Uchi Mata Lernen

Hier geht es um Techniken, deren Ausführung und Beschreibung
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Fritz
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Re: Uchi Mata Lernen

Beitrag von Fritz »

Jupp hat geschrieben:Auf dem Hintergrund Deiner Überlegung sollte sich jeder Trainer z.B. genau überlegen, zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Begründung er seinen Schülern z.B. Tani-otoshi, Ura-nage oder Yoko-gake (als Angriffs- und als Kontertechniken) vermittelt.

Als ich noch Wettkämpfer trainierte, war über lange Jahre Seoi-otoshi (also Seoi-nage auf beiden Knien!) im Randori in unserem Verein für meine Athleten verboten. Mit der von Dir angegebenen Begründung des langfristigen Risikos einer eigenen Knieverletzung (Verschleiß).
Da muß ich Dir zustimmen. Sutemi-Waza sollten wohl tatsächlich
nicht zu zeitig vermittelt werden, da es dem Erlernen der Tachi-Waza(-Anwendung) nicht sehr förderlich ist...

Mit dem Seoi-Otoshi (einbeinig gekniet) halte ich es ähnlich, klar zeige ich ihn im Rahmen
von Gürtelsprüfungs-Vorbereitungen auch meinen Weiß-Gelbgurt-Trägern,
irgendein Schlaumeier hatte nämlich den Namen "Seoi-Otoshi" für den Gelbgurt mit ins
Prüfungsprogramm geschrieben :-( und ich denke, sie haben schon
ein Recht darauf zu erfahren, was dies eigentlich für ein Wurf ist, spart spätere Diskussionen...,
aber das war es dann schon auch.

Und damit kommen wir zu Kehrseite der Medaille, wenn keiner den "Auf-die-Knie-spring-Wurf" im Randori
probiert, übt zwangsläufig niemand ernsthaft die Verteidigungen dagegen...
Und prompt kam die Quittung beim Wettkampf... muß mir da noch was didaktisch/methodisch Sinnvolles
einfallen lassen... :eusa_think
Mit freundlichem Gruß

Fritz
Jupp
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Re: Uchi Mata Lernen

Beitrag von Jupp »

Radwende auf den Unterarmen und andere turnerische und akrobatische Übungen helfen da sehr!

Außerdem: Seoi-otoshi sollten die Kids als Wurf schon lernen und das Fallen darauf ebenfalls und das Ausweichen darauf auch.

Was dann im Verein im Randori gemacht werden darf, ist eine ganz andere Sache.

Das gilt übrigens auch für Ashi-uchi-mata - denn auf diese Technik bei einem (Wurf-) Anfänger zu fallen, ist sehr oft auch nicht so angenehm...

Jupp

Übrigens: In der DJB-Prüfungsordnung steht "Seoi-otoshi" eigentlich für eine Ausführung des (Ippon-)Seoi-nage mit breitem Stand, damit jüngere Kinder (z.B. 8-jährige) Ippon-seoi-nage leichter lernen können. Der (Namens-)Irrtum in "Judo lernen" rührt ja vor allem daher, dass man - nicht nur in Deutschland, sondern in nahezu ganz Europa (vgl. Amos Gil´ad im Judo-Magazin) - unter Seoi-otoshi seit Ende der sechziger Jahre und spätestens seit Angelo Parisis Olympiasieg in Moskau 1980 eine Technik verstand, die oben (im Schulterbereich) wie Seoi-nage und unten (bei der Beinstellung) wie Tai-otoshi ausgeführt wurde.

Erst die deutsche Veröffentlichung des Daigo-Buches im Verlag Dieter Born hat deutlich gemacht, dass diese Namensgebung nicht mit der Namensgebung des Kodokan übereinstimmt, der schon seit vielen Jahrzehnten (ca. seit 1926) unter Seoi-otoshi einen Wurf mit ganz anderen Bewegungsmerkmalen versteht und immer verstanden hat. Der "europäische" "Seoi-otoshi" ist eben eine Erfindung der Europäer, die diesem Namen lange benutzt haben.

