@Califax:
Danke!
Endlich mal jemand, der ähnliche Erlebnisse hatte wie ich ...
Wie ich bereits schrieb: mir ist das, was einige Teilnehmer der Debatte hier äußeren, viel zu theoretisch. Da wird über Dinge im Brustton der Überzeugung parliert, die man selbst noch nie erlebt hat.
"Wenn so etwas passiert, dann muß man ... dann kann man ... und dann ist es doch selbstverständlich, daß ... und man muß ja schließlich vorher ..."
Vielleicht wird mir das nun wieder übelgenommen - aber ich möchte jene, die so etwas erzählen, gar zu gern in den von Califax beschriebenen Situationen erleben.
"Souveräne Ausstrahlung"?
Quatsch!
Völliger Quatsch!
Bei Bedarf kann ich diejenigen, die sich einer "souveränen Ausstrahlung" zu erfreuen glauben, gern mit in meine Heimatstadt nehmen.
Oder ich empfehle einen Urlaub in Hoyerswerda. Oder Frankfurt/Oder.
Es gibt nämlich etliche Gewalt-Freaks, denen ihr RUF über alles geht. Diese "feigen Schwächlinge" suchen sich prinzipiell GEGNER und keine Opfer. Die suchen nach kräftigen Typen, die "einen Schatten werfen" - und mache sie dann platt.
Ich bin einigermaßen erschüttert darüber, wie - mit Verlaub! - unbedarft und ahnungslos hier der eine oder andere versucht, Gewalt auszublenden, wegzudiskutieren ... wie mancher versucht, sich an die Illusion zu klammern, es werde schon nix passieren ...
Schließlich IST etliche ja noch nie etwas passiert, nicht wahr? Daraus folgert man dann, daß es immer so bleiben müsse ...
Kleiner Tip: gewaltbereiter menschlicher Abfall verläßt auch hin und wieder die finsteren Feuchtbiotope, die er bewohnt und taucht an Orten auf, an denen man nie damit gerechnet hätte.
Und nein - um dem Großen Böse Wolf zu begegnen, muß man nicht unbedingt bestimmte verrufene Gegenden aufsuchen.
Ich hab zwar das Gefühl, daß es sinnlos ist, das zu wiederholen, aber dennoch: Gewalt kann jeden treffen. Überall.
Ich persönlich bin der Meinung, daß man darauf gut vorbereitet sein sollte - und das heißt, daß man mehr zu bieten haben muß als Gerede und das Festhalten an Konventionen, die dem Großen Bösen Wolf (GBW) nicht mal ein müdes Lächeln entlocken.
Aber wer sich natürlich damit beruhigen möchte, daß es den GBW gar nicht gibt ...
Oder daß er im Falle eines (ach so unwahrscheinlichen Falles) ja schon von den "Hütehunden" der Polizei in Schach gehalten würde ...
Oder daß man als Schaf durch "kluges Reden" schon dafür sorgen könne, daß der GBW die Sinnlosigkeit seines Tuns einsehen und von dann ziehen werde ...
Ich schrieb vor einige Zeit dazu einen Essay unter dem Titel "Gewalt, Wahrnehmung und Kampf", aus dem ich nun ein wenig zitiere:
Es gibt einen riesengroßen Unterschied zwischen dem, was Gewalt tatsächlich ist und dem, was davon wahrgenommen wird.
Gewalt wird oftmals nicht als solche erkannt. Das mag auch daran liegen, daß es viele unterschiedliche, z.T. sehr subtile Formen von Gewalt gibt. Die Wahrnehmungslücke hat aber in erster Linie andere, sehr ernste Ursachen.
Nur sehr wenige Menschen befassen sich emotionslos und vorurteilsfrei mit dem Thema Gewalt. Doch erst dann, wenn man die eigenen Vorurteile, vorgefaßten Meinungen und auch Erwartungen weitgehend ausklammern kann, wird man sich intensiv und vor allem konstruktiv mit Gewalt und ihren Erscheinungsformen auseinandersetzen können.
Gewalt ist ein sehr wichtiges Thema für alle, die sich mit dem Gedanken des Kämpfens vertraut machen wollen ... sollte man meinen.
Weit gefehlt!
Es scheint ein gesellschaftlicher Konsens zu sein, über Gewalt möglichst nicht zu sprechen (die hysterische Berichterstattung in den Medien einmal ausgenommen).
Gewalt, so lernen wir als Kinder, ist eine völlig inakzeptable Art und Weise, Probleme lösen zu wollen.
Das aber stimmt nicht, wie wir (ebenfalls von Kindesbeinen an) erfahren müssen.
