Eigentlich wollte ich mich ja heraushalten, weil schon einige gute Beiträge geschrieben wurden und ich knapp mit der Zeit bin, aber vielleicht bringen ja ein paar (er-)klärende Worte den ein oder anderen etwas weiter.
Zunächst das fast schon leidige Thema Kraft. Kraft ist ein physikalische Größe, die nicht direkt zugänglich ist, sondern die wir nur an ihrer Wirkung erkennen können. Kraft ist immer dann im Spiel, wenn ein Körper seinen Bewegungszustand ändert oder ein Körper verformt wird. Physikunterricht 9. Klasse.....
Die Sportwissenschaft unterscheidet nun verschiedene Erscheinungsformen der Kraft, die sich danach unterscheiden, ob ein Körper eine besonders starke Beschleunigung erfahren soll (Explosivkraft, Schnellkraft), ein Körper besonders langandauernd bzw. häufig hintereinander beschleunigt werden soll (Kraftausdauer) oder ob ein besonders großer Widerstand überwunden werden soll (Maximalkraft).
Diese Erscheinungsformen der Kraft sind Hilfskonstrukte, denn sie beziehen sich erst einmal nicht auf das Zustandekommen der Kraft, also ihrer Generierung, sondern ordnen unterschiedliche Formen ihrer Wirkung auf irgendwelche (physikalischen) Körper. Wie kommt das aber zustande und welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?
In der Muskulatur wird chemisch gebundene Energie (ATP) in Bewegung umgesetzt (Actin/Myosin). Diese Umsetzung wird durch das Nervensystem gesteuert bzw. veranlasst. Bei der Eigenbewegung des Körpers wirken unglaublich viele Muskelphasern zusammen, deren Arbeit koordiniert werden muss. Es gibt von daher keine Generierung von Kraft ohne Koordination! Bei jeder Bewegung des Körpers sind zwingend drei verschiedene Ebenen der Koordination beteiligt:
- Intramuskuläre Koordination: Zusammenspiel aller Muskelphasern innerhalb eines Muskels
- intermuskuläre Koordination der Synergisten: Zusammenspiel der Muskulatur, die bei einer Bewegung kontrahiert wird
- Entspannung der Antagonisten: die Gegenspieler der Synergisten werden gedehnt und dürfen den Synergisten keinen Widerstand entgegensetzen.
Zur Schnellkraft
Kraft bedingt eine Änderung des Bewegungszustandes eines Körpers, per Definition also eine Beschleunigung. Unter Schnellkraft ist landläufig also eine Kraftfähigkeit gemeint, die jemanden in die Lage versetzt, hohe Beschleunigungen zu generieren. Neben den drei oben genannten Punkte ist hierfür die maximale Kontraktionsgeschwindigkeit der Muskulatur verantwortlich.
Eine Muskelfaser kann aber nicht schneller oder langsamer kontrahieren. Schnelle oder langsame Bewegungen werden durch einen dosierten Widerstand der Antagonisten, und/oder durch eine dosierte Rekrutierung von mehr oder weniger Fasern eines Muskels erzeugt. Die einzelne Faser arbeitet sozusagen "digital": entweder voll oder gar nicht....
Dennoch gibt es in der Muskulatur unterschiedliche Fasertypen: schnelle Fasern, langsame Fasern und intermediäre Fasern. Ihr Verhältnis ist genetisch bedingt und kann durch Training nur in sehr geringem Maß beeinflusst werden. Das bedeutet wiederum, dass für die Steigerung der Schnellkraft-Fähigkeiten in der Trainingspraxis im Prinzip nur die drei oben genannten Punkte relevant sind.
Schnellkraft entwickelt sich durch die Kopplung von Maximalkraft im Sinne der Verbesserung der intramuskulrären Koordination und der Technik. Dies ist dann auch das optimale Schnellkrafttraining.....
Bis hier hin haben wir nur über die Eigenbewegung gesprochen. Ziel des Judo ist es, den Gegner in eine Bewegung zu versetzen, in die er nicht will, oder ihn in einer Position zu fixieren, die er verlassen will. Das Ganze natürlich so, dass der Gegner dasselbe nicht mit mir machen kann. Kano formuliert sinngemäß: "Kämpfen bedeutet den Gegner zu kontrollieren und sich gleichzeitig nicht selbst kontrollieren zu lassen".
Will ich nun den Gegner werfen - ihn also in eine Bewegung versetzen, die er nicht will - brauche ich selbstverständlich Kraft. Ich muss ja seinen Bewegungszustand ändern. Die eigene Kraft ökonomisch einzusetzen ("seiryoku-zenyo") heißt nun, diese Kraft so einzusetzen, dass der Gegner im Idealfall möglichst keinen in der Praxis einen so geringen (äußeren) Widerstand wie möglich entgegensetzen kann.
Kanos Lehre und moderne Sportwissenschaft passen ganz hervorragend zusammen....