IJF-Regeln ab 01.01.2018

Hier geht es um die Wettkampforganisation und um Fragen zu den Wettkampfregeln
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Fritz
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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von Fritz »

tutor! hat geschrieben: 15.01.2018, 11:59Bitte lies, was ich schreibe
Das habe ich ...
tutor! hat geschrieben: 15.01.2018, 11:59Ich schrieb ausdrücklich, dass es KEIN gutes Argument gegen ein Verbot sei, dass man eine Technik schon ein oder mehrmals ohne Verletzungsfolgen gemacht hat.
Genauso ist es aber auch andersrum, gelegentliche Verletzungsfolgen sind für sich allein betrachtet, erstmal KEIN gutes Argument FÜR Verbote.
tutor! hat geschrieben: 15.01.2018, 11:59Hätte man sie früher verboten, hätte ich auch dieses Kreuzband nicht durchgetreten. Vermisst hätte ich auch nichts - später habe ich ja bis zum Verbot dieser Technik diese nicht mehr angewendet.
Ja und wäre Technik XYZ verboten, wäre diesem oder jenem, die eine oder andere Verletzung erspart geblieben und dieser oder
jene hätte XYZ dann auch freiwillig nicht mehr angewendet.
tutor! hat geschrieben: 15.01.2018, 11:59Und ja, wenn eine Technik ein hohes Verletzungspotential enthält, dann muss man sie als Randori-/Wettkampf-Technik verbieten. Das hat Kano schon zu Lebzeiten gemacht, sodass wir dies sogar aus der historischen Perspektive begründen können.
Richtig, nur was heißt hier "hoch", wie ist "hoch" definiert? Was Kano verboten hat, ist seine Sache, er hats schließlich erfunden, das Judo.
Was die Leute machen, welche Kanos Erbe bewahren sollten, ist eine ganze andere Geschichte ...
Und da vermisse ich
a) belegbare Statistiken darüber, welche Verletzungen hoch im Vergleich zu andern sind,
b) eine Diskussion/Abstimmung darüber, welche absolute oder relative Verletzungszahlen und -schwere man in einem Kampfsport bereit ist, zu akzeptieren.
c) die Erörterung/Tests inwieweit es jenseits kompletten Technikverboten andere Möglichkeiten zur Senkung der Verletzungszahl gibt.

Der Knackpunkt ist b):
Wenn wir immer die Technik verbieten, welche die meisten Verletzungen generiert, stehen wir am Ende ohne Techniken mehr da, selbst
"Wattebäuschenwerfen" wird verboten werden müssen, da vielleicht einer sich beim Werfen den Arm zerrt oder jemand aus Versehen das Bällchen einatmet oder ins Auge bekommt ...
tutor! hat geschrieben: 15.01.2018, 11:59nur Du verdrehst es bis zur Unkenntlichkeit, anstatt dich mit dem auseinanderzusetzen, was ich tatsächlich geschrieben habe.
Was ich geschrieben habe, ist das Ergebnis einer Auseinandersetzung mit dem von Dir Geschriebenen.
In dieser Auseinandersetzung habe ich versucht, die Sache etwas zu abstrahieren und eine Extrapolation/Grenzwert-Betrachtung anzustellen,
um den grundlegenden Denkfehler / Unsinnigkeit bzgl. dieser ständigen Verbieterei aufzuzeigen ...

Wenn Du das "Verdrehung bis zur Unkenntlichkeit" ansiehst, dann liegt es m.E. eher nicht an meiner Auseinandersetzung ...

Ich gebe zu, es fällt uns Deutschen in der Regel sehr schwer, Eigenverantwortung u. Risiken zu akzeptieren,
wie leicht geht doch der Spruch "Das müßte doch verboten sein" über die Lippen und zu gern achten wir sehr penibel darauf,
daß unsere Nächsten sich exakt an all die Verbote, Vorschriften, Gesetze, Verordnungen, Regeln usw. usf. halten - auch wenn
wir selbst gar keinen Sinn in den jeweiligen "Anweisungen" sehen und uns nur nicht trauen, selbst dagegen zu verstoßen ...
(Ich bin übrigens auch gegen ein Tempo-Limit von X km/h auf Autobahnen -
eben aus dem Grund weil alle (durchaus berechtigt klingenden bisherigen) Argumente auch für ein
Tempo-Limit (X-n) km/h gelten würden... ;-) )
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben: 15.01.2018, 15:30
tutor! hat geschrieben: 15.01.2018, 11:59Bitte lies, was ich schreibe
Das habe ich ...
tutor! hat geschrieben: 15.01.2018, 11:59Ich schrieb ausdrücklich, dass es KEIN gutes Argument gegen ein Verbot sei, dass man eine Technik schon ein oder mehrmals ohne Verletzungsfolgen gemacht hat.
Genauso ist es aber auch andersrum, gelegentliche Verletzungsfolgen sind für sich allein betrachtet, erstmal KEIN gutes Argument FÜR Verbote.
Hab ich doch auch nirgendwo geschrieben...
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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von Jupp »

Auch noch einige Anmerkungen aus meiner sehr persönlichen, individuellen Sicht:

1. Jeder, der z.B. Kani-basami noch als gültige Wettkampftechnik erlebt hat und als Trainer am Mattenrand stehend ohnmächtig Verletzungen seiner Athleten hat kommen sehen und wahrnehmen müssen, ist froh gewesen, als diese äußerst gefährliche Technik aus den Gründerjahren des Judo endlich im modernen Wettkampfsport verboten wurde. Das gilt z.B. auch für Waki-gatame im Übergang zum Boden oder Koshi-guruma bei den Kids unter 12 Jahren.

2. Die ganz neuen Regeln, im Übergang vom Stand zum Boden Armhebel und Würgegriffe zu verbieten, ist etwas, was man durchaus kontrovers diskutieren kann. Vor allem wenn man ein Liebhaber spektakulärer Bodenarbeit ist, zu denen ich mich auch zähle. Auch ich sehe die Gefahr, dass es nun ständig Diskussionen geben wird, wann denn nun der Übergang ZUM Boden beendet ist und der eigentlich Kampf AM Boden beginnen darf. In Paris und Düsseldorf werde ich Gelegenheit haben, mit erfahrenen Kampfrichtern oder aber auch mit Adams und Gamba darüber zu sprechen, wie dies denn nun in Zukunft aussehen soll und werde es in den Kämpfen ja auch sehen, wie es umgesetzt wird. Ich kann es mir derzeit zwar vorstellen, bin aber unsicher.

