Judogi in den 1960er und 1970er Jahren
Zur damaligen Zeit gab es praktisch nur Einheitsware. Es gab mit Sport-Rhode (später im Markennamen DanRho aufgegangen) einen Hersteller in Deutschland, dazu noch ein paar Importeure (Matsuru, Rucanor). Die Anzüge waren aus vergleichweise sehr dünnem Material gefertigt, so dass sie weniger als 1 kg (inkl. Jacke, Hose und Gürtel) wogen. Beim Aufräumen habe ich einige alte Jacken vor kurzen noch gefunden und war erschrocken darüber.
Die Ärmel mussten die Hälfte des Unterarms bedecken und brauchten nur wenige Zentimeter Luft zwischen Unterarm und Stoff lassen. Dies spielte aber in der Praxis keine Rolle, weil niemand einen solchen Anzug trug.
Rückennähte gab es damals nur ganz selten, und wenn, dann nur mit sehr schmaler Überlappung. Die Revers waren sehr dünn und die Anzüge waren im Brustbereich weit geschnitten. Spezielle größen wie "slim" oder "weit" gab es nicht, genauso wenig wie Zwischengrößen. Man hatte die Wahl zwischen 160, 170, 180, 190 und 200. Das war es dann auch schon.
Probleme mit dem Greifen gab es von daher nicht. Es war immer genügend Stoff vorhanden....
Modifikationen von Kämpfern
Irgendwann begannen die Kämpfer - bzw. ihr "Umfeld" - die Judogi zu verändern. Die Anzugmodelle wurden enger geschnitten, Zwischengrößen eingeführt und wenn das nicht reichte, zum Schneider gebracht. Zu Beginn der 1980er Jahre wurde in Deutschland eine Regel eingeführt, die das nachträgliche Verändern eines Anzugs bestrafte. Genützt hat das nur wenig....
Entwicklung des Marktes für Judogi - und die Veränderung der Anzüge
Ungefähr in den 1990er Jahren entwickelte sich der Markt für Judogi in die Richtung, dass große Firmen, die Judo bis dahin nicht beachtet hatten, in den Wettbewerb einstiegen. Bis dahin gab es kaum ein Markenbewusstsein - heute sieht das ja anders aus. Der Wettbewerb brachte im Bereich der Wettkampfanzüge vor allem eines: Immer neue Ideen, wie man das Greifen des Gegner erschweren könnte. Hierzu wurden unter anderem:
- die Anzüge immer enger an den Körper geschnitten (Zwischengrößen, Slim-Größen etc.)
- Verstärkungen in Brust und Schulterbereich eingearbeitet
- Schulterklappen hinzugefügt
- die Nähte so platziert, dass sie zusätzlich eine verstärkende Wirkung hatten
- die Revers immer dicker und breiter gemacht
- die Rückennähte immer stärker überlappend gemacht
Die Folgen dieser Anzugmodifikationen waren dramatisch. Greifen am Revers war extrem erschwert. Hinzu kam, dass das Lösen des Griffes zentraler Trainingsinhalt für viele wurde. Man war gezwungen andere Griffmöglichkeiten zu suchen, z.B. unter der Achsel, über dem Arm, auf dem Rücken usw. "Klassisches Judo", mit Ärmel-Kragen-Griff und aufrechtem Kampfstil - so wie von Kano immer wieder betont - wurde auf indirektem Weg unmöglich gemacht.
Gegensteuern durch zusätzliche Regelungen
Es sollte unmittelbar einsichtig sein, dass Regelungen getroffen werden müssen, die die Anwendung von Techniken wie Morote-seoi--nage und einen klassischen Kampfstil wieder ermöglichen. Dazu musste gegen die Exzesse der Judogientwicklung vorgegangen werden. Die Folge war ein umfassendes Regelwerk, dass Verstärkungen - ich rede jetzt noch nicht einmal über zusätzlich Kunststoffteile, die in Rückennähten eingearbeitet wurden - auf ein akzeptables Maß reduziert.
Diese Regeln nützen allerdings nur, wenn deren Einhaltung auch kontrolliert wird. Die Folge war das Lizenzierungssystem der IJF. Dieses bietet natürlich auch Grund zur Klage, nämlich dass die Hersteller einen jährlichen, nicht zu knappen Beitrag, dafür zahlen müssen, dass ihre Anzüge überhaupt für eine Lizenzierung zugelassen werden.
Das übersehe ich keinesfalls, jedoch muss man eindeutig feststellen, dass es durch die Aktiven und die Anzughersteller massive Fehlentwicklungen gab, denen gegengesteuert werden musste.