Jigoro Kano und Judo bei Olympia
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Jigoro Kano und Judo bei Olympia
Hallo, gibt es eigentlich Erkenntnisse, wie Jigoro Kano zu Judo bei den Olympischen Spielen stand? Mir ist bekannt, dass er IOC-Mitglied war und die Olympischen Spiele für 1940 geholt hatte, aber das beantwortet die Frage ja höchstens sehr indirekt. In dem Zusammenhang würde mich auch interessieren, wie die Wahrnehmung (Leistungssport vs. Völkerverständigung) der Olympischen Spiele vor dem Kalten Krieg war.
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Re: Jigoro Kano und Judo bei Olympia
Hallo,
ich schreibe hierzu einige Punkte in meinem Buch. Die Vergabe der Olympischen Spiele an Japan für 1940 war ein ziemlicher Kraftakt. Die europäischen Länder waren nach den Spielen in Los Angeles (1932) nicht bereit, erneut eine so weite Reise auf sich zu nehmen. Dadurch wurden die Verhandlungen für Tokio äußerst schwierig. Es gab jedoch bei weitem auch andere Probleme. Letzten Endes wurden die Spiele dann doch an Japan vergeben, fanden aufgrund des Zweiten Weltkriegs jedoch nicht mehr statt.
Bereits 1936 gab es Pläne, Judo bei den Olympischen Spielen einzuführen. Diejenigen, die mein Buch gelesen haben, wissen hierzu bereits mehr.
Gruß
Yannick
ich schreibe hierzu einige Punkte in meinem Buch. Die Vergabe der Olympischen Spiele an Japan für 1940 war ein ziemlicher Kraftakt. Die europäischen Länder waren nach den Spielen in Los Angeles (1932) nicht bereit, erneut eine so weite Reise auf sich zu nehmen. Dadurch wurden die Verhandlungen für Tokio äußerst schwierig. Es gab jedoch bei weitem auch andere Probleme. Letzten Endes wurden die Spiele dann doch an Japan vergeben, fanden aufgrund des Zweiten Weltkriegs jedoch nicht mehr statt.
Bereits 1936 gab es Pläne, Judo bei den Olympischen Spielen einzuführen. Diejenigen, die mein Buch gelesen haben, wissen hierzu bereits mehr.
Gruß
Yannick
https://youtu.be/4xgx4k83zzc
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Was wir wissen, ist ein Tropfen, was wir nicht wissen, ein Ozean. (Sir Isaac Newton)
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Re: Jigoro Kano und Judo bei Olympia
Durchaus ein komplexes Thema.
Kano selbst äußert sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten in seinem Leben unterschiedlich zum Thema Judo bei Olympia. Seine vermutlich letzte Äußerung aus Kaizô, Heft 20, Nr 7 1938 ist: "Deshalb möchte ich auf jeden Fall, daß sich die Kampfkünste und der athletischen Disziplinen Hand in Hand entwickeln. Auch wenn beide verschieden sind, so ist ihr Ziel doch identisch: Die Stärkung der körperlichen Konstitution und das Stählen des Geistes. Deshalb halte ich es für gut, jûdo und kendô in die im Westen entstanden Olympischen Wettkämpfe aufzunehmen, und die Gesinnung des bushidô einfließen zu lassen." Was ja relativ klar für Judo bei Olympia spricht. Die Übersetzung ist aus Niehaus' Leben und Werk Kano Jigoros und Lance Gatling hat an anderer Stelle angemerkt, dass im japanischen Originaltext nicht von Olympia gesprochen wird.
Zwei Jahre früher hörte sich das noch anders an. In einem Brief an Gunji Koizumi in 1936, zitiert von Brousse, Michel and Matsumoto, David. Judo in the U.S.: A Century of Dedication. Berkeley, California: North Atlantic Books, 2005, p. 110 schreibt Kano:
"I have been asked by people of various sections as to the wisdom and the possibility of Judo being introduced at the Olympic Games. My view on the matter, at present, is rather passive. If it be the desire of other member countries, I have no objection. But I do not feel inclined to take any initiative.
For one thing, Judo in reality is not a mere sport or game. I regard it as a principle of life, art and science. In fact, it is a means for personal cultural attainment. Only one of the forms of Judo training, the so-called randori can be classed as a form of sport...
[In addition, the] Olympic Games are so strongly flavoured with nationalism that it is possible to be influenced by it and to develop Contest Judo as a retrograde form as Jujitsu was before the Kodokan was founded.
Judo should be as free as art and science from external influences – political, national, racial, financial or any other organised interest. And all things connected with it should be directed to its ultimate object, the benefit of humanity"
Wobei auch dieser Brief nicht unkritisch betrachtet wird. In 1936 wurde beschlossen, dass Tokio Austragungsort der Olympischen Spiele 1940 sein soll.
Und das sind nur 2 Aussagen innerhalb von 2 Jahren.
Kano selbst äußert sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten in seinem Leben unterschiedlich zum Thema Judo bei Olympia. Seine vermutlich letzte Äußerung aus Kaizô, Heft 20, Nr 7 1938 ist: "Deshalb möchte ich auf jeden Fall, daß sich die Kampfkünste und der athletischen Disziplinen Hand in Hand entwickeln. Auch wenn beide verschieden sind, so ist ihr Ziel doch identisch: Die Stärkung der körperlichen Konstitution und das Stählen des Geistes. Deshalb halte ich es für gut, jûdo und kendô in die im Westen entstanden Olympischen Wettkämpfe aufzunehmen, und die Gesinnung des bushidô einfließen zu lassen." Was ja relativ klar für Judo bei Olympia spricht. Die Übersetzung ist aus Niehaus' Leben und Werk Kano Jigoros und Lance Gatling hat an anderer Stelle angemerkt, dass im japanischen Originaltext nicht von Olympia gesprochen wird.
