1000 Techniken vs. 1 Technik

Hier könnt ihr alles posten was mit Judo zu tun hat

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CasimirC
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1000 Techniken vs. 1 Technik

Beitrag von CasimirC »

Da es zurzeit hier im Forum merklich still ist, möchte ich eine kleine Diskussion anstoßen.

Ein befreundeter Judoka hat vor ein paar Tagen bei Facebook folgendes Bild in seiner Chronik gepostet:
"Don't fear the man who does 1000 techniques, fear the man who does 1 technique 1000 times."

Was haltet ihr denn von dem Spruch?

Mich erinnert er in erster Linie an meinen früheren Trainer, der immer behauptet hat, man müsse einen Spezialwurf "mindestens 1000 mal in jedem Training machen".

Andererseits denke ich mir: Wenn ein Judoka eine Technik, sei es im Wettkampf, im Randori oder im "normalen" Techniktraining, 1000 mal macht, vernachlässigt er zwangsläufig andere, wertvolle Techniken. Er wird dann vielleicht zum Meister dieser einen Technik und kann diese in unterschiedlichen Situationen anwenden, aber er schränkt sich sehr stark ein.

Jemand, der "tausend" Techniken macht, ist hingegen viel flexibler in seiner Kampfführung und kann in unterschiedlichen Situationen auch unterschiedlich reagieren. Andererseits wird er wahrscheinlich niemals eine Technik so gut beherrschen, wie der Judoka im anderen Beispiel.

Was denkt ihr?
Theorie: Wenn alle wissen, wie es geht, und es geht nicht.
Praxis: Wenn es geht, und keiner weiß, warum.
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kastow
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Re: 1000 Techniken vs. 1 Technik

Beitrag von kastow »

Weder das eine, noch das andere. Beherrscht ein Kämpfer nur eine Technik, genügt auch eine Kontertechnik gegen ihn. Auf der anderen Seite hast du ja schon selbst geschrieben, dass man zu viele Techniken nicht in einem ausreichenden Maße trainieren kann. Also sollte man meines Erachtens regelmäßig ein Wettkampfprofil trainieren, dass so viele Techniken wie nötig und so wenige Techniken wie möglich umfasst. Ich persönlich fahre mit den 'offiziellen'* Empfehlungen ganz gut:

A) Würfe in vier Richtungen:
große Technik zur starken Seite
große Technik zur schwachen Seite
Fußtechnik nach rechts vorne
Fußtechnik nach links vorne

B) Ein oder zwei starke Kontertechniken

C) Zusätzlich eine weitere Fußtechnik und eine Selbstfalltechnik für Stör- und Überaschungsangriffe und zur Abrundung einhändige Techniken, wenn nicht beide Hände zum Griff kommen.

D) Die Techniken sollten dann gut miteinander zu kombinieren sein. Prinzipiell kann ich mir dann für jede der sechs bis sieben Vorgaben eine der 67 Wurftechniken oder eine entsprechende Variante raussuchen.

Dazu dann noch regelmäßig 'Vorkenntnisse' üben, damit der Körper auch schön vielseitig beansprucht wird und sich das eigene Profil ggf. auch weiter entwickeln kann ;)

* diese Empfehlungen habe ich so zumindest im NWJV und in den Büchern von Ulrich Klocke kennen gelernt.
Herzliche Grüße,

kastow

Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
JSC Mitglied
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Re: 1000 Techniken vs. 1 Technik

Beitrag von JSC Mitglied »

Endlich jemand der diese Stille bricht. :D

Aus dem Stehgreif würde ich sagen.
Mache 1000 Techniken 1000 mal.
Und wenn man das in einer Trainingseinheit machen soll, muss diese halt verlängert werden ;)

Ich bin eher einer der, der sagt, dass man mehrere Techniken auf hohen Niveau können muss. Manchmal sollte man auch etwas neues probieren und nicht versuchen seine eigene Technik durch bolzen. Irgendwann werden sich alle Gegner mal auf diese Technik einstellen.
Auf einen längeren Zeitraum ist es wie Schach. Man macht eine Technik und der andere stellt sich drauf ein, so das man selber die Technik nicht mehr anwenden kann. Man selber versucht dann wieder eine andere Technik gegen diese anzusetzen. Man kann es auch als Dialektik ansehen.

