Ist Kata (noch) auf einem guten Weg?

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Ist Kata (noch) auf einem guten Weg?

Beitrag von tutor! »

Vor einiger Zeit hatte ich einmal überlegt, einen Aufsatz über den gegenwärtigen Stand der Kata im Judo zu veröffentlichen. Nachdem er eine Weile auf meiner Festplatte geschlummert ist und andere Projekte Vorrang haben, stelle ich ihn hier im Forum zur Verfügung.

Aber Achtung: die Rechte liegen nach wie vor bei mir! Unerlaubte Vervielfältigung werde ich verfolgen. Wer Ausschnitte davon auf seiner Homepage verwenden will, kann dies gerne tun - aber mit Quellenangabe (Link auf diesen Beitrag) und mit Nennung von "tutor!" als Autor.


Ist Kata (noch) auf einem guten Weg?

Kata im Aufschwung

Ohne Zweifel haben die Kata im Judo in den letzten Jahren eine steigende Aufmerksamkeit erfahren. So wurden z.B. die ersten drei Gruppen der Nage-no-Kata in das Kyu-Prüfungsprogramm integriert und die Dan-Prüfungsordnung sieht vor, dass ein Kandidat künftig vor der Demonstration einer Kata deren Sinn kurz mündlich skizziert.

Das Kata-Wettkampfwesen, das im DJB bereits seit 1985 existiert, hat in den 1990er Jahren durch die schrittweise Ausweitung auf nunmehr fünf verschiedene Kata eine deutliche Erweiterung erfahren. Angetrieben durch die Aktivitäten der „World-Masters“-Wettkämpfe entwickelte sich eine zunehmende Internationalisierung des Kata-Wettkampfwesens in dessen Folge offizielle Europa- und Weltmeisterschaften der EJU bzw. der IJF eingeführt wurden. In diesem Rahmen wurde national wie international ein Lizenzierungswesen für Wertungsrichter geschaffen.

Das Interesse an Lehrgängen japanischer Kata-Experten ist in den letzten rund 15 Jahren in Deutschland genauso gestiegen wie das Interesse an Kata-Training in Japan, z.B. im Rahmen der Sommerkurse des Kodokan. Derzeit gibt es einen nachhaltigen Trend zur Schaffung regelmäßiger zentraler Kata-Trainingsmöglichkeiten in einer Reihe von Landesverbänden. Viele Landesverbände haben mittlerweile auch spezielle Kata-Beauftragte, so dass Kata dort auch institutionell verankert wurde.

Trotz dieser stetigen Aufwärtsentwicklung von Kata, gibt es andererseits aber auch Stimmen, die vor Fehlentwicklungen warnen und/oder diese bereits als eingetreten betrachten. Wie verhält es sich damit? Ist Kata (noch) auf einem guten Wege? Welche Richtung sollte vermehrt eingeschlagen werden?

Zum Wesen der Kata

Am Anfang der Überlegungen muss die Frage beantwortet werden, ob und in wie weit die derzeitige Entwicklung der Kata noch deren Wesen entspricht, oder ob nicht bereits eine Fehlentwicklung eingesetzt hat, die umzukehren wäre. Wir müssen also nach dem Wesen von Kata fragen und dann kritisch reflektieren, ob der in der Praxis eingeschlagene Weg „sachgerecht“ ist.

Etwa im 16. Jahrhundert begann in Japan die strukturierte Überlieferung der Kampfsysteme der japanischen Krieger. In der langen Friedensperiode der Edo-Zeit (1603 bis 1868) entwickelten sich zahlreiche Schulen, die die Kampfsysteme verfeinerten und überlieferten. Die Überlieferungen beruhten auf dem „körperlichen Gedächtnis“ einstudierter Techniken, schriftlichen Aufzeichnungen („Densho“) und mündlichen Erläuterungen („Kuden“). Zu diesem Zweck wurden alle Techniken einer Schule „formalisiert“. Heute würden wir sagen, es wurden „schulmäßige“ Grundformen entwickelt, verfeinert und weitergegeben. Diese Formen nannte man „Kata“. Die Kata sind also zunächst nichts anderes als die Grundtechniken einer Schule.

Die Schulen haben weiterhin ihre Inhalte in einem gestuften System vermittelt, vom Anfänger bis zum Meister. Entsprechend gab es Kata für Anfänger, für Fortgeschrittene und für Meister. Die Kata waren also insofern auch die tradierten Lehrpläne einer Schule.

In den meisten Schulen wurden ausschließlich oder nahezu ausschließlich Kata – also Techniken nach vorgegebenen Bewegungsformen für Tori und Uke – geübt. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich zunehmend Formen des freien Übens (Randori).

Die Lehrer, von denen Jigoro Kano vor der Gründung des Kodokan das Jujutsu der Tenjinshinyo-ryu und der Kito-ryu lernte, legten bereits sehr viel Wert auf Randori, so dass es nicht verwunderlich ist, dass Kano eine Kombination aus Randori und Kata für essentiell bei der Entwicklung kämpferischer Fähigkeiten erachtete. Er verglich Kata dabei oft mit der Grammatik und Randori mit dem Schreiben eines Aufsatzes. Eines sei ohne das andere nicht möglich. Kata entspricht dem, was wir heute als „geschlossene Bewegungsform“ bezeichnen würden, während Randori einer „offenen Bewegungsaufgabe“ entsprechen würde. Beides sind übrigens selbstverständliche Formen des Übens in jedem Training – sowohl bei den Anfängern, als auch bei den Fortgeschrittenen und bei Leistungssportlern.