Zwei Jahre früher hörte sich das noch anders an. In einem Brief an Gunji Koizumi in 1936, zitiert von Brousse, Michel and Matsumoto, David. Judo in the U.S.: A Century of Dedication. Berkeley, California: North Atlantic Books, 2005, p. 110 schreibt Kano:
"I have been asked by people of various sections as to the wisdom and the possibility of Judo being introduced at the Olympic Games. My view on the matter, at present, is rather passive. If it be the desire of other member countries, I have no objection. But I do not feel inclined to take any initiative.
For one thing, Judo in reality is not a mere sport or game. I regard it as a principle of life, art and science. In fact, it is a means for personal cultural attainment. Only one of the forms of Judo training, the so-called randori can be classed as a form of sport...
[In addition, the] Olympic Games are so strongly flavoured with nationalism that it is possible to be influenced by it and to develop Contest Judo as a retrograde form as Jujitsu was before the Kodokan was founded.
Judo should be as free as art and science from external influences – political, national, racial, financial or any other organised interest. And all things connected with it should be directed to its ultimate object, the benefit of humanity"
Wobei auch dieser Brief nicht unkritisch betrachtet wird. In 1936 wurde beschlossen, dass Tokio Austragungsort der Olympischen Spiele 1940 sein soll.
Und das sind nur 2 Aussagen innerhalb von 2 Jahren.
Kano und (Judo bei) Olympia
Was soll man dazu heute eigentlich noch anmerken?
"Was ich sehe, das gefällt mir nicht. Mit meinem Judoverständnis hat das nichts zu tun. Wettbewerbe als freundschaftlicher, fairer Test meiner erreichten Fähigkeiten (die berühmten Kompetenzen, die Skills) JA, Olympische Spiele NEIN."
So in etwa!?
Wir wissen alle' das Judo auf dieser demonstrierten Ebene nicht das echte, das wahre Judo ist. Punkt.
"Was ich sehe, das gefällt mir nicht. Mit meinem Judoverständnis hat das nichts zu tun. Wettbewerbe als freundschaftlicher, fairer Test meiner erreichten Fähigkeiten (die berühmten Kompetenzen, die Skills) JA, Olympische Spiele NEIN."
So in etwa!?
Wir wissen alle' das Judo auf dieser demonstrierten Ebene nicht das echte, das wahre Judo ist. Punkt.
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Re: Jigoro Kano und Judo bei Olympia
Vielen Dank caeser, das finde ich sehr interessant. Danke auch an Yannick - deine Bücher werde ich definitiv lesen.
Der Zwiespalt ist anscheinend immer der gleiche: Man möchte ein "sich messen" ermöglichen, ohne dass es verbissen wird. Man möchte die Gesellschaft verbessern, ohne dass es politisch vereinnahmt wird.
Ich bringe diesen Teil mal in einen modernen Zusammenhang: Dies hört sich fast wie die Mär des IOC und der FIFA vom unpolitischen Sport an, auch wenn mir Kanos Argumentation (dass Judo gar nicht nur Sport sei) etwas anders ist.caesar hat geschrieben: ↑03.12.2024, 15:27 [...] Olympic Games are so strongly flavoured with nationalism [...]. Judo should be as free as art and science from external influences – political, national, racial, financial or any other organised interest. And all things connected with it should be directed to its ultimate object, the benefit of humanity.
Der Zwiespalt ist anscheinend immer der gleiche: Man möchte ein "sich messen" ermöglichen, ohne dass es verbissen wird. Man möchte die Gesellschaft verbessern, ohne dass es politisch vereinnahmt wird.
Re: Jigoro Kano und Judo bei Olympia
Ich glaube, so einfach kann man es sich hier nicht machen. Die Olympischen Spiele und IOC-Gründung haben ja einen anderen Hintergrund als die heutige Struktur. Auch galt der Amateurparagraph bis 1981, also auch lange nach Kanos Zeiten noch. Im entsprechenden Kontext muss man, denke auch, die Aussagen betrachten. Das ist etwas für die Historiker.Bodnus Carlsen hat geschrieben: ↑04.12.2024, 12:36 Dies hört sich fast wie die Mär des IOC und der FIFA vom unpolitischen Sport an, auch wenn mir Kanos Argumentation (dass Judo gar nicht nur Sport sei) etwas anders ist.
Auch wenn Lance Gatling zum Beispiel meint, dass die Aussage, Kano wollte Judo und Kendo bei den Olympischen Spielen dabei haben, so nicht im Original vorkommt, so sagt er auch, dass die Aussage im Grundgedanken Kano's Einstellung zu dieser Zeit widerspiegelt.
Kano schien also nicht gänzlich gegen Judo bei Olympia und er war definitiv sehr pro Olympia im Allgemeinen. Dass aber gerade auch er sehr verstrickt in die politischen und sportpolitischen Geschehen der Zeit war und sich gewissen Zwängen sicherlich auch beugen musste, sollte nicht außer acht gelassen werden