Aber: wer alleine auf Facebook verfolgt hat, wie viele ziemlich ernsthafte Verletzungen z.B. aus "eingesprungenen Armhebeln" entstanden sind, gegen die sich Uke NICHT wehren konnte, die er NICHT verhindern konnte, der kann ein solches Verbot durchaus nachvollziehen. Das Verbot von Waki-gatame im Übergang war ein richtiger Ansatz, der nun - nicht nur gedanklich - durchaus logisch weitergeführt wurde. Eine wirklich einschneidende Beschränkung in der Technikanwendung sehe ich derzeit durch dieses Verbot nicht.

3. Verbote, die Verletzungsgefahren mindern sollen, die sich durch die moderne Weiterentwicklung des Judo ergeben haben, halte ich für richtig und sinnvoll. Andere sieht es mit Verboten aus, die eher eine philosophische Begründung haben, wie z.B. "besserer Kampfstil/Haltung/Offensivgeist" usw. (wie z.B. in der Diskussion um die IKKZ). Solche Verbote müssen a) intensiv diskutiert werden und b) ausreichend und auf einer breiten Basis erprobt werden, ob denn auch die gedachten Ziele sich tatsächlich in der Praxis nachweisen lassen - oft sind nämlich die Wettkämpfer und deren Trainer phantasiebegabter, als es sich die "Entwickler der Verbote" haben vorstellen können.

Kurz gesagt: "Schau´n mer mal!" (wo der Kaiser Recht hat, da hat er Recht - auch wenn ihn derzeit viele nicht mehr hören und sehen wollen...)

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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von tutor! »

Im Fall von Armhebeln im Stand, bzw. vom Stand in den Boden gibt es noch ein weiteres Argument, nämlich die Klarheit der Entscheidung und die Vermeidung von Fehlentscheidungen. Seitdem es das Care-System gibt, gibt es natürlich auch Erkenntnisse darüber, welche Art von Situationen besonders kritisch sind und bei welchen Situationen es besonders viele Fehlentscheidungen gibt. Regel müssen aber - sodern sie ihre Zweck erfüllen sollen - auch so gestaltet sein, dass Situationen auch entscheidbar sind.

Im Falle der Armhebel vom Stand in den Boden lässt sich jedoch kaum entscheiden, ob er
- korrekt angesetzt und mit der geboteten Sorgfalt zur Verletzungsvermeidung durchgeführt wurde,
- unter Inkaufnahme einer Verletzung durchgeführt wurde
- mit der Absicht durchgeführt wurde, den Gegner zu verletzen

Ein und dieselbe Aktion kann daher Ippon sein oder eben auch eine grobe Unsportlichkeit, die mit einer Disqualifikation zu bestrafen ist.
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Fritz
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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von Fritz »

tutor! hat geschrieben: 16.01.2018, 13:18Ein und dieselbe Aktion kann daher Ippon sein oder eben auch eine grobe Unsportlichkeit, die mit einer Disqualifikation zu bestrafen ist.
Ja das ist richtig, aber gerade heutzutage mit dem Video-System sollte es für die KaRis doch deutlich leichter geworden sein hier zu entscheiden.
Und der Vorteil wäre - die Athleten wären angehalten, bei ihren Techniken darüber zu reflektieren, inwieweit ihre Technik-Ausführung noch sportlich fair ist oder nicht.
Durchs Wegnehmen dieser Eigenverantwortung geht m.E. ein wichtiges Element des Judo verloren.
Technik verboten, abgehakt, wird also volle Kanne u. rücksichtslos in das nächste Ding reingezimmert - solange es erlaubt ist natürlich nur ...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Verletzung(sGefahr)

Beitrag von HBt. »

Eigenverantwortung und Sorgfaltspflicht ( = Rücksicht, Weitsicht, Einsicht ---> Vernunft ... Reife ...)
beginnen schon beim TECHNIKERWERBSTRAINING.

Dies ist nur ein schneller Gedanke am Rande,

HBt.
(PS es tut mir beinahe schon Leid, doch im muss mich den Argumentationen von Jupp & tutor! anschließen - ich sehe das genau so.)

Nachtrag:
Durchs Wegnehmen dieser Eigenverantwortung geht m.E. ein wichtiges Element des Judo verloren.
Damit hast Du recht "Fritz".
Was willst Du mit den Menschen tun, die rücksichtslos und verantwortungsfrei handeln??? Eine Beantwortung dieser Frage (aus meiner Sicht) spare ich mir.

Regeln müssen eingehalten werden
und Verstöße müssen angepasst geahndet werden - möglichst sofort.
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Uwe 23
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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von Uwe 23 »

tutor! hat geschrieben: 16.01.2018, 13:18 (...)
Ein und dieselbe Aktion kann daher Ippon sein oder eben auch eine grobe Unsportlichkeit, die mit einer Disqualifikation zu bestrafen ist.
Das war auch ein Argument der IJF, dem kann ich sehr gut folgen.

Eine problematische Sache war hier auch schon angeklungen:
Beim Übergang vom Boden zum Stand, also in diesen Situationen meist, wenn Uke versucht, dem Hebel oder Würger durch Aufstehen zu entkommen, muss eine neue Grenze gezogen werden, ab wann hier der Kampfrichter unterbrechen muss.
Da waren sich die Herren der IJF in Mitersil leider noch nicht so einig, wo die liegt, ich hoffe, dazu kommen noch Klarstellungen.

Erschwerend kommt zu diesem Umstand noch hinzu - was ich noch gar nicht erwähnt hatte - es gibt eine weitere Neuerung:
Es soll nun vermehrt der Übergang vom Boden zum Stand zugelassen werden. Also wenn einer aus dem Boden aufsteht, soll es möglich sein, den am Boden befindlichen Gegner bewertbar zu werfen.
Wie genau das in der Praxis umgesetzt wird, muss sich aber auch noch zeigen.
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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von caesar »

https://www.ijf.org/news/show/amended-rules

besonders 2. "When fighting in Ne-waza and there is not a dangerous situation or not any reason to give Mate the contest will continue, even if one of the players does not stand up he can be thrown and the action will be considered valid for scoring purposes if there is an immediate attack. If the player who is in Ne-waza grabs the leg he will be penalised with Shido."
wird zu guten Problemen führen. Einfach immer aufstehen und einen Uchi-mata oder ähnliches ansetzen, der andere wird schon mit dem Arm an Bein kommen und Shido sammeln.