tutor! hat hier ein schönes Beispiel gegeben:
tutor! hat geschrieben:Shozo Fujii war z.B. einer der besten Seoi-nage Spezialisten aller Zeiten. Mit hauptsächlich dieser Technik wurde er 1971, 73 und 75 überlegen Weltmeister im Mittelgewicht. Als er 1979 noch einmal zu seinem letzten Wettkampf (Weltmeisterschaft in Paris) startete, wartete nicht nur ich darauf, dass er seine Gegner mit diesem Seoi-nage deklassieren würde. Aber genau das passierte nicht. Im Gegenteil, ich kann mich an keine einzige Wertung damit erinnern. Er wurde dennoch Weltmeister - nur machte er seine Wertungen mit Tomoe-nage und am Boden. Sein Judo hatte sich gewandelt, weil ihn seine Gegner dazu gezwungen haben, indem sie sich auf seinen Seoi-nage eingestellt haben. Als ich Jahre später einmal Randori mit ihm machte, machte er übrigens fast ausschließlich Fußtechniken...
(viewtopic.php?f=21&t=4600&p=51014&hilit ... ten#p51014)
freundliche Grüße
JSC Mitglied

Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit Radius Null - und das nennen sie ihren Standpunkt."
- Neben Einstein auch David Hilbert und Leonhard Euler zugeschrieben
caesar
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Re: 1000 Techniken vs. 1 Technik

Beitrag von caesar »

Irgendwie ist das etwas komisch wie solch ein Faden in 3 Beiträgen verläuft.
1 Frage zu einem nicht verstanden Spruch
2 Werbung für Klockebücher
3 halbwegs sinnvoller Beitrag

Da das Bild mit dem Spruch erkennbar keine Judoka zeigt, sollte man Leute fragen die sich in dem Umfeld bewegen, welches da gezeigt wird. Das habe ich getan und die Antwort ist doch so einfach.
Es geht genauer darum, dass man niemanden fürchten soll der 1000 Techniken einmal geübt hat, sonder eher jemanden der eine Technik 1000 mal geübt hat.
Ein anderer beliebter Spruch aus dem Umfeld ist "Wir lehren keine 100 Techniken zu 10% sondern 10 Techniken zu 100%"
Wenn man es versteht, gibt es dazu eigentlich keine Diskussionen.
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kastow
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Re: 1000 Techniken vs. 1 Technik

Beitrag von kastow »

caesar hat geschrieben:Irgendwie ist das etwas komisch wie solch ein Faden in 3 Beiträgen verläuft.
1 Frage zu einem nicht verstanden Spruch
2 Werbung für Klockebücher
3 halbwegs sinnvoller Beitrag
Neben der Quellenangabe Klocke hatte ich ja auch etwas von NWJV geschrieben. Du kannst auf der NWJV-Seite sogar gratis ein Wettkämpfer-Profil mit Bedienungsanleitung herunterladen. Von daher ist dein Hinweis bezüglich angeblicher Werbung überflüssig.
caesar hat geschrieben:Ein anderer beliebter Spruch aus dem Umfeld ist "Wir lehren keine 100 Techniken zu 10% sondern 10 Techniken zu 100%"
Du stimmst meinem Beitrag also inhaltlich eigentlich zu, sehe ich das richtig?

@casar: Wie sieht es denn bei dir aus? Wie häufig trainierst du welche Techniken? Wie häufig setzt du diese Techniken in Wettkämpfen durch (oder in Randori mit stärkerem Widerstand, falls du nicht auf Wettkämpfen startest)?

***Edit: Änderung, da Rest mittels PN geklärt wurde.
Zuletzt geändert von kastow am 05.08.2013, 08:48, insgesamt 1-mal geändert.
Herzliche Grüße,

kastow

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caesar
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Re: 1000 Techniken vs. 1 Technik

Beitrag von caesar »

Bevor es ausartet nur soviel: Mein Beitrag war ja nun bei weitem kein Trollbeitrag. Ich habe den Spruch auf dem Bild in den richtigen Kontext gerückt und stimme dir nicht wirklich zu, widerspreche aber auch nicht gänzlich.
Es sagt lediglich aus, dass man besser wenige Techniken sehr gut, als viele Technik nur schlecht beherschen sollte. Besser ist es natürlich alle Techniken sehr gut zu beherrschen.
Nur wollen viele Anfänger nach fünf Wiederholungen eine neue Sache machen. An diese richtet sich der Spruch.
Wenn der eigene Erfahrungsschatz im übrigen so klein ist, dass man diesen Spruch nicht zu- oder einordnen kann, hilft der Beitrag wenig.
Es ist schön, dass du sagst, mein Beitrag hätte keinen inhaltlichen Bezug, da ich den Spruch ja in den richtigen Kontext gerückt habe und mich vorher bei jemanden, der den auf dem Bild gezeigten Sport länger betreibt, vergewissert habe. Offensichtlich wesentlich mehr Bezug zum Thema und Inhalt als du aufgenommen hast.

