Individuelle Kampfkonzeption
- Peter el Gaucho
- Blau Gurt Träger
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- Registriert: 10.09.2009, 16:48
Individuelle Kampfkonzeption
Wenn man das Suchwort "Kampfkonzeption" eintippt, findet man gerade 2 Erwähnungen im Diskussionsforum. Das hat mich sehr erstaunt, weil diese Sache doch wichtig ist für den Wettkampf.
Ich habe zwei Literaturquellen vorliegen, die etwas darüber schreiben, WAS Inhalt einer "individuellen Kampfkonzeption" sein sollte, aber ich habe keine FORM gesehen. Die Suche mit Google hat nichts gebracht. Überall steht, wie wichtig dieses Konzept ist, aber nirgends findet sich ein konkretes Beispiel. Ich habe jetzt für meine Judoschüler einfach selbst diese Konzepte erstellt, trotzdem würde ich mal ein fertiges Beispiel sehen von jemanden anderen. Es gibt doch soviele Judokas, die ständig in Deutschland und im Ausland auf Turniere gehen. Wäre es nicht möglich, ein konkretes Beispiel zu liefern. Es kann auch anonymisiert sein, damit niemand seine "Tricks" verraten muß.
Wer kann helfen?
Vielen Dank im voraus.
Peter
Ich habe zwei Literaturquellen vorliegen, die etwas darüber schreiben, WAS Inhalt einer "individuellen Kampfkonzeption" sein sollte, aber ich habe keine FORM gesehen. Die Suche mit Google hat nichts gebracht. Überall steht, wie wichtig dieses Konzept ist, aber nirgends findet sich ein konkretes Beispiel. Ich habe jetzt für meine Judoschüler einfach selbst diese Konzepte erstellt, trotzdem würde ich mal ein fertiges Beispiel sehen von jemanden anderen. Es gibt doch soviele Judokas, die ständig in Deutschland und im Ausland auf Turniere gehen. Wäre es nicht möglich, ein konkretes Beispiel zu liefern. Es kann auch anonymisiert sein, damit niemand seine "Tricks" verraten muß.
Wer kann helfen?
Vielen Dank im voraus.
Peter
"Beklage dich nicht über die Dunkelheit. Zünde eine Kerze an." (Konfuzius)
Re: Individuelle Kampfkonzeption
Ich habe mal gehört, das es bei den Spitzenathleten üblich ist, sich
potentielle Gegner auf Video anzuschauen und deren Kampfstil zu analysieren,
um dann gezielt gegen deren Schwächen anzutrainieren.
Wie z.B. Max Schmeling die Kämpfe seines Gegners Joe Louis anschaute und bemerkte,
daß dieser wohl nach dem Schlagen etwas die Deckung fallen läßt...
(http://de.wikipedia.org/wiki/Joe_Louis).
Und eine Erinnerung habe ich noch an eine Kreismeisterschaft zu DDR-/Wende-Zeiten:
Unser Nachbarstadt-Verein hatte ein paar Vietnamesen beim Training (die waren irgendwie
zu Ausbildungszwecken im Land),
einer davon war zufälligerweise in der Gewichtsklasse wie der Sohn (Braungurt) unseres damaligen/ehemaligen
Prüfers (der gehörte zu einem anderen Verein, Prüfer waren rar außerhalb der Großstädte...)
Der "Prüfersohn" war eigentlich ein recht guter Kämpfer, allerdings bevorzugte er übermäßig den Uchi-Mata.
Mein Nachbarverein hatte sich nun also den Jux gemacht,
dem Vietnamesen (der recht beweglich war, das muß man anmerken) beizubringen, aus einem Uchi-Mata
seine angegriffenes Bein herauszunehmen... Genauso kam es. Sie kämpften gegeneinander,
der Braungurt will Uchi-Mata werfen, der Vietnamese nimmt quasi durch stehenden Spagat sein Bein locker raus,
nun verläßt mich die Erinnerung - k.A. ob er es noch kontern konnte oder ob der Sohn des Prüfers den Kampf
am Ende nur durch kleinere Wertungen oder Hantei verlor...
