Bevor ich auf mögliche Lösungsansätze eingehe, möchte ich ein wenig zu Ursachen - jedenfalls so, wie sie sich mir darstellt - eingehen.Hofi hat geschrieben:Damit kommt man letztlich zu dem Punkt:
Wie hämmert man den Trainern vor Ort ein, dass Judo mehr als nur Wettkampfsport ist, dass Kata wesentliche Trainingsmethoden sind und kein sinnentleertes Vortanzen und vor allem sich zwar kritisch, aber dennoch offen auf Neuerungen einzulassen. Die Landesverbände und der DJB können und müssen versuchen Rahmenbedingen zu schaffen, die der Vielfältigkeit des Judo Raum bieten und alle seine Aspekte zur Geltung bringen können. Nur nutzen müssen den Raum die Vereine.
Judo ist unbestreitbar extrem vielfältig und kann unter den unterschiedlichsten Gesichtspunkten und mannigfaltigsten Zielen ausgeübt werden. Die Folge davon ist eine Diversifizierung des Judo, was eigentlich die große Stärke des Judo ist.
Aus dieser Diversifizierung hat sich aber im Laufe der Zeit eine Segmentierung entwickelt, bei der verschiedene Bereiche langsam - aber leider sicher - ein Eigenleben entwickelt haben und zunehmend nebeneinander her existieren. Es geht so langsam die Verbindung zwischen den Segmenten verloren, was letztlich zu einer zunehmenden Entsolidarisierung innerhalb des Judo und zu einem Kampf um Partikularinteressen führt. Jedes Segment will irgendwo einen Stück vom Kuchen.
Bestimmte Personen und Organisationen werden in der (Judo-)Öffentlichkeit fast automatisch mit bestimmten Segmenten in Verbindung gebracht und ihnen automatisch entsprechende Interessen unterstellt. Dies ist ausgesprochen hinderlich für eine Stärkung der Solidarität, wenn/weil automatisch Partikularinteressen unterstellt werden.
Die fortschreitende Segmentierung hat aber noch eine andere Folge: es gibt immer weniger Leute, die in mehreren Segmenten eine ähnliche Kompetenz haben und übergreifend denken können. So gibt es innerhalb des Judo ein Spezialistentum für Wettkampf, Kata, (teilweise) SV, "Breitensport" usw. Dieses zusammenzuführen ist ausgesprochen schwierig, denn wie Hofi es schreibt, muss man sich dazu auf Neues einlassen und vor allem erst einmal akzeptieren, dass man in den anderen Segmenten Lernender ist.
In der deutschen "Kata-Szene" gibt es z.B. nur ganz wenige Aktive - sei es als Meisterschaftsteilnehmer, Wertungsrichter, Kata-Beauftragte, regelmäßige Referenten auf Landes-/Bundesebene - die eine Biographie als Wettkämpfer und/oder Wettkampftrainer vorzuweisen haben. Damit möchte ich nicht das Engagement und die segmentielle Kompetenz dieses Personenkreises herunterwürdigen - im Gegenteil - jedoch wird dieser Personenkreis kaum in der Lage sein, Wettkampftrainern zu vermitteln, wie man durch das Üben von Kata zu einem besseren Randori/Wettkampf kommen kann. Dies kann nur leisten, wer in beiden Welten gleichermaßen zu Hause ist und das sind nur sehr, sehr wenige.
Dennoch gibt es Möglichkeiten, gegenzusteuern - ja, es ist sogar unabdingbar, wenn man die Dinge nicht so weiterlaufen lassen möchte.
Eine relativ einfache Maßnahme, die aber äußerst effektiv sein könnte, wäre eine gute(!) Kata-Demonstration auf jedem(!) Wettkampf in jeder(!) Altersklasse auf jedem(!) Niveau. Der Zeitaufwand hierzu wäre bei jeder Veranstaltung 10 Minuten - und die findet man immer.
Diese Vorführungen kann man sehr genau steuern: will man den SV-Aspekt ein wenig in das Bewusstsein bringen, dann sind Kodokan Goshinjutsu und Kime-no-Kata erste Wahl. Bei Kindermeisterschaften kann man Nage-no-Kata zeigen lassen, damit die Kinder sehen, was in den nächsten Prüfungen auf sie zukommt. Ebenso ließe sich festlegen, dass auf den unteren Ebenen z.B. Nage-no-Kata, auf den oberen Ebenen Katame-no-Kata gezeigt wird.
Auf diese Weise ließe sich nicht in Artikeln im Internet oder in Verbandszeitschriften, sondern live auf der Matte, Kindern, Jugendlichen und deren Eltern sehr praktisch die Vielfalt des Judo vermitteln. Gleichzeitig hätte man die Chance, gute Beispiele zu zeigen, denn die meisten Leute, die Kata auf einer Dan-Prüfung machen, haben noch nie zuvor eine gute Kata gesehen. Diejenigen, die die Kata demonstrieren, bekommen mehr Routine, was TN auf Kata-Meisterschaften ein gutes Training sein könnte.
Umsetzen ließe sich das Ganze wie gesagt relativ einfach. Das Ziel müsste sein, dass jeder, der für ein paar Jahre auf Meisterschaften fährt - als Teilnehmer, Trainer, Eltern, Kampfrichter, Funktionär usw. - jede Kata mehrfach in guter Qualität gesehen hat.