Traf Jigoro Kano Erich Rahn?

Hier geht es um die Geschichte und um Traditionen des Judo
tom herold
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Traf Jigoro Kano Erich Rahn?

Beitrag von tom herold »

Abgetrennter Faden von: http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... =20&t=4932
Begründung: im Ursrungsfaden geht es um das Vorwort eines Buches, das nur mittelbar mit Rahn zu tun hatte. Die neue URL des Zitats wurde von mit eingefügt.
---tutor!---


Ich bin über das hier gestolpert:
http://www.dasjudoforum.de/forum/viewtopic.php?p=53908#p53908 hat geschrieben:Rahn hat das gelernt, was ihm zu lernen möglich war. Er hat übrigens auch Kano mehrfach getroffen, das erste mal sogar noch vor dem 1. Weltkrieg. Man kann ihm nicht zum Vorwurf machen, keine besseren - oder sollte man sagen "autorisierteren" Lehrer gehabt zu haben.
Ich kann mich erinnern, daß Kanô bspw. seine Begegnung mit Feldenkrais dezidiert beschreibt.
Auch beschreibt Kanô sehr ausführlich, wen er während seines Italien-Aufenthaltes alles kennenlernte ...
Ich kann mich im Moment gerade nicht daran erinnern, bei Kanô etwas davon gelesen zu haben, daß er in Deutschland mit Erich Rahn zusammengetroffen sei.
Habe ich da etwas überlesen ...?
Ich hätte gern eine Quelle dafür, daß Kanô sich mit Erich Rahn traf - und dies sogar mehrfach getan haben soll.

Im Übrigen habe ich alles, was Erich Rahn in Buchform in Deutschland herausgebracht hatte, noch einmal gesichtet.
Auch dort fand ich nichts über ein Treffen Rahns mit Kanô.
Ich bin sicher, daß Erich Rahn ein solches Treffen (oder gar deren mehrere) ganz groß herausgestellt und in jedem seiner Bücher erwähnt hätte.
Oder habe ich da etwas überlesen ...?

Da ich nur ein fehlbarer Mensch bin und daher weiß, daß ich mich irren kann, bitte ich hiermit noch einmal um die Angabe einer zitierfähigen Quelle bezüglich eines Treffens Kanô-Rahn.
Danke.

:D
tutor!
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Re: Vorwort zu "Das Kano Jiu-Jitsu" von Irving Hancock

Beitrag von tutor! »

böser tom hat geschrieben:Da ich nur ein fehlbarer Mensch bin und daher weiß, daß ich mich irren kann, bitte ich hiermit noch einmal um die Angabe einer zitierfähigen Quelle bezüglicih eines Treffens Kanô-Rahn.
Ich bin ausgesprochen knapp mit der Zeit, aber hier wirst Du fündig (jedenfalls was Treffen Kano/Rahn betrifft):
http://JudoForum.com/index.php?/topic/4 ... _p__521322
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
tom herold
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Beitrag von tom herold »

Ich wiederhole es:

Ich kann leider keine einzige seriöse (!) Quelle finden die ein Treffen zwischen Rahn und Kanô belegt. Ich finde nur diesbezügliche Behauptungen, die in beinahe allen Fällen den gleichen Wortlaut haben, was die Vermutung nahelegt, daß hier irgendwann eine entsprechende Behauptung aufgestellt und im Laufe der Zeit in den Rang einer "Tatsache" erhoben wurde.

Im amerikanischen Forum schreibt Cichorei Kano:
Rahn met Kanô himself and there are various pictures of that; I have them and they will appear in my book, so I cannot provide them here, at least not in high resolution.
Ich finde es - um es noch einmal zu sagen - erstaunlich, daß Kanô (soweit mir bekannt) in den mir zugänglichen Texten nirgends etwas davon erwähnt, in Deutschland mit Erich Rahn zusammengetroffen zu sein.
Ich finde es NOCH erstaunlicher, daß ich auch in Erich Rahns Büchern NIRGENDS auch nur einen einzigen satz finden kann, der besagt, daß Erich Rahn mit Kanô zusammengetroffen wäre.
Wohlgemerkt: Rahn selbst schreibt nichts darüber ...
Erwähnt Niehaus eine solche Begegnung? Ich meine mich zu erinnern, daß sich dazu bei Niehaus nichts findet ...


