Unterschied zwischen Fumikomi-seoi-nage und Seoi-otoshi

Hier geht es um Techniken, deren Ausführung und Beschreibung
tutor!
Moderator
Moderator
Beiträge: 3895
Registriert: 08.08.2008, 10:41

Re: Unterschied zwischen Fumikomi-seoi-nage und Seoi-otoshi

Beitrag von tutor! »

Ich will eine Metapher versuchen...

Es geht doch letztlich nur um Sprachkonventionen, denn die jeweiligen Ausführungen als solches stehen ja nicht in Frage.

Es gibt Hochsprache und Dialekte - und so sehe ich das auch bei der Benennung von Judo-Techniken: es gibt neben den gebräuchlichen und eingebürgerten Bezeichnungen den institutionell definierten Standard. Sozusagen der Kodokan als "Duden" der Judo-Sprache.

Bei der letzten "Sprachreform" - die Festlegung der Shinmeisho-no-waza - hat die Kommission übrigens diesem Umstand Rechnung getragen, was bei Daigo am Beispiel der Kontertechniken auch nachzulesen ist. (Beispiel Uchi-mata-sukashi: Normalerweise wird die eine Kontertechnik nach dem Namen der abschließenden Technik genannt, nicht jedoch, wenn es sich um eine bereits "allgemein übliche" Bezeichnung handelt - deshalb wurde sie als Shinmeisho-no-waza aufgenommen und nicht einfach als Uki-otoshi bezeichnet.)

Daigo schreibt auch selbst, dass es vielleicht sinnvoll sei, dass sich der Kodokan noch einmal mit Koshi-guruma befassen sollte, nachdem er auf Probleme in der Benennung aufmerksam gemacht hat.

Der Kodokan - vertreten durch Daigo - macht also eigentlich nichts anderes, als die "Hochsprache des Judo", die Benennung der Techniken des Kodokan-Judo durch den Kodokan, zu klären. Nicht mehr und auch nicht weniger. Ich bin mir auch sicher, dass es irgendwann wieder eine neue Überarbeitung geben wird, und zwar eine ganz vorsichtige, aber dennoch eine Reform.

Wie geht man nun mit jemandem um, der seinen Dialekt spricht und überzeugt ist und behauptet, es sei Hochdeutsch? Man verweist gelassen auf den Duden.....
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
Benutzeravatar
derLichtschalter
2. Dan Träger
2. Dan Träger
Beiträge: 493
Registriert: 09.08.2009, 00:15

Re: Unterschied zwischen Fumikomi-seoi-nage und Seoi-otoshi

Beitrag von derLichtschalter »

Kumamoto hat geschrieben:Ich finde, man sollte ihn nicht dafür angreifen, dass er etwas gemacht/ publiziert hat und sich das im Nachhinein als unrichtig bzw. anders als vom Kodokan gelehrt herausstellt, sonst werden in Zukunft garkeine Judobücher mehr herausgegeben.
Ach, herrjemineh. Das war wirklich nicht meine Absicht und wenn es jetzt so wahrgenommen worden sein sollte, dann entschuldige ich mich dafür. Errare humanum est... Ich war mir eben nur total unsicher, was ich machen soll: Also ob ich weiterhin Seoi-otoshi mit einem Knie auf dem Boden zeigen soll oder ob ich den weiterhin so zeigen soll wie mein Trainer (bzw. auch so, wie ich ihn selbst vor vielen Jahren mal gelernt habe). Aber danke für die vielen Antworten, das hilft mir weiter.
Kumamoto
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 784
Registriert: 18.08.2009, 15:43

Re: Unterschied zwischen Fumikomi-seoi-nage und Seoi-otoshi

Beitrag von Kumamoto »