Kata als "exemplarisches Lernen"

Die Zahl der Techniken im Judo ist deutlich größer als die Zahl derer, die in Kata formalisiert wurden. Das liegt daran, dass J. Kano bewusst nur eine Auswahl vorgenommen hat, anhand der jedoch die wichtigsten Prinzipien exemplarisch erschlossen werden können und sollen. So bestand das Kodokan Judo bei der Festlegung der Nage-no-Kata im Jahr 1906 „offiziell“ aus 42 Wurftechniken, die bereits 1895 in der ersten Version der Gokyo-no-waza in fünf Lernstufen zusammengestellt waren. Nur 15 davon fanden jedoch Eingang in die Nage-no-Kata.

Die Kata des Kodokan Judo stellen also nicht das gesamte Spektrum der zu überliefernden Techniken dar, sondern lediglich eine repräsentative Auswahl, die jedoch so zusammengestellt wurde, dass sie einerseits die Vielfalt der Techniken repräsentieren, andererseits aber auch die wesentlichen Lektionen zum Verständnis der den Techniken zugrunde liegenden allgemeinen Prinzipien anhand der Kata gelernt werden können.

Sinn und Zweck des Kata-Trainings

Es gehört zu den Grundforderungen jeder Didaktik, dass Ziele, Inhalte und Methoden in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen müssen. Die Übungsziele können neben dem körperbildenden Aspekt im Beherrschen der Technik selbst und/oder andererseits im Verständnis der zugrunde liegenden übergreifenden Prinzipien liegen, die eine Form exemplarisch illustriert.

Ein Schüler, der z.B. die Nage-no-Kata vollständig erlernt hat, sollte damit nicht nur ein breites Spektrum unterschiedlicher Wurftechniken beherrschen, sondern auch die allen Wurftechniken zu Grunde liegenden Gesetzmäßigkeiten verstanden haben. Oder anders herum ausgedrückt: Wer einem Schüler Nage-no-Kata vermittelt, sollte diese als Trainingsmittel verstehen, um dem Schüler die Grundlagen aller Wurftechniken körperlich erfahrbar und kognitiv einsichtig zu machen. Dasselbe gilt analog natürlich auch für alle anderen Kata und deren Inhalte.

Und die Praxis?

Gelingt dies nicht, muss man das Training als zumindest teilweise gescheitert betrachten. Fragt man in der Fläche nach, ob z.B. ein Prüfling nach bestandener Dan-Prüfung zur Ansicht gelangt ist, dass sich sein Verständnis über Judotechnik durch das Üben der Kata erweitert hat, bekommt man oftmals frustrierte und/oder frustrierende Antworten. Vielfach ist man mit Aussagen wie „Ich weiß nicht, was das Ganze soll?“ konfrontiert.

Die Motivation eine Kata zu lernen entwächst erfahrungsgemäß auch selten aus dem Wunsch, das eigene Verständnis von Judo zu erweitern. In der Regel geht es doch nur um die (nächste) Dan-Prüfung. In der Praxis muss man sogar umgekehrt feststellen, dass eine nicht vorhandene Bereitschaft, eine Kata zu lernen, für viele Leute der Grund ist, sich keiner Dan-Prüfung zu stellen.

Das Erlernen und Üben einer Kata scheint also in weiten Teilen nicht den gewünschten Effekt zu haben. Wer das Ohr an der Basis hat, wird recht schnell eine Reihe von Gründen hierfür vernehmen können:
- zu viel Formalismus (z.B. im „Zeremoniell“)
- subjektiv wahrgenommene ständige „Änderungen“ der Kata
- „drei Trainer – vier Meinungen“
- usw.

Besonders vernichtend ist natürlich, wenn die Frage gestellt wird „Was hat Kata denn mit Judo zu tun?“ oder noch schlimmer, wenn Kata apodiktisch mit der Überzeugung angeurteilt wird: „Das ist doch kein Judo!“

„Verstecktes“ Kata-Training

Wenn man sich der Problematik ganz unvoreingenommen nähert, wird man feststellen, dass Judotraining nicht ohne Übungen auskommen kann, in denen die Aktionen von Tori und Uke genau festgelegt sind. In jedem Training gibt es die Notwendigkeit „geschlossener Bewegungsaufgaben“ – oder mit anderen Worten: von Kata.

In jedem Verein gibt es wohl auch die tradierten „schulmäßigen“ Ausführungen für die allermeisten Techniken. Als Kind und Jugendlicher musste der Verfasser z.B. praktisch alle Techniken aus einem Drei-Schritt-Rhythmus aus der Rückwärtsbewegung lernen. Erst wenn diese Stufe genommen war, wurde die Situation variiert und es kamen „offene“ Elemente hinzu.

In gewisser Weise ist es sicher nicht falsch zu sagen, dass die meisten Übungsleiter ihre eigenen in der Praxis entstandenen „Kata“ vermitteln, die innerhalb eines Vereins von Generation zu Generation weiter gegeben werden. Denn Hand auf´s Herz: wie viele Übungsleiter vermitteln denn eine Technik genau so, wie sie sie bereits von ihren Lehrern gelernt haben – oder wie sie sich daran erinnern?

