Kriterien für einen Dan-Grad

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tom herold
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Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von tom herold »

Irgendwie scheint der eigentliche Sinn dieser Debatte im Wust der Satzungen und Ordnungen, auf die man sich im SPORT-Judo beruft und die man hier zitiert hat, vollends untergegangen zu sein.
Die Frage war doch, welche Maßstäbe des Wissens und Könnens man allgemein an Dan-Träger anlegen sollte/müßte, wie das für jeden einzelnen Dan-Grad aussieht, worin sich ganz konkret die Anforderungen an einen 2. Dan von denen an einen 4. Dan unterscheiden ... (und damit ist nicht gemeint, daß man für den 2. Dan eine andere Kata vortanzt als für den 4. Dan).
Diese Fragen wurden nicht bzw. nicht zufriedenstellend beantwortet.

Stattdessen wird hier nun über Verfahrensordnungen und alles mögliche diskutiert ... wobei die INHALTE gar keine Rolle mehr zu spielen scheinen.
Von Dan-Trägern würde ICH erwarten, daß sie KÄMPFEN können.
Und "KÄMPFEN KÖNNEN" hat wenig bis nichts mit den Wettkämpfen des Sportjudo zu tun.

Ich möchte mit einem Zitat schließen:
"To possess a high grade means nothing. Ever since martial arts were born, the grade of someone is what he can do in battle."
Gemessen DARAN ... erscheint mir die Diskussion hier irgendwie substanzlos.
:dontknow
tutor!
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Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von tutor! »

Vielleicht liest ja mal jemand bei Kano (oder in vernünftiger historischer Literatur) nach, was er denn mit den Graduierungen bezwecken wollte, und welche Kriterien zu seinen Lebzeiten galten.
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Volker

Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von Volker »

Fritz hat geschrieben:
tom herold hat geschrieben:Könnte man die entsprechenden Beiträge nicht als eigenständiges Thema zusammenfassen und hier aus dem Faden herauslösen?
Ich überlege noch, ob ich mir die Mühe machen möchte, inhaltlich liegt es aber doch noch recht nah am Thema (Kriterien für einen Dan-Grad), nur daß dieses halt von der organisatorischen/rechtlichen Seite betrachtet wird in den betreffenden Beiträgen und nicht von der judo-technischen ...
@ Fritz:

Ein separater Faden würde die Konzentration auf die organisatorisch/rechtlichen Aspekte der Graduierung von Judokas vielleicht wirklich vergrößern. Und es würde es vielleicht auch erleichtern, bei der Sache zu bleiben. Die Frage aber ist, wen ein Faden wie „Kritisches allzu kritisch zum Graduierungs- und Prüfungswesen“ wirklich interessiert - außer mir ... :-)

Angesicht dessen, was für den DJB und seine Mitglieder aus rechtlicher Sicht auf dem Spiel steht, wenn ich Recht habe (wovon ich ausgehe), verstehe ich zwar, dass man argumentativ auf Abwehr geht, für unklug halte ich es aber, auf meine Kritik nicht wirklich einzugehen und meine Fragen nicht wirklich zu beantworten. Ich weiß, dass das schwer fällt.

Eine geruhsame Nacht und freundliche Grüße

Volker

PS: Ich kann nicht versprechen, dass ich jeden Tag und jede Woche an dem rechtlichen Thema dran bin, das ich selbst immer wieder aufwerfe, aber ich bleibe dran, nicht erst seit gestern und nicht nur hier. Aber gerne auch hier. Dazu wünsche ich mir nur die Bereitschaft zu lesen und zu verstehen - auch das, was schwer fällt, zu glauben.

