Aaalsoo ... zum Randori: mein Schüler St. Gregor hat sogar noch etwas untertrieben, was den Anteil des Randori am Training angeht - er ist ein wenig höher. Dafür haben wir aber einen extra Trainingstag, an welchem nur Technik geübt wird ... selbst die Kinder (nicht alle) trainieren bei uns bis zu sechsmal in der Woche, wir sind also komplett judoverrückt und total durchgeknallt.
Zu den Formen des Randori: bei uns wird sehr häufig ohne Gi-Jacke gekämpft, und siehe da - die Wurftechnken funktionieren dennoch, jedenfalls dann, wenn man weiß, wie man zu greifen bzw. zu umschlingen hat. Das wiederum hilft ungemein beim Kämpfen mit Gi-Jacke - soll heißen, es ist für den Kämpfer sozusagen eine "Belohnung", wenn er etwas zum Anfassen hat, wenn er also auf ein Stück Stoff zum "Dranrumziehen" verfügt.
Die älteren Judoka (also alles, was nicht mehr als Kind gilt) halten inzwischen sehr, sehr lange Randori-Runden durch. Damit sind jetzt nicht die "spielerischen" Runden gemeint, es geht schon recht heftig zur Sache - im Bodenkampf bspw. wird oft 30 - 40 Minuten durchgekämpft, im Stand beträgt die derzeitige Höchstdauer 30 Minuten (das läßt sich steigern!).
Ich erwarte da einfach, daß meine Schüler ab Braungurt mit mir mithalten können - und das können sie inzwischen ohne weiteres, so daß ich alter Mann viel Freude habe ...
Die Kinder sind inzwischen soweit, daß sie 15 Minuten im Stand oder am Boden durchhalten - und das, ohne heimlich Pausen zu machen. Kämpfen heißt für all unsere Leute, daß da die Post abgeht.
Es ist allerdings wichtig, zu erwähnen, daß wir sehr intensiv den Bereich der Uke-Waza trainieren. Das sind die Meidbewegungen (dazu gehören auch die Ukemi, also die harten Fallübungen, und die Nagare, also das weiche Abrollen, wenn man fällt). Diese Meidbewegungen wiederum beinhalten auch die Körperarbeit, also das Tai-Sabaki (oft falsch als reine Schrittarbeit bezeichnet) und das Te-Sabaki (also der sinnvolle Gebrauch der Hände und der Arme).
Wenn man dies sehr fleißig trainiert, kann man enorm effektiv und gleichzeitig sehr, sehr ökonomisch und vor allem sehr, sehr langanhaltend kämpfen.
Bei den Erwachsenen wird des öfteren im Bodenkampf angesagt, daß ein Abklopfen bei Würgegriff nicht akzeptiert wird - es ist in diesen Runden also besser, nicht in einen Würgegriff zu geraten. Dies ist ein Trainingskonzept der alten Butokukai, und es macht den Judoka ziemlich würgeresistent im Laufe der Zeit ...
So, nun konkret zu den Techniken (obwohl das hier verteufelt schwer vernünftig darzustellen ist!): Ja, es stimmt, die deutschen Judoka, die ich kenne, können sich nicht tief genug bspw. in den Seoi-Nage eindrehen.
Das liegt daran, daß sie die falsche Art des Eindrehens wählen.
Man soll doch - so wurde es uns jedenfalls immer erzählt - sich leicht ud locker und geschmeidig eindrehen und den Gegner ohne großen Kraftaufwand über sich hinweg werfen.
Nun vergleicht das mal mit dem, was ihr tatsächlich macht ...
Ihr geht zum Gegner hin, der in der Regel ziemlich sicher und fest dasteht.
Ihr bewegt euch, nicht den Gegner. Wenn ihr ihn doch zu bewegen versucht, dann zieht bzw. reißt ihr ihn auf euch zu, wenn möglich noch "nach oben" (das soll dann angeblich ein Bruch seines Gleichgewichts sein - er steht aber immer noch sehr sicher).
Dann bringt ihr, wenn ihr rechts eindreht, euer rechtes Bein nach rechts-vorn vor den Gegner, entweder vor seinen rechten Fuß oder zwischen seine Füße. Soweit richtig beschrieben?
Nun zieht ihr den linken Fuß kreisförmig nach.
Rein physikalisch ist das vollkommen unsinnig. Euer Körper soll beim Eindrehen um die eigene Längsachse rotieren. Jede Kraft, die dabei NICHT parallel zur Drehachse auf euren Körper wirkt, bringt euch (manchmal nur minimal, aber das genügt schon!!) aus dem Gleichgewicht.