Das Wettkampfprofil muss ich nicht herunterladen, davon habe ich mehr als genug erstellt, aber danke für den Hinweis.

Zu deiner letzten Frage: Grobe Richtlinie 50 Mal pro Trainingseinheit plus Randorieinsatz. Das ganze mit 2-3 Techniken solange bis diese "funktionieren", dann einen neuen Durchlauf.
Wie sieht es bei dir aus? Machst du noch Wettkämpfe? Trainierst du Techniken gegen unbekannte Gegner die Widerstand leisten?
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kastow
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Re: 1000 Techniken vs. 1 Technik

Beitrag von kastow »

Schön, dass du mir dieses Mal antwortest :D
caesar hat geschrieben:Bevor es ausartet nur soviel: Mein Beitrag war ja nun bei weitem kein Trollbeitrag. Ich habe den Spruch auf dem Bild in den richtigen Kontext gerückt [...]
Der gewiss auch interessant ist, aber doch nur der Ausgangspunkt zu CasimirCs Eingangsbeitrag war. Meine Antwort bezog sich hoffentlich erkennbar nur auf dessen Beitrag.
caesar hat geschrieben:Ich [...] stimme dir nicht wirklich zu, widerspreche aber auch nicht gänzlich.
Es sagt lediglich aus, dass man besser wenige Techniken sehr gut, als viele Technik nur schlecht beherschen sollte. Besser ist es natürlich alle Techniken sehr gut zu beherrschen.[...]Das Wettkampfprofil muss ich nicht herunterladen, davon habe ich mehr als genug erstellt, aber danke für den Hinweis.
Werde doch bitte konkret: In wie weit widersprichst du der Idee eines Wettkampfprofils oder stimmst ihr zu? Was meinst du mit 'gut beherrschen'? Ich verstehe darunter Techniken, die ich regelmäßig im Wettkampf und/oder im 'harten' Randori werfen kann. Verstehst du das ebenfalls unter 'gut beherrschen'?
caesar hat geschrieben:Nur wollen viele Anfänger nach fünf Wiederholungen eine neue Sache machen. An diese richtet sich der Spruch.
Ich kenne leider auch viele Fortgeschrittene, die mit dieser Haltung trainieren ;) Aber grundsätzlich stimme ich dir da zu.
caesar hat geschrieben:Zu deiner letzten Frage: Grobe Richtlinie 50 Mal pro Trainingseinheit plus Randorieinsatz. Das ganze mit 2-3 Techniken solange bis diese "funktionieren", dann einen neuen Durchlauf.
Das handhabe ich ähnlich. Zwei bis fünf Serien zu zehn bis zwanzig Wiederholungen je Technik (mindestens 40 Wiederholungen je Technik) für zwei bis fünf Techniken. Ein Drittel bis zur Hälfte meiner Trainingszeit ist auf den Monat gezählt Randori.
caesar hat geschrieben:Wie sieht es bei dir aus? Machst du noch Wettkämpfe? Trainierst du Techniken gegen unbekannte Gegner die Widerstand leisten?
Ja, seit ich Ü30 bin bis letztes Jahr noch zwei bis drei Wettkämpfe im Jahr. Außerdem besuche ich bewusst Trainings anderer Vereine und Disziplinen. Seit einem Verkehrsunfall im Herbst muss ich leider mit Wettkämpfen pausieren, plane aber, bis spätestens Mitte nächsten Jahres wieder an den Start zu gehen. Also ja, unbekannte Gegner (und Stile) und auch Training gegen Widerstand.
Herzliche Grüße,

kastow

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Re: AW: 1000 Techniken vs. 1 Technik

Beitrag von Bandog »

Hallo,

Der Spruch ist eigentlich ein Zitat, das Bruce Lee zugeschrieben wird. Wobei es aus dem selben Zeitraum wohl auch ein zumindest sehr ähnliches Zitat eines Box-Trainers gibt.

Das Bild zeigt zwei BJJ-Athleten. Nun, einer der bekanntesten BJJ-Vertreter, der auch dafür bekannt ist, den schwarzen Gürtel in der bisher kürzesten Zeit erreicht zu haben und dann mal eben auf internationaler Ebene andere Schwarzgurte bei Turnieren regelrecht zu zerstören, ist BJ Penn. Der z.B. immer wieder betont, dass es vor allem auf die Grundschule ankommt. Auch andere hochrangige Lehrer und Kämpfer aus dem BJJ sagen dies, wie Marcello Garcia, Rener Gracie, Roy Dean, Pedro Sauer oder Stephan Kesting und viele weitere. Ich denke also, dass es eher um die Grundlagen geht, als um Spezial-Techniken.