PPS: Hofi bitte ich, nicht böse zu sein: wir haben leider keine schnelleren Pferde … :-)
piti
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Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von piti »

Ich dachte bisher immer @Tom wäre nicht zu toppen ...........
Aber............ man lernt nie aus :?
Judofunktionär fragt Judosportler:
Wer ist wir?
Gast

Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von Gast »

piti hat geschrieben:Ich dachte bisher immer @Tom wäre nicht zu toppen ...........
Aber............ man lernt nie aus :?
... manche anscheinend doch: Die Glücklichen :-)
katana
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Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von katana »

tom hat geschrieben:Und was lesen wir alsdann?
Mifune - wir erinnern uns - begann im Alter von 13 Jahren (!) mit dem Jûdô-Training.
Und erhielt den 1. Dan nur 15 Monate später:
Zitat:
After 15 months of training, Mifune achieved the rank of shodan ('beginning dan,' indicating 1st dan ranking) in Kodokan judo, and after the remarkably short time of four more months, nidan (2nd dan)

Und wiederum nur 4 Monate später (!) trug er bereits den 2. Dan.
.....
Kyuzo Mifune: 6. Dan mit 30 Jahren (1912).
Tokio Hirano: 6. Dan mit 19 Jahren (!!!) (1941).
Masahiko Kimura: 7. Dan mit 29 Jahren.
Was ich zu Toms Ausführungen noch anfügen wollte (Daigo Band 2, S.41):
Hajime Isogai
1. Dan nach 7 Monaten,
2. Dan bereits 8 Monate später
insgesamt 18 Monaten nach Eintritt im Kodokan wurde er Dojo-Leiter,
nach insgesamt 3 Jahren war er 3. Dan
tutor hat geschrieben:Vielleicht liest ja mal jemand bei Kano (oder in vernünftiger historischer Literatur) nach, was er denn mit den Graduierungen bezwecken wollte, und welche Kriterien zu seinen Lebzeiten galten.
Gute Idee! :D
KK
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Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von tutor! »

Und da heißt es in Artikel 10 der Regeln des Kodokan (gedruckte Erstveröffentlichung 1925):
Die Entscheidung über eine Graduierung basiert auf dem Charakter des Kandidaten, seinen Fertigkeiten in Kata und Randori, Wissen über Jūdō, Teilnahme am Jūdō-Training, Ergebnisse im Jūdō usw. Die Beurteilung der Kandidaten geschieht auf der Basis der folgenden Kriterien:
  • a) wenn ein Kandidat charakterliche Mängel aufweist, wird er nicht graduiert, auch wenn er andere Bedingungen erfüllt,
  • b) bei Kandidaten, die einen guten Charakter besitzen, fleißig trainieren, die das durch Jūdō Gelernte im täglichen Leben anwenden und durch Jūdō Fortschritte gemacht haben, können hierdurch bis zu einem gewissen Grade technische Defizite ausgeglichen werden,
  • c) die Bewertung der Jūdō-Techniken berücksichtigt besonders Haltung, Balance und Sicherheit bei der Ausführung,
  • d) In Bezug auf das Wissen über Jūdō müssen Kandidaten für den 1. Dan oder höher ein sicheres Verständnis der Theorie der Jūdō-Techniken nachweisen und demonstrieren, welche Bedeutung dies in ihrem Jūdō hat.“
Ist doch ganz eindeutig und konsequent, oder?

(Aber ich werde mich an der weiteren Debatte dazu wie schon angekündigt heraushalten, weil eine Veröffentlichung in der Vorbereitung ist....)
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Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von Joerch »

Es wäre schon interessant, wie der Kodokan charakterliche Mängel definiert.
Schlägereien gehör(t)en auf jeden Fall wohl nicht dazu.
Ist bei einer Selbstverteidigungskunst ja auch nicht weiter verwunderlich. ;)
Zitat:
Zu dieser Zeit, um 1930 herum, gab es zwei Judogrößen, Nagaoka und Mifune.
Nagaoka war der stärkste Mann im Kodokan und Mifune der schnellste, qualitativ beste - ein ziemlich kleiner Kerl, aber er konnte JEDEN schlagen.

Kano erzählte mir erstaunliche Dinge.
Er erzählte mir, daß Mifune ein geborener Draufgänger war und er selbst zwei- bis dreimal pro Jahr zur Polizei gehen mußte, um ihn aus dem Gefängnis zu holen.
Wo immer es eine Schlägerei gab, wo immer ein Kampf ausbrach, Mifune war dabei.
Und gewöhnlich mußte ein Krankenwagen ein Dutzend Leute abtransportieren, und die Polizei nahm ihn fest.
Kano mußte seine Beziehungen als Untersekretär für Erziehung spielen lassen.
Er erzählte mir, daß er Mifune vielleicht dreißigmal in seinem Leben aus dem Gefängnis hate holen müssen.