Habe es auch nicht als persönlichen Angriff auf ihn, sondern als sachliche, auf ein Buch gerichtete, Kritik gesehen. In nächster Zeit kommt eh ein neues Werk von ihm, "Judo meistern", raus. Ich bin mir sicher, dort wird er die Frage aufgreifen.
Nun zu Deiner Frage: Bei einer Gürtelprüfungsvorbereitung würde ich den DJB-Seoi-Otoshi zeigen, schließlich hat der DJB in den Erläuterungen dazu recht eindeutig beschrieben, was er sehen will: einen breiten Seoi- Nage.
Im Techniktraining würde ich ganz einfach beide Varianten vorstellen und sagen, dass beide Varianten richtig sind und es im Kampf / Randori im Endeffekt egal sei, wie man einen breiten Seoi-Nage nennt, Seoi-Nage oder Seoi-Otoshi. Die Problematik "Technik auf den Knien" im Kampf (Seoi-Otoshi) sollte dabei auch angesprochen werden.
In der Danprüfung sollte man meiner Meinung nach eher dem Kodokan folgen, aber die Unterscheidung erklären können (so wie sie im Video vorkommt).
Benutzeravatar
derLichtschalter
2. Dan Träger
2. Dan Träger
Beiträge: 493
Registriert: 09.08.2009, 00:15

Re: Unterschied zwischen Fumikomi-seoi-nage und Seoi-otoshi

Beitrag von derLichtschalter »

Kumamoto hat geschrieben:Im Techniktraining würde ich ganz einfach beide Varianten vorstellen und sagen, dass beide Varianten richtig sind und es im Kampf/ Randori im Endeffekt egal sei wie man einen breiten Seoi- Nage nennt, Seoi- Nage oder Seoi- Otoshi.
Wie tutor! sagte, geht es ja nur um eine Sprachkonvention. Die ganze Frage ändert ja nichts daran, wie wir Judo machen, sondern nur daran, wie wir davon sprechen. Aber danke dir.
Benutzeravatar
Fritz
Moderator
Moderator
Beiträge: 5212
Registriert: 14.11.2003, 11:06

Re: Unterschied zwischen Fumikomi-seoi-nage und Seoi-otoshi

Beitrag von Fritz »

Lightmaster hat geschrieben:Ich war mir eben nur total unsicher, was ich machen soll: Also ob ich weiterhin Seoi-otoshi mit einem Knie auf dem Boden zeigen soll oder ob ich den weiterhin so zeigen soll wie mein Trainer (bzw. auch so, wie ich ihn selbst vor vielen Jahren mal gelernt habe). Aber danke für die vielen Antworten, das hilft mir weiter.
Mehr Wissen schadet nicht, auch nicht Deinen Leuten ;-)

Es betrifft ja noch mehr Techniken, bei denen "vereinfachte" Versionen in den Kyu dargestellt/verlangt werden, oder
mit der Benennung experimentiert wurde:
O-Soto-Otoshi, Uki-Goshi - oder "Ashi-Garami" - in der Kyu-PO ein Ude-Garami mit Beineinsatz, wo doch die
Technik eigentlich ein Bein/Hüfthebel ist... O/Ko-Uchi-Barai - eigentlich nur bestimmte Anwendungen
von O/Ko-Uchi-Gari...

Es ist also nicht verkehrt, die Üblinge schlau zu machen, am Ende bilden sie sich sonst tatsächlich ein,
z.B. Seoi-Otoshi zu können, ohne das tatsächliche Wurfprinzip kennen ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
Benutzeravatar
Ronin
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 1725
Registriert: 22.09.2005, 17:38
Bundesland: Baden-Württemberg

Re: Unterschied zwischen Fumikomi-seoi-nage und Seoi-otoshi

Beitrag von Ronin »

Also ich neige dazu, in meinen Trainings die Techniken so richtig als möglich zu vermitteln, gerade bei den Würfen halte ich mich also an Daigo, das kann dann schon mal bedeuten, dass im Training so eine Übungsform ein Zwischenziel sein könnte (wobei ich grad nicht wüsste wo). Der Sinn von solchen methodischen Schritten hat sich mir eh noch nie erschlossen.

