Fallschule vorwärts

Hier geht es um Techniken, deren Ausführung und Beschreibung
Kumamoto
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Re: Fallschule vorwärts

Beitrag von Kumamoto »

Frage: Kennt jemand ein Video in dem Kano (selbst) eine Vorwärtsrolle macht und bei dem man die Beinstellung einigermassen sieht?
Kenne nur dieses Video von Mifune: http://video.google.com/videoplay?docid ... 1525244862# (man kann den Vollbildmodus unten einschalten). Dort steht Uke (von Mifune geworfen) nach ca. 2 Minuten klar übers Knie auf bzw. dreht sich auf dem Knie anstatt über beide Füsse aufzustehen und dann den gesamten Körper zu drehen...
Bei ca. 3 Minuten wird die Fallschule demonstriert, wobei auch die Vorwärtsrolle gezeigt wird, leider sehr nahe am Bildrand, ich meine aber beim vorderen Judoka erkennen zu können, dass er über beide Füsse abrollt...
In dennachfolgenden Wurfdarstellungen bleibt Uke immer liegen :(
Wäre doch mal interessant, ob sich die Judorolle im Laufe der Jahre (und Kulturen) geändert hat. ;)
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derLichtschalter
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Re: Fallschule vorwärts

Beitrag von derLichtschalter »

Ein weiteres Video dazu: Nagaokas Uke Murakami steht bei dieser Nage-no-kata-Demonstration (gegen Ende bei den Sutemi-waza natürlich) ebenfalls übers Knie auf.

katana
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Re: Fallschule vorwärts

Beitrag von katana »

Dieses Video ist wohl eines der offensichtlichen Beweise, daß auch früher in Japan
hohe Dan-Träger nicht automatisch und unbedingt gleich "Technikgötter" waren.
Damit meine ich nicht nur die Fallschule.
Übrigens auch die Seitwärtsfallschule ist hier bedenklich.
Anscheinend legt der Uke auf keine Ausführung irgendeinen ersichtlichen Wert.

(Das erinnert mich an das Buch "angry white pyjamas",welches Tom hier mal empfohlen hatte, in dem die Probanten ohne Anleitung , allein durch "Schmerz-Erfahrung" das Fallen in ausgiebigen Zeiteinheiten erlernen mussten. ;) )

Ja ja, früher war alles besser...

KK
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Fritz
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Re: Fallschule vorwärts

Beitrag von Fritz »

katana hat geschrieben:Dieses Video ist wohl eines der offensichtlichen Beweise, daß auch früher in Japan
hohe Dan-Träger nicht automatisch und unbedingt gleich "Technikgötter" waren.
Damit meine ich nicht nur die Fallschule.
Übrigens auch die Seitwärtsfallschule ist hier bedenklich.
Anscheinend legt der Uke auf keine Ausführung irgendeinen ersichtlichen Wert.
Was meinst Du dann? Ich finde die Kata sehr schön anzusehen, man findet viel von dem wieder,
was z.B. Frank Thiele und Tom H. versuchen zu vermitteln.
Der Uchi-Mata ist ein Gedicht, man sieht deutlich, wie Ukes Unterleib nach hinten "weggeschossen" wird...

Wenn wir hier über Vorwärtsrollen usw. diskutieren, dann geht es doch eigentlich um die Frage, wie es Anfängern
vernünftig beizubringen ist. Man kann mit Fug und Recht annehmen, daß die Judoka auf dem Video so das Fallen
verinnerlicht haben, daß es egal ist, wie genau sie rollen u. aufstehen oder wie sie seitlich landen, die können es
einfach - entspannt/locker und effizient.

Sagen wir so, wer rollen kann, ohne das Bein einzuwinkeln, kann auch rollen mit Einwinkeln.
Andersherum wird es schwieriger... ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
katana
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Re: Fallschule vorwärts

Beitrag von katana »

Ich meinte da weniger die Rollen, sondern die Seitwärtsfallschulen von Uke.
An den Technikprinzipien selbst ist nichts auszusetzen, aber wenn man z.B. den linken Harai Goshi betrachtet
merkt man schon extreme Defizite des Gleichgewichts von Tori.
Soll nicht heißen , daß das nicht mal passieren kann, aber als Demonstration eines 8. Dan zur Videoaufnahme ??? (beim damaligen Technikstand mußte man sich schon überlegen, was man da filmt) :dontknow
Für sowas bist du bei uns noch vor ein paar Jahren beim 1.Dan durchgefallen.