(Russel, Feldenkrais im Überblick, S. 171ff.)
Ob dass heute auch noch so gesehen wird? :?

Gruß
Joerch
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Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von tutor! »

Joerch hat geschrieben:Es wäre schon interessant, wie der Kodokan charakterliche Mängel definiert.
Öffentlich gar nicht - aber von einigen Judoka ist ja nicht-offiziell bekannt, dass sie einer Graduierungssperre unterlagen oder sogar aus dem Kodokan zeitweilig oder ganz ausgeschlossen wurden. Diese Dinge wurden und werden allerdings nicht breitgetreten und das ist auch gut so.
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tom herold
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Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von tom herold »

Joerch hat geschrieben:
Es wäre schon interessant, wie der Kodokan charakterliche Mängel definiert.
Öffentlich gar nicht - aber von einigen Judoka ist ja nicht-offiziell bekannt, dass sie einer Graduierungssperre unterlagen oder sogar aus dem Kodokan zeitweilig oder ganz ausgeschlossen wurden. Diese Dinge wurden und werden allerdings nicht breitgetreten und das ist auch gut so.
Richtig.
Bloß nichts in der Öffentlichkeit "breittreten", immer schön den Deckel drauf, damit das Image nur ja keinen Schaden nimmt.
Es ist ja soooooo viel sinnvoller, einfach geheimzuhalten, welche "charakterlichen Mängel" (oder was man als solche definiert) eine weitere Graduierung verhindern.
Und es ist natürlich auch viiiieeeeeel sinnvoller, OFFIZIELL niemals zuzugeben, DASS man jemanden nicht weiter an Dan-Promotionen teilhaben läßt.
Und schon gar nicht sollte man dafür dann GRÜNDE angeben.
:eusa_clap
Und das ist auch gut so.
Mal eine kleine Frage - WARUM ist das "gut so"?
Mit Ehrlichkeit hat das doch nicht besonders viel zu tun ...
Mit Aufrichtigkeit auch nicht.
Es hat den üblen Geruch von politischen Machenschaften, mit denen man unliebsame Jûdôka bestraft.
Ich persönlich finde das einfach widerlich.

Fest steht, daß Kimura nicht weiter graduiert wurde (was wohl angeblich damit zusammenhing, daß er an Profi-Kämpfen teilnahm ... aber eine "offizielle" Stellungnahme des Kôdôkan gab es dazu, soweit mir bekannt, nie.)
Fest steht, daß Hirano nicht weiter graduiert wurde (auch da wurde NIE ein "offizieller" Grund angegeben, und bis kurz vor seinem Tod galt Hirano im Kôdôkan als persona non grata).
Fest steht, daß Michigami Haku nicht weiter graduiert wurde (ER trainierte Geesink so, daß dieser 1964 gegen Kaminaga gewann - und DAS war, entsprechenden hartnäckigen Gerüchten zufolge, der Grund dafür, daß er danach von jeder weiteren Dan-Promotion ausgeschlossen blieb).
Zu Michigami Haku ganz kurz dies:
1926, 13 years Passes the test for the black belt.
Passes both in the matches and kata test. Failed to receive the black belt due to young age.

1927, 15 years Receives the black belt (1 Dan).
This record was not broken for over 60 years.
Ich könnte etliche weitere Beispiele aufzählen, aber wozu?
:dontknow
Klar scheint zu sein, daß die Grade und die Graduierungskriterien des Kôdôkan ein Machtinstrument waren (und sind), mit dem man unliebsame Zeitgenossen aufgrund angeblicher "charakterlicher Mängel" ganz einfach vom weiteren Erwerb höherer Grade ausschließen - und damit (sport)politisch kaltstellen kann.
Diese unliebsamen Zeitgenossen können ja dann im Kôdôkan noch nicht einmal zu einer Prüfung antreten, denn es heißt ja ausdrücklich:
wenn ein Kandidat charakterliche Mängel aufweist, wird er nicht graduiert, auch wenn er andere Bedingungen erfüllt
Sage mir bitte niemand, es habe für die Entscheidungen GEGEN solche Jûdô-Größen wie Kimura, Hirano, Michigami Haku KEINE politischen Gründe gegeben!
Sehr bedauerlich finde ich, daß es Menschen gibt, die so etwas auch noch gutzuheißen ...