Das Ziel muss ja einfach nur sein, dass die Schüler irgendwann dann eine vernünftige Danprüfung absolvieren können und dafür benötigen sie nun mal keine lustigen methodischen Varianten, sondern eine richtige Technik. Wen die sich dann auch noch in den Wettkämpfen, die gerade die Kinder immer mal wieder machen auch noch durchsetzt, wo soll denn das Problem liegen?
katana
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 1054
Registriert: 15.01.2009, 21:44

Re: Unterschied zwischen Fumikomi-seoi-nage und Seoi-otoshi

Beitrag von katana »

Um nochmal auf den "Daigo" zu kommen, so ist das mit Sicherheit ein absolutes Highlight der Judo-
Literatur,
aber der Vergleich von Dialekt und Hochdeutsch (Tutors Beitrag), bringt es nicht so ganz ins Reine.
"Hochdeutsch" ist letztlich ja auch nur ein Dialekt.
Es gibt da meiner Meinung nach schon noch etliche Ungereimtheiten.
Vielleicht werden die kommenden deutschen Ausgaben diesbezgl. noch mehr Klarheit schaffen,
aber alleine mit der englischen "Gesamtausgabe" fühle ich mich derzeit nicht vollends befriedigt. ;)

Um nur einige Bsp. zu nennen:
Betrachtet man z.B. die Techniken De Ashi Harai, Ko Soto Gari und Ko Soto Gake, dann haben diese jeweils ihre eigene Gruppe gefunden,...während bei
Ko- oder O-Uchi-Harai, -Gari, -Gake etc. kein Unterschied in der Gruppierung gemacht wird.
Auch die Verwendung der Bezeichnungen Gaeshi- und Makikomi-... folgt keiner offensichtlich logischen
Konsequenz.
Das benannte Beispiel Uchi Mata Sukashi, zeigt zwar deutlich, wieso die Endtechnik (Uki Otoshi) nicht im Vordergrund steht, erklärt aber nicht, wieso es nicht auch hier Uchi Mata Gaeshi heißt,
wie bei anderen Kontertechniken, die eigene Gruppennamen bekommen haben.

Und auch was Seoi Otoshi betrifft, so hat die Ursprungstechnik (in der deutschen Übersetzung) wohl
ebenfalls gar nichts mit der neuen Katalogisierung zu tun.

Mag nun sein, daß man sich aus japanischer Ehrfurcht nicht an gewisse Dinge herantraut, aber wenn man Mifunes "göttliche" Techniknamen (und auch andere) schon teilweise uminterpretiert, sollte doch künftig auch eine weitere klare Linie verfolgt werden,...hoffe ich zumindest :dontknow

Was mich allerdings bei der deutschen Ausgabe etwas irritiert, ist eine gewisse Unsicherheit, ob, wenn in speziellen Fällen von der "Meinung des Autors" gesprochen wird, die Meinung von Daigo, oder die Meinung des "deutschen Übersetzers" gemeint ist.
Hier gibt es nämlich durchaus weitere Diskussionsspielräume.
Vielleicht muß ich aber auch nur nochmal sorgfältiger nachlesen... :dontknow
tutor!
Moderator
Moderator
Beiträge: 3895
Registriert: 08.08.2008, 10:41

Re: Unterschied zwischen Fumikomi-seoi-nage und Seoi-otoshi

Beitrag von tutor! »