Ach so, der Vietnamese hatte 'nur' einen Gelbgurt...
potentielle Gegner auf Video anzuschauen und deren Kampfstil zu analysieren,
um dann gezielt gegen deren Schwächen anzutrainieren.
Wie z.B. Max Schmeling die Kämpfe seines Gegners Joe Louis anschaute und bemerkte,
daß dieser wohl nach dem Schlagen etwas die Deckung fallen läßt...
(http://de.wikipedia.org/wiki/Joe_Louis).
Und eine Erinnerung habe ich noch an eine Kreismeisterschaft zu DDR-/Wende-Zeiten:
Unser Nachbarstadt-Verein hatte ein paar Vietnamesen beim Training (die waren irgendwie
zu Ausbildungszwecken im Land),
einer davon war zufälligerweise in der Gewichtsklasse wie der Sohn (Braungurt) unseres damaligen/ehemaligen
Prüfers (der gehörte zu einem anderen Verein, Prüfer waren rar außerhalb der Großstädte...)
Der "Prüfersohn" war eigentlich ein recht guter Kämpfer, allerdings bevorzugte er übermäßig den Uchi-Mata.
Mein Nachbarverein hatte sich nun also den Jux gemacht,
dem Vietnamesen (der recht beweglich war, das muß man anmerken) beizubringen, aus einem Uchi-Mata
seine angegriffenes Bein herauszunehmen... Genauso kam es. Sie kämpften gegeneinander,
der Braungurt will Uchi-Mata werfen, der Vietnamese nimmt quasi durch stehenden Spagat sein Bein locker raus,
nun verläßt mich die Erinnerung - k.A. ob er es noch kontern konnte oder ob der Sohn des Prüfers den Kampf
am Ende nur durch kleinere Wertungen oder Hantei verlor...
Ach so, der Vietnamese hatte 'nur' einen Gelbgurt...

Mit freundlichem Gruß
Fritz
Fritz
- Fettzi
- 1. Dan Träger
- Beiträge: 455
- Registriert: 05.10.2005, 15:34
- Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern
Re: Individuelle Kampfkonzeption
IKKZ? Aggression...!
nene Spaß...
Das IKKZ ist bei uns ein Zettel, auf dem 2 Vierecke aufgemalt. Eines symbolisiert einen Gegner in Rechtsauslage, und das andere einen Gegner ins Linksauslage. Dort sind dann in der Regel 2 Techniken pro Richtung einzutragen. Daran wird dann das Techniktraining organisiert. Dort werden dann auch Techniken eingetragen, welche neu erlernt werden sollen/müssen.
Außerdem gibt es noch einen Teil zum Übergang-Stand-Boden bzw. Boden wo jeder ein bis zwei Techniken stehen hat.
Typische Trainingsanweisung ist dann z.B.:
IKKZ durchwerfen
Videoanalyse, inwiefern das IKKZ in der Praxis umgesetzt wird
usw. usf.
nene Spaß...
Das IKKZ ist bei uns ein Zettel, auf dem 2 Vierecke aufgemalt. Eines symbolisiert einen Gegner in Rechtsauslage, und das andere einen Gegner ins Linksauslage. Dort sind dann in der Regel 2 Techniken pro Richtung einzutragen. Daran wird dann das Techniktraining organisiert. Dort werden dann auch Techniken eingetragen, welche neu erlernt werden sollen/müssen.
Außerdem gibt es noch einen Teil zum Übergang-Stand-Boden bzw. Boden wo jeder ein bis zwei Techniken stehen hat.
Typische Trainingsanweisung ist dann z.B.:
IKKZ durchwerfen
Videoanalyse, inwiefern das IKKZ in der Praxis umgesetzt wird
usw. usf.
Re: Individuelle Kampfkonzeption
"Die individuelle Kampfkonzeption ist ein auf einen bestimmten Wettkämpfer zugeschnittene Zusammenstellung von Techniken im Stand und am Boden, mit denen die meisten der in einem Wettkampf auftretenden Probleme (wenigstens theoretisch) vorweg gedacht und (wenigstens theoretisch) vorweg gelöst werden können" (Definitionsversuch von mir).