Aber wenn man sich ansieht, was der Kôdôkan mit Margo Sathaye veranstaltet (hat), wundert einen gar nichts mehr.
Im amerikanischen Forum gab es dazu eine erbitterte Debatte.
Ich zitiere:
And the answer to that is not again an 'exception' like Margo Sathaye, because officially, according to the Kôdôkan, she was never an instructor there.
Believe, me, they actually went to look it up and verified it through all the different hierarchical layers after I insisted that she did teach at the Kôdôkan.
She has pretty much been 'cleaned' up and removed from the records.
Allein DAS entwertet bereits ALLES, was man heute so in den Richtlinien des Kôdôkan nachlesen kann über die Verleihung oder Nicht-Verleihung von Dan-Graden dieser Einrichtung.
Und NEIN, der Kôdôkan von heute ist NICHT jener Hort größter Ehrbarkeit, als den ihn sich alle so gern vorstellen.
Wer dazu Interna hören möchte, kann sich gern mal mit meinem Lehrer Frank Thiele unterhalten.
Woher DER sowas weiß?
Nun ... immerhin ist er Ehrenmitglied des Kôdôkan (Urkunde unterzeichnet u.a. von Watanabe) und kannte etliche Jûdô-Größen.
Die ihm wiederum in all den vielen Jahren sehr interessante Dinge erzählten (und warum hätten sie Frank belügen sollen?)

Nee, auf dem Kriterium der "charakterlichen Mängel", die jemanden von einer Dan-Promotion ausschließen, dürften nur Menschen bestehen, die SELBST keinerlei charakterliche Mängel aufweisen, ansonsten wird es pure Heuchelei.
Noch übler finde ich, daß diese "charakterlichen Mängel" NICHT klar definiert sind, womit sich also ein Gummi-Paragraph ergibt, den man ganz einfach gegen mißliebige Jûdôka benutzen kann.
Am schlimmsten aber finde ich, daß dieser Maßstab ganz ersichtlich NICHT bei allen gleich angelegt wurde.

Also dann ist es mir ehrlich gesagt lieber, die Kriterien für einen Dan-Grad beschränken sich auf das rein technische Repertoire, welches zu können ist.
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kastow
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Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von kastow »

tom herold hat geschrieben:Also dann ist es mir ehrlich gesagt lieber, die Kriterien für einen Dan-Grad beschränken sich auf das rein technische Repertoire, welches zu können ist.
Dann ignorierst du aber die zweite Ebene des Jûdô (cultivation of body and mind). Und wie schriebst du selbst:
tom herold hat geschrieben:Die beiden anderen Ebenen ("cultivation of mind and body" und "embetterment of society") werden im Sportjudo gern und oft erwähnt - dabei wird aber "vergessen", daß Kanô ausdrücklich schrieb, sie seien ALLE DREI GEICH WICHTIG und daß er nicht wolle, daß eine dieser Ebenen überbetont würde.
Wenn man aber nun die erste Ebene wegläßt und auch noch behauptet, das sei nicht schlimm ...
Da stimme ich dir zu, man darf keine der drei Ebenenen ignorieren - eben auch nicht die Geisteskultivierung ;)
tom herold hat geschrieben:Nee, auf dem Kriterium der "charakterlichen Mängel", die jemanden von einer Dan-Promotion ausschließen, dürften nur Menschen bestehen, die SELBST keinerlei charakterliche Mängel aufweisen, ansonsten wird es pure Heuchelei.
Wieso? Auch wenn ich selbst schmutzige Hände habe, kann ich immer noch beurteilen, ob die Hände meines Gegenübers sauber sind. Ich bin wegen der schmutzigen Hände ja noch lange nicht blind.
Herzliche Grüße,

kastow

Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
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Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von califax »

kastow hat geschrieben:
tom herold hat geschrieben:Also dann ist es mir ehrlich gesagt lieber, die Kriterien für einen Dan-Grad beschränken sich auf das rein technische Repertoire, welches zu können ist.
Dann ignorierst du aber die zweite Ebene des Jûdô (cultivation of body and mind).
Ohne Basis braucht man die zweite Ebene auch nicht. Ein Dach ohne Wände und Stützen ist kein Haus.
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Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von tom herold »