Ich halte viel von J. Svinth, aber ich staune, daß er schreibt:
Erich Rahn started teaching Berlin police before WWI. He stayed on the East side after WWII, so the West German judo community essentially wrote him out of its histories.
Oder hab ich da einfach nur etwas falsch verstanden ...?
In Rahns Büchern und in seiner bruchstückhaften Biografie finde ich nichts davon, daß er "im Osten" blieb und daher von der "West german judo community" sozusagen "gelöscht" wurde ...

Auf einer der vielen HP, die dem "Jiu Jitsu" gewidmet sind, lesen wir:
Der Leiter der „Privaten Jiu-Jitsu Schule Rudi Pross“ hatte 1971 die Freude und die Ehre, den Altmeister Erich Rahn, kennen zu lernen, in der damals größten Schule für diese Kampfkunst, OH-DO-KWAN, C. Wiedmeier in München.
Wie das - ich denke, Rahn blieb "im Osten" ...?
1972 an seinem 87. Geburtstag übergab Erich Rahn, Ditmar Gdanietz seine Schule und setzte ihn als seinen Nachfolger ein.
Im Osten ...?
Wohl kaum.
Wenn es aber nicht stimmt, daß Rahn "im Osten" blieb (wie es im amerikanischen Forum völlig undifferenziert heißt) ... was von dem, was da noch behauptet wird, stimmt denn dann?
Ich neige nun mal nicht dazu, etwas als gegeben hinzunehmen, nur weil's in einem Forum behauptet wird.

Cichorei Kano schreibt:
The meetings of Rahn with Kanô are well documented.
WO DENN, bitte???

Ich will wirklich nicht meckern, und ich halte viel von Cichorei Kanos Wissen, aber er bringt HIER zwei Fotos:

http://judoforum.com/index.php?/topic/4 ... dd39ef9c7d

Auf dem ersten wird ein Europäer von Kanô geworfen (mit Uki-Goshi).
Es soll sich um Rahn handeln, und zwar im Jahr 1912.
Ich bezweifle das ganz, ganz stark!
Ich besitze jenen Film, auf dem Rahn erkennbar abgekartete "Herausforderungskämpfe" gegen angebliche "Boxer" und "Ringer" gewinnt.
Bei allem Respekt vor Cichorei Kano - der (gut erkennbare!) Erich Rahn, der in diesen Filmaufnahmen zu sehen ist (und es sind laaaange Filmaufnahmen!), sieht KOMPLETT anders aus als der Mann auf dem fraglichen Foto. Es gibt nicht die geringste Ähnlichkeit!
Was umso erstaunlicher ist, als diese Filmaufnahmen ungefähr zur gleichen Zeit (um 1912) entstanden sind wie das fragliche Foto, soweit mir bekannt.
Falls das Foto tatsächlich von 1912 ist ...

Das zweite Foto soll ebenfalls Rahn zeigen, neben Kanô stehend.
Aufgrund der schlechten Bildqualität läßt sich nur sagen, daß es sich um Rahn handeln KÖNNTE.
Oder um irgend jemand anderen.


Bezüglich der Beziehung Jûdô/"Jiu Jitsu" stellt ja Gott sei Dank der User "Wdax" im amerikanischen Forum einiges richtig ...