KK
Jupp
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Re: Fallschule vorwärts

Beitrag von Jupp »

Lieber Katana,
Deine Anmerkung
"Soll nicht heißen , daß das nicht mal passieren kann, aber als Demonstration eines 8. Dan zur Videoaufnahme ??? (beim damaligen Technikstand mußte man sich schon überlegen, was man da filmt) :dontknow
Für sowas bist du bei uns noch vor ein paar Jahren beim 1.Dan durchgefallen."

zeigt wieder einmal ein grundsätzliches Problem auf, das sich bei machen hier im Forum wie ein roter Faden durch die Mehrzahl ihrer Beiträge zieht: Niedermachen um jeden Preis!

Hier wird nicht (wie Fritz es macht) auf einige (durchaus subjektiv) schöne Techniken hingewiesen, sondern das "Haar in der Suppe/Heuhaufen/Meer..." gesucht.

Es ist sicherlich schwer, sich vorzustellen, wie das bei Videoaufnahmen früher so war - ach so..., Video gab es ja gar nicht, also Filmaufnahmen waren es.
Mit riesigen Kameras von Experten für Aufnahmetechnik - nicht wie heute, wo sich jeder (vermeintliche oder echte) Judofachmann mit einer 300.- € Videokamera zu einem (vermeintlichen oder echten) Fachmann für Videoaufnahmen machen kann (möchte) und dann - wenn er mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist - am nächsten Tag, in der nächsten Woche oder dem nächsten Monat nacharbeiten kann und alles so lange korrigieren, bis es perfekt ist (warum sieht man dennoch so selten wirklich durchgängig perfekte Techniken auf Video? Außer von ehemaligen Weltmeistern, Olympiasiegern des Sportjudo?)

Vermutlich ist es einfach sehr schwer, sich vorzustellen, dass es damals ein paar Tage gedauert hat, bis (der spätere 10. Dan) Nagaoka sich die Filmaufnahmen anschauen konnte. Möglicherweise war er dann auch mit dem Ergebnis nicht so zufrieden, wie er es gerne gewesen wäre, aber: die Aufnahmen waren fertig und einen anderen Termin gab es möglicherweise nicht mehr - wer kann das heute schon noch wissen?

Sich anzumaßen, Nagaoka zu unterstellen, er habe bei einigen seiner Techniken nicht einmal das Niveau eines hiesigen 1. Dan gehabt, ist schon ziemlich heftig. (Wenn man sich jetzt noch überlegt, dass zum Zeitpunkt der Filmaufnahmen allein Jigoro Kano die Graduierungen vornahm...).

Eine solche Kritik liegt auf demselben Niveau wie der Hinweis darauf, dass der von W.Hofmann in seinem Buch "Judo" (von 1969) gezeigte O-guruma so schwach sei, dass dadurch das Ansehen Hofmanns in den Augen des Kritikers gesunken sei.

Allein an einer kurzen Sequenz (sei es Film, Video, Foto oder Zeichnung) auf die technischen Fähigkeiten eines Judoka zu schließen ist nicht nur äußerst (sagen wir mal freundlich) "unseriös" sondern zeigt auch, dass man sich Urteile anmaßt, die einem auf Grund des eigenen Fachverständnisses offensichtlich noch überfordern.
Wer nicht mit eigenen Augen gesehen hat, wie sich ein Judoka wirklich auf der Matte bewegt, sollte mit seinen Urteilen sorgsamer umgehen.


Zum eigentlichen Thema dieses Fadens, der "Zenpo-kaiten-no-ukemi" (Rolle vorwärts) bzw. "Mae-mawari-ukemi" möchte ich folgende Anmerkungen machen:

1. Die Judorolle vorwärts mit Aufstehen über die leicht gebeugte Beine und die Fußkanten ist bei allen Techniken sehr gut geeignet, bei den Uke groß und weit nach vorne rollen soll.

2. Die Rolle vorwärts (mit oder ohne Abschlagen mit dem Arm) und aufstehen über ein "eingeschlagenes" (d.h. im Kniegelenk abgebeugtes) Bein/Unterschenkel ist bei allen kleineren Rollen gut geeignet, wo es wenig Raum zum Bewegen gibt.

3. Judoka sollten meiner Auffassung beide Bewegungen lernen und nutzen können, denn beide sind je nach Anwendungssituation sinnvoll.