Aus dem Kopf:
katana hat geschrieben:Das benannte Beispiel Uchi Mata Sukashi, zeigt zwar deutlich, wieso die Endtechnik (Uki Otoshi) nicht im Vordergrund steht, erklärt aber nicht, wieso es nicht auch hier Uchi Mata Gaeshi heißt, wie bei anderen Kontertechniken, die eigene Gruppennamen bekommen haben.
Weil das charakteristische an dieser Technik das "ins Leere laufen lassen" ist. Ich glaube, das heißt auf japanisch "sukasu". Dieser Name war in Japan wohl allgemein üblich geworden und ist daher beibehalten worden.
katana hat geschrieben:Und auch was Seoi Otoshi betrifft, so hat die Ursprungstechnik (in der deutschen Übersetzung) wohl ebenfalls gar nichts mit der neuen Katalogisierung zu tun.
Eine der "Ursprungstechniken" ist mit Sicherheit Yuki-ore aus der Koshiki-no-Kata (vorletzte Technik der Ura-Gruppe). Die ist aber sehr "dicht" am heutigen Seoi-otoshi....
katana hat geschrieben:Was mich allerdings bei der deutschen Ausgabe etwas irritiert, ist eine gewisse Unsicherheit, ob , wenn in speziellen Fällen von der " Meinung des Autors" gesprochen wird, die Meinung von Daigo, oder die Meinung des "deutschen Übersetzers" gemeint ist.
Hier gibt es nämlich durchaus weitere Diskussionsspielräume. Vielleicht muß ich aber auch nur noch mal sorgfältiger nachlesen... :dontknow
Mit Autor ist immer Daigo gemeint. Der Übersetzer macht manchmal Anmerkungen, die als solche gekennzeichnet sind.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
katana
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 1054
Registriert: 15.01.2009, 21:44

Re: Unterschied zwischen Fumikomi-seoi-nage und Seoi-otoshi

Beitrag von katana »

Eine der "Ursprungstechniken" ist mit Sicherheit Yuki-ore aus der Koshiki-no-Kata (vorletzte Technik der Ura-Gruppe). Die ist aber sehr "dicht" am heutigen Seoi-otoshi....
Das ist sicherlich korrekt,
ich dachte aber da eher an den Daigo-Exkurs über den "Seoi Otoshi" von Norimaro Nanma,
in dessen Buch der Name Seoi Otoshi offensichtlich als stehende Technik auftaucht.
Ich kann mich erinnern auch auf einer amerikanischen Seite schon mal ein ähnliches schwarz-weiß Foto gesehen zu haben,
weiß aber momentan nicht mehr wo.
Da wird als Seoi Otoshi ein "Seoi Nage oder Koshi Nage" gezeigt, bei dem mit der Hand die Hüfte bzw. der Oberschenkel blockiert wird.
KK
tutor!
Moderator
Moderator
Beiträge: 3895
Registriert: 08.08.2008, 10:41

Re: Unterschied zwischen Fumikomi-seoi-nage und Seoi-otoshi

Beitrag von tutor! »

Ich hab die Passage gerade vorliegen. Der Text zeigt eigentlich wunderbar, dass Bezeichnungen einem zeitlichen Wandel unterliegen können und dass man mit diesem Wandel relativ gelassen umgehen kann.

Ich denke, dass ein umfangreicheres Zitat kein Problem ist. Unterstreichungen stammen von mir.

Daigo, Wurtechniken des Kodokan Judo, Verlag Dieter Born, S. 53/54 steht:
Wir wollen nun betrachten, welches Wurfprinzip denn diesem »Nanma-otoshi« zugrunde gelegen hat. Norimaro Nanma hat diese Technik in dem von ihm selbst verfassten Buch »Judo seikai (»Judo richtig erklärt)« (erschienen 1928 bei Osakaya-shoten) unter der Überschrift »Seoi-otoshi« vorgestellt:

»Bei dieser Ausführung wird mit der linken Hand, mit dem Handrücken nach unten, vorne in den Gürtel des Partners gegriffen, und mit der rechten Hand wird seitlich kurz unterhalb des rechten Oberarms des Partners gegriffen. Während der Partner mit der linken Hand nach vorne herangezogen wird, wird der rechte Fuß kurz vor die rechte Ecke von des Partners rechtem Fuß gesetzt, so dass man mit dem Rücken zu ihm steht, und der rechte Ellenbogen wird links an der eigenen linken Hand vorbei hervorgestoßen, der linke Fuß wird innen seitlich vor den linken Fuß des Partners umgesetzt und der Partner wird auf die eigene rechte Schulter aufgeladen. Während die Hüfte hinten emporschnellt, wird der Partner mit beiden Händen von mir aus gesehen nach links vorne zu Boden geworfen. Überdies wird beim Niederwerfen, wenn man das eigene rechte Knie aufsetzt, die Technik noch wesentlich schärfer. (Bei dieser Technik handelt es sich um eine neue Methode, die der Autor erfunden hat.)«