Kata im weiten Sinn ist also in den meisten Vereinen allgegenwärtig – wir nennen es nur nicht so!

Man kommt aber nicht umhin, auch über den Aspekt der Qualität nachzudenken. Wir müssen kritisch hinterfragen, ob diese tradierten „schulmäßigen“ Formen auch tatsächlich geeignet sind, die wesentlichen Grundprinzipien des Judo in der Breite abzudecken und zu vermitteln. Wenn man über die Jahre so viele fortgeschrittene Judoka auf der Matte erlebt hat wie der Verfasser, dann werden ihm massive Zweifel hoffentlich nachgesehen (wobei es natürlich stark von der Sachkompetenz der jeweiligen Trainer abhängt).

In den traditionellen Kata des Kodokan stecken jede Menge Wissen und Erfahrungen derer, die sie (mit-)entwickelt haben. Der Verzicht auf diese Kata als Trainingsinhalt und Trainingsmittel würde auch den Verzicht auf die inkludierten Lehren bedeuten. Wäre das wirklich klug?

Wie sollten wir uns den Kata des Kodokan Judo (wieder) nähern?


Scheinbar – und darauf weisen die vielen überall zu vernehmenden negativen Äußerungen hin – gelingt es derzeit trotz des wachsenden Interesses an Kata nicht, den Wert der Kata in die Fläche zu tragen. Die Problematik liegt nach Ansicht des Verfassers hauptsächlich in den sich leider hartnäckig haltenden Diskussionen um „richtig“ oder „falsch“ als den scheinbar einzigen Kategorien, vor deren Hintergrund eine Kata betrachtet wird. Gängige Formulierungen wie „es soll demonstriert werden, dass...“ oder „man soll erkennen, wie....“ usw. zeugen von einer Bedeutungsbeimessung, die man fast schon als Desorientierung bezeichnen kann, denn es ist nichts als ein grobes Missverständnis, wenn offen oder unterschwellig vermittelt wird, es käme bei einer Kata darauf an, dass etwas „demonstriert“ würde. Richtig wäre: es soll etwas gelernt werden!

Natürlich wird das Gelernte z.B. bei einer Prüfung demonstriert und natürlich soll man bei dieser Demonstration auch erkennen, dass etwas gelernt wurde, aber der Sinn einer Kata besteht eben nicht darin, dass man sie anderen demonstriert – ihr Sinn besteht darin, dass man selbst etwas lernt! Dies muss auch der Maßstab bleiben, an dem sich das Vermitteln von Kata messen lassen muss.

Jede Kata hält eine Vielzahl von „Lektionen“ bereit, die der Übende verinnerlichen soll. Die Aufgabe des Kata-Lehrers besteht darin, seinen Unterricht so zu gestalten, diese „Lektionen“ lernwirksam werden zu lassen. Diese Erfahrungen sind von grundlegender – oder mit anderen Worten „prinzipieller“ – Natur. Die immer wieder neu auftauchenden Lösungen von Kampfsituationen und „neuen“ Techniken sind letztlich nichts anderes als immer wieder neue Varianten derselben Prinzipien. Ohne Kenntnis dieser Prinzipien lassen sich aber keine neuen Variationen finden und keine neuen Lösungen entwickeln – oder, um es in Anlehnung an Kano zu sagen, ohne Kenntnis der Grammatik lässt sich kein Aufsatz schreiben. Die in den Kata formalisierten und kodifizierten Prinzipien sind damit auch die Basis jedweder Kreativität im Judo.

Anstatt aber nun danach zu fragen, ob z.B. im Abstand von fünf oder von sechs Metern angegrüßt wird, wie der Gürtel bei Kata im Gegensatz zum Randori zu binden sei, sollte das Wesentliche, das Übergreifende und das Exemplarische an jeder einzelnen Technik in den Kata erst einmal herausdestilliert werden, um es im Anschluss durch das Üben der Kata dem Lernenden anbieten zu können. Die Kata wären (wieder) das Fundament, auf dem sich Verständnis des Judo gründen kann.

Leider treten diese Aspekte in der Praxis meist hinter die formalen Aspekte zurück oder kommen gar gänzlich nicht bei den Übenden an. Die Orientierung des Übens von Kata an Bewertungskriterien – sei es für Prüfung oder Meisterschaften – wirkt leider allzu oft als Katalysator in die falsche Richtung, nämlich genau dann, wenn nur noch nach äußerer Form und nicht nach „innerem Verständnis“ ge- und beurteilt wird. Von einem qualifizierten Kata-Lehrer (oder Prüfer/Wertungsrichter) muss man aber erwarten, dass er dieses Verständnis hinter der äußeren Form erkennen und validieren kann.

Kata-Experten müssen unbedingt auch umfassende Judo-Experten sein. Sie müssen in der Lage sein, über das vordergründige „richtig“ oder „falsch“ hinaus die einer Kata zugrunde liegenden Prinzipien zu lehren, ihre Anwendung in Randori und Wettkampf zu erkennen und zu vermitteln. Sie müssen weiterhin die Kata-Studierenden befähigen, die durch Beschäftigung mit den Kata erfahrenen Lektionen selbstständig auf andere Situationen zu übertragen. Der Kata-Lehrer darf nicht allein den nächsten „Grammatik-Test“ (=Dan-Prüfung oder Kata-Meisterschaft) im Auge haben, sondern auch den nächsten Aufsatz, den sein Schüler schreibt.