Die neuen Regeln sehe ich insgesamt als riesigen Rückschritt im Vergleich zum Vorjahr. Einzig die Änderung, dass Beingreifer nur noch Shido sind, finde ich gut. Der ganze Rest, so wie auf den Lehrgängen vorgestellt, ist :BangHead .
Judo nach dem auszurichten, was man glaubt, was die Zuschauer sehen wollen, kann nichts Gutes sein.
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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von Uwe 23 »

DJB-Veröffentlichung der neuen Regeln:

http://assets.judobund.de/public/upload ... 701cc0ca09
caesar
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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von caesar »

Wieder mit einigen Tippfehlern, liest das niemand gegen vor der Veröffentlichung?

Die Situationen Tachi-waza/Ne-waza sind nicht logisch und werden hoffentlich noch einmal geändert. Ich warte auf den ersten, der von unten so etwas macht und sich dann gefragt wird, ob das eine Wertung ist oder nicht.

Eine positive Sache hatte ich bei den neuen Regeln doch tatsächlich vergessen, eigentlich schwer bei den wenigen Punkten, aber der doppelte Hansoku-make ist auch positiv zu betrachten.
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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von Uwe 23 »

caesar hat geschrieben: 18.01.2018, 22:09 https://www.ijf.org/news/show/amended-rules

besonders 2. "When fighting in Ne-waza and there is not a dangerous situation or not any reason to give Mate the contest will continue, even if one of the players does not stand up he can be thrown and the action will be considered valid for scoring purposes if there is an immediate attack. If the player who is in Ne-waza grabs the leg he will be penalised with Shido."
wird zu guten Problemen führen. Einfach immer aufstehen und einen Uchi-mata oder ähnliches ansetzen, der andere wird schon mit dem Arm an Bein kommen und Shido sammeln.
Was dabei noch fehlt ist: Wenn der Kämpfer, der im Boden bleibt, das Bein schon gegriffen hatte, bevor der andere aufgestanden ist, dann wird Mate gegeben.
Da kann dann auch Taktik werden, dass man schnell nach dem Bein greift, bevor der andere steht.

Daraus können sich sehr schwierige Situationen entwickeln. Ich bin mal gespannt.
caesar hat geschrieben: 19.01.2018, 13:04Eine positive Sache hatte ich bei den neuen Regeln doch tatsächlich vergessen, eigentlich schwer bei den wenigen Punkten, aber der doppelte Hansokumake ist auch positiv zu betrachten.
Finde ich auch positiv, auch wenn das zum Glück nur selten zur Anwendung kommen wird.

Was in der Veröffentlichung noch fehlt, ist die Anwendung im DJB. Bei einem doppelten Hansoku-make ohne Turnierausschluss muss man dann ja gucken, wie die beiden Verlierer in die Trostrunde gesetzt werden, oder welche Platzierung sie dann bekommen.
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Fritz
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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von Fritz »

Nach allem was man so liest, habe ich den Eindruck, daß die IJF-Regelbastler ganz erschrocken gewesen sein müssen, daß völlig atypisch bei der
Regeländerung zuvor (Griffe zulassen, kein Waza-Ari-Awasete mehr) usw.usf. doch so einiges halbwegs brauchbar war.
Und deshalb haben sie wohl diesmal den inneren Drang verspürt, ausgesprochen viel sinnfreien Murks zu fabrizieren, damit am Ende
der Durchschnitt wieder stimmt ... :-(
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von caesar »

Der DJB veröffentlicht dieses Jahr schneller die Anpassung der Jugendsonderregeln. Sehr schön.
http://www.judobund.de/aktuelles/detail ... gend-2837/
Es gibt nur 3 Bestrafungen. Bestrafungen können den Kampf nicht entscheiden, außer bei 3 x Shido = Hansoku-make oder direktem Hansoku-make. Der Griff um den Nacken, das Aufsetzen auf den Knien beim Wurf und Abtauchtechniken werden beim ersten Mal belehrt und erst beim zweiten Mal bestraft (technische Vergehen). Alle anderen Vergehen werden sofort bestraft (taktische Vergehen).

Bei den Altersklassen unter U 15 (U13/11/9) zählt Tani-otoshi oder ähnliche Kontertechniken nach hinten ebenfalls als technisches Vergehen.

Unter der Altersklasse U 15 (Außnahme Jugendpokal) wird das Schließen der Beine beim Sankaku-gatame mit Mate unterbrochen.
Strafenangleichung macht es Veranstaltern mit mehrern Altersklassen an einem Tag leichter, finde ich gut. Drei Shido sollten im Jugendbereich sowieso die absolute Ausnahme sein.
Unterscheidung zwischen technischen Vergehen und taktischen Vergehen finde ich in Ordnung, würde mir da aber selbst etwas anderes wünschen.
Sankaku-gatame unterbrechen finde ich nicht gut, sollen die Kinder doch einfach effektiven Bodenkampf mit Verteidigung lernen, anstatt da wieder unrealistisch geschont zu werden.
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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von nur_wazaari »

Nach allem was man so liest, habe ich den Eindruck, daß die IJF-Regelbastler ganz erschrocken gewesen sein müssen, daß völlig atypisch bei der
Regeländerung zuvor (Griffe zulassen, kein Waza-Ari-Awasete mehr) usw.usf. doch so einiges halbwegs brauchbar war.
Und deshalb haben sie wohl diesmal den inneren Drang verspürt, ausgesprochen viel sinnfreien Murks zu fabrizieren, damit am Ende
der Durchschnitt wieder stimmt ...
Das ist ja nun ironisch gemeint oder? :winken
Spaß muss sein, sehr wichtig ist das. Auf dem Kampfrichterseminar, welches ich zuletzt in diesem Jahr besuchen durfte und musste, drängte sich mir allerdings der Eindruck auf, als würde das Schiedsen den meisten Karis
immer mehr verleidet werden. Ich weiß nicht, ob ich manchmal etwas überempfindlich auf Schwingungen reagiere; aber mit kommt es so vor als würde der von oben durchgegebene Anpassungs- und Umsetzungsdruck
an die unteren Ebenen weiteregegeben werden. Dabei sind es nicht die Änderungen an sich und auch nicht die Schwierigkeiten des Umsetzens an sich.

Vielmehr haben mich die Art und Weise des Umgangs mit dem "dynamischen" Regelwerk, insbesondere hinsichtlich der nun wirklich durchaus streitwürdigen (weil ziemlich restriktiven) Jugendregeln doch nachdenklich gestimmt.
Es ist schon klar, dass es bzgl. der praktischen Umsetzung nach erfolgten Beschlüssen der Regeln etc. nichts bringt, sich nun immer zu über deren teilweisen Unsinn auszulassen. Letztlich gelten die Regeln für alle.
Jedoch ist das bloße Abwürgen etwaiger Nachfragen meiner Meinung nach auch nicht der richtige Weg - und doch der Verständliche. Denn die Multiplikatoren scheinen eben in Erklärungsnot zu sein - weil es die Herren (richtig, kaum Damen) auf höchster Ebene selbst sind. Ich finde - und das ist ein hartes, wenn auch vorläufiges Urteil - sie wirken sehr ratlos.