Von dieser Technik gibt es zwei Varianten: einmal, wenn man beim Niederwerfen stehen bleibt (siehe Foto), und einmal, wenn man das rechte Knie aufsetzt und Uke zu Boden zieht. Legt man die aktuellen Technik-Namen zugrunde, so handelt es sich bei der ersten Variante um Ippon-seoi-nage und bei der zweiten Variante um Seoi-otoshi. Diese beiden individuellen Varianten, bei denen man vorne in den Gürtel des Partners greift, werden zusammengefasst als »Nanma-otoshi« bezeichnet.

Auch in dem Buch »Judo Kyohan (Judo-Lehrbuch)« (von Sakujiro Yokoyama und Einosuke Oshima, erschienen 1908 bei Nishodo) wird unter »Seoi-otoshi« eine identische Wurfausführung erklärt. Allerdings gibt es hierbei den Unterschied, dass das rechte Knie aufgestellt und das linke Knie auf die Matte gesetzt wird.

Unter den Techniken des Jujutsu gab es viele Angriffe und Verteidigungen, bei deren Ausführung in den Gürtel des Partners gegriffen wurde, so dass sich dort wohl die Ursprungsform des Seoi-otoshi findet. Außerdem hatten die Jacken der Judo-Kleidung in der Meiji-Zeit (1868-1912) kurze Ärmel. Folglich wurde beim Randori oft mit den Fingern vorne in die Ärmelöffnung gegriffen und auch das Fassen des Gürtels war ein wirksames Mittel, so dass es eigentlich selbstverständlich war, dass Würfe wie die zuvor beschriebenen studiert wurden.

In den meisten der bis etwa zu Beginn der Shoowa-Zeit (1926-1989) veröffentlichten Judo-Bücher wird der hier vorgestellte »Nanma-otoshi« als »Seoi-otoshi« vorgestellt und erläutert.

Auch Hajime Isogai (10. Dan) erläutert in seinem Buch »Judo Tebikigusa (»Judo – Eine Einführung)«, erschienen 1909 bei Heian Kokokai, in gleicher Weise unter »Seoi-otoshi« den Nanma-otoshi, fügt aber hinzu: »Wenn jedoch beim Seoi-nage unter Aufsetzen des Knies geworfen wird, dann wird er als Seoi-otoshi angesehen, wobei ich dies allerdings nur als persönliche Erklärung meinerseits verstanden wissen möchte

Wenn zu jener Zeit von Seoi-otoshi die Rede war, dann handelte es sich dabei um nichts anderes als eben um jenen Nanma-otoshi, und die Erklärung von Isogai, dass es sich nur in dem Fall, wenn beim Werfen aus Seoi-nage das Knie aufgesetzt wird, um Seoi-otoshi handelt, war damals wohl noch die Meinung nur weniger Leute.

Heutzutage ist der Nanma-otoshi überhaupt nicht mehr zu sehen und er wird nur noch vom Hörensagen gekannt. Stattdessen wird durchweg die Wurfausführung aus Ippon-seoi-nage oder Seoi-nage als Seoi-otoshi aufgefasst. Es ist aber nicht bekannt, wann in etwa sich dieser Wandel vollzogen hat.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
Benutzeravatar
kastow
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 1190
Registriert: 24.06.2007, 10:46

