Aufsatz von Carl De Crée über "Shōnen Jūdō-no-kata"

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Fritz
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Aufsatz von Carl De Crée über "Shōnen Jūdō-no-kata"

Beitrag von Fritz »

einem "experimentellem japanischem Judo-Lehransatz aus einem historisch-pädagogisch Blickwinkel betrachtet"

http://judo.forumsmotion.com/t1255p15-s ... kata#15040

Der dort verlinkte Aufsatz ist etwas länger und in englischer Sprache, aber meiner Meinung nach

sehr lesenswert für Leute, die sich mit dem Lehren von Judo (glauben zu) beschäftigen ...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
Efeloh
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Re: Aufsatz von Carl De Crée über "Shōnen Jūdō-no-kata"

Beitrag von Efeloh »

Hatte das Paper vor ein paar Tagen durchgelesen (aber nicht soweit durchgearbeitet, dass ich jetzt eine Debatte starten könnte).

Tja. Es ist schon ein wenig deprimierend, dass quasi die Hauptaussage ist, Judo sei im Westen nie richtig angekommen.
(Wohl auch dadurch, dass viel viel zu wenig Original-Literatur übersetzt wurde.)
Antworten habe ich allerdings durch das Paper nicht wirklich bekommen (wie auch?).
Und die Kata bringt dem normalen deutschen Judo-Trainer nicht viel, da Kata nach wie vor nicht wirklich verstanden wurde.
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makoto
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Aufsatz von Carl De Crée über

Beitrag von makoto »

Efeloh hat geschrieben:Hatte das Paper vor ein paar Tagen durchgelesen (aber nicht soweit durchgearbeitet, dass ich jetzt eine Debatte starten könnte).

Tja. Es ist schon ein wenig deprimierend, dass quasi die Hauptaussage ist, Judo sei im Westen nie richtig angekommen.
(Wohl auch dadurch, dass viel viel zu wenig Original-Literatur übersetzt wurde.)
Antworten habe ich allerdings durch das Paper nicht wirklich bekommen (wie auch?).
Und die Kata bringt dem normalen deutschen Judo-Trainer nicht viel, da Kata nach wie vor nicht wirklich verstanden wurde.
Stimme dir in allen Punkten zu!

ad Training:
Vor allem im Bereich des Erwachsenen-Trainings wird kaum auf Qualität geachtet - oft gleicht es ja einem Kinder-Training mit älteren Teilnehmern. Wobei sich natürlich die Frage stellt, ob die Mehrheit der "Judo-Konsumenten" überhaupt mit anderen Trainingseinheiten zufrieden wären?! Viele wollen ja schlichtweg nur "unterhalten" werden und sich nicht selbst mit der Materie auseinandersetzen. Wobei das natürlich auch wieder manchen Trainern, die ja selbstdenkende Vereinskollegen eher als Feind betrachten, weil sie sich durch diese bedroht fühlen, in die Hände spielt.

ad original Literatur:
Ist sicherlich eines der Hauptprobleme. Ist einmal ein falscher Ansatz übernommen, bekommt man in fast nicht mir aus dem System raus, weil sich die Autoren ja alle nur gegenseitig heranziehen und das darauf aufgebaute, weicht schlussendlich noch mehr vom "Soll" ab. (Mit einem Abstecher zur Genetik kann man es fast mit der Inzucht vergleichen - da kommt auch nichts Gutes dabei raus.)

ad Kata:
Wird halt schwierig diese Kata alleine umzusetzen - ohne ordentlichen Lehrer bzw. detailliertes Lehrmaterial kommt ja wieder nicht das raus, was rauskommen sollte.

Im Prinzip bewegen wir uns im Kreis, ohne einen wirklichen (und vor allem praktikablen) Ausweg aus dem ganzen System gehen zu können. Es wird von heute auf morgen (und übermorgen wohl auch) nicht die Möglichkeit bestehen, qualifizierte Judo-Lehrer aus Japan in Europa flächendeckend und auf Dauer zur Verfügung zu haben. Genauso wenig werden europäische Universitäten (Japanologie, Sport) plötzlich beginnen, sich detailliert mit Judo zu beschäftigen. Und die großen IJF-Mitgliedsverbände haben sicher kein Interesse daran, sich selbst zu bestätigen, dass sie bis jetzt Äpfel für Birnen verkauft haben.

Somit bleibt wieder nur der einzelne Judoka samt seinen gleichgesinnten Freunden über, um etwas zu verändern - das ist natürlich je nach Zugang zu (original) Literatur, Sprachkenntnissen (Japanisch, Englisch) etc. mehr oder weniger mühsam und kostet vor allem eines: Zeit und die ist leider für jeden auch nur begrenzt.