Ihr müßt also Kraft aufwenden, um dieses Gleichgewicht wiederzuerlangen - eure Drehung verlangsamt sich dadurch, und ihr werdet viel mehr Kraft benötigen, um den Gegner dennoch zu werfen. Das ist ein grundlegend falsches Konzept!!
Hier wurde der "Pulling out"-Eingang angesprochen. Dieser, wenn er denn richtig gelehrt und praktiziert würde, wäre EINE adäquate Möglichkeit, den doch so unglaublich einfachen Morote-Seoi-Nage sehr schnell und praktikabel zu vermitteln.
Auch der "Kodokan-Eingang" sieht doch ziemlich anders aus, als euch das mal beigebracht wurde - ich weiß das, denn ich habe die Materialien des DJB, die etliche sehr ... nun ja, ich sag es einfach mal so: armselige und aufwendige Varianten des Eindrehens beschreiben. Da haben sich mal wieder Leute mit Dingen hervorgetan, die sie ganz einfach nicht verstanden hatten ... was man an den Materialien eindeutig erkennen und belegen kann. Na ja, nicht mein Problem.
Die Systematisierung der Wurfbewegungen in Kuzushi, Tsukuri, Kake ist eben nur das - eine systematische Gliederung! Es ist beileibe keine zeitliche Gliederung, die zwingend vorschreibt, daß erst das Kuzushi, dann das Tsukuri und dann der Niederwurf zu erfolgen habe. (Natürlich steht der Niederwurf immer am Ende, um Mißverständnissen vorzubeugen ...)
Nochmal zum Seoi-Nage: wenn ihr (rechts eingedreht) mit der rechten Hand eine feste Faust bildet, habt ihr einen unbeweglichen Klumpen Hand, den man nicht mehr drehen kann - jedenfalls nicht physiologisch korrekt .
Unphysiologische Bewegungen aber gibt es im Judo nicht (es sei denn, man hat etwas falsch verstanden ...)
Auch dreht sich keineswegs die rechte Schulter, um den rechten Unterarm / Ellbogen anzuheben, damit dieser unter Ukes Achsel (oder wenigstens unter Ukes rechten Arm) kommt.
Versucht diese Bwegung doch mal BEWUSST! Ihr werdet merken, daß es euch nach links-hinten wegkippt. Aus dieser Bewegung kommt man natürlich nicht mehr in die tiefe Hocke, um unter Ukes Schwerpunkt zu gelangen. Das gleiche Problem gibt es beim Tsuri-Komi-Goshi.
Wer einmal auf der Matte erlebt hat, wie unglaulich simpel und wirksam diese Techniken sind, wenn man gezeigt bekommen hat, wie man die Hände bewegt udn wie man korrekt eindreht, der wird aus dem Lachen nicht mehr herauskommen und sich fragen, wie um alles in der Welt man nicht von selbst darauf kommen konnte. Mir jedenfalls ging es so, und auch jedem Judoka, dem ich bisher zeigte, wie bspw. Morote-Seoi-Nage richtig ausgeführt wird.
So, das dazu.
@Remy-Otoshi: ja, das mit dem falschen Eindrehen ist ein Technik-Problem und kein allgemeines deutsches physisches Unvermögen (auch wenn japanische Meister das manchmal denken - kein Wunder ...)
Wenn man die Hüfte (wie es hier üblich ist und in der Grundschule auch gelehrt wird) eng an den gegner bringt, kann der natürlich mittels Hüftblock das ganze Ding vereiteln - und auch Anfänger tun das automatisch, meist ohne es zu wollen.
Wir trainieren z.Zt. etwa sechs sehr wirksame Varianten des Eindrehens - bis hin zum korrekten Kawaishi-Eingang, der hierzulande leider auch fast immer falsch gelehrt wird (sobald ich über Kreuz gehe, werde ich vom Gegner attackiert und bin schon geworfen!!).
Bisher haben wir alles mögliche versucht, um mittels Hüftblock (auf die alte, kraftbetonte Art) ein Kräutlein gegen diese Eindreh-Varianten zu finden - allein, es hilft nix ... Siehste, DAS finde ich gut, DAS ist es, was ich im Judo immer gesucht habe! Bisher hat das auch auf Lehrgängen immer für Furore gesorgt - und für fassungsloses Lachen, und auch für Begeisterung ...
Ich habe nun wenig bis gar keine Lust, hier ausführlich zu beschreiben, WIE man Morote-Seoi-Nage, Tsuri-Komi-Goshi, Harai-Goshi, den unglaublich einfachen Ashi-Guruma usw. korrekt ausführt. Um das zu erfahren, müßt ihr euch schon auf die Matte bemühen - bei mir oder bei Frank Thiele Sensei oder bei einem veritablen Meister der Butokukai etc.
Grüße
Tom