Cichorei Kano schreibt sodann:
Rahn had learnt from Higashi Katsukuma, as I mentioned in my post. Higashi had gone from Japan to study at Yale University in the US. Rahn's father did trade with Japan, but Rahn actually saw Higashi for the first time in 1903 when Circus Schumann performed in Berlin on the Schiffbauerdamm where he participated in wrestling. Rahn was impressed by Higashi and became his student. In 1906 he opened his jiu-jitsu school in Berlin, and received a visit from Kanô in 1912 (of which I have shown you a picture), which was instrumental for his change, or at least addition of jûdô.
Es gibt keine Belege (zumindest, wie ich hastig und einschränkend ergänzen will: keine mir bisher bekannten) daß Rahn tatsächlich der "Schüler" von Katsukuma Higashi war.
Rahn selbst erwähnt ihn nur kurz als seinen "Lehrer", nennt aber keinerlei Einzelheiten und bleibt da merkwürdig vage ...
Von Higashi ist mir nicht bekannt, daß er irgendwo jemals Rahn erwähnt hätte.
Bedauerlicherweise bezieht sich Cichorei Kano wieder nur auf ein Foto, welches erkennbar NICHT Erich Rahn zeigt, um Kanôs Treffen mit Rahn zu "belegen".
Schade, ich hatte gehofft, er würde eine unangreifbare Quelle offenlegen.
So aber bleibt es dabei, daß er nur etwas behauptet, aber nicht belegt.
Schade.

JonZschreibt dazu ja dann auch:
I’m curious what you’ve been able to find out and verify about “Higashi Katsukuma”. Inoue Shun touches upon him in _Budō no tanjō_ (pp.72ff) and suggests that virtually nothing is known about him and is skeptical of a connection between him and Kōdōkan Jūdō though I had the impression that Inoue hadn’t looked into “Higashi” extensively. I will say I haven’t been able to turn up anything on him in Japanese.
I’m aware of the supposed “autobiography” of Higashi published in the _Independent_ in 1904 (“The Autobiography of a Japanese”) where the Yale claim among other things is made but I had just assumed this was an elaborate work of fiction (not just the Yale bit but the whole thing). There is an extremely famous case of this from just about this time, Wallace Irwin’s “Letters of a Japanese Schoolboy” published in 1907 and supposedly written by Hashimura Togo which was in fact simply one of Wallace’s pen names (Uzawa Yoshiko of Keio recently published a brilliant book about this). Again I want to stress I had just assumed this was a fabrication and haven’t really looked into it which is why I’m curious if you (or Joseph Svinth or anyone) have turned up any substantive evidence
Nein, haben sie nicht.

Die gesamte Diskussion verlagert sich dann auf andere Themen.
Genug zitiert, wer die ganze Debatte lesen will (es lohnt sich) - ich hab sie obenstehend verlinkt

Dennoch bleibt festzuhalten: BISHER gibt es keinerlei (mir bekannte) hieb- und stichfeste Belege dafür, daß Kanô und Erich Rahn sich jemals persönlich trafen.
Die beiden Fotos, die Cichorei Kano im amerikanischen Forum angibt, sind als Belege nicht zu gebrauchen: das eine zeigt definitiv NICHT Erich Rahn, das andere ist von so schlechter Qualität, daß der als Erich Rahn bezeichnete Mensch auf dem Foto durchaus Erich Rahn sein KÖNNTE - oder eben auch nicht.

Ich finde es erstaunlich, daß im amerikanischen Forum niemand anzweifelt, daß die Fotos das zeigen, was Cichorei Kano behauptet: Erich Rahn zusammen mit Jigoro Kanô.
Ein einziger, längerer Blick in den "berühmten" Film, der Rahns "Kämpfe" zeigt und in dem Rahns Gesicht/Kopf in langen Einstellungen von allen möglichen Seiten zu sehen ist, würde klarmachen, daß zumindest der Mann auf dem ersten Foto nicht Rahn sein KANN.

Ich wiederhole es: Kanô selbst scheint eine (oder auch mehrere) Begegnungen mit Rahn NICHT zu erwähnen.
Erich Rahn wiederum erwähnt eine (oder gar mehrere) Begenungen mit Kanô EBENFALLS NICHT.