Für mich und viele andere vom sportlichen Inhalt her Denkenden ist es nicht nachvollziehbar, welchen Zweck die Regeln im Einzelnen-, welchen Zusammenhang sie im Zusammenspiel miteinander und welchen positiven Effekt genau jene auf das Judo haben sollen. Es scheint den Verlautbarungen der Obmänner/Multiplikatoren und auch nach tlw. Sichtung der Seminar-Videos ein Regelwerk erstellt zu werden, was möglichst jede Einzelsituation berücksichtigt. Das ist aber wohl kaum realistisch umsetzbar. Die totale Kontrollierbarkeit scheint angestrebt zu werden (mag überspitzt sein, ok). Das Ergebnis größerer technisch-taktischer Restirktivität sind eingeschränkte Freiheiten bei der Ausübung von Judo, bishin zur Vereinheitlichung zu einem einzigen, noch regelkonformen Judo-Stil. Selbstverständlich nur im Hinblick auf IJF- und DJB-Veranstaltungen. Aber nun tummeln sich die meisten Judoka mehr oder weniger dort.

Das Hauptargument der Schaffenden und Herausgebenden ist immer noch die angeblich größere Akttraktivität für die Zuschauer. Das bedeutet, dass nicht in erster Linie versucht wird den Sport technisch zu fördern, also offen zu halten. Man glaubt lediglich eine Linie gefunden haben, die sich finanziell und öffentlichkeitswirksam am Besten vermarkten lässt. Diese Linie wird von den Sportlern, Aktiven, Trainern und Kampfrichtern (ich formuliere tatsächlich pauschal) so nicht geteilt; nicht zuletzt, weil die ständigen Änderungen genau genommener eine rote Schlangenlinie darstellen und keiner beruhigenden Konstanz unterliegen.

Auf Abstraktes sollte meinerseits Konkretes folgen. Dabei weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll...die meisten Dinge wurden ja schon verlautbart und hier besprochen. Aktuell besonders fragwürdig finde ich tatsächlich die völligen Ausführungsverbote von Würgen und Hebeln im Stand. Das konnte auf dem Seminar niemand allein mit bloßer Verletzungsgefährlichkeit plausibel begründen, ebenso wenig wie das Strecken des Beines beim Würgen. Daneben finde ich, wie schon angesprochen wurde, die Addierung der Waza-ari nicht besonders glücklich. Mir ist nach dem letzten Kari-LG klar, dass tatsächlich zwei sehr kleine technisch bewertbare Erfolge nun zum Sieg führen können. Oder schon eine bessere, gerollte Technik den vorzeitigen Sieg bringt. Die Griffvielfalt ist daneben und faktisch merklich eingeschränkt.

Genug herumgeseiert, nun kann ich mir ein technisch-taktisches Konzept ausdenken, welches die Änderungen berücksichtigt und möglichst wenig anfällig a) für kleine Wertungen-, b) für Strafen ist und c) in der Summe auch noch möglichst angriffsbasiert ist. Es fallen dabei viele Techniken und taktische Varianten in der Kumi-kata und auch ganzheitlich in der Kampfstrategie (es gibt m.M.n. einen großen Unterschied zwischen Strategie und Technik-Taktik) weg, welche ich einst erlernen durfte. Positiv ist dabei, dass man judo-gedanklich beweglich und kreativ bleiben muss.
.
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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von Fritz »

nur_wazaari hat geschrieben: 06.02.2018, 18:28 Das ist ja nun ironisch gemeint oder?
Sarkastisch dann schon eher ...
nur_wazaari hat geschrieben: 06.02.2018, 18:28 Man glaubt lediglich eine Linie gefunden haben, die sich finanziell und öffentlichkeitswirksam am Besten vermarkten lässt.
Tja und irgendwie habe ich den Eindruck, daß sich beim normalen Vereinsjudoka finanziell in der letzten Zeit durch
die Regeländerungen nichts verbessert hat, im Gegenteil, bunte Anzüge, Rückenschilder, Lizenzen schlagen zu Buche ;-)

Es wird dringend nötig, daß wir die IJF-Regeln als das ansehen, was sie sein sollten: Ein Regelsatz für international agierende
Profi-Sportler und deren Vermarkter.

Es hindert eigentlich doch keinen daran, im nationalen u. Freizeitbereich einen oder mehrere sinnvolle, die technische Vielfalt nur möglichst
geringfügig beschneidende Regelsätze zu nutzen. Und da kann die Attraktivität fürs nichtvorhandene Laien-(Fernseh)-Publikum
durchaus mal zweitrangig sein. Insgesamt wäre es aber für die Aktiven sicherlich abwechslungsreich, mit unterschiedlichen
Regelsätzen zu arbeiten, baut auch dem Drang von Taktiererei im Grenzbereich der Regelauslegungen etwas vor.
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von caesar »

Fritz hat geschrieben: 06.02.2018, 23:51 Es hindert eigentlich doch keinen daran, im nationalen u. Freizeitbereich einen oder mehrere sinnvolle, die technische Vielfalt nur möglichst
geringfügig beschneidende Regelsätze zu nutzen
Interessanterweise geht die Fédération Française de Judo genau diesen Weg. Gestern war auf deren Website zu lesen
FFjudo hat geschrieben:Les nouvelles règles d'arbitrage de la Fédération Internationale de Judo seront appliquées au niveau national sur toutes les compétitions de la filière de haut niveau.
https://www.ffjudo.com/actualite/nouvel ... le-de-judo

Diese Meldung macht erst einmal nur stutzig, denn eigentlich ist das ja klar, dass die Regeln für die Wettkämpfe auf hohem Niveau angewendet werden.
In der L'Esprit du Judo findet man einen Artikel vom 05.02.2018
L'Esprit du Judo hat geschrieben:
L'information est d'importance, alors que les dernières modifications arbitrales, effectives depuis le 1er janvier 2018, ont soulevé de nombreuses protestations au sein du judo français.
Cet après-midi, la direction technique nationale envoyait un mail aux ligues, comités départementaux, encadrements techniques ainsi qu'à la commission nationale d'arbitrage pour les informer que "les règles d’arbitrages émises par la Fédération Internationale de judo fin 2017, amendées début 2018, ne correspondent pas à l’image du judo de notre fédération".
Ainsi une majorité des modifications officialisées lors du séminaire d'arbitrage à Mittersill (Autriche) ne s'appliqueront dorénavant plus lors des compétitions nationales françaises comme indiqué ci-dessous. Mais le waza-ari/awasete-ippon et l'obligation d'une valeur (ou d'un troisième shido) lors du golden score seront eux toujours valables.