Im Allgemeinen gehört zu einer IKKZ
- eine Tokui-waza ("Lieblingstechnik") (zumeist ein großer Wurf nach vorne, aber auch O-soto-gari oder eine Sutemi-waza möglich)
- eine Ergänzung der Tokui-waza zur anderen Körperseite (z.B. könnte dies bei Uchi-mata rechts Ippon-seoi-nage links sein)
- eine Ergänzung der Tokui-waza in die andere Wurfrichtung bei Uchi-mata rechts z.B. O-uchi-gari rechts)
- ein Fußwurf (z.B. De-ashi-barai, Sasae-tsuri-komi-ashi u.ä.) hilft, Uke zu stören oder die großen Techniken vorzubereiten
- Sutemi-waza wie Tomoe-nage oder Sumi-gaeshi kann man als Tokui-waza nutzen oder aber als Überraschungsmoment in verschiedenen Kampfphasen einsetzen
- eine gute Kontertechnik lässt den Gegner vorsichtiger angreifen
- eine "Ein-Hand-Technik" mit Griff am Kragen oder Ärmel hilft, wenn man nicht mit beiden Händen fassen kann
Im Übergang zum Boden sollte man mindestens
- die eigene Spezialtechnik weiterführen können
- einen tiefen Schulterwurf kontern können
- sich bei gegnerischen Kontern abdrehen können
- gegen die Bank bzw. Bauchlage eine bewährte Angriffstechnik besitzen.
Spitzenjudoka auf internationalem Niveau decken diese Anforderungen fasst immer ab, auch wenn man dies - wegen der gegnerischen Einwirkung - nicht immer erkennen kann. Oft spezialisieren sich jedoch auch Kämpfer auf ein Gebiet, z.B. den Bodenkampf und nehmen dort jede Herausforderung in allen Lagen an oder aber versuchen - im Gegenteil - den Bodenkampf zu meiden.
Mehr dazu kann man nachlesen in U. Klocke, "Judo anwenden", Bonn 2010, S. 184/185 .
In dem umfangreichen neuen Werk von Gunther Bischof und Norbert Schöllhorn "Judo, der Weg zum Erfolg" (Aachen 2010) findet man von S. 410 an unter dem Thema "Technik-Taktik-Training" u.a. das Kapitel 4.7.3 "Variablen der thematischen Technikschulung", 4.7.4 "Halbdistanz -Wurfeingänge und Fassarten" sowie 4.7.5 "Gegengleiche Auslage - Probleme und Lösungen", in denen viele Bereiche, die man zur Entwicklung einer IKKZ studieren sollte, behandelt werden.
Gerhard Lehmann und Hans Müller-Deck haben in ihrem Buch "Judo" (Sportverlag Berlin 1987) unter dem Titel "Zu Typen der Kampfesführung und Besonderheiten ihrer Ausbildung" (S. 191) verschiedene "Kämpferprofile" aufgezeigt, in denen die Kampfauslage, die Art und Weise der Eindrehtechniken, die Dynamik der Kampfesführung, der Bereich der Kampfesführung, die Variabilität und der Akzent der angriffs- oder verteidigungsorientierten Kampfesführung diskutiert werden.
Hans Müller-Deck führt in seinem Buch "Der Weg zum Top-Judoka" (Wien 2007) auf S. 17 ff unter dem Titel "Leistungsstruktur und Anforderungsprofil von Spitzenjudoka" vier Aspekte der "Leistungsstruktur" an (Psychische Wettkampfeigenschaften, konditionelle Wettkampfeigenschaften, Technik/Koordination und Strategie und Taktik), die er im Folgenden detaillierter beschreibt.
Im Zusammenhang mit der IKKZ spielen auch Begriffe wie "Handlungskomplex" (Leo Held 1996), Handlungsrepertoire oder Kämpferprofil (z.B. die Übersicht nach Frank Wieneke, Michael Bazynski und Oliver Richter) eine Rolle.
Schickt mir eine PN, wenn Ihr ein Skript von mir zum Thema "Wie man seine Techniken effektiv zusammenstellt..." haben möchtet.