Wenn wir Judo z.B. mit Aikido vergleichen, schaffen es aber komischerweise die Aikidoka wesentlich besser Kultur und Tradition zu transportieren als wir. Vielleicht liegt es darin, dass sich das Aikido nicht mit ständig ändernden Wettkampfregeln anfreunden muss und die Trainer durch den nicht vorhandenen Wettkampf Zeit für das Literaturstudium konzentrieren haben, weil sie nicht ständig auf irgendwelche Turniere fahren und die Sportler darauf vorbereiten "müssen".

Ich sehe das Grundproblem darin, dass sehr viele im Judo (sowohl Trainer als auch Sportler) falschen Zielen hinterher jagen - Pokalen und Medaillen und dadurch Kultur und Tradition vernachlässigen und so nur noch "Sportjudo" betreiben. (Da bleibt dann auch keine Zeit für Kata - und wenn doch, wieder nur für irgendeine Meisterschaft oder eine Dan-Prüfung, wo dann wieder nur irgendwelche selbst ernannten "Gurus" sitzen und darauf warten ihre "Weisheit" verteilen zu können).

Ich denke, dass viele "brauchbare" Judoka, die sich mit diesen Dingen beschäftigen, früher oder später aufhören, weil sie erkennen, dass das hier bei uns nichts mit dem zu tun hat, wie es eigentlich sein sollte, und sich von den "anderen" einfach missverstanden fühlen. Und es kann nicht jeder einen eigenen Verein gründen!
"Der Weg - ein Kreis."
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kastow
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Re: Aufsatz von Carl De Crée über "Shōnen Jūdō-no-kata"

Beitrag von kastow »

makoto hat geschrieben:Wobei sich natürlich die Frage stellt, ob die Mehrheit der "Judo-Konsumenten" überhaupt mit anderen Trainingseinheiten zufrieden wären?! Viele wollen ja schlichtweg nur "unterhalten" werden und sich nicht selbst mit der Materie auseinandersetzen.
Ja, leider erlebe ich diese Einstellung auch immer häufiger. Ich muss gestehen, dass ich dem ein wenig ratlos gegenüber stehe. Zum einen toleriere ich gerne, dass nicht jeder so viel Zeit und Interesse in Jûdô investieren möchte, zum anderen kann ich es aber überhaupt nicht nachvollziehen, wieso sich diese Leute dann ausgerechnet Jûdô aussuchen - ein System der Geistesschulung, das ja auch gerade den eigenen Einsatz fordert und fördert.
makoto hat geschrieben:ad Kata:
Wird halt schwierig diese Kata alleine umzusetzen - ohne ordentlichen Lehrer bzw. detailliertes Lehrmaterial kommt ja wieder nicht das raus, was rauskommen sollte.
Wobei ich denke, dass sich in den letzten fünf Jahren da doch einiges getan hat (zumindest in NRW). Ich persönlich kenne beispielsweise im Umkreis von rund 150 km Lehrer, deren Kata-Training mein Jûdô wirklich voran bringt.
makoto hat geschrieben:Wenn wir Judo z.B. mit Aikido vergleichen, schaffen es aber komischerweise die Aikidoka wesentlich besser Kultur und Tradition zu transportieren als wir. Vielleicht liegt es darin, dass sich das Aikido nicht mit ständig ändernden Wettkampfregeln anfreunden muss und die Trainer durch den nicht vorhandenen Wettkampf Zeit für das Literaturstudium konzentrieren haben, weil sie nicht ständig auf irgendwelche Turniere fahren und die Sportler darauf vorbereiten "müssen".

Ich sehe das Grundproblem darin, dass sehr viele im Judo (sowohl Trainer als auch Sportler) falschen Zielen hinterher jagen - Pokalen und Medaillen und dadurch Kultur und Tradition vernachlässigen und so nur noch "Sportjudo" betreiben.
Ich bin ehrlich gesagt sehr froh, dass es im Jûdô Wettkämpfe gibt. So wird nicht im luftleeren Raum getanzt, sondern die Funktionalität der Techniken gegen Widerstand überprüft (was für mich ein wichtiger Teil der Geistesschulung ist). Die daraus gewonnene Art und Weise des Trainings kann ich dann auch für im Wettkampf verbotene Techniken nutzen. Dass Jûdô dadurch im schlimmsten Fall auf reine Medaillen-Jagden reduziert wird, mag vorkommen, muss aber nicht sein. Das bleibt ja jedem selbst überlassen. Wohin es aber führt, wenn Wettkämpfe komplett abgelehnt werden, können wir am Beispiel der reinen 'Breitensportvereine' sehen, die selbst Randori ablehnen, da sie es als Wettkampftraining ansehen. Ich habe bisher selten erlebt, dass in solchen Vereinen funktionelle Techniken unterrichtet wurden. Hingegen kommen die guten Kata-Lehrer, bei denen ich gerne trainieren, ursprünglich meistens aus dem Wettkampfbereich und können gerade deshalb Kata sehr funktionell und anwendbar unterrichten. Die richtige Mischung macht hier wohl auch wieder den Unterschied.
Herzliche Grüße,

kastow

Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
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