Re: Unterschied zwischen Fumikomi-seoi-nage und Seoi-otoshi

Beitrag von kastow »

katana hat geschrieben:Das benannte Beispiel Uchi Mata Sukashi, zeigt zwar deutlich, wieso die Endtechnik (Uki Otoshi) nicht im Vordergrund steht, erklärt aber nicht, wieso es nicht auch hier Uchi Mata Gaeshi heißt,
wie bei anderen Kontertechniken, die eigene Gruppennamen bekommen haben.
tutor! hat geschrieben:Weil das charakteristische an dieser Technik das "ins Leere laufen lassen" ist. Ich glaube, das heißt auf japanisch "sukasu". Dieser Name war in Japan wohl allgemein üblich geworden und ist daher beibehalten worden.
Außerdem existiert zusätzlich auch ein Uchi-mata-gaeshi. Das ist allerdings eine Ashi-waza, die Harai-goshi-gaeshi ähnelt.
Herzliche Grüße,

kastow

Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
katana
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 1054
Registriert: 15.01.2009, 21:44

Re: Unterschied zwischen Fumikomi-seoi-nage und Seoi-otoshi

Beitrag von katana »

katana hat geschrieben:
Das benannte Beispiel Uchi Mata Sukashi, zeigt zwar deutlich, wieso die Endtechnik (Uki Otoshi) nicht im Vordergrund steht, erklärt aber nicht, wieso es nicht auch hier Uchi Mata Gaeshi heißt,
wie bei anderen Kontertechniken, die eigene Gruppennamen bekommen haben.


tutor! hat geschrieben:
Weil das charakteristische an dieser Technik das "ins Leere laufen lassen" ist. Ich glaube, das heißt auf japanisch "sukasu". Dieser Name war in Japan wohl allgemein üblich geworden und ist daher beibehalten worden.

Außerdem existiert zusätzlich auch ein Uchi-mata-gaeshi. Das ist allerdings eine Ashi-waza, die Harai-goshi-gaeshi ähnelt.
Genau das ist es ja, was mich verwirrt.
Ich sagte ja, es sind nur wenige Bsp.
Im Ganzen könnte man sagen, daß zum Teil Techniken (mit verschiedenen Namen) nach Technikprinzipien in klare Gruppen
geordnet wurden, während bei manch anderen die Einzelnamen (noch ?) weitergepflegt werden,
bzw. gar keine haben.
z.B.auch Te Guruma / Sukui Nage
oder z.B. die Maki komi Varianten von Tsuri Komi Goshi, die zwar abgebildet, aber nicht separat gegliedert werden,
geschweige denn als Sutemi Waza auftauchen , wie z.B. Soto Maki Komi etc...und...und...und....

Also wie gesagt, da gibt es noch viel, was man anführen kann.
Daß die Systematik Hand und Fuß hat, kann ich bisher nicht erkennen, ...deshalb gehe ich davon aus,
daß sich hier künftig noch einiges ändern wird.

Schließlich schafft so ein enormes Werk ja erstmals auch Anreiz, von einer gemeinsamen Basis aus zu diskutieren.
Und damit hat Daigo möglicherweise etwas noch viel wertvolleres vollbracht, als die vergänglichen Details der Inhalte.

KK
tutor!
Moderator
Moderator
Beiträge: 3895
Registriert: 08.08.2008, 10:41

Re: Unterschied zwischen Fumikomi-seoi-nage und Seoi-otoshi

Beitrag von tutor! »

katana hat geschrieben:Daß die Systematik Hand und Fuß hat, kann ich bisher nicht erkennen, ...deshalb gehe ich davon aus,
daß sich hier künftig noch einiges ändern wird.

Schließlich schafft so ein enormes Werk ja erstmals auch Anreiz, von einer gemeinsamen Basis aus zu diskutieren.
Und damit hat Daigo möglicherweise etwas noch viel wertvolleres vollbracht, als die vergänglichen Details der Inhalte.
Und das Schöne daran ist, dass Daigo diese Dinge ja auch ganz offen anspricht.

Mir ist aufgefallen, dass innerhalb dieses gesamten Prozesses keine Technikbezeichnungen weggefallen sind, die zu Kanos Lebzeiten "offiziell" verwendet wurden (also in den beiden Versionen der Gokyo von 1895 und 1920). Technikbezeichnungen, die dort bereits ausdifferenziert waren (Du hattest oben ja De-ashi-harai / ko-soto-gari /ko-soto-gake angeführt) blieben ausdifferenziert, Techniken, bei denen dies jedoch nicht so war, blieben wie bei O/Ko-uchi-gari eben vom Namen her nicht weiter unterschieden.