So wachsen wir also in einer extrem verlogenen Gesellschaft auf, die Gewaltlosigkeit predigt und gleichzeitig der beste Nährboden für ebendiese Gewalt ist. Zudem wird eine in den Medien zu beobachtende, geradezu voyeuristische Berichterstattung in Bezug auf Gewaltdelikte nicht dazu beitragen, Gewalt einzudämmen.
Es sei dahingestellt, welche Faktoren gewaltauslösend sind - es genügt, zu begreifen, daß ein großer Teil unserer Mitmenschen durchaus bereit ist, Gewalt als Mittel zur Lösung von Konflikten zu akzeptieren. Man sollte meinen, daß es keiner besonderen kognitiven Fähigkeiten bedarf, um dieser Erkenntnis teilhaftig zu werden.
Ich finde es zudem sehr selbstgerecht, realitätsfremd und sehr gefährlich, wenn man allen Ernstes glaubt, den gewaltbereiten menschlichen Abschaum beispielsweise durch einen Appell ans Schamgefühl zivilisieren zu können.
Auch der Glaube an den Staat und die Polizei als dessen Ordnungsmacht ist von geradezu rührender Naivität.
Die Polizei und die Staatsanwaltschaft sind, wie wir alle wissen, eingeengt von Gesetzen, politischen Entscheidungen, der öffentlichen Meinung und vor allem leider allzu oft beengt und bedrängt von allgemeiner, gesellschaftlicher Dummheit ...
In einer Zeit, in der "aus Kostengründen" massiv Beamtenstellen bei der Polizei abgebaut werden, sollte vielleicht man nicht allzusehr darauf vertrauen, durch die Polizei wirksam vor Gewalt "beschützt" zu werden.
Es sei wiederholt - es kann jeden treffen. Wäre es da nicht besser, so gut wie möglich vorbereitet zu sein? Leider verbauen viele Leute sich diese Möglichkeit selbst, indem sie sagen: "Ich weigere mich, mein Leben von Gewalt durcheinanderbringen zu lassen! Ich weigere mich, so paranoid zu werden, daß ich hinter jeder Hausecke einen Angreifer vermute!"
Das heißt im Klartext: "Ich weigere mich, zu akzeptieren, daß es Gewalt gibt und das sie mich treffen kann. Ich weigere mich, meine Aufmerksamkeit auf Möglichkeiten zu richten, die mir aus solchen Situationen heraushelfen könnten! Lieber vertraue ich darauf, daß mir schon nichts passieren wird!"
Die meisten Menschen wollen unbedingt glauben, daß die Welt im Grunde ein Ort des Guten ist. Das Böse, so glauben sie, beruhe einzig und allein auf (korrigierbarer) Verirrung.
Dieser Glaube ist verständlich, denn das Leben wäre sonst für viele nur schwer zu ertragen. Das ist der Grund dafür, daß solche Gutmenschen von Gewalt immer völlig überrascht werden.
Doch selbst, wenn sich solche Menschen mit Gewalt konfrontiert sehen, beharren sie oftmals stur (und hilflos) auf ihrem Standpunkt.
Es gibt weder eine Garantie noch einen Anspruch darauf, von Gewalt verschont zu bleiben. Niemand ist unberührbar!
Die meisten Menschen aber blenden diese Erkenntnis, wie schon gesagt, einfach aus ihrem Leben aus. Das bedeutet, daß sie sich konsequent weigern, sich zumindest gedanklich mit diesem Thema zu befassen.
Wenn sie dann doch irgendwann plötzlich Nase an Nase mit dem großen, bösen Wolf stehen, fallen sie aus allen Wolken, wieso gerade ihnen so etwas widerfahren konnte (falls sie es überleben).
Etliche dieser (man möge mir den Ausdruck verzeihen) Schafe blöken glücklich und selbstzufrieden auch dann noch vor sich hin, wenn der große, böse Wolf (GBW) ihnen schon dicht auf den Fersen ist.
Warum auch nicht, schließlich haben sie ja gelernt, daß es den GBW gar nicht gibt. Sie haben ihren angeborenen Schutzmechanismus abgelegt im Rahmen dessen, was man als Sozialisation bezeichnet.
Sie haben auch nie gelernt, wie man erkennen kann, ob man sich vielleicht gerade eben in das Gebiet des GBW begibt ...
Glücklich und selbstzufrieden blöken sie: "Ich lehne Gewalt prinzipiell ab! Määähhh!"
Ein bedenklicher Standpunkt, besonders dann, wenn er von jenen vorgebracht wird, der ihrer Natur nach Beutetiere sind, auch wenn sie das nicht wahrhaben wollen.