Für die Zukunft ist zu hoffen, dass das gestiegene grundsätzliche Interesse an Kata auch zu einer Besinnung auf den zweifellos vorhandenen Wert der Kata führen und diese wichtigen Aspekte einschließen wird. Erst wenn dies gelingt und auch durch Rückmeldungen der Lernenden bestätigt wird, kann man davon sprechen, dass Kata auf einem guten Weg ist. Aber auch der längste Weg beginnt mit kleinen Schritten.
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Re: Ist Kata (noch) auf einem guten Weg?

Beitrag von Akikaze »

:danke
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Re: Ist Kata (noch) auf einem guten Weg?

Beitrag von makoto »

Ein sehr gelungener Artikel!!!

Sollte an so manche Kata-Referenten weitergeleitet werden...
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Juiz
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Re: Ist Kata (noch) auf einem guten Weg?

Beitrag von Juiz »

:danke Ein toller Aufsatz, der mir in weiten Teilen aus der Seele gesprochen hat.

Ich will bei meinen Kommentaren jetzt auch mal versuchen, strukturiert vorzugehen ;-)

Fangen wir mit den negativen Bedingungen zum Katalernen an.

Katalehrer

Ich habe im Laufe von vielen Jahren genau drei Katalehrer gehabt, die ich tatsächlich respektieren konnte, da sie nicht nur die Form erläutert haben, sondern auch und grade bei mir befremdlichen Bewegungen die Hintergrundgedanken oder anderen Ausgangssituationen erklären konnten und nicht nur auf Videos oder Wertungskriterien verwiesen haben. Als Beispiel für eine solche Situation nenne ich jetzt einfach mal die für die meisten Kampfsportler befremdlich wirkenden Schläge der Kime-no-Kata, die bei mir auf einem Danvorbereitungslehrgang zwar korrigiert wurden, jedoch nur mit der Aussage: In der KnK schlägt man so. Einige Wochen später habe ich dann von einem dieser drei Lehrer erfahren, warum das so ist, da nämlich ein anderer (natürlicherer) Schlag in einer vollen Samurairüstung nicht möglich sei und daher dieser spezielle Schlag verwendet wird. In dem Moment hat es dann Klick gemacht und ich als dummer 2. Dan hatte was gelernt (so wie es sein soll). An der Zahl dieser Erkenntnismomente abzüglich der Augenrollmomente kann man meiner Meinung nach auch einen guten Lehrer festmachen. Der schlechte Lehrer hält den Schüler wahlweise für zu dumm, um die eigenen (nicht ganz eigenen) Weisheiten zu verstehen oder kennt die Hintergründe selbst nicht und der gute Lehrer nimmt sich die Zeit um mehr als das Augenscheinliche zu erklären.

Kataliteratur

Jetzt könnte man natürlich sagen, man kann sich als Dananwerter selbst die Hintergründe anlesen, allerdings sind gute und umfangreiche Katabücher die absolute Ausnahme. Meistens werden halt doch nur die Bewegungsabläufe geschildert. Zugegebener Weise kann ich hierbei keine Angaben zum neuen Nage-no-Kata -Buch des DJB und zum Ju-no-Kata-Buch von Fukuda geben, da ich beide noch nicht besitze, aber ansonsten bin ich bisher maßlos enttäuscht.

Ausgangslage 1. Dan

Seien wir mal ehrlich, man ist 18 Jahre alt, hat Frauen, Abitur und Wettkämpfe im Kopf und kriegt gesagt, dass man sich zu tief verbeugt, da ist Frust und eine ablehnende Grundhaltung vorprogrammiert. Ich hoffe, dass die schrittweise Heranführung schon mit 12 Jahren (keine Frauen und kein Abitur) da entgegenwirken kann, aber wie sagt man so schön in der neuen Generation steckt man halt nicht drinnen. Leider werden zuviele dieser Generation von Leuten unterrichtet, die keine positiven Kataerfahrungen gemacht haben (Trainer-C und 1. Dan im guten Fall und dann halt die oben beschriebenen Erfahrungen, die auch weitergegeben werden) und werden daher eine negative Tradition fortführen...

Und als letzten negativen Punkt: Die Dan-PO des DJB

Wenn das Katatraining zum 2. Dan wirklich erfolgreich war, sollte der Punkt Prinzipien des Halten, Hebelns und Würgens bereits verstanden sein, bevor man sich auch nur ansatzweise mit dem 3. Dan beschäftigt. Der DJB geht also selbst nicht von einem guten Katatraining aus...

Absolut positiv und da werden mir die Katafans (zu denen ich mich nicht zähle, aber man kann auch im Gemüse des Judoessens das Gute erkennen ;-) ) zustimmen ist, dass falls man einen guten Lehrer findet und man sich aufs Katatraining einlässt, sich alle Bereiche des Judos und insbesondere das Judoverständnis auch bei kurzer Vorbereitungszeit auf eine neue Prüfung enorm verbessern und man sich fragt, warum man erst den Druck der nächsten Danprüfung brauchte, um es zu lernen.