Jupp
Im Allgemeinen gehört zu einer IKKZ
- eine Tokui-waza ("Lieblingstechnik") (zumeist ein großer Wurf nach vorne, aber auch O-soto-gari oder eine Sutemi-waza möglich)
- eine Ergänzung der Tokui-waza zur anderen Körperseite (z.B. könnte dies bei Uchi-mata rechts Ippon-seoi-nage links sein)
- eine Ergänzung der Tokui-waza in die andere Wurfrichtung bei Uchi-mata rechts z.B. O-uchi-gari rechts)
- ein Fußwurf (z.B. De-ashi-barai, Sasae-tsuri-komi-ashi u.ä.) hilft, Uke zu stören oder die großen Techniken vorzubereiten
- Sutemi-waza wie Tomoe-nage oder Sumi-gaeshi kann man als Tokui-waza nutzen oder aber als Überraschungsmoment in verschiedenen Kampfphasen einsetzen
- eine gute Kontertechnik lässt den Gegner vorsichtiger angreifen
- eine "Ein-Hand-Technik" mit Griff am Kragen oder Ärmel hilft, wenn man nicht mit beiden Händen fassen kann
Im Übergang zum Boden sollte man mindestens
- die eigene Spezialtechnik weiterführen können
- einen tiefen Schulterwurf kontern können
- sich bei gegnerischen Kontern abdrehen können
- gegen die Bank bzw. Bauchlage eine bewährte Angriffstechnik besitzen.
Spitzenjudoka auf internationalem Niveau decken diese Anforderungen fasst immer ab, auch wenn man dies - wegen der gegnerischen Einwirkung - nicht immer erkennen kann. Oft spezialisieren sich jedoch auch Kämpfer auf ein Gebiet, z.B. den Bodenkampf und nehmen dort jede Herausforderung in allen Lagen an oder aber versuchen - im Gegenteil - den Bodenkampf zu meiden.
Mehr dazu kann man nachlesen in U. Klocke, "Judo anwenden", Bonn 2010, S. 184/185 .
In dem umfangreichen neuen Werk von Gunther Bischof und Norbert Schöllhorn "Judo, der Weg zum Erfolg" (Aachen 2010) findet man von S. 410 an unter dem Thema "Technik-Taktik-Training" u.a. das Kapitel 4.7.3 "Variablen der thematischen Technikschulung", 4.7.4 "Halbdistanz -Wurfeingänge und Fassarten" sowie 4.7.5 "Gegengleiche Auslage - Probleme und Lösungen", in denen viele Bereiche, die man zur Entwicklung einer IKKZ studieren sollte, behandelt werden.
Gerhard Lehmann und Hans Müller-Deck haben in ihrem Buch "Judo" (Sportverlag Berlin 1987) unter dem Titel "Zu Typen der Kampfesführung und Besonderheiten ihrer Ausbildung" (S. 191) verschiedene "Kämpferprofile" aufgezeigt, in denen die Kampfauslage, die Art und Weise der Eindrehtechniken, die Dynamik der Kampfesführung, der Bereich der Kampfesführung, die Variabilität und der Akzent der angriffs- oder verteidigungsorientierten Kampfesführung diskutiert werden.
Hans Müller-Deck führt in seinem Buch "Der Weg zum Top-Judoka" (Wien 2007) auf S. 17 ff unter dem Titel "Leistungsstruktur und Anforderungsprofil von Spitzenjudoka" vier Aspekte der "Leistungsstruktur" an (Psychische Wettkampfeigenschaften, konditionelle Wettkampfeigenschaften, Technik/Koordination und Strategie und Taktik), die er im Folgenden detaillierter beschreibt.
Im Zusammenhang mit der IKKZ spielen auch Begriffe wie "Handlungskomplex" (Leo Held 1996), Handlungsrepertoire oder Kämpferprofil (z.B. die Übersicht nach Frank Wieneke, Michael Bazynski und Oliver Richter) eine Rolle.
Schickt mir eine PN, wenn Ihr ein Skript von mir zum Thema "Wie man seine Techniken effektiv zusammenstellt..." haben möchtet.
