Syniad hat geschrieben:"Das Pferd ist der beste Reitlehrer. Er ist der Meister, der straft und belohnt: er verschließt sich dir, wenn du auf andere Lehren hörst als die seinen. Lerne vom Pferde.
Reiten ist erst dann eine wahre Freude, wenn du durch eine lange Schule der Geduld, der Feinfühligkeit und der Energie gegangen bist, die dir das Pferd erteilt."
(S. 8 )
Rudolf Bindings "Reitvorschrift für eine Geliebte" (München, Gütersloh, Wien: Bertelsmann 1975). Erstveröffentlichung 1924. Jaja, es geht genau um den national eingestellten Binding. Spielt aber in diesem Fall keine Rolle.
Ich weiß, es ist kein theoretischer Ansatz... aber derlei Ideen findest Du in der gesamten Reiterliteratur, von kitschig-verklärt bis hin zu sehr sinnig.
Und der "Ritter" und die "Ritterlichkeit" kommen etymologisch nicht von ungefähr, sondern vom Reiter.
Ob es wohl mit der Übernahme von Verantwortung für ein anderes Wesen zu tun hat, dass der Erziehungsgedanke für Reiter und Judoka so häufig auftaucht? Oder der (auch) militärischen Vergangenheit?
Danke Sonja! Duch Deinen Beitrag kommen mir wieder einmal einige Gedanken in den Sinn.
Ritterlichkeit, Bushido, Ehrenkodex - das alles hat eine Menge mit Verantwortung zu tun, oder auch mit dem unverantwortlichen Missbrauch des Begriffs.
"Verantwortung" war eines der Erziehungsziele nationalsozialistischen Sportunterrichts. Es ging dabei - wie könnte es auch anders sein - um die Verantwortung des Führers (einer Gruppe) für die Gruppe und jeden Einzelnen bzw. für die Resultate. Der Führer war verantwortlich, er hat Verantwortung abgenommen, er hatte sie zu tragen - man selbst hat nur getan, was die Verantwortlichen von einem wollten. Schließlich hatten sie die Verantwortung. Die Übernahme der Verantwortung durch andere hatte etwas Entlastendes für den, der sie nicht nicht trug, dem blieb nur noch "Gehorsam" und "Einordnung" in die Gruppe.
Der Verantwortliche hatte aber stets auch nur eine begrenzte Verantwortung und führte immer nur Befehle aus, die diejenigen gaben, die die größere Verantwortung trugen. Diesen Befehlen musste man Folge leisten, schließlich wusste man ja selbst am besten, dass man der Verantwortung nur gerecht werden kann, wenn andere wiederum gehorsam sind.
Verantwortung war die Krücke um Gehorsam zu erreichen. Lesetipp:
http://de.wikipedia.org/wiki/Milgram-Experiment
Ein völlig anderes Bild von Verantwortung finden wir bei Erich Weniger (geistiger Vater der deutschen Bildungstheorie), für den Verantwortung der Kernbereich der Bildung ist und genau das, was Bildung von bloßem Wissen unterscheidet. Oder denken wir an Kant und seinen kategorischen Imperativ. Und was hat das mit Judo zu tun?
Kano als Erzieher wollte, dass alle Menschen nützliche Mitglieder der Gesellschaft werden. Von daher hat er sein moralisches Prinzip formuliert, das nicht lautet "bedingungsloser Gehorsam", sondern als Ziel das "allgemeine Wohlergehen" im Fokus hatte. Die Gedanken von Kano, Klafki und Weniger sind also gar nicht weit voneinander entfernt.
Bei allen drei geht es um das "größere Bild" und die Verantwortung des Einzelnen für das Wohl der Allgemeinheit. Aber es ging auch um Kritikfähigkeit statt blinder Gefolgschaft.
Update: da will ich den Bogen von Bildungstheorie zum kategorischen Imperativ spannen und schon verwechsele ich Kant mit Klafki - Kant muss es natürlich heißen!