Hofi hat geschrieben:Hi!
Man könnte jetzt aber mal ganz ketzerisch argumentieren, dass in Japan nur die ersten drei Gruppen der Nage-no-Kata für den 1. Dan verlangt werden. Welcher Umfang der Go-Kyo geprüft wird, weiß ich nicht. Insofern sind die Prüfungsanforderungen zumindest was den Stoffumfang angeht möglicherweise umfangreicher. Was natürlich nichts über die Qualität aussagt.
Die Graduierungsanforderungen sind auf der Homepage des Kodokan zu finden (
http://kodokan.org/e_basic/shoudan.html). Wie die konkrete Praxis aussieht, kann uns vielleicht Reaktivator erläutern. Nach dem, was aus den Regularien hervorgeht - und aus dem, was ich weiß, zählen folgende Punkte für eine Graduierung:
- Wettkampfergebnisse - und zwar bis hinauf zu mindestens dem 6. Dan
- Kata-Demonstrationen und zwar bei öffentlichen Veranstaltungen (die Kodokan-Homepage spricht dabei sogar von "tournaments")
- Häufigkeit des Trainings
- Kampfrichter-Tätigkeit
- Ergebnisse als Trainer
- Leistungen zur Entwicklung und Verbreitung des Judo
Die zusammengefasste Tabelle über diese Punkte trägt die bezeichnende Überschrift:
Standard for judging result of training in each field. Durch diese Formulierung wird deutlich, was gemeint ist: Die Graduierung erfolgt nachdem festgestellt wurde, welche Früchte das Training erbracht hat. Es werden also Kriterien benannt, an denen abgelesen werden kann, ob der Kandidat erfolgreich trainiert und sich weiterentwickelt hat.
Die Höhe der Dan-Grade wird vollkommen anders gesehen wie in Deutschland. So beträgt das Mindestalter für den 5. Dan in Japan 20 Jahre, in Deutschland 30 Jahre. Aber unabhängig von formalen Fragen sind andere Unterschiede gravierend.
Nage-no-Kata und Katame-no-Kata gehören zu den Anforderungen mehrerer Grade (die komplette Nage-no-Kata 3x, die Katame-no-Kata 2x). Es geht also in Japan nicht darum, zu jedem Grad etwas anderes zu machen, sondern von Grad zu Grad besser zu werden. In Deutschland fügen wir bei jeder Prüfung neue Inhalte dazu - die "Qualitätssicherung" beschränkt sich auf ein Nachhaken in Grenzfällen. Der Aspekt einer qualitativen Steigerung kommt eigentlich nur in den Anwendungsaufgaben rund um die "eigene Spezialtechnik" beim 1. und 2. Dan vor. Diese Aufgaben wird man obendrein durch SV ersetzen können. Die tatsächliche Fähigkeit, seine Spezialtechnik im Randori und Wettkampf anwenden zu können, wird nicht geprüft (geht auch schlecht), aber es wird auch komplett bei den über 18-jährigen auf Wettkampfpunkte verzichtet.
Die Fortschritte, die von den Kandidaten von Dan-Grad zu Dan-Grad erwartet werden, sind - das muss man leider sagen - leider nur marginal. Was bleibt, ist das Erlernen einer neuen Kata. Da diese aber nicht erneut im Prüfungsprogramm auftaucht, ist das Vergessen vorprogrammiert, da bedauerlicherweise in der Realität von den allermeisten Judoka Kata nur als Vorbereitung auf eine Prüfung und im regelmäßigen Training praktizieren.
Konkret wird eigentlich nur alle paar Jahre bei einer neuen Dan-Vorbereitung der bisherige Prüfungsstoff aufgewärmt (wenn man sich auf Vorkenntnisse vorbereitet). Abgesehen von der jeweils zu lernenden Kata dürfte ein guter 18-jähriger Braungurt (ich denke, jeder von uns kennt mindestens einen davon) nach vier Wochen Vorbereitung und einer ÜL-Ausbildung das gesamte Programm bis einschließlich zum 4. Dan prüfungsreif demonstrieren können.
Vielleicht ist dieser fiktive Braungurt untergraduiert und hätte längst z.B. den 2. Dan haben müssen. Vielleicht ist aber auch der erwartete Lernfortschritt zum 4. Dan etwas dünn ausgefallen.