Jupp
- Linowitsch
- 1. Dan Träger
- Beiträge: 273
- Registriert: 05.08.2005, 19:10
- Verein: judokan schkeuditz 2000 e.V.
- Kontaktdaten:
Re: Individuelle Kampfkonzeption
und als Auswertung der IKKZ, kenne ich das sog. Technikkreuz (siehe dieser Thread da: Technikkreuz)
Wenn ich beides jetzt richtig verstanden habe, sollte das Technikkreuz (nach dem Kampf) sozusagen immer eine Teilmenge der IKKZ (vor dem Kampf) sein.
Wenn ich beides jetzt richtig verstanden habe, sollte das Technikkreuz (nach dem Kampf) sozusagen immer eine Teilmenge der IKKZ (vor dem Kampf) sein.
Gruß
Lino
Kompetenzen kann man nur weitergeben, wenn man sie hat. (tutor! am 29.10.2008)
Es ist nicht gesagt, dass es besser wird, wenn es anders wird.
Wenn es aber besser werden soll, muss es anders werden. (judoka50 am 23.11.2006)
Lino
Kompetenzen kann man nur weitergeben, wenn man sie hat. (tutor! am 29.10.2008)
Es ist nicht gesagt, dass es besser wird, wenn es anders wird.
Wenn es aber besser werden soll, muss es anders werden. (judoka50 am 23.11.2006)
Re: Individuelle Kampfkonzeption
Wenn ich das hier so lese, beschleicht mich ein merkwürdiges Gefühl...
Letztendlich wird ja dann oft versucht, einen Kampf zu planen und zwar hinsichtlich
der zu verwendenden Techniken (jenseits von taktischen Spielchen),
d.h. man möchte den Kampfverlauf, den Gegner an seine Techniken anpassen...
Das ist aber kein Judo, da geht der Gedanke der Anpassungsfähigkeit,
der Flexibilität nahezu verloren. Besser (im Sinne des Judo) wäre es schon, wenn man
sich technikmäßig an den Gegner bzw. die von ihm gegebenen Situationen "anpaßt".
Zum systematischen Erlernen, Klassifizieren und Üben sind sicherlich solche "Technikkreuze" u.ä.
schon sinnvoll, aber mit Wunschvorstellungen "wenn der Gegner so macht, mach ich so", in
den Kampf zugehen, hemmt in der Regel doch recht erfolgreich...
Letztendlich kommt es doch auf mehr oder weniger instinktives Erkennen von gegnerischen Schwachstellen und
entsprechend instinktives Ausnutzen dieser an...

Letztendlich wird ja dann oft versucht, einen Kampf zu planen und zwar hinsichtlich
der zu verwendenden Techniken (jenseits von taktischen Spielchen),
d.h. man möchte den Kampfverlauf, den Gegner an seine Techniken anpassen...
Das ist aber kein Judo, da geht der Gedanke der Anpassungsfähigkeit,
der Flexibilität nahezu verloren. Besser (im Sinne des Judo) wäre es schon, wenn man
sich technikmäßig an den Gegner bzw. die von ihm gegebenen Situationen "anpaßt".
Zum systematischen Erlernen, Klassifizieren und Üben sind sicherlich solche "Technikkreuze" u.ä.
schon sinnvoll, aber mit Wunschvorstellungen "wenn der Gegner so macht, mach ich so", in
den Kampf zugehen, hemmt in der Regel doch recht erfolgreich...
Letztendlich kommt es doch auf mehr oder weniger instinktives Erkennen von gegnerischen Schwachstellen und
entsprechend instinktives Ausnutzen dieser an...
Mit freundlichem Gruß
Fritz
Fritz
Re: Individuelle Kampfkonzeption
In seiner Rede am 11. Mai 1889 in Hitotsubashi Kanda mit dem Thema „Begriff des Jûdô und sein erzieherischer Wert“ erläutert Kanô "Jûdô shobu no riron" ("Drei Kampftheorien des Jûdô"). Diese lauten:
A) Jita no kankei wo miru beshi ("Beachte die Beziehungen zwischen dem Selbst und dem Umfeld!")