Joint au téléphone en fin de journée, Jean-Claude Senaud revient sur cette décision : "nous en avons discuté lors d'une réunion de la direction technique. Pour nous, ces règles ne sont pas des évolutions positives. Par exemple, sur le fait de marquer waza-ari en tombant sur les coudes ou les mains. Une décision prise comme réponse au fait que les combattants étaient prêts à mettre coude ou main pour ne pas tomber sur le dos et donc à se blesser. Or, en France, il y a très rarement ce genre de blessure. Et puis surtout, il y en a assez de ces changements permanents. Est-ce que le football change ses règles tous les ans ? Depuis début janvier, on entend beaucoup de mécontentements au sein du judo français, en particulier chez les professeurs."

Une prise de position loin d'être anodine en forme de signal "Stop" à la fédération internationale de judo.
http://www.lespritdujudo.com/actualites ... -en-france
Hervorhebung von mir.

Frankreich als zweitgrößter Judonation setzt ein erstes Zeichen gegen die Entwicklung der IJF, welche das allerdings wenig interessieren wird. Dass Deutschland diesen Schritt nicht geht, nachdem man unter fragwürdigen Umständen einen Grand Slam bekommen hat und daher sicherlich nicht in Ungnade fallen möchte, ist aber auch verständlich.
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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von Uwe 23 »

caesar hat geschrieben: 07.02.2018, 08:17 Interessanterweise geht die Fédération Française de Judo genau diesen Weg. Gestern war auf deren Website zu lesen
FFjudo hat geschrieben:Les nouvelles règles d'arbitrage de la Fédération Internationale de Judo seront appliquées au niveau national sur toutes les compétitions de la filière de haut niveau.
https://www.ffjudo.com/actualite/nouvel ... le-de-judo

Diese Meldung macht erst einmal nur stutzig, denn eigentlich ist das ja klar, dass die Regeln für die Wettkämpfe auf hohem Niveau angewendet werden.
In der L'Esprit du Judo findet man einen Artikel vom 05.02.2018
L'Esprit du Judo hat geschrieben: L'information est d'importance, (...) internationale de judo.
http://www.lespritdujudo.com/actualites ... -en-france
Hervorhebung von mir.
Bitte um Übersetzung. Englisch ist ja ok, ist inzwischen als Allgemeinbildung zu bezeichnen, aber bei Französisch ist der Kreis doch deutlich kleiner, der es ausreichend beherrscht.
caesar hat geschrieben: 07.02.2018, 08:17 Dass Deutschland diesen Schritt nicht geht, nachdem man unter fragwürdigen Umständen einen Grand Slam bekommen hat und daher sicherlich nicht in Ungnade fallen möchte, ist aber auch verständlich.
Welche Umstände? So etwas sollte man hier doch besser weg lassen, wenn da nichts Konkretes gibt. Und selbst dann arten solche Diskussionen hier leider oft aus und werden dann vom Admin gestoppt.
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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von nur_wazaari »

Sarkastisch dann schon eher ...
Dann eben so :D
Tja und irgendwie habe ich den Eindruck, daß sich beim normalen Vereinsjudoka finanziell in der letzten Zeit durch
die Regeländerungen nichts verbessert hat, im Gegenteil, bunte Anzüge, Rückenschilder, Lizenzen schlagen zu Buche
Die finanzielle Belastung ist schon recht hoch, das stimmt. Gerade im Leistungssportbereich kann man zufrieden sein, wenn man zumindest die Ausrüstung
über welchen Weg auch immer nicht selbst bezahlen muss. Oft genug aber müssen selbst schon etablierte Leistungskader hohe persönliche-, nicht zuletzt
finanzielle Einsätze bringen, um ihrem Hobby nachzukommen und sogar wichtige Wettkampfeinsätze mitfinanzieren. Im internationalen Vergleich ist das gerade auf europäischer Ebene wohl auf Dauer so nicht konkurrenzfähig. Breitensportler brauchen immerhin nicht jedes Jahr einen neuen Judogi. Ich finde, dass die Kosten für Sichtmarke, Wettkampflizenz und Vereinsbeitrag zumindest einigermaßen noch die Funktionen / den Nutzen rechtfertigen. Die Turnierkosten sind allerdings schon ziemlich gestiegen. War jetzt ein bisschen off topic, sorry.
Es hindert eigentlich doch keinen daran, im nationalen u. Freizeitbereich einen oder mehrere sinnvolle, die technische Vielfalt nur möglichst
geringfügig beschneidende Regelsätze zu nutzen.
Nein, in der Theorie wird wohl niemand gehindert. Allerdings möchte man die allgemeine Verwirrung nicht noch größer gestalten, indem auf jeder Ebene andere
Regelwerke herrschen (von Jugendregeln mal abgesehen). Das ist zum einen verständlich, zum anderen sehe auch ich eine gewisse Notwendigkeit der Abgrenzung von einigen IJF-Regeln. Zumindest im Training und wenn man die technische Vielfalt erhalten möchte. Es ist auch fraglich, ob ein Angebot der Alternativen als Wettkampfvariante sich tatsächlich etablieren würde.
Es wird dringend nötig, daß wir die IJF-Regeln als das ansehen, was sie sein sollten: Ein Regelsatz für international agierende
Profi-Sportler und deren Vermarkter.
Zustimmung. Aber es ist natürlich klar, dass die IJF gerne auf jeder Ebene ihr Regelwerk angewendet sehen würde, allein schon um ihre Reichweite zu erhöhen.
Ob die Herren merken, dass wirklich viele Judoka nicht glücklich mit ihrer Politik sind? Interessiert sie das überhaupt? Zumindest wirkt es so, als würden sie
sich Kritik zumindest anhören, wenn man die Pressekonferenzen anschaut. Die Antworten und Argumente sind allerdings meistens unbefriedigend.
Dass Deutschland diesen Schritt nicht geht, nachdem man unter fragwürdigen Umständen einen Grand Slam bekommen hat und daher sicherlich nicht in Ungnade fallen möchte, ist aber auch verständlich
Soweit ich mitbekommen habe, war die Aufwertung innerhalb der IJF ein durchaus üblicher Vorgang. Dass es vielleicht Konkurrenz im internationalen Bereich gibt, d.h.
Länder die ebenfalls gerne einen Grand Slam ausrichten würden, ändert ja nichts an der Rechtmäßigkeit der Aufwertung. Aber natürlich sind auch hierbei politische Vorgänge sicherlich nicht unbedeutend; was das angeht bin ich selbst vorsichtig mit einer Urteilsbildung, da über einige "Entscheider" ja auch das eine oder andere Gerücht kursiert (kann man alles im Internet recherchieren). Ich mache mir eher Sorgen, dass der DJB die hohen Anforderungen auch meistern kann. Es ist ihm in jedem Fall zu wünschen und ich glaube trotz aller Zweifel daran. Es scheint eine sehr enthusiastische Helferschaft zu geben, die das Gelingen sicherstellen wird. Bin aber auf die Nachlese gespannt.
Welche Umstände? So etwas sollte man hier doch besser weg lassen, wenn da nichts konkretes gibt. Und selbst dann arten solche Diskussionen hier leider oft aus und werden dann vom Admin gestoppt
Siehe oben. Aber ich bin schon dafür, auch ein bisschen "investigativ", jedoch unter Angabe halbwegs belastbarer Quellen zu analysieren und zu argumentieren.
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nur_wazaari
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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von nur_wazaari »