tom herold hat geschrieben:
Nee, auf dem Kriterium der "charakterlichen Mängel", die jemanden von einer Dan-Promotion ausschließen, dürften nur Menschen bestehen, die SELBST keinerlei charakterliche Mängel aufweisen, ansonsten wird es pure Heuchelei.
Wieso? Auch wenn ich selbst schmutzige Hände habe, kann ich immer noch beurteilen, ob die Hände meines Gegenübers sauber sind. Ich bin wegen der schmutzigen Hände ja noch lange nicht blind.
Blind nicht, das stimmt.
Aber vielleicht unaufrichtig?
Nennt man so etwas nicht "Pharisäertum"?

Wie glaubwürdig ist denn eine Gruppe von hochrangigen Jûdôka, die SELBST, wie du es ausdrückst, "schmutzige Hände" haben, aber DENNOCH einem ANDEREN wegen DESSEN "schmutzigen Händen" eine weitere Dan-Promotion verweigern?
Sowas ist Heuchelei.
Pharisäertum.
Nee, da schüttelt's mich vor Abscheu.
:angry4

Und was die zweite oder gar dritte Ebene des Jûdô angeht - vielleicht wäre es für sehr viele Sportjudoka mal ganz angemessen, sich überhaupt erstmal intensiv und aufrichtig der ersten Ebene zu widmen ("defence against attack"), ehe man hochgestochen über die "Kultivierung des Geistes" parliert.
;)
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kastow
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Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von kastow »

califax hat geschrieben:
kastow hat geschrieben:
tom herold hat geschrieben:Also dann ist es mir ehrlich gesagt lieber, die Kriterien für einen Dan-Grad beschränken sich auf das rein technische Repertoire, welches zu können ist.
Dann ignorierst du aber die zweite Ebene des Jûdô (cultivation of body and mind).
Ohne Basis braucht man die zweite Ebene auch nicht. Ein Dach ohne Wände und Stützen ist kein Haus.
Ich habe auch nicht behauptet, dass die technischen Fähigkeiten keine Beurteilungskriterium sein sollten. Wer lesen kann ist klar im Vorteil, ich schrieb:
kastow hat geschrieben:[...]man darf keine der drei Ebenenen ignorieren - eben auch nicht die Geisteskultivierung
(Hervorhebung von mir)

Und zu guter letzt noch eine Aussage Kanôs zu den drei Ebenen:
Jigorô Kanô; Mind over Muscle hat geschrieben:I urge all practioniers of jûdô to recognize that it consists of these three levels and to undergo their training without undue emphasis of one aspect over another.
Herzliche Grüße,

kastow

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Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von Jobi »

katana hat geschrieben:
tom hat geschrieben:Und was lesen wir alsdann?
Mifune - wir erinnern uns - begann im Alter von 13 Jahren (!) mit dem Jûdô-Training.
Und erhielt den 1. Dan nur 15 Monate später:
Zitat:
After 15 months of training, Mifune achieved the rank of shodan ('beginning dan,' indicating 1st dan ranking) in Kodokan judo, and after the remarkably short time of four more months, nidan (2nd dan)

Und wiederum nur 4 Monate später (!) trug er bereits den 2. Dan.
.....
Kyuzo Mifune: 6. Dan mit 30 Jahren (1912).
Tokio Hirano: 6. Dan mit 19 Jahren (!!!) (1941).
Masahiko Kimura: 7. Dan mit 29 Jahren.
Was ich zu Toms Ausführungen noch anfügen wollte (Daigo Band 2, S.41):
Hajime Isogai
1. Dan nach 7 Monaten,
2. Dan bereits 8 Monate später
insgesamt 18 Monaten nach Eintritt im Kodokan wurde er Dojo-Leiter,
nach insgesamt 3 Jahren war er 3. Dan
tutor hat geschrieben:Vielleicht liest ja mal jemand bei Kano (oder in vernünftiger historischer Literatur) nach, was er denn mit den Graduierungen bezwecken wollte, und welche Kriterien zu seinen Lebzeiten galten.
Gute Idee! :D
KK
Man sollte aber auch berücksichtigen, daß die Jungs damals fast Tag und Nacht trainiert haben. Die waren im Prinzip Vollzeit- Judoka. Die meisten von uns hingegen sind reine Freizeit-Judoka. Hierfür sind untere Dan-Grade dann auch akzeptabel.
Mit freundlichen Grüßen
Jobi


Wer das Ziel kennt, kann entscheiden.
wer entscheidet, findet Ruhe.
Wer Ruhe findet, ist sicher.
Wer sicher ist, kann überlegen.
Wer überlegt, kann verbessern.
tutor!
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Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von tutor! »

Muss man nicht zwischen Kanos Ideen und den Problemen bei der Umsetzung durch seine Nachfolger ein wenig differenzieren?