Techniken, die populärer wurden hat man - so meine Wahrnehmung und Interpretation - so gut es ging als Varianten bestehender Techniken zugeordnet. Ein bereits genutzter Name war durchaus kein Hinderungsgrund und wurde als eine "umgangssprachliche Bezeichnung" durchaus anerkannt/verwendet/akzeptiert.

Die Techniken, die noch aus Kanos Zeiten stammen, mussten gegeneinander abgegrenzt und definiert werden. Offensichtlich gab es nicht zu allen Techniken diese wirklich klaren Definitionen, sonst hätte sich Isogai nicht entsprechend geäußert. Insofern verwundert es nicht, wenn nach dem 2. Weltkrieg auch bei diesen Techniken die ein oder andere Feinheit, die bis dato unklar war - als Definitionskriterium verwendet wurde.

Bei den Shinmeisho-no-waza erkenne ich einen Trend mit möglichst wenig Technikbezeichnungen, ein möglichst breites Spektrum an Techniken/Varianten benennen zu können. Das würde auch die enorme Vielfalt sehr unterschiedlicher Varianten von Sukui-nage erklären.

Auf der anderen Seite wurden offensichtlich "allgemein eingebürgerte " Namen beibehalten, auch wenn dies einer anderen Benennungsrichtinie zuwiderläuft (s. Uchi-mata-sukashi).

Alles in allem kann bei einer solchen Vorgehensweise kein in sich schlüssiges System herauskommen. Das war dem Kodokan sicherlich auch klar! Von daher darf man die Definitionen m.M.n. nicht überinterpretieren, sondern man muss sie als Sprachkonventionen verstehen.

Sprachkonventionen, die ich für außerordentlich wichtig halte, denn das "Wissen" über richtig und falsch hat ja z.B. bei Prüfungen und bei einer (berechtigten oder unberechtigten) öffentlichen Reputation u.U. erhebliche Konsequenzen. Und wer als Experte gelten will, sollte dann wenigstens - neben dem praktischen Können - in Sachen Sprachkonvention sattelfest sein. Viel zu oft wird sinnlos Porzellan zerschlagen, weil die Begriffe einfach nicht geklärt sind.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
Benutzeravatar
Fritz
Moderator
Moderator
Beiträge: 5212
Registriert: 14.11.2003, 11:06

Re: Unterschied zwischen Fumikomi-seoi-nage und Seoi-otoshi

Beitrag von Fritz »

Bei den Shinmeisho-no-waza erkenne ich einen Trend mit möglichst wenig Technikbezeichnungen, ein möglichst breites Spektrum an Techniken/Varianten benennen zu können. Das würde auch die enorme Vielfalt sehr unterschiedlicher Varianten von Sukui-nage erklären.
Sukui-Nage ist doch eine Gokyo-Technik?
Mit freundlichem Gruß

Fritz
tutor!
Moderator
Moderator
Beiträge: 3895
Registriert: 08.08.2008, 10:41

Re: Unterschied zwischen Fumikomi-seoi-nage und Seoi-otoshi

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben:
Bei den Shinmeisho-no-waza erkenne ich einen Trend mit möglichst wenig Technikbezeichnungen, ein möglichst breites Spektrum an Techniken/Varianten benennen zu können. Das würde auch die enorme Vielfalt sehr unterschiedlicher Varianten von Sukui-nage erklären.
Sukui-Nage ist doch eine Gokyo-Technik?
Natürlich - ich habe einen Gedankenschritt übersprungen. Man hat hier sehr viele recht unterschiedliche "Varíanten" der bestehenden (Gokyo)-Technik zugeschlagen, anstatt neue Namen offiziell einzuführen.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
Antworten