Bitte um Übersetzung. Englisch ist ja ok, ist inzwischen als Allgemeinbildung zu bezeichnen, aber bei Französisch ist der Kreis doch deutlich kleiner, der es ausreichend beherrscht
http://www.lespritdujudo.com/actualites ... -en-france

Auch ohne große Korrektur lesbar:

"Keine Anwendung der jüngsten Schiedsgerichtsänderungen in Frankreich!
Die Entscheidung fiel heute Nachmittag

Die Informationen sind wichtig, während die jüngsten Änderungen des Schiedsverfahrens, die seit dem 1. Januar 2018 in Kraft sind, im französischen Judo viele Proteste ausgelöst haben.
An diesem Nachmittag schickte der nationale technische Direktor eine E-Mail an die Ligen, Abteilungsausschüsse, technische Rahmen und die nationale Schiedskommission, um sie darüber zu informieren, dass "die Schiedsordnung des Internationalen Judoverbandes Ende 2017 erlassen wurde, geändert Anfang 2018, nicht das Bild des Judo unserer Föderation ".
Ein Großteil der während des Schiedsseminars in Mittersill (Österreich) vorgenommenen Änderungen wird daher nicht mehr in den unten aufgeführten nationalen Wettbewerben in Frankreich angewendet. Aber das waza-ari / awasete-ippon und die Verpflichtung eines Wertes (oder eines dritten shido) während des Goldenen Punktes werden immer noch gültig sein.

Jean-Claude Senaud, der am Ende des Tages am Telefon teilnimmt, kommentiert diese Entscheidung: "Wir haben das während eines Treffens der technischen Leitung besprochen. Für uns sind diese Regeln keine positiven Entwicklungen. Waza-ari zu treffen, indem man auf die Ellbogen oder Hände fällt, eine Entscheidung, die als Antwort auf die Tatsache getroffen wurde, dass die Kämpfer bereit waren, Ellenbogen oder Hand zu legen, um nicht auf ihren Rücken zu fallen und somit verletzt zu werden. Es gibt sehr wenig von dieser Art von Verletzung, und vor allem gibt es genug von diesen permanenten Veränderungen: Ändert der Fussball jedes Jahr seine Regeln? Seit Anfang Januar gab es eine große Unzufriedenheit im französischen Judo besonders unter Lehrern. "

Eine keineswegs harmlose Haltung in Form eines "Stop" -Signals an die International Judo Federation."
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caesar
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Re: IJF-Regeln ab 01.01.2018

Beitrag von caesar »

nur_wazaari hat geschrieben: 06.02.2018, 18:28 Vielmehr haben mich die Art und Weise des Umgangs mit dem "dynamischen" Regelwerk, insbesondere hinsichtlich der nun wirklich durchaus streitwürdigen (weil ziemlich restriktiven) Jugendregeln doch nachdenklich gestimmt.
Hier sollte man schon klar zwischen den Regelvorgaben des internationalen Dachverbandes und den Regelvorgaben des nationalen Dachverbandes bzw. der regionalen Dachverbände unterscheiden. Je kleiner das Ganze wird, desto mehr Mitsprachemöglichkeiten hat man im Normalfall, wenn man sich engagiert, auch wenn es immer Betonköpfe gibt, die den Weg versperren.
Die atuellen Jugendregeln sind ein Mix aus Erziehung der Trainer bzw. Stärkung körperlich schwächerer Judoka - Griff auf den Rücken, Techniken auf den Knien, Tani-otoshi-Verbot (wenn das auch häufig falsch verstanden wird), etc. und sinnvollen Schutzmaßnahmen - bspw. Ungvari-Dreher und weniger sinnvollen Schutzmaßnahmen - bspw. Reiter-Technik und m.M.n auch das neue Sankaku-Verbot in der U13 und drunter, auch wenn ich hier eine gewisse Shime-waza Argumentation nachvollziehen kann.
Die Vor- bzw. Nachteile der technischen Beschränkungen, welche ab diesem Jahr ja auch weniger hart geandet werden, wurden hier schon recht vielfältig besprochen. Die Bundestrainer scheinen zufrieden mit dem, was nachkommt, werden hier also wenig ändern. Bei den Technikverboten bin ich wie man sieht geteilter Meinung, möchte da aber auch keine Studiengrundlage fordern, da ich weiß wie illusorisch soetwas ist.
nur_wazaari hat geschrieben: 06.02.2018, 18:28 Es ist schon klar, dass es bzgl. der praktischen Umsetzung nach erfolgten Beschlüssen der Regeln etc. nichts bringt, sich nun immer zu über deren teilweisen Unsinn auszulassen. Letztlich gelten die Regeln für alle.
Kritik ist immer wichtig. Je mehr diese äußern, desto mehr sieht man wie sinnig oder unsinnig eine Sache in den Augen der breiten Masse ist.
nur_wazaari hat geschrieben: 06.02.2018, 18:28 Jedoch ist das bloße Abwürgen etwaiger Nachfragen meiner Meinung nach auch nicht der richtige Weg - und doch der Verständliche. Denn die Multiplikatoren scheinen eben in Erklärungsnot zu sein - weil es die Herren (richtig, kaum Damen) auf höchster Ebene selbst sind. Ich finde - und das ist ein hartes, wenn auch vorläufiges Urteil - sie wirken sehr ratlos.