Das Thema des Fadens ist doch "Kriterien für einen Dan-Grad". Und dazu hat Kano als Begründer des Kodokan-Judo, seiner Philosophie und Zielsetzungen ziemlich schlüssige Kriterien aufgestellt. Die kann man mögen oder nicht, so wie man Kanos Konzept von Judo als Erziehungssystem mögen kann oder nicht.

Das andere Problem ist die Umsetzung. Der Kodokan ist sich heute sehr bewusst darüber, dass es nach dem Krieg einflussreiche Leute am Kodokan gab, die aus heutiger Sicht nicht akzeptabel waren. Aber darüber wird nicht offen geredet, nur wenn man jemanden sehr, sehr gut kennt. Schließlich handelt es sich um sehr hohe Dan-Träger.

Niemand hat es BTW m.M.n. verdient, dass seine persönlichen Verfehlungen in der Öffentlichkeit durch eine Organisation breitgetreten werden. Das hat etwas mit würdevollem Verhalten gegenüber denjenigen zu tun, die eben auch nicht perfekt sind.

Es hat übrigens nicht nur Leute gegeben, denen der Kodokan eine Graduierung verweigert hat - es gab auch umgekehrte Fälle, in denen Leute eine Graduierung des Kodokan nicht angenommen haben. Aber auch über die spricht man nicht offen.

Übrigens: in Japan ist es heute noch so, dass man den ersten Dan mit 14 Jahren nach 1-2 Jahren Judotraining erreichen kann. Das Mindestalter für den 5. Dan ist 20 Jahre (DJB: 30 Jahre). Diese Dinge haben also nichts mit früher/heute zu tun, sondern mit Deutschland/Japan.
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Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von tom herold »

Muss man nicht zwischen Kanos Ideen und den Problemen bei der Umsetzung durch seine Nachfolger ein wenig differenzieren?
Sehr richtig.
Das Thema des Fadens ist doch "Kriterien für einen Dan-Grad". Und dazu hat Kano als Begründer des Kodokan-Judo, seiner Philosophie und Zielsetzungen ziemlich schlüssige Kriterien aufgestellt. Die kann man mögen oder nicht, so wie man Kanos Konzept von Judo als Erziehungssystem mögen kann oder nicht.
Keine Frage, daß Kanô die höchste und letzte Instanz in Fragen des Jûdô ist.
Wenn sich nur der eine oder andere hier öfter genau DARAN erinnern wollte ...
;)
Mir gefällt nur nicht, wer sich alles auf Kanô beruft, wenn's grad ins eigene Weltbild paßt, und mir gefällt nicht, wer alles meint, jeden Mist unter Berufung auf Kanô rechtfertigen zu können.
Das andere Problem ist die Umsetzung. Der Kodokan ist sich heute sehr bewusst darüber, dass es nach dem Krieg einflussreiche Leute am Kodokan gab, die aus heutiger Sicht nicht akzeptabel waren. Aber darüber wird nicht offen geredet, nur wenn man jemanden sehr, sehr gut kennt. Schließlich handelt es sich um sehr hohe Dan-Träger.
Also Image-Pflege VOR Ehrlichkeit ...
Und letztlich wissen es doch alle, die es wissen wollen.
Schließlich handelt es sich um sehr hohe Dan-Träger
Und die sind automatisch jeder Kritik entzogen ...?
Aha ...
Gut zu wissen.
;)
Niemand hat es BTW m.M.n. verdient, dass seine persönlichen Verfehlungen in der Öffentlichkeit durch eine Organisation breitgetreten werden. Das hat etwas mit würdevollem Verhalten gegenüber denjenigen zu tun, die eben auch nicht perfekt sind.
Das wäre akzeptabel, WENN es klar definierte Kriterien gäbe, die "charakterliche Mängel" (und um die ging es doch?) eindeutig benennen würden.
Gibt es aber nicht.
Was GENAU man bspw. Hirano "vorwarf", wurde NIE vom Kôdôkan formuliert (ich weiß, weshalb man im Kôdôkan sauer auf ihn war, aber ich finde es unerhört, so etwas als "Grund" für die Verweigerung höherer Dan-Grade heranzuziehen und dann noch nicht einmal den Mut zu haben, diesen "Grund" auch zu benennen!)
Wer sich so verhält wie die entsprechenden Gremien des Kôdôkan in dieser Frage, der KANN meiner Meinung nach nicht guten Gewissens darüber entscheiden, andere wegen "charakterlicher Mängel" von der weiteren Dan-Promotion auszuschließen - vor allem DANN nicht, wenn einige etwas "gleicher" sind als andere und TROTZ gravierenden Fehlverhaltens eben NICHT von der Verleihung höherer Dan-Grade ausgeschlossen werden.
Politik ...
Widerlich!

