Die Judobundesliga stirbt

Hier geht es um die Wettkampforganisation und um Fragen zu den Wettkampfregeln
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caesar
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Die Judobundesliga stirbt

Beitrag von caesar »

Heute startet die neue Bundesligasaison bei den Männern wie auch bei den Frauen.

Bei den Männern hat sich der amtierende deutsche Meister aus Esslingen einfach abgemeldet, der Hauptsponsor ist mit den Athleten 30 Kilometer weiter gezogen und verstärkt jetzt Backnang. Dazu haben sich noch mehrere Mannschaften aus der Südstaffel abgemeldet, so dass jetzt in beiden Staffeln nur noch 7 Mannschaften am Start sind.

Viele Vereine berichteten zum Auftakt, dass sich die Bundesliga eigentlich nicht rechnen würde und gerade im Olympiajahr die Situation noch angespannter ist als sonst, da die Topathleten aus dem In- und Ausland nicht zur Verfügung stehen. Dazu hat der RB Leipzig des Judo, der Remscheider TV, noch fleißig in der ersten und zweiten deutschen Reihe gewildert und ist ein ernstzunehmender Kanditat für das Final Four.

Dass neue Mannschaften hochkommen und konkurrenzfähig sind, ist aber der seltenste Fall. Eigentlich melden sich nur jedes Jahr Traditionsmannschaften aus der Bundesliga ab. Es bleibt ein Interessenkonflikt zwischen DJB und einigen Mannschaften. Die Bundesliga bringt dem DJB nichts und so wie die Bundesliga ist, bringt sie den Vereinen nichts.

Bei den Frauen wurde die Zweite Liga schon eingegliedert und seit letztem Jahr kämpfen die Damen in 4 Staffeln um die Finalteilnahme. Um mindestens etwas Spannung vorgaukeln zu können wurden die 100km entfernten Speyer und Backnang, die den Titel unter sich ausmachen, in unterschiedliche Staffeln gepackt. Dieses Jahr zumindest nachvollziehbar beide im Süden. Letztes Jahr fand sich Speyer in der Staffel Nord-West wieder.

Die Judo-Bundesliga wird wohl weiter langsam ausbluten, sollte sich nichts ändern.
caesar
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Re: Die Judobundesliga stirbt

Beitrag von caesar »

Das Bundesligafinale ist vorbei.

Heute fand in Wiesbaden das Bundesligafinale der Männer und Frauen statt. Ich weiß nicht, wann es das letzte Mal, oder ob es überhaupt schon einmal, ein gemeinsames Bundesligafinale gab. Austragungsort war Wiesbaden, bei den Männern in der hessischen Oberliga vertreten, bei den Frauen in der Bundesliga zu den Playoffs qualifiziert, aber da gar nicht erst angereist. Die Abwesenheit einer antretenden Heimmannschaft schien auch dem Kartenverkauf nicht gut getan zu haben, bis zum Schluss wurde auf allen Wege die Werbetrommel geschwungen, um noch Zuschauer in die Halle zu bekommen. Vor Ort war der Unterrang dann zumindest ganz gut gefüllt und damit zumindest für die Damen eine ordentliche Zuschaueranzahl da. Ein Riesenandrang zum Doppelfinale gab es aber nicht. Edit: Laut offiziellen Zahlen waren 1400 Zuschauer vor Ort. So kann man sich täuschen, da war es doch gut besucht

Sportlich gab es im Halbfinale der Frauen wenig Überraschungen. Backnang und Speyer setzten sich erwartungsgemäß zweistellig durch. Allgemein ist bei den Frauen die Spannung bis zum Finale raus. Dort treffen sich Speyer und Backnang, einen dritten Platz holt Bottrop und die restlichen Teams streiten sich um die zweite Bronzemedaille. Bei der diesjährigen Staffelverteilung war diese für Teams aus dem Süden nicht zu erreichen. Vielleicht sollte man dort das Playoffformat überdenken und in den Playoffs zwischen Süd und Nord Playoffs alle zwei Jahre West und Ost Playoffs machen. Backnang und Speyer liegen zu nah beieinander, um diese sinnvoll zu trennen. Aufsteiger Hertha Walheim holte in ihrer Premierensaison direkt Bronze.