4. Dies sollte von einem relativ frühen Stadium (Gelbgurt) an immer wieder mit unterschiedlichen Aufgaben geübt werden, damit der Judoka in der Lage ist, seine Bewegungen situationsgerecht zu steuern und nicht einfach "blind" ablaufen zu lassen.

5. Das gilt im Übrigen auf für das Abschlagen mit dem Arm, für das z.B. auf einer asphaltierten Straße (ohne federnden Untergrund) überhaupt keinen Anlass gibt.

6. Wer die Rolle vorwärts auf Hallenparkett oder Linoleum oder sogar auf der Straße ausprobiert, wird schnell feststellen, dass die im Judo gewünschte Ausführung dabei nicht unbedingt von Vorteil ist. Ich jedenfalls mache auf dem Hallenboden lieber eine kleine Rolle ohne Abschlagen und stehe über den eingeschlagenen Unterschenkel auf.

Tut einfach bei mir weniger weh!

Aber "schmerzfrei" sein, hilft hier im Forum ja auch bei manchen Beiträgen!

Jupp
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Fritz
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Re: Fallschule vorwärts

Beitrag von Fritz »

Jupp hat geschrieben: 5. Das gilt im Übrigen auf für das Abschlagen mit dem Arm, für das z.B. auf einer asphaltierten Straße (ohne federnden Untergrund) überhaupt keinen Anlass gibt.

6. Wer die Rolle vorwärts auf Hallenparkett oder Linoleum oder sogar auf der Straße ausprobiert, wird schnell feststellen, dass die im Judo gewünschte Ausführung dabei nicht unbedingt von Vorteil ist. Ich jedenfalls mache auf dem Hallenboden lieber eine kleine Rolle ohne Abschlagen und stehe über den eingeschlagenen Unterschenkel auf.

Tut einfach bei mir weniger weh!
Hmm, so richtig bin damit nicht einverstanden. Wieso schlagen wir bei der "Rolle" überhaupt ab?

Der Grund ist m.M.nach, daß man zum Start-Zeitpunkt des Abschlagens noch gar nicht weiß, ob es zur Rolle kommt oder man
nicht vom Tori loskommt und es zwangsweise auf "Vorwärts mit Liegenbleiben" hinausläuft. ;-)

Demzufolge halte ich es aus didaktischen Gründen schon für richtig, beim Üben als Rolle, die Abschlagerei beizubehalten, Hallenboden
hin oder her ;-) Es fällt bei der Rolle eh nicht so "hart" aus...

Der Gesichtspunkt bzgl. des Unterschlagens des Beines in Hinblick auf die räumliche Situation ist nachvollziehbar und
evt. dahingehend noch weiter zu denken, daß es auch eine Frage des Schwunges sein kann. Hat man nicht genug Schwung,
um direkt auf beide Füße zu gelangen, dann ist es sicherlich sinnvoller, über den Kniestand halbwegs elegant hochzukommen
(also das kleinere "Übel" zu wählen ;-) )
Mit freundlichem Gruß

Fritz
katana
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Re: Fallschule vorwärts

Beitrag von katana »

Lieber Jupp,
Sich anzumaßen, Nagaoka zu unterstellen, er habe bei einigen seiner Techniken nicht einmal das Niveau eines hiesigen 1. Dan gehabt, ist schon ziemlich heftig.
ich hebe mir nicht angemaßt zu unterstellen, sondern eine Tatsache angeführt.
Da mußt du dich schon bei den zuständigen Danprüfern beschweren, nicht bei mir.
Ich kritisiere nicht die Ausführungen von Nagaoka, sondern die Tatsache, daß einige Prüfer von ihren Prüflingen mehr fordern, als das offensichtlich früher von hochrangigen Danträgern für wichtig erachtet wurde.
Im Übrigen ...
...dass man sich Urteile anmaßt, die einem auf Grund des eigenen Fachverständnisses offensichtlich noch überfordern.

Mit welchem Fachverständnis bezüglich meiner Urteilskraft maßt du dir denn diese Aussage an ?
Wer nicht mit eigenen Augen gesehen hat, wie sich ein Judoka wirklich auf der Matte bewegt, sollte mit seinen Urteilen sorgsamer umgehen.
Trifft das auch auf dich zu ? Wann haben wir uns denn zuletzt auf der Matte getroffen ?

Wie würdest du denn die Seitwärtsfallschule von Uke (nicht Nagaoka) beurteilen ?
Die hohen Danträger des DJB wurden doch, soviel ich weiß, vor einiger Zeit umfangreich eingewiesen ;) ?