Sie sagen: "Ich verabscheue Gewalt! Ich lehne Gewalt grundsätzlich ab!"
Diese angeblich erwachsenen und mündigen Bürger meinen damit: "Ich bin nicht bereit, mich gedanklich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Ich verlange, daß Gewalt einen großen Bogen um mich macht!"
Es fehlt nur noch, daß sie trotzig mit den Füßen stampfen. Das wird den großen bösen Wolf wahrscheinlich sehr beeindrucken …
Leider machen viele Schafe einen ganz entscheidenden Denkfehler.
Zum einen halten sie sich selbst nicht für Schafe (was nicht für ihren Realitätssinn spricht), zum anderen ist unter ihnen folgende Haltung weitverbreitet: "Mir ist so etwas ja noch nie passiert, also gibt es das auch nicht!"
Aus diesem Gedanken leiten sie den nächsten ab: "Da es so etwas nicht gibt, kann mir auch in Zukunft nichts passieren!"
Schließlich haben sie noch ein ganz besonders "gutes" Argument auf Lager, mit dem sie "paranoide Schwarzseher" wie mich endgültig zu widerlegen glauben: "Warum sollte mir denn irgendjemand etwas tun? Ich tue doch auch niemandem etwas!"
Das bedeutet, in verständliche Sprache übersetzt: "Ich bin harmlos, also haben alle anderen auch harmlos zu sein."
Wer seine eigene Harmlosigkeit derart lautstark hinausposaunt, kann sich auch gleich ein Schild umhängen mit der Aufschrift "Opfer".
Es gibt dort draußen so viele völlig durchgeknallte Irre, die keinen speziellen Grund brauchen, um auf ihre Mitmenschen loszugehen, daß einem Angst und Bange werden kann. Es gibt dort draußen alle Arten von menschlichem Abfall, der zu etwas anderem als Gewalt gar nicht mehr fähig ist! Es gibt so viele Beispiele von plötzlich ausbrechender, grundloser, eskalierender Gewalt, daß einem schlecht werden könnte.
Will das jemand ernsthaft leugnen?
Der Normalbürger , der Gewalt so lautstark, besserwisserisch und selbstgerecht ablehnt und sich darüber moralisch entrüstet, überträgt fälschlicherweise sein Wertesystem auf jede ihm begegnende Situation. Unzulässigerweise geht er davon aus, daß zivilisierte Menschen allüberall nach den gleichen Richtlinien zu denken, zu handeln und daher Gewalt grundsätzlich abzulehnen haben. Das aber stimmt einfach nicht. Folglich wird er, oft ohne es zu bemerken, außerhalb seines vertrauten Umfeldes immer wieder die eine oder andere Grenze verletzen. Ignoriert er dabei die mehr oder minder deutlichen Warnsignale, braucht er sich über einen Ausbruch von Gewalt eigentlich nicht zu wundern.
Wer sich aus seinem engsten, vertrautesten Umfeld herausbewegt, der tut gut daran, zu berücksichtigen, daß es kein herrenloses Territorium gibt. Irgendwer erhebt garantiert Anspruch darauf, daß dies sein Gebiet ist. Folglich gelten dort seine Regeln.
Das ist die Realität, auch wenn manche das nicht akzeptieren können.
Noch einmal - zwischen dem großen, bösen Wolf (GBW) und dir befinden sich nur imaginäre Schranken, die absolut nichts wert sind!
Was nützt es dem Opfer, wenn der Täter hinterher (falls er überhaupt gefaßt wird) mit einer mehr oder minder milden Strafe davonkommt? Knast hat für viele keinerlei abschreckende Wirkung, soviel ist sicher.
Zudem hält der Gedanke an Strafe niemanden davon ab, dich zu einem wimmernden, blutigen Klumpen zu verarbeiten.
Es ist ferner unbedingt notwendig, zu berücksichtigen, daß den meisten Gewalttätern die Folgen ihres Tuns völlig gleichgültig sind. Viele von ihnen sind schon ganz unten und leben in der gesellschaftlichen Mülltonne. Was haben sie noch zu verlieren? Nichts!
Zudem muß man leider konstatieren, daß ein Großteil dieser Gewalttäter tatsächlich nachweislich unfähig ist, aus Erfahrung zu lernen (siehe Rückfallquote). Was nutzt da die Drohung mit einer Gefängnisstrafe?
Ich glaub zwar nicht, daß meine Gedanken dazu beitragen könne, das Bild, welches Schafe von Wölfen haben, etwas realisischer zu gestalten, aber ich hab's wenigstens versucht.
FG
Tom