B) Saki wo toru ("Komme deinem Gegner" zuvor!" Bzw. "Fasse zuerst!")
Dazu erläutert Kanô "drei Arten der Initiative:
B1) Sen no sen - Ergreifen der Initiative vor seinem Gegner (vorgreifende Initiative)
B2) Sensen no sen - Gleichzeitige Initiative
B3) Go no sen - Reaktion auf einen Angriff (Initiative der Verteidigung)
Wir erinnern uns tutor! Erläuterungen hierzu an anderer Stelle in diesem Forum.
C) jukuryo danko ("Reifliches Überlegen und entschlossenes Handeln ....")
Betrachten wir eine Kampfkonzeption unter diesen Gesichtspunkten, scheint sie mir gar nicht so abwegig:
Zunächst werden z.B. die Auslagen des Uke analysiert und entsprechend eigene Techniken in verschiedene Richtungen ins Profil aufgenommen. Das entspräche Punkt A)
Die Techniken des Kampfprofils beinhalten z.B. viele Angriffsmöglichkeiten und einige Kontertechniken - das entspräche Punkt B) mit seinen Unterpunkten.
Am Interessantesten erscheint mir in diesem Zusammenhang Punkt C): Mit "Reiflichem Überlegen" meint Kanô gewiss nicht Philosophieren während des Kampfes. Also scheint er durchaus von Jûdôka zu erwarten, sich im Vorfeld eine Kampfstrategie zurechtzulegen und diese entschlossen umzusetzen.
So gesehen ist eine Kampfkonzeption sicherlich eher im Sinne Kanôs als ein planloses Erproben (widerspräche A und C) und reines Reagieren (reduziert B auf B3) während eines Kampfes.
Die für mich interessante Frage lautet eher, wie eine Kampfkonzeption aussehen sollte, um Kanôs Ideen genüge zu tun. Dazu hat Jupp ja bereits einige Anregungen genannt.
A) Jita no kankei wo miru beshi ("Beachte die Beziehungen zwischen dem Selbst und dem Umfeld!")
B) Saki wo toru ("Komme deinem Gegner" zuvor!" Bzw. "Fasse zuerst!")
Dazu erläutert Kanô "drei Arten der Initiative:
B1) Sen no sen - Ergreifen der Initiative vor seinem Gegner (vorgreifende Initiative)
B2) Sensen no sen - Gleichzeitige Initiative
B3) Go no sen - Reaktion auf einen Angriff (Initiative der Verteidigung)
Wir erinnern uns tutor! Erläuterungen hierzu an anderer Stelle in diesem Forum.
C) jukuryo danko ("Reifliches Überlegen und entschlossenes Handeln ....")
Betrachten wir eine Kampfkonzeption unter diesen Gesichtspunkten, scheint sie mir gar nicht so abwegig:
Zunächst werden z.B. die Auslagen des Uke analysiert und entsprechend eigene Techniken in verschiedene Richtungen ins Profil aufgenommen. Das entspräche Punkt A)
Die Techniken des Kampfprofils beinhalten z.B. viele Angriffsmöglichkeiten und einige Kontertechniken - das entspräche Punkt B) mit seinen Unterpunkten.
Am Interessantesten erscheint mir in diesem Zusammenhang Punkt C): Mit "Reiflichem Überlegen" meint Kanô gewiss nicht Philosophieren während des Kampfes. Also scheint er durchaus von Jûdôka zu erwarten, sich im Vorfeld eine Kampfstrategie zurechtzulegen und diese entschlossen umzusetzen.
So gesehen ist eine Kampfkonzeption sicherlich eher im Sinne Kanôs als ein planloses Erproben (widerspräche A und C) und reines Reagieren (reduziert B auf B3) während eines Kampfes.
Die für mich interessante Frage lautet eher, wie eine Kampfkonzeption aussehen sollte, um Kanôs Ideen genüge zu tun. Dazu hat Jupp ja bereits einige Anregungen genannt.
Herzliche Grüße,
kastow
Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
kastow
Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
Re: Individuelle Kampfkonzeption
Ich bin jetzt leider ganz, ganz kurz angebunden, aber der Gedanke, hier eine Brücke zum 1889er Vortrag zu halten, ist hoch spannend.