Bei den Männern setzten sich auch die Favoriten durch. Remscheid gewann überraschend deutlich gegen Abensberg, Backnang konnte nach knapper 4:3 Pausenführung in der Rückrunde noch einen drauflegen und gewann 9:5.

Das Finale der Frauen war dann schon nach der Hinrunde entschieden. Speyer führte 6:1 und fast wäre es sogar ein 7:0 geworden. Den Grundstein legte im ersten Kampf Marlene Galandi, die hochgesetzt die deutsche Olympiastarterin Renée Lucht nach fast 7 Minuten bezwingen konnte. Die erhoffte Spannung kam hier also nicht auf.

Bei den Männern, im Duell Geld gegen Geld, wie mancher scherzte, gab es diese dafür bis zum letzten Kampf. Nach ein paar Überraschungen, Levi Märkt schlägt Alexander Gabler, Losseni Kone schlägt Jur Spijkers, standen sich im letzten Kampf beim Stand von 7:6 für Remscheid Eduard Trippel und Fabian Kansy gegenüber. Mit einem schnellen Sieg für Trippel war die Begegnung entschieden und damit Remscheid zum ersten Mal deutscher Meister.

Getrübt wird der Sieg aus meiner Sicht durch eine kuriose, für mich unverständliche Situation. Im 11. Kampf des Finals sollte es zum Kampf Anthony Zingg gegen Schamil Dzavbatyrov kommen. Nur wurde zur Verwunderung alle die Jacke von Zingg nachgemessen und als zu klein attestiert. Hansokumake für Zingg, für eine Jacke, mit der schon 3 Kämpfe gemacht hatte, auch die Hinrundenbegegnung gegen Dzavbatyrov, die er mit Ippon gewann. Wenn die Jacke schon in der Hinrunde kontrolliert wurden wäre, wäre jetzt Backnang deutscher Meister. Das Finale ging 8:6 / 74:57 aus. Dreht man den Ippon-Sieg von Zingg aus der Hinrunde um und nimmt an, dass Dzavbatyrov den Ersatz mit Ippon geschlagen hätte, hätte es 7:7 64:67 gestanden am Ende. Damit Sieg Backnang statt Remscheid. Etwas übertrieben gesagt haben die Kampfrichter hier Remscheid zum deutschen Meister gemacht. Für mich unverständlich warum so etwas, wenn es denn getestet wird, erst 4 Kämpfe vor Ende der Veranstaltung passiert. Auch unverständlich, warum das Resultat aus der Hinrunde dann nicht revidiert werden kann. Er hatte ja klar in der gleichen Jacke gekämpft, die nicht den Regeln entsprochen hatte. Es ist ja kein KO-System und relativ einfach nachzuvollziehen. Insgesamt eine komische Geschichte. Auf Seiten Backnangs hatte sich aber niemand beschwert.

Der Livestream war einer Finalveranstaltung auch nicht würdig. Eine unbewegliche Kamera pro Matte, auch in den Finals, Ton des Kommentars wie aus der Dose, so dass man noch Privatgespräche besser gehört hat, keine Wiederholung, keine Zeitlupe, zumindest war das Bild stabil. Die Interviewecke war okay, der Stil ist Geschmackssache.
So ist die Bundesliga aber definitiv kein Premiumprodukt, wie sie im Judomagazin einmal angepriesen wurde. Vor Ort war die Resonanz nicht Premium und die technische Umsetzung im Stream lässt das auf jeden Fall auch nicht vermuten. Man fragt sich, warum die Chance vertan wird, oder ob diese überhaupt existiert, wenn man auf die Zuschauer vor Ort guckt. Die Region bietet eigentlich genug Judointeressierte (Frankfurt, Mainz, Rüsselsheim, Offenbach, Gießen, Karlsruhe, Koblenz, Bonn, Heidelberg sind alle in einem 90 Minuten Umkreis).

Der DJB wollte die Bundesliga nicht den Vereinen überlassen, weil er damit selbst etwas vorhat. Kann jemand erkennen was genau?

Der Patient atmet noch.
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nur_wazaari
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Re: Die Judobundesliga stirbt

Beitrag von nur_wazaari »

Danke für den Bericht, ich sehe viele Sachen genauso.

