegenüberstehe. (Rebel, Die Ärzte)
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