Denn an anderer Stelle spricht Kano in diesem Vortrag ja auch noch über den Wert des Judo für die intellektuelle Schulung. Darüber gibt es ja auch schon einen Faden mit viel Lesestoff (viewtopic.php?f=20&t=3763).
Denn an anderer Stelle spricht Kano in diesem Vortrag ja auch noch über den Wert des Judo für die intellektuelle Schulung. Darüber gibt es ja auch schon einen Faden mit viel Lesestoff (viewtopic.php?f=20&t=3763).
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
Re: Individuelle Kampfkonzeption
@kastow:
Aber letztendlich sprechen die von Dir dankenswerterweise gelieferten Zitate (insbesonders Punkt C) doch dafür,
daß es sich bei der Kampfkonzeption tatsächlich um die Vorbereitung auf einen konkreten Kampf handeln müsste.
(Oder halt auch um die "Echtzeitbewertung" während eines Kampfes und entsprechende Anpassung des Verhaltens...)
otsches und Jupps Darstellungen dagegen, erwecken den Eindruck,
daß es sich um ein vorgefertigtes universelles "Kochrezept" (mit limitierten Zutaten) für alle Gelegenheiten handelt...
Wenn man es eng auslegt.
Wenn man es großzügig auslegt, dann beschreibt Jupps Beitrag eigentlich nichts, was besonders zu benennen
wäre oder irgendwie besonders individuell wäre:
Werfen, Kombinieren, Kontern, das alles aus verschiedenen Faßarten und Auslagen, Übergänge zum Boden,
Bodenkampf-Vermeidungsstrategien...
Aber letztendlich sprechen die von Dir dankenswerterweise gelieferten Zitate (insbesonders Punkt C) doch dafür,
daß es sich bei der Kampfkonzeption tatsächlich um die Vorbereitung auf einen konkreten Kampf handeln müsste.
(Oder halt auch um die "Echtzeitbewertung" während eines Kampfes und entsprechende Anpassung des Verhaltens...)
otsches und Jupps Darstellungen dagegen, erwecken den Eindruck,
daß es sich um ein vorgefertigtes universelles "Kochrezept" (mit limitierten Zutaten) für alle Gelegenheiten handelt...
Wenn man es eng auslegt.
Wenn man es großzügig auslegt, dann beschreibt Jupps Beitrag eigentlich nichts, was besonders zu benennen
wäre oder irgendwie besonders individuell wäre:
Werfen, Kombinieren, Kontern, das alles aus verschiedenen Faßarten und Auslagen, Übergänge zum Boden,
Bodenkampf-Vermeidungsstrategien...

Mit freundlichem Gruß
Fritz
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- Fettzi
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- Registriert: 05.10.2005, 15:34
- Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern
Re: Individuelle Kampfkonzeption
Spezialisierung ja, Planen eines Kampfes nein.
Es sind die Techniken, die man bevorzugt anwenden sollte, weil man sie am besten beherrscht.
Wenn sich aber die Situation bietet, etwas anderes anzuwenden, um den Kampf schnell zu beenden, nutzt man dies natürlich. Es ist sozusagen ein Profil eines Judoka, in dem er analysiert wird.
Da es auf Topniveau kaum unbekannte Namen gibt, hat es natürlich etwas von einer "Einschränkung", obwohl ich dieses Wort nicht unbedingt verwenden möchte, weil es das IKKZ nicht 100% beschreibt.
Es sind die Techniken, die man bevorzugt anwenden sollte, weil man sie am besten beherrscht.
Wenn sich aber die Situation bietet, etwas anderes anzuwenden, um den Kampf schnell zu beenden, nutzt man dies natürlich. Es ist sozusagen ein Profil eines Judoka, in dem er analysiert wird.
Da es auf Topniveau kaum unbekannte Namen gibt, hat es natürlich etwas von einer "Einschränkung", obwohl ich dieses Wort nicht unbedingt verwenden möchte, weil es das IKKZ nicht 100% beschreibt.