Die offiziellen Zahlen sind die des DJB, woanders war auch was von 1200 zu lesen, auch noch niedrigere Zahlen habe ich gesehen. Letztlich war die Halle nicht so voll, wie man sich das wohl erhofft hatte. Gleichzeitig liefen auch sportlich interessantere Judo-Veranstaltungen, gerade auch per Stream.

Sportlich ist die Judobundesliga mit Ausnahme einzelner Kampftage aus meiner Sicht gähnend langweilig. Die Entscheidung am grünen Tisch wegen eines angeblich zu kurzen Judogi ist symptomatisch - Professionalität sieht anders aus und weshalb es dann bei einer doch eher familiären Veranstaltung (jeder kennt jeden) ohne weitreichende sportliche Bedeutung nicht möglich sein soll, die Jacke halt zu wechseln, erschließt sich mir nicht. Wenn das wirklich eine Initiativentscheidung des Kampfgerichts gewesen ist, dann bestätigt das mein allgemeines Bild vom Selbstbild dieser Zunft leider und wundert mich so gar nicht.

Das Marketing des DJB für diese Veranstaltung ist mindestens albern, manche sagen auch schlicht (ent)täuschend. Es handelt sich bei den Ligakämpfen inklusive der Bundesliga im Wesentlichen um Amateurveranstaltungen, bei denen im glücklichen Einzelfall wenige sich in der Regel nicht zu Erkennen gebende Liebhaber Geld hineinstecken (von Investition kann man nicht sprechen). Man gaukelt hier seitens des DJB daher eine Identifikationsfähigkeit und ein Potenzial vor, die vor allem im angestrebten Ausmaß einfach nicht existieren. Das außerdem auf allen Kanälen sogar die gleichzeitig stattfindenden sportlichen Höhepunkte und Leistungen der Juniorinnen und Junioren davon überlagert wurden, setzt dem Ganzen die schiefe Krone auf.

Judo ist auch auf internationaler Ebene nur in Ausnahmefällen ein Zuschauermagnet. Bei vielen großen und kleinen Turnieren sitzen nur wenige nicht direkt Involvierte auf den Tribünen. Dass in einigen Ländern, in denen sich auch Judogroßveranstaltungen konzentrieren, die Kämpfe offenbar zu politischen Prestigezwecken genutzt werden (Japan und Frankreich ausgenommen!), trägt meiner Meinung nach zu dem Gesamteffekt bei. Ich hoffe mal, dass sich das Marketing des DJB nicht an diesen das wahre Potenzial verzerrenden Veranstaltungen orientiert...

Abgesehen davon bin ich der Meinung, dass der Ligabetrieb vom DJB schlicht sportlich und ggf. auch finanziell beaufsichtigt werden sollte und alles Weitere unbedingt in die Hand der Vereine gehört. Vielleicht könnte man die Bundesliga auch komplett auslagern, auch aus Wirtschaftlichkeitsgründen. Wie soll sonst sowas wie Wettbewerb jemals entstehen?

Der Patient atmet jedenfalls nicht von allein. Vielleicht sorgt die Nähe zu gewissen anderen Verbänden, die ebenfalls in der Otto-Fleck-Schneise sitzen, zu unrealistischen Träumereien...
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Re: Die Judobundesliga stirbt

Beitrag von caesar »