Entweder man legt an ALLE den gleichen Maßstab an - und distanziert sich ÖFFENTLICH von "schwarzen Schafen", und zwar mit stichhaltigen und WAHREN Begründungen.
Oder aber man MAUSCHELT, wie es nach Kanôs Tod geschah, weil's politisch opportun erscheint - dann ist man einfach unglaubwürdig, vor allem, wenn man als Ausschluß-Kriterium für die Verleihung von Dan-Graden "charakterliche Mängel" heranzieht.
Die man ja offensichtlich selbst reichlich besitzt ...
Nee, das hat mit Kanôs Jûdô und den von ihm formulierten Idealen rein garnichts mehr zu tun, egal wie sehr man versucht, das schönzureden.

BTW: Möchte mir jemand einreden, die Verleihung hoher Dan-Grade im DJB habe NICHTS mit politischen Erwägungen zu tun?
Zumindest in diesem Punkt war übrigens der Präsident des DDK im Jahre 2003 ungewohnt offen - vor mehr als 30 Zeugen erklärte er, die Verleihung hoher Dan-Grad ehabe NICHTS mit dem Können und Wissen des solcherart Geehrten zu tun, sondern sei ein Mittel zur Durchsetzung politischer Interessen.
Ich war dabei, ich hab das selbst gehört.

Ich glaube, Kanô würde bloß noch kotzen ...
:BangHead
katana
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Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von katana »

kastow hat geschrieben:Auch wenn ich selbst schmutzige Hände habe, kann ich immer noch beurteilen, ob die Hände meines Gegenübers sauber sind. Ich bin wegen der schmutzigen Hände ja noch lange nicht blind.
Schön, daß sich "Schmutzfinken" damals wie heute einig sind, daß es ausschließlich ihnen zusteht, die "Sauberkeit" der anderen zu beurteilen.

Vielleicht hat diese Mentalität auch den Spruch in Hiratas DoJo (wo auch Kimura letzlich trainierte)geprägt:
+ We don't refuse people who come to us.
+ We don't chase people who leave from us.


KK
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Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von tutor! »

tom herold hat geschrieben:BTW: Möchte mir jemand einreden, die Verleihung hoher Dan-Grade im DJB habe NICHTS mit politischen Erwägungen zu tun?
Zumindest in diesem Punkt war übrigens der Präsident des DDK im Jahre 2003 ungewohnt offen
Mir fehlen zu dieser Verbindung einfach die Worte....
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Re: Kriterien für einen Dan-Grad

Beitrag von Fritz »

tutor! hat geschrieben:
tom herold hat geschrieben:BTW: Möchte mir jemand einreden, die Verleihung hoher Dan-Grade im DJB habe NICHTS mit politischen Erwägungen zu tun?
Zumindest in diesem Punkt war übrigens der Präsident des DDK im Jahre 2003 ungewohnt offen
Mir fehlen zu dieser Verbindung einfach die Worte....
Wieso? Haben beide Verbände nicht mal sehr eng zusammengearbeitet? Sind nicht sogar noch eine erkleckliche Anzahl Dan-Inhaber gleichzeitig in beiden
Vereinigungen organisiert?
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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