Sofern die Prüfungsordnung in den Judovereinen des DJB DIE maßgebliche Vorgabe für die Trainingsgestaltung sein sollte, dann könnte ich dir hier eventuell vorsichtig zustimmen. Sie ist es aber nicht, und die Übungsleiter sollten die Prüfungsordnung des DJB auch nicht als Grundlage ihrer Trainingskonzeption sehen!piti hat geschrieben:Ps. ja, die PO müßte m.M.n. für ältere Erwachsene angepasst werden.
Es gibt eine DJB-Ausbildungsordnung, die sehr viel breiter angelegt ist und viel mehr Freiheiten einräumt, doch auch diese sollte in meinen Augen nicht "die deutsche Judo-Bibel sein".
Jeder Übungsleiter sollte ein eigenes Gespür dafür haben, was die Schwerpunkte seiner Arbeit sein sollten, um aus den trainierenden Judoka auch gute Judoka zu machen. Hier sind solche Ordnungen als Stütze für bestimmte Trainingsintervalle sicher lohnenswert (und ja, auch vorgeschrieben, siehe Prüfungsvorbereitung und Wettkampfvorbereitung), aber wer sich nur an diesen Dingen ausrichtet, wird zwangsläufig Probleme bei der Trainingsgestaltung und und auch hinsichtlich des Abwechslungsreichtums im Training selber bekommen.
Wenn man selber eigene Schwerpunkte setzt, kann man sich auch viel zielgerichteter auf diese vorbereiten und man wirkt insgesamt sehr viel motivierter, als wenn man nur Dinge "nachkaut", die einem selber nicht gefallen. In der Erwachsenengruppe unseres Vereins findet alle 2 Trainingseinheiten im Wechsel entweder eine sehr gezielte Judo-SV-Einheit statt, in der praktische Anwendung von Judotechniken in Selbstverteidigungssituationen geübt werden (in diesen Einheiten orientieren wir uns ausdrücklich NICHT an Wettkampfordnung und auch NICHT an der Prüfungsordnung des DJB, auch nicht an den Inhalten zu den SV-Prüfungselementen!), oder eine gezielte Kraft-Konditions-Koordinations-Einheit statt, in der (zugegebenermaßen in verstärktem Maße judoexterne) Übungen auf dem Plan stehen, die die Trainingsteilnehmer unabhängig von Judotechnik mit Herausforderungen an die eigenen Leistungsfähigkeit konfrontieren. Auch hier sind die Inhalte nicht von irgendwelchen Judo-Ordnungen vorgegeben. In den jeweils dazwischen liegenden Einheiten steht technische Grundausbildung auf dem Plan, wobei in diesen Einheiten auch der meiste Freiraum für eigenenverantwortliches Training der Teilnehmer gegeben ist, aber auch hier sind weder die Wettkampfordnung, noch die Prüfungsordnung zentrales Element der Konzeption (Bsp.: im Randori darf nach wie vor unterhalb des Gürtels gegriffen werden, und auch beim Studium von Techniken werden wettkampfrelevante Regelung zwar erwähnt, aber nicht zwangsläufig als trainingsverbindlich vorgegeben).
Zugegebenermaßen kommt man natürlich bei der gezielten Prüfungsvorbereitung nicht um die Prüfungsordnung herum, genauso wenig wie man bei gezieltem Wettkampftraining nicht um die Wettkampfordnung herum kommt. Aber gerade hinsichtlich der Prüfungsordnung habe ich als Übungsleiter und als Prüfer doch sehr viel Spielraum. Ich kann bei älteren oder erfahreneren Judoka eine größere Sauberkeit der Techniken verlangen, ich kann dem Punkt "Vorwissen" sehr viel mehr Gewicht geben, ich kann hinsichtlich der Bewegungsvorgaben oder im trainingsinternen Randori sehr viel weiter gehen, ich kann aber andererseits auch Abstriche machen bei gesundheitlichen Problemen,...
In unserem Verein habe ich das Gefühl, dass alle a) das nötige Fingerspitzengefühl dafür haben, welche Leistungen vorgeschrieben sind und welche man selber vom einzelnen Judoka erwartet, und b) genügend Kreativität besitzen, eben feststellen zu können, ob bestimmte Leistungen für ein Bestehen ausreichend sind oder gegebenenfalls in der aktuellen oder schlechtestenfalls in einer Nachprüfung noch verbessert werden müssen. Zusätzlich sind alle c) sowohl technisch, als auch motivationell so aufgestellt, dass sie sich selber mit ihren Stärken als Trainingsleitung einbringen können, und eben keine bestimmte "Ordnung" als Leitfaden ihrer Einheiten benötigen.
Edit: Etwas anderes ist es natürlich auch, wenn man gezieltes Leistungstraining gerade für Kinder und Jugendliche anbietet. Bruno Tsafack hat hierzu bei seinem Besuch schon erläutert, dass es zur bundesweiten Talentförderung ein einheitliches System geben wird, in dem recht exakt vorgegeben ist, welche Bewegungsformen und Technikformen von den Judoka erwartet wird, um in Förderkader aufgenommen zu werden. Für ein GEZIELTES Training ist das sicher eine gute Sache, für ein BREITES Training steht das jedoch nicht im Mittelpunkt, das hat er auch ganz klar zu erkennen gegeben. Aber auch hier schadet es natürlich nichts, wenn man Elemente einer solchen Regelung für Kinder-Leistungstraining auch einmal bei Erwachsenen einsetzt.