Re: Individuelle Kampfkonzeption
Hm, ich habe nicht damit gerechnet, dass die Kampfkonzeption so missverständlich ist. Für eine ausführliche Erläuterung fehlt mir leider gerade die Zeit. Ich versuche deshalb, es kurz und dennoch verständlich zu machen: die besagten Profile oder Konzeptionen bieten eben nicht ein Rezept für jeden Kampf, sondern auf das Individuum zugeschnittene Rezepte gegen bestimmte Kämpfertypen. Auf diese Typen wende ich dann die passende, zuvor erlernte Konzeption an.
Einfaches Beispiel: Gegner ist Linkskämpfer mit starkem 'Rückwärtsgang', ich Rechtskämpfer >> Ergo wende ich die entsprechende Technik aus Kenka-yotsu nach vorne an (Punkt B). Ist mein nächster Gegner ein Rechtskämpfer, wende ich das entsprechende andere Rezept an und erzwinge eben nicht meine vorherige Taktik gegen den Linkskämpfer.
Das ganze hat auch einen psychologischen Vorteil: Ich kämpfe z.B. nicht gegen den starken Favoriten X, sondern gegen einen Linkskämpfer mit Vorliebe für Seoi-otoshi. Das nimmt viele Hemmungen und bietet klare Handlungsmöglichkeiten.
Einfaches Beispiel: Gegner ist Linkskämpfer mit starkem 'Rückwärtsgang', ich Rechtskämpfer >> Ergo wende ich die entsprechende Technik aus Kenka-yotsu nach vorne an (Punkt B). Ist mein nächster Gegner ein Rechtskämpfer, wende ich das entsprechende andere Rezept an und erzwinge eben nicht meine vorherige Taktik gegen den Linkskämpfer.
Das ganze hat auch einen psychologischen Vorteil: Ich kämpfe z.B. nicht gegen den starken Favoriten X, sondern gegen einen Linkskämpfer mit Vorliebe für Seoi-otoshi. Das nimmt viele Hemmungen und bietet klare Handlungsmöglichkeiten.
Herzliche Grüße,
kastow
Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
kastow
Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
- Judo_HoHan
- Blau Gurt Träger
- Beiträge: 112
- Registriert: 03.10.2007, 15:56
- Bundesland: Nordrhein-Westfalen
- Verein: TSV Hagen 1860 e. V.
- Kontaktdaten:
Re: Individuelle Kampfkonzeption
Hall,
dazu sage ich das es so was schon gibt siehe hier: http://www.nwjv.de/download/2002/kaempferprofil.xls.
Gruß
Holger
dazu sage ich das es so was schon gibt siehe hier: http://www.nwjv.de/download/2002/kaempferprofil.xls.
Gruß
Holger
Um kämpfen zu können, brauchen wir nicht nur starke Arme und einen schnellen Geist; wir brauchen den Glauben
http://www.judo-hagen.de
http://www.judo-hagen.de
Re: Individuelle Kampfkonzeption
Danke schön an Judo_HoHan.
Die vom NJV ins Netz gestellte Übersicht ist das von Wieneke, Bazynski, Richter erstellte Formblatt zur Entwicklung des eigenen Kämferprofils, in etwa also der eigenen IKKZ.
Diese Übersicht nutzen die Kämpfer von Auswahlmannschaften bis hin zur Nationalmannschaft (aber nicht nur diese...), um einen Überblick über ihren Handlungskomplex (alle von ihnen angewandten Techniken und Zwischenhandlungen wie z.B. Kumi-kata oder Bewegungsrichtungen) zu erhalten.
Jupp
Die vom NJV ins Netz gestellte Übersicht ist das von Wieneke, Bazynski, Richter erstellte Formblatt zur Entwicklung des eigenen Kämferprofils, in etwa also der eigenen IKKZ.
Diese Übersicht nutzen die Kämpfer von Auswahlmannschaften bis hin zur Nationalmannschaft (aber nicht nur diese...), um einen Überblick über ihren Handlungskomplex (alle von ihnen angewandten Techniken und Zwischenhandlungen wie z.B. Kumi-kata oder Bewegungsrichtungen) zu erhalten.
Jupp