Ich selbst habe für mich als Judoka und Trainer die folgenden einfachen Schlüße gezogen:
Ich bringe Kata so gut ich kann mit Hintergrundwissen im Kyu-Bereich bei und schicke sie, sobald der braune Gürtel um den Bauch hängt und 60km eine überbrückbare Distanz sind, zu einem meiner eigenen Lehrern.
Ich versuche meine eigene Meinung (insbesondere zur Nage-no-Kata, da ich diese auch jung und dumm mit viel Antipathie gelernt habe) hinterm Berg zu halten und versuche noch in jungen Jahren meine Danprüfungen und Trainerlehrgänge zu absolvieren, damit meine Judokinder und -erwachsenen ein möglichst gutes Training in beiden Bereichen Kata und Randori erhalten können.
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Fritz
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Re: Ist Kata (noch) auf einem guten Weg?

Beitrag von Fritz »

Juiz hat geschrieben:Einige Wochen später habe ich dann von einem dieser drei Lehrer erfahren, warum das so ist, da nämlich ein anderer (natürlicherer) Schlag in einer vollen Samurairüstung nicht möglich sei und daher dieser spezielle Schlag verwendet wird.
Hmm, das ist wohl "Mumpitz"...
Die Kime-No-Kata wurde zu einer Zeit entwickelt, für Leute, die keine Samurai mit Rüstungen waren...

Bitte mal diesen Aufsatz legen u. die naheliegenden Schlüsse (evt. vorher noch nach alten Bilder
vom Faustkampf googlen) ziehen: http://www.idokan.pl/txt/tomXI/1/%282%2 ... stansu.pdf

Ansonsten gehen Deine Gedanke durchaus schon in die richtige Richtung...
Allerdings scheinst Du noch der Vorstellung verhaftet sein, daß Kata, so etwas wie eine eigenständige "Disziplin" des Judo ist...
Kata ist erstmal nur Trainingsinstrument, sowie die anderen schöne Sachen, die man so im Training veranstaltet, um Leuten
etwas beizubringen... Keiner kommt auf die Idee, bsp. Fallschule als einen eigenständigen Teil des Judo zu sehen, dort Wettkämpfe
abzuhalten usw. usf. - und ansonsten zu behaupten, naja eigentlich ist ja "historisch", heutzutage gibt es ja Matten, braucht man
eigentlich nicht, aber hilft schon irgendwie, wenn man es kann.
Keiner macht aus den mündlichen Erklärungen des Judo-Trainers/Lehrers/ÜL eine separate Disziplin:
"Naja diese Vorträge und Erklärerei lagen mir anfangs nicht so, aber mittlerweile hab ich
herausgefunden, es hilft ja doch irgendwie beim Verständnis, ich werd mal meine Üblinge da langsam ranführen u. so (vielleicht hat ja
dann später einer auch Freude u. Erfolg bei 'ner Teilnahme am Judo-Erklärwettkampf)" ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
tutor!
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Re: Ist Kata (noch) auf einem guten Weg?

Beitrag von tutor! »

Schön, dass der alte Aufsatz doch noch hin und wieder gelesen wird.

Ein Phänomen habe ich damals nicht beschrieben, aber es gehört auch in den Fragenkomplex hinein. Es geht Mystifizierung und um das "Hineininterpretieren" von Dingen, die in einer Kata vermutet werden, die aber oftmals jeder Grundlage entbehren. Ein derartiges Beispiel führst Du sicherlich unbeabsichtigt auf.
Juiz hat geschrieben:(...)
Ich habe im Laufe von vielen Jahren genau drei Katalehrer gehabt, die ich tatsächlich respektieren konnte, da sie nicht nur die Form erläutert haben, sondern auch und grade bei mir befremdlichen Bewegungen die Hintergrundgedanken oder anderen Ausgangssituationen erklären konnten und nicht nur auf Videos oder Wertungskriterien verwiesen haben. Als Beispiel für eine solche Situation nenne ich jetzt einfach mal die für die meisten Kampfsportler befremdlich wirkenden Schläge der Kime-no-Kata, die bei mir auf einem Danvorbereitungslehrgang zwar korrigiert wurden, jedoch nur mit der Aussage: In der KnK schlägt man so. Einige Wochen später habe ich dann von einem dieser drei Lehrer erfahren, warum das so ist, da nämlich ein anderer (natürlicherer) Schlag in einer vollen Samurairüstung nicht möglich sei und daher dieser spezielle Schlag verwendet wird. In dem Moment hat es dann Klick gemacht und ich als dummer 2. Dan hatte was gelernt (so wie es sein soll).
(...)
Hier zeigt sich, dass Du offenbar jenen Lehrer als guten Katalehrer betrachtest, der sich (was jeder tun sollte) um Dich bemüht, und der Dir eine Erklärung anbietet, die Dir in dem Moment sinnvoll erscheint. Automatisch ist ein Katalehrer weniger kompetent, der Dir ein Detail nicht erklären kann. Was aber nun, wenn derjenige, der eine für Dich überzeugende Antwort parat hat, im Unrecht ist - vielleicht sogar groben Unfug erzählt - während ein anderer, der keine Erklärung parat hat, gar nicht erst versucht, eine zu geben.

Im konkreten Fall ist es nämlich so, dass die "Rüstungsgeschichte" der Phantasie entspringt und Unsinn ist. Kime-no-Kata hat nichts mit Samurairüstungen ö.ä. zu tun - auch wenn es noch so plausibel erscheint.