Mit Grundlagen meine ich Dinge wie, eine stabile Struktur in den Standard-Positionen (wie z.B.: Tate-Shiho-Gatame, Uki-Gatame oder gerade im BJJ die Guard in all ihren Variationen). Oder auch Basic-Guard-Passes, so wie einfache Sweeps (z.B.: Sumi-Gaeshi usw.) und ein paar Basic-Submissions (z.B.: Juji-Gatame, Ude-Gatame und Hadaka-Jime, sowie bei etwas Fortgeschrittenen auch noch Hiza-Gatame).

Den egal, ob Weißgurt oder Schwarzgurt, diese Grundlagen, sind das Fundament auf dem das ganze Game letztlich aufbaut! Ohne ein stabiles Fundament kann man nicht kämpfen! Es ist also wichtig dieses Fundament immer wieder und wieder zu trainieren und zu verbessern, möglichst in jedem Training. Klar kann man von mir aus auch nen Omoplata (Ashi-Sankaku-Garami) oder nen Flying-Armbar (Tobi-Juji-Gatame) trainieren, oder dieses bescheuerte "Berimbolo", aber das sind nur "nice to have", dass Fundament ist es, was einen wirklich guten Kämpfer ausmacht.:!:

Und ebend jene grundlegenden Techniken sollten lieber 1000 mal trainiert werden, als das man seine Zeit damit verschwendet, dass man 1000 "fancy moves" 1mal trainiert.

Der Unterschied zwischen einem Weißgurt und einem Schwarzgurt ist nicht(!) die Anzahl der Techniken, die jener kennt, sondern das Beherrschen und anwenden können der Grundlagen. Und der Unterschied eines guten Schwarzgurtes und eines noch besseren Schwarzgurtes, ist das noch bessere beherrschen eben jener Grundlagen.;-)

LG

Bandog
Zuletzt geändert von Bandog am 05.08.2013, 02:01, insgesamt 2-mal geändert.
caesar
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Re: 1000 Techniken vs. 1 Technik

Beitrag von caesar »

@Kastow:
Der Beitrag von CasimirC macht für mich persönlich unter der konkreten Einordnung wenig Sinn.
Alle Techniken perfekt können, ist das Ziel, aber sehr sehr schwer zu erreichen.
Daher lieber wenige Techniken richtig beherrschen, als alle Techniken ein kleines bisschen. Nur eine Technik können ist Schwachsinn, soweit gibt es, denke ich, wenig Diskussionsbedarf. Oder etwa doch?

Ein Wettkampfprotokoll unterstützt erst einmal die Idee "weniges richtig als vieles falsch". Allerdings finde ich die Aufteilung und Fixierung auf dies Aufteilung, große Technik starke Seite usw., unglücklich. Es wird sich da häufig drauf versteift, wo bleibt die Kreativität, die Freiheit? Natürlich ist diese theoretisch da, aber praktisch?
"gut beherrschen" meint ein situativ-angepasst erfolgreiches Anwenden der Technik im Randori.

Zu dem Teil des Techniktraining bleibt halt immer die Frage nach dem wie. Schaut man sich einen Nationalkader und einen Breitensportler an die 10 Uchi-komi Seoi-nage machen, so wird man einen großen Unterschied sehen, doch danach sagen beide, sie haben 10 Uchi-komi gemacht.
Das kann und möchte ich aber nicht beurteilen oder werten, ich wollte es nur anmerken.

@Bandog:
Vielen Dank, jetzt sollte es jeder verstanden haben
CasimirC
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Re: 1000 Techniken vs. 1 Technik

Beitrag von CasimirC »

Interessante Beiträge bisher...auch wenn mich der eine oder andere Kommentar verwirrt :D

Noch einmal zur Klärung: Ich habe im Ausgangsposting ja nur geschrieben, was mir beim ersten Lesen in den Sinn gekommen ist ohne groß darüber nachzudenken. Den Satz kann man ja auf viele Situationen anwenden, wo er durchaus auch unterschiedliche Bedeutung haben kann. Das Tolle daran ist ja, dass man ihn sehr unterschiedlich anwenden und interpretieren kann, insofern stimme ich caesar nicht ganz zu, dass man den Satz quasi nur mit einer einzigen Intention lesen kann.

