... daß die Armbewegung Ukes in Nage-no-Kata ein effektiver Schlag mit der unbewaffneten Hand sein soll (oder könnte), ist empirisch widerlegt.
Nicht nur durch meine eigenen Erfahrungen.
Ich hatte das Vergnügen, mich mehrfach selbst zur Verfügung zu stellen bei Leuten, die meinten, mit einer solchen Bewegung irgend eine Wirkung erzielen zu können.
Da war viel die Rede von "Halswirbelsäulen-Stauchung" und dem "Kyusho-Punkt" namens "Tento".
Man möge mir meine Skepsis verzeihen (oder eben nicht), aber bisher haben solche Hiebe keine Wirkung erzielt - nicht bei mir und nicht bei anderen.
Ich möchte nun niemanden damit langweilen, daß ein solcher Schlag in den zahlreichen regellosen Kämpfen, die ich bestritten habe, niemals vorkam (obwohl dort sehr versierte Kämpfer aller möglichen Stile an den Start gingen).
Ich habe in den zahllosen gewalttätigen Auseinandersetzungen, die sich im Security-Gewerbe immer wieder ergeben, einen solchen Schlag ebenfalls noch nie gesehen.
Ich habe dafür mit verschiedenen Vertretern verschiedener Koryû gesprochen, die allesamt in herzliches Gelächter ausbrachen, wenn ich fragte, ob diese Bewegung als waffenloser Angriff irgend einen Sinn ergeben würde. Ich habe stets zu hören bekommen, daß es doch wohl offensichtlich sei, daß man mit dieser Bewegung einen stilisierten Waffenangriff demonstrieren würde.
Ich habe über Janos Frage schmunzeln müssen.
Vielleicht ist die folgende Frage etwas naiv, aber ich denke zur Zeit darüber nach: Wenn Uke tatsächlich mit Schwert, Dolch oder was auch immer angreift, warum wird das dann nicht so demonstriert? Klarer ausgedrückt: Warum hat Uke in NNK in der Regel keine Waffe in der Hand, wie dies in anderen Kata auch der Fall ist?
Lieber Jano, hast du dir mal Gedanken darüber gemacht, was Uke passiert, wenn er mit einer Waffe in der Hand geworfen wird? Nein?
Dann denk mal drüber nach.
Für den Fall, daß du nicht verstehst, was ich meine: komm her, nimm bspw. ein Bokken in die Hand, führ den Angriffsschlag aus, wie in Nage-no-Kata vorgesehen. Ich werde dich dann werfen.
Beschwer dich aber bitte nicht, wenn du volle Pulle auf dein Bokken fällst ...
Warum der Angriffsschlag stilisiert ausgeführt wird, ist hinreichend geklärt.
Ja, es ist eine Armbewegung gegen Ukes Kopf / Schlüsselbein.
Habe ich das je bestritten? Nein.
Was mich ein wenig belustigt, ist die Tatsache, daß nichts von dem, was ich an Indizien hier angeführt habe, die "Hardcore-Sport-Fraktion" irgendwie überzeugt.
Offenbar spielt es in deren Überlegungen nicht die geringste Rolle, daß ich etliche Kano-Zitate aufgeführt habe, in denen er die Rolle der Waffen im Jûdô ganz eindeutig beschreibt.
"Der ideale Jûdô-Lehrer ...", nicht wahr?
"... naginata, spears and sword should be included ..."
"Should be" ist im Englischen (ich berufe mich da auf die entschiedene Auskunft eines erfahrenen Anglisten) ein Imperativ!
Ein höflicher Imperativ, aber dennoch ein "... hat zu erfolgen!"
Auch wenn es wohl sinnlos ist - ich weise (neben den Zitaten aus Kanos Texten) noch einmal auf die Tatsache hin, daß im Kodôkan eben doch nachweisbar zumindest mit Langstock und Schwert trainiert wurde.
Die Schlußfolgerung, dies habe aber nichts mit Jûdô zu tun gehabt, wirkt ein wenig befremdlich angesichts des Kano-Zitats "... der ideale Jûdô-Lehrer ..." usw.
Die Rolle der Waffentechniken in den Kata wird offenbar noch immer nicht verstanden ("... macht ja nur Uke!").
Die Tatsache, daß Kano aus den Koryû kam, scheint ebenfalls keine Rolle zu spielen.
Kobudô Kenkyukai? Hatte angeblich nichts mit dem Jûdô zu tun.
Wie man aus der Tatsache, daß es derlei im Kodôkan nachweisbar gab, schlußfolgern kann, es habe aber nichts mit Jûdô zu tun, vermag ich nicht nachzuvollziehen.
Wie man angesichts der eindeutigen Forderung Kanos, der ideale Jûdô-Lehrer müsse auch Kenntnisse im Umgang mit Langstock und Schwert besitzen ableiten kann, diese Kenntnisse hätte man zu Kanos Lebzeiten nicht im Kodôkan oder wenn doch, dann zumindest nicht im Rahmen des Jûdô-Trainings erwerben können, werde ich wohl nie verstehen.
Der Denkansatz hinter derlei Schlußfolgerungen beruht imho auf der irrigen Auffassung, Jûdô bestehe nun mal nur aus Wurftechniken und ein wenig Bodenkampf.
Hin und wieder ist man sogar bereit, zuzugestehen, daß es so etwas wie Tritt- und Schlagtechniken auch geben könnte ...
Ich sehe das so (und jeder darf natürlich ganz anderer Meinung sein): wenn es quakt wie eine Ente, watschelt wie eine Ente, ein Gefieder hat wie eine Ente und die entsprechende Größe, wenn es schwimmen und fliegen kann, dann kann man mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, daß es eine Ente ist - auch wenn es niemand für nötig befunden hat, dem Vieh ein Schild um den Hals zu hängen, auf dem "Dies ist eine Ente" steht.
Gleiches gilt für die Waffentechniken des Jûdô.
Da wir in dieser Frage wohl keinen Konsens erzielen können und meine These NICHT widerlegt werden konnte, hat sich für mich diese Frage und die darum stattfindende Debatte erledigt.
Tom