nur_wazaari hat geschrieben: 06.10.2024, 11:30 Die Entscheidung am grünen Tisch wegen eines angeblich zu kurzen Judogi ist symptomatisch - Professionalität sieht anders aus und weshalb es dann bei einer doch eher familiären Veranstaltung (jeder kennt jeden) ohne weitreichende sportliche Bedeutung nicht möglich sein soll, die Jacke halt zu wechseln, erschließt sich mir nicht. Wenn das wirklich eine Initiativentscheidung des Kampfgerichts gewesen ist, dann bestätigt das mein allgemeines Bild vom Selbstbild dieser Zunft leider und wundert mich so gar nicht.
Hier möchte ich klar wiedersprechen. Die Regeln sind da ja eindeutig, im Erwachsenenbereich darf die Jacke nicht mehr gewechselt werden. Stefan Bode hatte den Vorgang in der Halle am Mikrofon ja auch erklärt. Sie haben die Mannschaft darauf hingewiesen, sie haben der Mannschaft die Chance gegeben die Jacke nachzumessen und sie haben sich trotzdem für das Risiko entschieden. Warum Stefan Bode allerdings ins Hotel gehen musste um das Sokuteiki zu holen und das nicht direkt von Anfang an da ist, ist eine andere Frage. Auch, warum man es nicht schafft, die Jacken aller Kämpfer einfach vor dem Kampf einmal neben der Matte durchzumessen und abschließend warum der Kampfrichter erst auf der Jacke mit Augenmaß, dann mit Messgerät und dann noch einmal neben der Matte alle Kampfrichter mit Messgerät messen müssen. Der Vorgang war sehr sonderbar und wie gesagt, am Ende kampfentscheidend über den Titel Deutscher Meister.
In einem Punkt gebe ich dir aber recht, Professionalität sieht anders aus.
nur_wazaari hat geschrieben: 06.10.2024, 11:30 Das Marketing des DJB für diese Veranstaltung ist mindestens albern, manche sagen auch schlicht (ent)täuschend. Es handelt sich bei den Ligakämpfen inklusive der Bundesliga im Wesentlichen um Amateurveranstaltungen, bei denen im glücklichen Einzelfall wenige sich in der Regel nicht zu Erkennen gebende Liebhaber Geld hineinstecken (von Investition kann man nicht sprechen). Man gaukelt hier seitens des DJB daher eine Identifikationsfähigkeit und ein Potenzial vor, die vor allem im angestrebten Ausmaß einfach nicht existieren.
Ich denke, die Bundesliga hat großes Marketingpotenzial, aber eben nicht für den DJB, sondern nur für die Vereine. Die können darüber Sponsoren einwerben und ich glaube sehr aktiv Werbung für Neumitglieder machen. Die Vereine nutzen das nur nicht genug aus meiner Sicht, vielleicht auch, weil die Vorgaben vom DJB da eingeschränkt sind. Es hat ja nicht einmal jeder Verein einen Livestream vom Heimkampftag. So wie der DJB das zum Finale gemacht hat, eine unbewegliche Kamera mit eingeblendeter Anzeige, die ja eh mitläuft, sollte das eigentlich jeder Verein hinbekommen. Der DJB kann aus meiner Sicht nur sekundär profitieren (mehr Mitglieder, länger dabei, mehr verkaufte Jahressichtmarken und Wettkampflizenzen). Daher glaube ich auch, dass
nur_wazaari hat geschrieben: 06.10.2024, 11:30 Abgesehen davon bin ich der Meinung, dass der Ligabetrieb vom DJB schlicht sportlich und ggf. auch finanziell beaufsichtigt werden sollte und alles Weitere unbedingt in die Hand der Vereine gehört. Vielleicht könnte man die Bundesliga auch komplett auslagern, auch aus Wirtschaftlichkeitsgründen.
die richtige Idee ist. Allerdings gab es diesen Vorstoß einiger Vereine, zu Zeiten wo der TSV Abensberg noch stärker war, schon einmal und dieser ist relativ krachend gescheitert. Der DJB möchte nichts abgeben, die Vereine nicht geschlossen die Revolution. Es wird so bleiben wie es ist.

Judo ist kein Zuschauersport, es ist ein Sport für Leute die diesen betreiben. Bei solchen Veranstaltungen muss man es schaffen, die Leute von der Matte in die Halle auf die Zuschauertribüne zu bekommen. In Düsseldorf zum Grand Prix / Grand Slam hat das immer gut funktioniert, die Ränge waren gefüllt. Die Halle in Wiesbaden war jetzt nicht leer und 1400 Zuschauer klingt auch nach einem der besser besuchten Bundesligafinals (das meiste was ich mitbekommen habe waren knapp 2000). Rein von der Außenwahrnehmung war der DJB mit dem Kartenverkauf aber nicht zufrieden. Ich kenne die Streamzahlen logischerweise nicht, mit der Qualität kann man aber nicht zufrieden sein.

Mal schauen, welche Mannschaften nächstes Jahr noch in der Bundesliga sind und wer sich abmeldet.
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