Bevor ich das weiter begründe, möchte ich aber erst noch die Erklärung zum Schlagen bei Kime-no-Kata geben. Die Schläge, von denen Du offensichtlich schreibst - ich gehe jetzt nicht alle Schläge in der Kime-no-Kata durch, sollen den Gegner genau in der Nasenwurzel treffen, die ja etwas hinter der Stirn und dem Nasenbein versetzt liegt. Will man mit großer Wirkung genau in diese Vertiefung schlagen, darf man nicht mit einer Fläche der Faust, sondern mit einer Kante treffen. Dass man dies nicht mit den Mittelgelenken der Finger, sondern mit den Knöcheln tut, ist auch leicht verständlich. Will man aber mit den Knöcheln genau die Nasenwurzel treffen, muss die Handfläche nach oben zeigen. Anders geht das anatomisch nicht.

Warum kann Kime-no-Kata nichts mit Rüstung zu tun haben? (Eigentlich sollte ja jemand, der so etwas in die Welt setzt, dies auch irgendwie belegen und es nicht anderen überlassen, dagegen zu argumentieren - ich tue das aber trotzdem einmal, weil es mehr als evident ist.)

1.) Kime-no-Kata entstand in den Jahren 1906 bis ca. 1920 als grundlegende Jujutsu-Kata der Dai-Nippon-Butokukai, ist also gar nicht so alt, wie allgemein vermutet (jünger z.B. als Nage-, Katame- und Ju-no-Kata). In dieser Zeit gab es weder Samurai noch kümmerte man sich um Kämpfen in Rüstungen. Du wirst aber immer wieder hören, dass die Techniken schon älter sind - das stimmt natürlich (genau wie bei vielen anderen Kata auch)

2.) Kime-no-Kata hat den typischen Aufbau "Idori" (im Kniesitz) und "Tachiai" (im Stand), den viele Jujutsu-Schulen in ihren Kata hatten. Idori würde z.B. komplett nicht mit Rüstung funktionieren, weil man sich mit Rüstung gar nicht so hinknien kann.

3.) Ukes Angriffe würden gegen Rüstung überwiegend keinen Sinn machen, z.B. ein Schlag gegen "Suigetsu", weil das durch den Brustpanzer geschützt ist.

4.) Das häufige Würgen Toris zum Abschluss funktioniert auch nicht, wenn Uke eine Rüstung tragen würde...

Mir fällt ehrlich gesagt kaum eine Aktion ein, die in irgendeiner Weise mit Rüstung sinnvoll möglich wäre. Kime-no-Kata hat - von welcher Seite man es auch betrachtet - nichts mit Samurai in Rüstungen zu tun.

Was möglicherweise diesen Katalehrer auf diesen Gedanken gebracht haben könnte ist allein die Tatsache, dass diese Art gegen die Nasenwurzel zu schlagen möglicherweise auch funktioniert haben könnte, wenn der Gegner einen Helm getragen hat. Aber die Modelle waren sehr vielfältig und es hätte schon der "richtige" sein müssen (http://www.google.de/search?q=kabuto+samurai).

Aber wie gesagt - Kime-no-Kata hat nichts mit "Kämpfen in Rüstungen" zu tun.
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Re: Ist Kata (noch) auf einem guten Weg?

Beitrag von Juiz »

Hallo Fritz,
ob das Mumpitz ist oder nicht kann ich nicht sagen, aber ich werde mir mal deinen Link zu Gemüte führen und dann neu urteilen. Allerdings war es endlich mal eine Begründung, die tatsächlich gegen einen normalen Stoß im Kniestand gesprochen hatte, es wäre also echt schade, wenn das schon wieder eine Fehlinformation war... Auf jeden Fall hat die Erklärung zum Umdenken geführt und zur Änderung der Handausrichtung beim Schlag ;-)

Jetzt zu den Judodisziplinen:
Ich unterscheide auf zwei Ebenen:
1. Randori und Kata als freies und vorgegebenes Üben
aber auch
2. Kata (Nage-no, Katame-no, etc.), Boden, Stand, Randori, Fallschule, Griffkampf, SV und was man sich noch alles vorstellen kann

Ich seh darin auch kein Problem, da insbesondere Kata bei uns halt als das Erlernen dieser Prinzipien über die Kodokan-Katas verstanden wird und solange man beide Aspekte kennt, redet man ja allgemein auch nicht aneinander vorbei. Und was deinen Vergleich mit den Erklärungen des Judotrainers angeht, so wäre jemand, der das als eigenständige Disziplin ansieht und versucht mich oder jeden anderen Trainer zu schlagen, indem er besser ist als ich, ein absoluter Traum. Allerdings wäre diese Judodisziplin eher ein Randori als ein Shiai ;-D

Und *klugscheißmodus an* Kano hat (soweit ich mich nicht wieder irre) Kogi und Mondo auch als Teile des Judounterrichts gesehen, warum also kein Trainer-Shiai in diesen Disziplinen?*klugscheißmodus aus*
Juiz
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Re: Ist Kata (noch) auf einem guten Weg?