Für mich und viele andere vom sportlichen Inhalt her Denkenden ist es nicht nachvollziehbar, welchen Zweck die Regeln im Einzelnen-, welchen Zusammenhang sie im Zusammenspiel miteinander und welchen positiven Effekt genau jene auf das Judo haben sollen. Es scheint den Verlautbarungen der Obmänner/Multiplikatoren und auch nach tlw. Sichtung der Seminar-Videos ein Regelwerk erstellt zu werden, was möglichst jede Einzelsituation berücksichtigt. Das ist aber wohl kaum realistisch umsetzbar. Die totale Kontrollierbarkeit scheint angestrebt zu werden (mag überspitzt sein, ok). Das Ergebnis größerer technisch-taktischer Restirktivität sind eingeschränkte Freiheiten bei der Ausübung von Judo, bishin zur Vereinheitlichung zu einem einzigen, noch regelkonformen Judo-Stil. Selbstverständlich nur im Hinblick auf IJF- und DJB-Veranstaltungen. Aber nun tummeln sich die meisten Judoka mehr oder weniger dort.
Ein bloßes Abwürgen habe ich jetzt noch nicht erlebt, eher so wie du viele Versuche schlechter Erklärungen. Das Problem ist da auch an der Spitze der IJF so. Wie häufig auf dem Kampfrichterseminar, wenn alle ratlos sind und keine Nachfragen mehr beantworten können (Gerbi-Würge, Beinstrecken bei Shime/Kansetsu-waza) kommt Daniel Lascau und erfindet eine Erklärung, um alle stumm zu stellen. Beim Gerbi-Würger waren es bis heute unbelegte Todesfälle bei äqyptischen Meisterschaften. Ich gebe zu, mein Arabisch ist stark verbesserungswürdig, allerdings sollte es nicht so schwer sein, Presseberichte über 3 Todesfälle bei einer Veranstaltung, noch dazu alle mit der selben Technik, zu finden. Aber hier findet sich einfach gar nichts. Beim Beinstrecken bei Shime-waza heißt es nun, dies sei ein "Leglock" und Leglocks sind im Judo verboten. Welches Gelenk dabei gehebelt wird, fragt keiner und so bleibt die Antwort auch aus. Ein Bein sollte jeder Leistungssportler durchstrecken können, also kann es nicht das Fuß- oder Kniegelenk bei dieser Sache sein. Bleibt noch die Hüfte, aber diese wird in eure natürlich Richtung gebeugt und auch nicht soweit und stark, dass das Bein von Tori dazwischen die Hüfte "aufbiegen" könnte, also ist hier auch kein Hebel möglich. Wo ist also der Leglock, ich finde ihn nicht. Das hektische Abklopfen bei dieser Technik habe ich bisher auch nur bei Männern gesehen, könnte es also ein Beweglichkeitsproblem sein? Zu viel Kniebeuge, zu wenig Dehnung bei den Spitzenathleten, so dass die hintere Faszienkette schmerzhaft überstreckt wird? Jeder der schon einmal stark passiv gedehnt wurde, kennt den Schmerz, vor dem man unbedingt fliehen möchte. Sollte diese Erklärung der Realität entsprechen, wäre das Verbot aber noch weniger erklärbar. Ist man in Tachi-waza nicht beweglich genug, fällt man bspw. auf Uchi-mata. Ist man in Ne-waza nicht beweglich genug, dann kommt man bspw. aus einer Festhalte nicht raus, oder muss eben bei starker Dehnung aufgeben. Warum sollte der Nachteil in Tachi-waza komplett ausgenutzt werden können und im Boden nur teilweise?
Ich habe auch schon andere Erklärungen für das Verbot gehört, allerdings nicht von Seiten der IJF und auch nicht so schlüssig, dass diese auch für Hebel gelten würden.

Damit kommen wir auch zu deinem anderen Punkt nur-wazaari, nämlich die fehlende Vision im Regelwerk. Dieses wirkt immer mehr wie ein Flickenteppich bei dem, wie du schreibst, auf einzelne ungewünschte Situationen schnell ein Verbot ausgesprochen wird. Dies ist allgemein die Antwort der Kampfrichterkommission, besser der Expertenkommission, der IJF: Verbote. So fehlt zwischen allen Verboten eine Idee, wie sich ein gewünschtes Schaubild entwickeln könnte, ohne das Regelwerk immer dicker zu machen. Am Beispiel des Griffkampfes hat man eine Idee aber eigentlich ganz gut umgesetzt. Jeder "normale Griff" bei dem eine Hand rechts und die andere links am Kimono des Gegners natürlich fasst, ist unbeschränkt erlaubt, jeder andere Griff ist zum Angreifen und für aktives Judo gestattet, für passives Judo verboten. Ein etwas längerer Satz und alles ist soweit erklärt. Natürlich kann man da noch mehr ins Detail gehen, aber die Idee für die Kumi-kata ist klar. Allerdings sehe ich solche Ideen im Regelwerk eher selten.
Die Vereinheitlichung zu einem einzigen regelkonformen Stil sehe ich persönlich weniger gefährlich, gegen Ende als noch alles erlaubt war, sahen die Kämpfe der Kadetten bis hoch in Schwergewicht alle gleich aus, wir waren also schon einmal an diesem Punkt der Entwicklung und zumindest das hat sich gebessert.
nur_wazaari hat geschrieben: 06.02.2018, 18:28 Diese Linie wird von den Sportlern, Aktiven, Trainern und Kampfrichtern (ich formuliere tatsächlich pauschal) so nicht geteilt; nicht zuletzt, weil die ständigen Änderungen genau genommener eine rote Schlangenlinie darstellen und keiner beruhigenden Konstanz unterliegen.
Ein Problem hierbei, dass die Regeln mittlerweile von ehemaligen hohen Kampfrichtern, Kämpfern und Trainern gemacht werden, denen ich allen unterstelle, wesentlich mehr Ahnung vom Wettkampfjudo zu haben als der Durchschnittsjudoka und erst recht als ich.
nur_wazaari hat geschrieben: 06.02.2018, 18:28 Auf Abstraktes sollte meinerseits Konkretes folgen. Dabei weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll...die meisten Dinge wurden ja schon verlautbart und hier besprochen. Aktuell besonders fragwürdig finde ich tatsächlich die völligen Ausführungsverbote von Würgen und Hebeln im Stand. Das konnte auf dem Seminar niemand allein mit bloßer Verletzungsgefährlichkeit plausibel begründen, ebenso wenig wie das Strecken des Beines beim Würgen.
Die Argumentation zu Hebel und Würgen im Stand von Daniel Lascau war, dass deutlich werden soll, dass Judo ein Sport ist, in dem man im Stand durch Würfe gewinnen kann und im Boden durch Hebel, Würgen und Festhalten. Dass gerade der eingesprungene Ude-hishigi-juji-gatame sich auch bei Laien sehr großer Beliebtheit erfreut hat und der Hebel dort auch erst völlig am Boden passiert, interessiert dann allerdings wieder niemand und ist zum einen in sich unlogisch und spricht auch gegen das Popularitätsargument unter dem die neuen Regeländerungen ja immer verkauft werden.
nur_wazaari hat geschrieben: 06.02.2018, 18:28Daneben finde ich, wie schon angesprochen wurde, die Addierung der Waza-ari nicht besonders glücklich. Mir ist nach dem letzten Kari-LG klar, dass tatsächlich zwei sehr kleine technisch bewertbare Erfolge nun zum Sieg führen können. Oder schon eine bessere, gerollte Technik den vorzeitigen Sieg bringt. Die Griffvielfalt ist daneben und faktisch merklich eingeschränkt.
Das sehen die französischen Experten ja ähnlich und auch sehr viele in Deutschland schütteln den Kopf darüber, dass zwei Koka zum Sieg ausreichen. Ein Hauptziel wird die IJF mit dieser Regeländerung allerdings erreichen: Die Kämpfe sowie die Großveranstaltungen werden kürzer.
nur_wazaari hat geschrieben: 06.02.2018, 18:28 Genug herumgeseiert, nun kann ich mir ein technisch-taktisches Konzept ausdenken, welches die Änderungen berücksichtigt und möglichst wenig anfällig a) für kleine Wertungen-, b) für Strafen ist und c) in der Summe auch noch möglichst angriffsbasiert ist. Es fallen dabei viele Techniken und taktische Varianten in der Kumi-kata und auch ganzheitlich in der Kampfstrategie (es gibt m.M.n. einen großen Unterschied zwischen Strategie und Technik-Taktik) weg, welche ich einst erlernen durfte. Positiv ist dabei, dass man judo-gedanklich beweglich und kreativ bleiben muss.
Gerade dein letzter Satz ist wichtig. Judo bietet immer noch genug Möglichkeiten und gerade im technischen Bereich sind seit den vielen Verboten viele Wege wiederentdeckt wurden und der Bereich Kumi-kata ist nicht weniger spannend oder konzeptionell geworden. Alle Konzepte, die ich früher gelernt habe, sind immer noch anwendbar, auch wenn einige Techniken rausfallen, aber das Judo-Methodikproblem Konzepte gegen Techniken möchte ich hier nicht aufmachen.