In "Judo lernen" ist also die dargestellte Wurfausführung korrekt, ein Ippon-seoi-nage mit breiter Schrittstellung als erleichternde Form für Kinder. Erwachsene sollten (nach meiner unbedeutenden ganz persönlichen Auffassung) besser direkt einen korrekten Ippon-seoi-nage erlernen. (Ich weiß, dass dies bei Prüfungen mit Prüfern, die nicht auf dem neuesten Stand sind eventuell zu kleineren Problemen führen kann...)

Falsch ist in "Judo lernen" die Bezeichnung des Wurfes. Der Name müsste korrekt Ippon-seoi-nage heißen.

Seoi-otoshi (auf einem oder beiden Knien mit direktem Zug ohne Aushebeln nach unten) sollte auf dieser Lernstufe auf keinen Fall unterrichtet werden.

Das ist viel zu früh und viel zu gefährlich für Tori und Uke!


Jupp

P.S.: Die obigen Aussagen decken sich mit dem heutigen Verständnis des Autors von "Judo lernen" Ulrich Klocke
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Fritz
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Re: Uchi Mata Lernen

Beitrag von Fritz »

Jupp hat geschrieben:Erst die deutsche Veröffentlichung des Daigo-Buches im Verlag Dieter Born hat deutlich gemacht, dass diese Namensgebung nicht mit der Namensgebung des Kodokan übereinstimmt, der schon seit vielen Jahrzehnten (ca. seit 1926) unter Seoi-otoshi einen Wurf mit ganz anderen Bewegungsmerkmalen versteht und immer verstanden hat. Der "europäische" "Seoi-otoshi" ist eben eine Erfindung der Europäer, die diesem Namen lange benutzt haben.
Allerdings muß man bemerken, daß im "Canon of Judo" Seite 195 der 2004er Auflage bereits Seoi-Otoshi gezeigt wird. Ich nehme
an auch ältere Auflagen enthalten diesen Wurf.
Im "Judo Kyohhan" von Sakujizo Yokoyama/Eisuke Oshima auf Seite 144 der 2003-Auflage ist sogar die Seoi-Otoshi-Form gezeigt,
wo Tori in Ukes Gürtel greift.
In Kawaishis Judo-Kata-Buch, spricht er bzgl der Kime-No-Kata auch von einer Form von Seoi-Otoshi...
Das es erst die deutsche Veröffentlichung vom Daigo deutlich gemacht hat, stimmt also so nicht, mir persönlich wurde es
schon mit der englischen Veröffentlichung deutlich, allerdings viel diese mit der Einführung dieser Kyu-PO 2005 zusammen.
Aber, wie ich mit Erstaunen feststellen durfte: http://www.kodokan.org/e_waza/03seoiotoshi.html und wenn mich meine Erinnerung
nicht trügt, hab ich auf der Seite schon deutlich vor 2005 herum gelesen. ;-)
Also es hätte schon den Machern der Kyu-PO auffallen können, daß ein Seoi-Otoshi doch was anderes ist, als das was in
der PO nun gefordert ist. Aber da ja die Experten-Kommission schön für sich allein das Ganze ausgeheckt hat,
kann das schon mal vorkommen... Offensichtlich hatte man sich ganz auf den im "Müller-Deck/Lehmann" aufgeführten
Namen mitsamt Technik-Beschreibung verlassen...

Und beim Raussuchen dieser Literaturstellen, hab ich doch auch ins Buch von Kawaishi (My method of judo) geschaut und
dort einen Namen zur Wurftechnik gefunden, die der im Kyu-Programm geforderten Ippon-Seoi-Nage-Variante
doch recht nahe kommt: Hidari-Kata-Seoi , damit hätte man auch eine Benennungsalternative gehabt, einen durch Kawaishi
in Europa etablierten Nicht-Kodokan-Namen zu nehmen, halte ich für unproblematischer als einen Kodokan-Namen zu mißbrauchen ;-)
Jupp hat geschrieben:P.S.: Die obigen Aussagen decken sich mit dem heutigen Verständnis des Autors von "Judo lernen" Ulrich Klocke
Wäre es anders, müßte man doch anfangen, sich ernsthafte Sorgen zu machen, oder? ;-)

Radwende auf den Unterarmen und andere turnerische und akrobatische Übungen helfen da sehr!
Beziehst Du das
auf die Abwehr des Auf-die-Knie-Spring-Wurfes? Wenn ja, wozu?