Beitrag von Juiz »

Und gleich noch Hi tutor! hinterher ;-)
Hier zeigt sich, dass Du offenbar jenen Lehrer als guten Katalehrer betrachtest, der sich (was jeder tun sollte) um Dich bemüht, und der Dir eine Erklärung anbietet, die Dir in dem Moment sinnvoll erscheint. Automatisch ist ein Katalehrer weniger kompetent, der Dir ein Detail nicht erklären kann. Was aber nun, wenn derjenige, der eine für Dich überzeugende Antwort parat hat im Unrecht ist - vielleicht sogar groben Unfug erzählt - während ein anderer, der keine Erklärung parat hat, gar nicht erst versucht, eine zu geben.
Als einen guten Trainer verstehe ich jemanden, der die Diskussion mit dem Schüler nicht scheut. Ich hab natürlich wieder voll ins Schwarze getroffen mit dem falschen Beispiel, deshalb erst noch zur vllt. Ehrenrettung meines Lehrers: Er meinte, dass die Art zu schlagen ein Überbleibsel der Schläge mit Rüstung sei und nicht, dass die Kime-no-Kata etwas mit Rüstungen zu tun hat, aber ich akzeptier das jetzt erstmal als falsch. (P.S.: Es war der Schlag im Idori Tsukkake, bei den Schlägen zur Nasenwurzel hab ich es noch eingesehen) Jetzt nochmal zur Klassifizierung der Lehrer in gut und schlecht:
Gut:
Versucht zu erklären (gerne auch mal mit Mumpitz), vllt. auch mal mit eigenen Schlußfolgerungen, um die geforderten Bewegungen nachvollziehbar zu machen. Natürlich kann an der einen oder anderen Stelle auch mal kommen, dass man das selbst nicht weiß, nachvollziehen kann, aber die Wertungsrichter es so sehen wollen.

Schlecht:
Beruft sich immer nur auf Vorgaben gerne im letzten Detail und hinterlässt den Schüler eher verwirrter als schlauer.

Und zuletzt da ich jetzt keine Erklärung mehr für die Ausführung dieses Stoßes zum Oberkörper, habe bin ich für Aufklärung dankbar. Das die Hand tatsächlich nach oben zeigt, hab ich eben im Kodokanvideo und dem Buch von Kano nochmal nachgeschaut. (Idori Tsukkake)
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Fritz
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Re: Ist Kata (noch) auf einem guten Weg?

Beitrag von Fritz »

Juiz hat geschrieben:deshalb erst noch zur vllt. Ehrenrettung meines Lehrers: Er meinte, dass die Art zu schlagen ein Überbleibsel der Schläge mit Rüstung sei und nicht, dass die Kime-no-Kata etwas mit Rüstungen zu tun hat,
Das klingt schon wieder deutlich anders ;-)

Evt. interessiert Dich dann auch dieser Faden:

viewtopic.php?f=58&t=5148
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Ist Kata (noch) auf einem guten Weg?

Beitrag von tutor! »

Es geht ja nicht um einen bestimmten Lehrer dessen "Ehre" nun gerettet werden müsste - Dein Beispiel war aber gut für den noch fehlenden Aspekt der Mystifizierung und des Hineininterpretierens.
Juiz hat geschrieben:(...)Und zuletzt da ich jetzt keine Erklärung mehr für die Ausführung dieses Stoßes zum Oberkörper, habe bin ich für Aufklärung dankbar. Das die Hand tatsächlich nach oben zeigt, hab ich eben im Kodokanvideo und dem Buch von Kano nochmal nachgeschaut. (Idori Tsukkake)
Tsukkake macht am allerwenigsten Sinn in Verbindung mit einer Rüstung, weil das Ziel des Schlagens durch den Brustpanzer geschützt ist. Letztlich sind alle Atemi in Verbindung mit Rüstungen fragwürdig, deshalb kommt mir das alles reichlich spanisch vor...

Mir ist im Moment kein Quelle für eine Erklärung bekannt. Für die Japaner ist es immer ganz einfach, dies zu erklären. Sie sagen, dies sei die natürliche Art zu schlagen. Auf kürzere Entfernung empfinde ich das übrigens ebenfalls so. Dennoch habe ich zwei - wirklich eigene - Punkte, weswegen ich diese Art zu schlagen an dieser Stelle für sinnvoll halte:
1.) der Schlag mit dem Faustrücken nach unten lässt sich leicht nach oben weiterführen, bis hin zu einem Kinnhaken, ohne dass es der Angegriffene frühzeitig erkennen kann.
2.) Nach dem Ausweichen muss Tori unbedingt Ukes Unterarm drehen, um den Ellbogen mit dem Bauch hebeln zu können. Dies würde entfallen, wenn Uke mit einer anderen Fausthaltung schlagen würde, da dann der Ellbogen schon direkt zu Tori zeigen würde. Vor dem Hintergrund, Tori auf diese Weise deutlich zu machen und ihn üben zu lassen, dass er den Unterarm Ukes vor dem Hebeln in die richtige Position zu drehen muss, finde ich den Angriff so sinnvoll.
Aber noch einmal - eine Quelle, aus der dies als Begründung hervorgeht, habe ich nicht.
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Re: Ist Kata (noch) auf einem guten Weg?