edit:
Uwe 23 hat geschrieben: 07.02.2018, 10:33 Bitte um Übersetzung. Englisch ist ja ok, ist inzwischen als Allgemeinbildung zu bezeichnen, aber bei Französisch ist der Kreis doch deutlich kleiner, der es ausreichend beherrscht.
caesar hat geschrieben: 07.02.2018, 08:17 Dass Deutschland diesen Schritt nicht geht, nachdem man unter fragwürdigen Umständen einen Grand Slam bekommen hat und daher sicherlich nicht in Ungnade fallen möchte, ist aber auch verständlich.
Welche Umstände? So etwas sollte man hier doch besser weg lassen, wenn da nichts konkretes gibt. Und selbst dann arten solche Diskussionen hier leider oft aus und werden dann vom Admin gestoppt.
nur_wazaari hat dir schon einen Teil übersetzt, ansonsten bietet auch google translate einen recht brauchbare Übersetzung des Textes. Wenn noch mehr Bedarf besteht und noch mehr Bedarf besteht, übersetze ich den Text aber noch.

Zur European Club Championship in Wuppertal hieß es dann auf einmal im Buschfunk, dass Düsseldorf doch kein Grand Slam wird, da die TV-Vermarktung die Voraussetzungen für einen Grand Slam nicht erfüllt. Meines Wissens nach, ich habe die genaue Auflistung der Voraussetzungen jetzt nicht gefunden, sollten diese mit der jetzt stattfindenden Sport1-Übertragung (eine Möglichkeit, die ich sehr gut finde, wenn meine übliche Kritik am Judo-TV-Format hier wohl auch wieder zutreffen wird) auch nicht erfüllt sein.
nur_wazaari hat geschrieben: 07.02.2018, 11:25 Nein, in der Theorie wird wohl niemand gehindert. Allerdings möchte man die allgemeine Verwirrung nicht noch größer gestalten, indem auf jeder Ebene andere
Regelwerke herrschen (von Jugendregeln mal abgesehen). Das ist zum einen verständlich, zum anderen sehe auch ich eine gewisse Notwendigkeit der Abgrenzung von einigen IJF-Regeln. Zumindest im Training und wenn man die technische Vielfalt erhalten möchte. Es ist auch fraglich, ob ein Angebot der Alternativen als Wettkampfvariante sich tatsächlich etablieren würde.
Mit einem immer weiter wachsendem Ü30-Wettkampfbereich und der ebenso wachsenden Unzufriedenheit in diesem Bereich über die immer neuen Regeländerungen denke ich, dass so ein Konzept durchaus Potenzial hätte. Soweit ich weiß, gab es bei den Thüringer Meisterschaften Ü30 wohl eine Art Pilotprojekt mit einer Anmeldung zu einer Klasse mit teilweise alten Regeln, welche ganz gut angenommen wurde.
nur_wazaari hat geschrieben: 07.02.2018, 11:25 Zustimmung. Aber es ist natürlich klar, dass die IJF gerne auf jeder Ebene ihr Regelwerk angewendet sehen würde, allein schon um ihre Reichweite zu erhöhen.
Ob die Herren merken, dass wirklich viele Judoka nicht glücklich mit ihrer Politik sind? Interessiert sie das überhaupt? Zumindest wirkt es so, als würden sie
sich Kritik zumindest anhören, wenn man die Pressekonferenzen anschaut. Die Antworten und Argumente sind allerdings meistens unbefriedigend.
Relativ wahrscheinlich interessiert es sie nicht, da die Zahlen, die die IJF Jahr für Jahr vorlegt und die niemand wirklich nachprüfen kann für ein immer größeres Wachstum der Vermarktung und der wirtschaflichen Kraft hinweist. Man sollte nicht immer von Deutschland ausgehen, wenn es um die weltweite Vermarktung geht. Die Zahlen sind meines Wissens nach allerdings nicht transparent ausgelegt.
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