Natürlich kann man immer alle Aussagen ins Gegenverständnis uminterpretieren, was ich dir aber nicht unterstellen möchte.
Sollte ich mal wieder einen Punkt erwischt haben , bei dem du dich selbst betroffen oder herabgesetzt fühlst, so möchte ich ausdrücklich beteuern, daß das nicht meine Absicht war und mich ausdrücklich dafür entschuldigen.

::Wir haben früher als Jugendliche auch Aufnahmen mit "Film"-Kameras gemacht. Ich hatte eine, wo man mit 18-Bilder/Sek aufnehmen konnte, was bei den horrenden Preisen ein Bonuspunkt für die schmalen Geldbeutel war.
Wüsste aber nicht, wen das in diesem Zusammenhang interessiert, außer zum Zweck der revanchierenden Wortklauberei . ;)
(genau aus diesem Grund, weil du das nicht einfach x-mal löschen konntest, bis es passt, mußte man schon genau wissen, was man da aufnehmen will)

KK
Kumamoto
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Re: Fallschule vorwärts

Beitrag von Kumamoto »

Ich stelle mal eine (provokante) These auf:
Die Judorolle vorwärts mit aufstehen über beide Beine ist für einen Asiaten auf Grund seiner physi(ognomi)schen Voraussetzung einfacher (kürzere Beine im Verhältnis zum Restkörper) als für einen "normannischen Kleiderschrank" wie mich mit fast 2m... Das Rollen über die Füsse wurde nach Europa früh 1:1 übernommen ohne Nachzufragen, warum das so ist und ist irgendwann als "ehernes" Judogesetz betrachtet worden.
Jupp hat meiner Ansicht nach eine gute Erklärung geliefert, wann was "besser" ist. Wo steht eigentlich genau, dass man über die Füße - und nicht übers Knie- aufstellen soll? Die Ukemi-Waza werden in den meisten Judobüchern ja eh recht stiefmütterlich behandelt. Vielleicht war es Kano ja auch egal und das Aufstehen über die Füße wurde von ihm nur für die Katas vorgegeben... Und wenn es ihm nicht egal war, warum hat er sich dann festgelegt, das anders als im Jiu Jitsu zu machen? Hat da jemand Quellen?

Vielleicht ganz interessant zum Thema Outdoor-Fallen:
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Christian
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Re: Fallschule vorwärts

Beitrag von Christian »

Ich nehme jetzt mal den Videolink von Kumamoto zur näheren Erläuterung:

Wenn man die Rollen von Ryan Doyle am Anfang betrachtet, wo er aus dem Kniestand bzw. aus dem Stand / aus dem langsamen Gehen die Rollen macht, so klappt er sein Bein ein und steht am Ende wieder so, dass er die gleiche Blickrichtung hat wie am Anfang.

Gehen wir im Video ein paar Minuten weiter wo Ryan über ein Hindernis springt (ab Minute 3:00) klappt er sein Bein wieder ein, kommt aber am Ende nicht darum herum, seine Blickrichtung zu ändern. Er muss sich gezwungenermaßen durch die größere Energie drehen und steht am Ende mit der Blickrichtung entgegengesetzt zur Ausgangsrichtung.
Dies ist ebenfalls der Fall als er von der Mauer springt.

Durch das Einklappen des Beines wird eine Rotation des Körpers hervorgerufen, diese kann bei einer kleinen Anfangsenergie noch ausgeglichen wird, so dass man die Rotation kompensieren kann. Ist die Energie aber größer, so kann man die Rotation nicht mehr auffangen und dreht sich am Ende.
Hat man noch soviel Restenergie nach der ersten Rolle, so würde man jetzt rückwärts weiter fallen und könnte so ggf. nicht auf vorhandene Hindernisse reagieren (z.B. durch Korrektur der Fallrichtung).

Würde man bei der Rolle über das gerade Bein aufstehen, so wird der Körper nicht in eine Rotation gezwungen und man kann bei einer zu großen Restenergie eine weitere Vorwärtsrolle durchführen.

Dies ist auch die Erklärung, welche uns Frank Thiele auf einem Lehrgang gegeben hat, als man ihn danach gefragt hat, warum man über das gerade Bein aufsteht.
schöne Grüße
Christian
tutor!
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Re: Fallschule vorwärts

Beitrag von tutor! »

Bevor es Missverständnisse gibt.