Beitrag von Juiz »

@ Fritz: Danke für den Faden ist wirklich interessant!
@ tutor!: Wie schon gesagt brauch ich keine Quellen ;-) , ich finde beide Ideen sehr interessant. Allerdings würde der Schutz des Ellbogens nur dann Sinn machen, wenn ich eine solche Aktion als Uke bereits erwarte bzw. wie von dir beschrieben zur Verdeutlichung des aktiven Drehens des Arms durch Tori. Beim Schlag zum Kinn wäre ein deutliches Zurückweichen des Torso von Uke notwendig, was in Idori auch eher unwahrscheinlich ist... Ich werd die Tage jetzt mal versuchen, den Schlag aktiv zu drillen um zu sehen, ob er tatsächlich irgendwann als natürliche Bewegung wahrgenommen wird. Im Moment stört er mich immer noch, weil ich immer einen Stoß mit der aufgerichteten Hand durchführen will.
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Fritz
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Re: Ist Kata (noch) auf einem guten Weg?

Beitrag von Fritz »

@tutor!:
Nun hast Du mich völlig verwirrt:
tutor! hat geschrieben:Tsukkake macht am allerwenigsten Sinn in Verbindung mit einer Rüstung, weil das Ziel des Schlagens durch den Brustpanzer geschützt ist. Letztlich sind alle Atemi in Verbindung mit Rüstungen fragwürdig, deshalb kommt mir das alles reichlich spanisch vor...
denn vorher schriebest Du:
tutor! hat geschrieben:Bevor ich das weiter begründe, möchte ich aber erst noch die Erklärung zum Schlagen bei Kime-no-Kata geben. Die Schläge, von denen Du offensichtlich schreibst - ich gehe jetzt nicht alle Schläge in der Kime-no-Kata durch, sollen den Gegner genau in der Nasenwurzel treffen, die ja etwas hinter der Stirn und dem Nasenbein versetzt liegt. Will man mit großer Wirkung genau in diese Vertiefung schlagen, darf man nicht mit einer Fläche der Faust, sondern mit einer Kante treffen. Dass man dies nicht mit den Mittelgelenken der Finger, sondern mit den Knöcheln tut, ist auch leicht verständlich. Will man aber mit den Knöcheln genau die Nasenwurzel treffen, muss die Handfläche nach oben zeigen. Anders geht das anatomisch nicht.
;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
tutor!
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Re: Ist Kata (noch) auf einem guten Weg?

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben:Nun hast Du mich völlig verwirrt:
tutor! hat geschrieben:(...)Die Schläge, von denen Du offensichtlich schreibst - ich gehe jetzt nicht alle Schläge in der Kime-no-Kata durch, sollen den Gegner genau in der Nasenwurzel treffen, (...)
;-)
Du musst einfach nur den Teil lesen, den Du nicht fett gemacht hast, denn die einzigen Schläge, bei denen die "Rüstungsidee" noch irgendwie irgendeinen Sinn machen könnte sind jene, die zur Nasenwurzel gehen. Es gibt aber in der Kime-no-Kata noch andere. Ich bin nicht im Traum darauf gekommen, dass es sich um Tukkake gehandelt haben könnte. Denn Du hast mich richtig zitiert:
tutor! hat geschrieben:Tsukkake macht am allerwenigsten Sinn in Verbindung mit einer Rüstung, weil das Ziel des Schlagens durch den Brustpanzer geschützt ist.
Juiz hat geschrieben:Allerdings würde der Schutz des Ellbogens nur dann Sinn machen, wenn ich eine solche Aktion als Uke bereits erwarte bzw. wie von dir beschrieben zur Verdeutlichung des aktiven Drehens des Arms durch Tori. Beim Schlag zum Kinn wäre ein deutliches Zurückweichen des Torso von Uke notwendig, was in Idori auch eher unwahrscheinlich ist...
Bitte nicht überinterpretieren. Mein Gedanke ist, dass Tori nicht wissen kann, ob und wie wie Ukes Arm gedreht sein wird und er daher vorsorglich in jedem Fall beim Heranführen des Arms an seinen Körper den Unterarm drehen sollte. Dann klappt der Hebel in jedem Fall. Zum Kinn kann man übrigens auch schlagen, wenn der Oberkörper nach vorne geneigt wird...

Letztlich ist aber ja die Ausgangsfrage in diesem Faden, ob Kata (noch) auf einem guten Weg ist. So lange, man auf der Matte probiert, verifiziert usw. und weder an unverstandenen Bewertungskriterien klebt noch seiner Phantasie allzu freien Lauf lässt, sehe ich das Ganze positiv. Wobei viel problematischer ist, was sich manchmal verbreitet und festsetzt und vielleicht gar nicht so gemeint ist.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
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Re: Ist Kata (noch) auf einem guten Weg?

Beitrag von Lin Chung »

Hallo zusammen

ich glaube genauso wenig wie Tutor, dass diese Kata fürs Kämpfen in Rüstungen geeignet ist.
Schon alleine der Umstand, dass diese in einer Zeit entwickelt wurde, in der man mit einer Rüstung keine Chance hatte.

Nasenwurzel... um diese zu Treffen, muss man entweder mit der Handkante oder mit dem Faustrücken (Uraken) nach unten zuschlagen. Ebenso ein Stich mit den Fingern (Nukite) oder ein Schlag mit der langen Faust (Hiraken) kann treffen.
Zuletzt geändert von Lin Chung am 04.01.2014, 18:24, insgesamt 1-mal geändert.
Grüße
Norbert Bosse
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Re: Ist Kata (noch) auf einem guten Weg?

Beitrag von Fritz »

@tutor!: Wie gesagt, ich war verwirrt und hatte zwei verschiedene Sachen vermengt ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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