Beispiel 1 - Training: Jemand, der im Training immer nur wenige Techniken häufig trainiert, entwickelt sich in diesen zweifelsohne immer und immer weiter. Aber Judo hat ja bei weitem mehr als, sagen wir mal, 8 Techniken.
Aus euren Postings lese ich bisher heraus, dass man aus dem gesamten Technikkodex, den das Judo bietet, sich mit der Zeit eine Handvoll Techniken aneignen sollte, mit denen man möglichst flexibel auf jede Situation reagieren kann, immer natürlich auch im Hinblick auf die eigenen Fähigkeiten. So handhabe ich das auch und so handhaben das wohl die meisten, aber vernachlässigt man dann nicht einiges? Ist es wirklich der Sinn von Judo, dass man sich ein paar Perlen rauspickt, die man sich "antrainiert", und den Rest (vorerst einmal) komplett außen vor lässt?

Beispiel 2 - Wettkampf: Wenn jemand im Wettkampf mit vielen verschiedenen Techniken werfen kann, demonstriere ich zweifellos eine große Flexibilität und Spontaneität. Wenn ich beim Wettkampf ständig mit der gleichen Technik werfen kann, demonstriere ich, dass ich den Kampf sehr gut lesen und lenken kann, denn schließlich gelingt es mir andauernd, meinen Kontrahenten in eine Situation zu bringen, wo ich meine Technik erfolgreich durchsetzen kann. Ich finde, dass beide Ansätze etwas für sich haben, insofern kann ich dem Zitat (um mal die symbolhafte Übertreibung "1 - 1000" wegzunehmen) nicht zustimmen, denn jemand, der auf jede Situation eine passende, unterschiedliche Antwort hat, der ist doch mindestens genauso "fürchtenswert" wie jemand der jede Situation mit dieser einen oder nur sehr wenigen Technik lösen kann...!?
Theorie: Wenn alle wissen, wie es geht, und es geht nicht.
Praxis: Wenn es geht, und keiner weiß, warum.
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Re: 1000 Techniken vs. 1 Technik

Beitrag von Fritz »

CasimirC hat geschrieben:Beispiel 1 - Training: Jemand, der im Training immer nur wenige Techniken häufig trainiert, entwickelt sich in diesen zweifelsohne immer und immer weiter.
Bis zu einem gewissen Punkt, dann stagniert es bzw. der Fortschritt wird unmerklich klein... Oder es wird ein allmählich eine andere Technik...
CasimirC hat geschrieben:Beispiel 2 - Wettkampf: Wenn jemand im Wettkampf mit vielen verschiedenen Techniken werfen kann, demonstriere ich zweifellos eine große Flexibilität und Spontaneität. Wenn ich beim Wettkampf ständig mit der gleichen Technik werfen kann, demonstriere ich, dass ich den Kampf sehr gut lesen und lenken kann, denn schließlich gelingt es mir andauernd, meinen Kontrahenten in eine Situation zu bringen, wo ich meine Technik erfolgreich durchsetzen kann.
Ja, aber das ist den Gewichtsklassen geschuldet...
Endkonsequenz davon ist dieses unsägliche Kraftgezerre und Griffeingespannen, um nun endlich den anderen "spezialwurf"-tauglich zu "stellen"...
Klar, wenn der andere sich gut in die "Abschußposition" bringen läßt, warum auch nicht, aber m.M.n. ist es judomäßiger, "einfach" die jeweilige Situation zu nutzen, die grad da ist...

Und eins ist meiner Meinung nach auch wichtig: Es sehr fatal, wenn wir Otto-Normal-Freizeitjudoka denken: Oh die Spitzenkämpfer haben ja ein, zwei Spezialtechniken und
ein paar Nebentechniken und es gibt diese tollen Profile mit den Kästchen und Kreisen, das machen wir jetzt auch so.
Was wir nämlich gern dabei übersehen: Die wechseln (wie in einem der vorherigen Beiträge angedeutet) bei Bedarf auch ihr "Profil" und das können sie in der Regel deshalb,
weil sie uns etwas voraus haben, was kaum bis mühsam zu erlernen ist: Sie haben von der Veranlagung her ein grundsätzliches Judoverständnis und damit fällt es ihnen
leicht, instinktiv auch weitere Techniken so zu verinnerlichen, daß sie "Spezialtechnik" tauglich sind...

Und Otto-Normal-Judoka hat dummerweise das Pech, daß er, falls er sich am Training der Spitzenleute orientiert, dieses grundlegende Judoverständnis eher nie erreichen
wird, da dieses eben nicht Ziel dieses Trainings, sondern Voraussetzung ist...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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