Es ist der so genannte "Pirouetteneffekt", den Christian beschreibt. Ist ein Körper in einer Drehbewegung, so wird die Winkelgeschwindigkeit größer (=die Drehung beschleunigt), wenn die Masse dichter an die Drehachse gebracht wird. Umgekehrt wird die Winkelgeschwindigkeit kleiner (=die Drehung abgebremst), wenn die Masse von der Drehachse weg gebracht wird.

Am Beispiel eines Salto wird das auch deutlich: ist die Drehung einmal eingeleitet, rollt man sich klein ein, um sich schneller drehen zu können - und streckt sich wieder, wenn man die Drehung beenden will.

Den gleichen Effekt hat man, wenn man bei einer Rolle die Beine am Ende streckt. Ob das jetzt aber der Grund ist, oder ein Nebeneffekt, kann ich nicht sagen. Ich tendiere eher dazu, dass dies als die schnellste Art und Weise betrachtet wird, in Shizentai zu kommen, was aber auch wieder darauf basiert, dass die Rotation wirksam beendet wird. Aber wenn ich die historische Antwort wüsste, hätte ich es schon vorher geschrieben.

Wer mit Kodokan-Lehrern Fallschule macht, wird feststellen, dass sie großen Wert darauf legen, dass man die Hüfte bei Aufstehen relativ gestreckt und nicht zu stark gebeugt hat. Dies hat den selben Effekt.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
HBt.

...

Beitrag von HBt. »

...
Zuletzt geändert von HBt. am 14.02.2011, 13:29, insgesamt 1-mal geändert.
Kumamoto
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Re: Fallschule vorwärts

Beitrag von Kumamoto »

Nachfrage zum Thema "historische Judo-Fallschule":
Was ist denn die älteste euch bekannte oder - besser noch - vorliegende Quelle, in der die Vorwärtsrolle mit Aufstehen genauer beschrieben wird? Am Besten wäre natürlich Primär- und keine Sekundärliteratur...
Reaktivator
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Immer wieder Aha-Erlebnisse

Beitrag von Reaktivator »

Kumamoto hat geschrieben:Nachfrage zum Thema "historische Judo-Fallschule":
Was ist denn die älteste euch bekannte oder - besser noch - vorliegende Quelle in der die Vorwärtsrolle mit Aufstehen genauer beschrieben wird? Am Besten wäre natürlich Primär- und keine Sekundärliteratur...
Bei der Frage nach Primärliteratur fiel mir spontan ein, daß es doch eigentlich nichts Authentischeres geben dürfte als das, was Kanō selbst dazu gesagt hat.

Also habe ich einmal einen Blick in das erste und einzige von ihm verfaßte Lehrbuch geworfen (KANŌ Jigorō: Jūdō kyōhon (Jūdō-Lehrbuch). Tōkyō: Sanseidō 1931).

Auch auf die Gefahr hin, etwas vom Thema abzuweichen, möchte ich vor Beantwortung der gestellten Frage kurz auf zwei Punkte hinweisen, die mir dabei spontan aufgefallen sind - da ich mir (weil es am Schnellsten ging) zuerst nur die Bildchen darin angesehen habe: ;-)

1) Bei der Rückwärts(!)-Fallschule liegen die dort am Ende etwas auf der Seite - und schlagen nur mit einem Arm ab (sowohl aus dem Sitzen/Hocken als auch aus dem Stand).

2) Hiza-guruma wird so gezeigt, wie Daigo ihn in Band 2 seiner Trilogie zu den Kodokan-Wurftechniken als "Version 2" zeigt: den Fuß nicht von vorne unterhalb des Knies angesetzt, sondern von der Seite am Knie.

Aber das nur am Rande. Jetzt zurück zur Vorwärtsrolle:

Leider finden sich zur Vorwärtsrolle nur drei Fotos - auf denen sie (wenn mir meine Augen keinen Streich spielen) von Hideichi Nagaoka demonstriert wird.

Foto 1: noch fast komplett stehend (d.h. Beine gestreckt und Hüfte hoch, nur der Oberkörper schon abgebeugt und beide Hände in "Rollposition")

Foto 2: am Beginn des Überrollens

Foto 3: nach dem Überrollen in liegender Position (linker Arm ca. 45 Grad vom Körper weg auf der Matte, rechter Arm auf/über dem eigenen Körper, Kopf von der Matte hoch, beide Beine fast gestreckt, aber rechte Fußsohle auf der Matte aufgesetzt und linke Fußkante auf der Matte liegend)

(Sorry, daß ich das nicht einscannen kann - hoffe aber, meine laienhafte Bildbeschreibung reicht aus...)