Ein relativ einfache Variante gegen Eindrehwürfe ist, rechtzeitig auszuweichen, oder
halt bei einem Rechtswurf die linke Hüfte gegenzudrehen - das führt dann auch recht zuverlässig dazu, daß die Kniespringer
es nach einer Weile sein lassen, da sie dabei mitunter empfindlich ein Knie in den Rücken bekommen...

Schafft es der Kamerad, tief zwischen die Beine zu springen und man kann weder ausweichen noch seitlich mit der Hüfte zu blocken,
dann kann man mit etwas Geschick, ohne zu zögern versuchen, mit beiden Beinen den Springer zu umklammern (also die
Rucksackposition herbeizuführen), und sich und ihn sofort nach vorn lang machen,
gelegentlich springt ein Ushiro-Jime als Belohnung heraus.

Oder für flinke Leute: Beim Rechtswurf mit dem linken Bein bogenförmig über die linke Schulter des Knieenden steigen,
mit dem Körper der Bewegung des Beines folgen, also sich dabei um die Längsachse drehen,
die Kragenhand am Kragen lassen, straff ziehen, Bein strecken, Knie zusammen und würgen - wird
gern bei Prüfungsaufgaben der Art: Übergang Stand->Boden nach Ukes mißglückter Wurftechnik genommen... ;-)
Jedenfalls sind das alles einfache Bewegungen, die kein große Akrobatik erfordern, halt nur etwas Automatisierung und ein Gespür
für den Angriff ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
HBt.

Kleiner Abstecher (Erbsenzählerei ist unnötig)

Beitrag von HBt. »

'Fritz',
ich glaube, ich verstehe Dich insofern richtig, wenn ich behaupte: Du unterstellst den Schöpfern der KYU-APO sie hätten zwischen (Ippon)Seoinage und Seoiotoshi korrekt unterscheiden können,
wenn sie den Unterschied bis dato gekannt hätten(?).

Von R. Lippmann weiß ich, das er ihn kannte /kennt. Die exakte Begründung warum die Namensgebung (oder die Überschrift) so gewählt wurde, wie sie eben gewählt wurde, ist mir leider entfallen.

Meine (fragenden) Kinder waren immer mit meinen erläuternden Erklärungen zufrieden, gezeigt habe ich immer einen (Ippon)Seoinage ---> daraus folgten dann grundsätzlich individuelle Formen der Üblinge, die alle perfekt in den falsch mit Seoiotoshi bezeichneten Container passten - 'falsch' aber nur in einem sehr enggefassten Begriffsverständnis, durchaus richtig in einem weitergefassten Verständnis.

Und meine 7 bis 10jährigen Knirpse hat es nie gestört, bzw. geschadet ---> wir haben den Druckfehler ohne viel Trara einfach durch (eine Form von) (Ippon)Seoinage ersetzt/korrigiert. Druckfehler kommen vor ;-).


_______________________________________________________
Zum Seoi-otoshi:
Siehe auch Seite 137, Habukareta-waza 7. Wurf, Te-waza)
'Judo meistern'
von U. Klocke
ISBN 978-3-922006-30-5

Ein schönes Weihnachtsgeschenk, aber nicht weitersagen :eusa_shhh
HBt.

Eine kleine Geschichte

Beitrag von HBt. »

Fritz hat geschrieben: Oder für flinke Leute: Beim Rechtswurf mit dem linken Bein bogenförmig über die linke Schulter des Knieenden steigen,
mit dem Körper der Bewegung des Beines folgen, also sich dabei um die Längsachse drehen,
(..)
Ich schätze einmal: in neun von zehn Fällen fliegst Du mit Ippon ...

Woher nehme ich diese Behauptung (?) alleine aus Erfahrung (und Verständnis); ich bin einmal auf einer Fortbildung ausgeklinkt ... (leider, später tat es mir sehr leid).
Ein unbedarfter TLN wollte mir erklären was wir üben soll(t)en, nach einer kurzen Zeitspanne des Zuhörens und mehr noch, brüllte ich ihn an: "Du kannst und weißt rein gar nichts."
Der Ausbruch kam wahrscheinlich erst nach dem ich ihn mehrfach mit dem geforderten "tiefen SN (man kommt nämlich nach dem drop wieder hoch, bei mir ist / bzw. war es, eine schraubenförmige Bewegung - ein Grund, warum ich viele Ausführung [insbesondere Makikomi's] als Ausführung mit Schraube bezeichne) erfolgreich und ohne Mühe geworfen hatte. Diese Schraube oder einzig und alleine der bedingungslose Wille zum Ippon, sind gar nicht einmal der Schlüssel oder das entscheidene Detail, sondern das Tsukuri ist es!

'Fritz',
was Du uns hier verkaufen möchtest ist nett, eine nette methodische Spielerei (und manchmal funktioniert sie / es auch) - so wie es flächendeckend probiert / angeboten und gelehrt (auch von Dir*) wird, funktioniert es nicht -- Du fällst, in neun von zehn Fällen!

Weiter mit der Geschichte:
Es bildete sich sofort ein ziemlich dichter TLN-Kreis** um mich herum, - und ich wachte auf - der leitende Referent sprach halb zur mir, halb beruhigend zur Menge: "Helge, wir sind hier alle keine Wettkämpfer... ". Gott sei Dank beruhigte sich die Situation sehr schnell und wir widmeten uns dem Jujigatame (ich war jetzt plötzlich Uke für den Referenten ...): fragwürdige Stand/-Bodenübergänge waren atok kein Thema mehr.

Mir tat es sehr leid und ich wunderte mich doch sehr (in mehrfacher Hinsicht. 1) lag der letzte ernsthafte Wettkampf unzählige Jahre in der Vergangenheit 2) war ich eh immer dauerverletzt 3) konnte ich mich an diesem Tag erstaunlich gut bewegen [heute hätte ich große Bedenken] 4) stellte ich mir die Frage was mich zu diesem Ausbruch bewegte...)

* ich weiß, es ist eine Unterstellung ;-).

** Pulk

________________________________
@Threadersteller,
sieh Dir doch erst einmal die LehrDVD mit Frank Wieneke an und andere z.B. INOUE, aber zuallererst 'frage deine Trainer', denn nur sie kennen und sehen dich.


HBt.


PS Zum (Ashi)Uchimata hätte ich eine ähnlich unrühmliche, wahre Geschichte anzubieten.
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Shinbashi
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Verein: TV Bühlertal

Re: Uchi Mata Lernen

Beitrag von Shinbashi »

Ich weiß nicht, was der Grund war, den "Seoi-Otoshi" genannten Wurf in die Kyu PO aufzunehmen und das noch so weit am Anfang.
Besteht da nicht die Gefahr, daß sich unerwünschte Bewegungsmuster einschleifen? Wenn das der Einstieg zu "Ippon-Seoi-Nage" sein soll, kommt doch der Einsatz von Hüfte und Händen zu kurz, da ja Tori schon tief steht und Uke nur noch ziehen muss. So passiert es, dass Uke über das gestreckte Bein gewuchtet wird.
Sperrt Uke und Tori steht dicht dran, kann es am Knie schon Aua geben.

@HBT: vielleicht bekommst du ja eine signierte Ausgabe vom Jupp unter`n Christbaum gelegt.
Gruß
Shinbashi

Wären Hunde Katzen, könnten sie auf Bäume klettern
HBt.

Methodik

Beitrag von HBt. »

'Shinbashi',
Du magst dich einfach nicht mit dem 'Druckfehler' anfreunden, stimmt es?

Beschreibe doch kurz und mit einfachen Worten, wie Du deine Annahme:
kommt doch der Einsatz von Hüfte und Händen zu kurz, da ja Tori schon tief steht
umschiffst.

Falsche Bewegungsmuster werden sich nicht einschleifen, ... lies doch dazu noch einmal 'Jupps Beitrag', er steht weiter oben, auf der ersten Seite dieses Diskussionsfadens.

HBt.




______
Band 1 habe ich doch schon längst, vielleicht Band 2 - nächstes oder übernächstes Weihnachtsfest ;-).
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