Wichtig im Zusammenhang mit der Ausgangsfrage:
a) Auf dem Bild sind wohlgemerkt beide Beine (fast) gestreckt, und nicht etwa ein Bein ein- bzw. abgewinkelt.
b) Ein etwaiges anschließendes Aufstehen wird leider nicht gezeigt.

Na gut - dann also doch einen Blick in den Text werfen. Dort werden zunächst die drei o.a. Fotos erläutert - und dann kommt doch noch ein Hinweis zum Aufstehen.
Direkt nach Ende der Erläuterung von Foto 3 heißt es (grob übersetzt):
Wenn man diese Übung mehrfach wiederholt, kommt es schließlich dazu, daß man durch den Schwung des Überrollens aufsteht.
Das ist zu diesem Thema alles.

Vielleicht kann man diesen Satz in Verbindung mit den drei Fotos auch anders interpretieren - aber aus der gezeigten (und beschriebenen) Position "durch den Schwung des Überrollens" aufzustehen, kann meiner Meinung nach eigentlich nur heißen, weiter in diese Richtung zu rollen.

Wäre zusätzlich noch eine andere Bewegung bzw. ein anderer Bewegungsablauf erforderlich (konkret: Bein einwinkeln und umdrehen), hätte dies eigentlich beschrieben sein müssen.
Da sich ein entsprechender Hinweis aber nicht findet, gehe ich nach Lage der Dinge davon aus, daß Kano selbst die Vorwärtsrolle so haben wollte, wie sie auch heute noch am Kodokan gelehrt wird - mit direktem Weiterrollen und Aufstehen nach vorne.
(Das deckt sich übrigens mit dem dem, was einer meiner früheren Lehrer unterrichtet hat - und der war immerhin direkter und relativ enger Schüler von Kano.)
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Fritz
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Re: Fallschule vorwärts

Beitrag von Fritz »

@Reaktivator: Danke für diesen aufschlußreichen Blick in die Primär-Quelle.

Gibt es eigentlich von diesem Jūdō kyōhon schon eine deutschsprachige Ausgabe?

Oder weiß jemand, ob eine geplant ist?
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Fallschule vorwärts

Beitrag von Kumamoto »

Ist das die hier? http://www.amazon.de/gp/search/ref=pd_l ... ex=blended
Heißt ja "kyohan" statt "kyohon"...
tutor!
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Re: Fallschule vorwärts

Beitrag von tutor! »

Kumamoto hat geschrieben:Ist das die hier? http://www.amazon.de/gp/search/ref=pd_l ... ex=blended
Heißt ja "kyohan" statt "kyohon"...
Nein, das Buch ist auch nicht von Kano, sondern von Yokoyama und Oshima. Da die Urheberrechte abgelaufen sind ist es günstig auf dem Markt.

Ein paar Eindrücke des Buches von Kano (Judo Kyohon) gibt es z.B. hier:
http://www.nihonjujutsu.com/images.php?CategoryID=3
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Re: Fallschule vorwärts

Beitrag von Fritz »

Kumamoto hat geschrieben:Ist das die hier? http://www.amazon.de/gp/search/ref=pd_l ... ex=blended
Heißt ja "kyohan" statt "kyohon"...
Hier empfehle ich klar die englischsprachige Ausgabe, die deutsche "Übersetzung" wurde offensichtlich maschinell erstellt, mit ungenügender Nacharbeit,
d.h. sie enthält eine den Lesefluß empfindlich störende hohe Anzahl von Rechtschreib- u. Grammatikfehlern.
Auch vom Schriftbild her ist die englischsprachige Ausgabe deutlich "gefälliger" als die "deutsche Übersetzung"...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Fallschule vorwärts

Beitrag von Reaktivator »

Fritz hat geschrieben:@Reaktivator: Danke für diesen aufschlußreichen Blick in die Primär-Quelle.

Gibt es eigentlich von diesem Jūdō kyōhon schon eine deutschsprachige Ausgabe?
Nein, gibt es nicht.
Fritz hat geschrieben:Oder weiß jemand, ob eine geplant ist?
Meiner Einschätzung nach eigentlich sehr unwahrscheinlich, aber für die Zukunft vielleicht auch nicht ganz auszuschließen - es tut sich ja in dem Bereich so einiges...
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(Alte Internet-Weisheit, frei nach "Reaktivator")
HBt.

...

Beitrag von HBt. »

...
Zuletzt geändert von HBt. am 14.02.2011, 13:28, insgesamt 1-mal geändert.
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