Von daher will es mir fraglich (wiewohl nicht unmöglich) erscheinen, daß beide sich je persönlich trafen.

Weiß jemand dazu mehr?
Hat jemand dazu vernünftige, zitierfähige Quellen?
:D

Ich denke schon, daß es wichtig ist zu klären, ob Rahn und Kanô je zusammentrafen ...
;)
Zuletzt geändert von Christian am 21.06.2010, 16:08, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Beitrag zum entsprechenden Thema verschoben
tutor!
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Re: Traf Jigoro Kano Erich Rahn?

Beitrag von tutor! »

Man kann natürlich nicht ausschließen, dass sich Cichorei Kano irrt und es sich bei den Bildern nicht um Rahn handelt. Allerdings schreibt er selbst, dass er die Bilder in höherer Auflösung hat, so dass ich davon ausgehe, dass ein Fehler eher weniger wahrscheinlich ist.
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pmhausen

Re: Traf Jigoro Kano Erich Rahn?

Beitrag von pmhausen »

Hallo, Tutor,
tutor! hat geschrieben:Man kann natürlich nicht ausschließen, dass sich Cichorei Kano irrt und es sich bei den Bildern nicht um Rahn handelt. Allerdings schreibt er selbst, dass er die Bilder in höherer Auflösung hat, so dass ich davon ausgehe, dass ein Fehler eher weniger wahrscheinlich ist.
Das erste von Cichorei Kano angeführte Bild kannte ich schon und in der Tat findet es sich in sehr viel besserer Qualität hier:

http://www.judo-educazione.it/galleria/ ... mania.html

Wenn das Rahn ist, dann muß es ein sehr frühes Bild sein, um ihn mit derart vollem Haar zu zeigen.
Man vergleiche mit dieser belegten Aufnahme aus dem Jahr 1931:

http://commons.wikimedia.org/wiki/File: ... h_Rahn.jpg

Und wenn ich das Italienisch richtig lese, dann stammt das erste Bild auch aus den Dreißigern. In diesem
Fall kann es nicht Rahn sein, der Mensch, den Kano da auflädt, sieht völlig anders aus. Weitere Aufnahmen
von Rahn lassen sich per Google leicht finden, es ist nicht nur das Haupthaar, das nicht paßt.

Und da wird man doch mal nachhaken dürfen, ohne gleich als Verschwörungstheoretiker zu gelten ...
(hat in dieser speziellen Form niemand hier gesagt - ich meine auch niemand speziellen)

Vielleicht kennt jemand Riccardo Fusilli?

Grüße,
Patrick
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Kano in Berlin

Beitrag von Reaktivator »

In Bezug auf die Fotos teile ich die Bedenken von "tom herold":

1) Die von "Cichorei Kano" angegebene Datierung stimmt meinen Unterlagen zufolge nicht.

2) Foto 1 könnte i.d.T. zwar einen "Rahn in jungen Jahren" zeigen...

3) ...aber: es zeigt definitiv einen "Kano in späteren Jahren" (wie unschwer zu erkennen!).

4) Dazu paßt die Datierung, die der Kodokan vornimmt:
Dort findet sich dieses Foto nämlich im Archiv - und zeigt Kano im Jahr 1933 im Alter von 73 Jahren.

Zwar ist mir "pmhausen" jetzt schon zuvorgekommen - aber da ich das Foto schon in mein Web-Album hochgeladen hatte, hier für alle:
[ externes Bild ]

5) Nehmen wir also das Jahr 1933 als gegeben an, ist definitiv nicht auf beiden Bildern besagter Deutscher die gleiche Person.

Ach ja: Zusammen mit dem Foto findet sich im Kodokan-Archiv ein ziemlich langer handschriftlicher Vermerk dazu - in dem es aber in erster Linie darum geht, daß Kano in Europa war, und daß er trotz seines fortgeschrittenen Alters selbst noch Vorführungen gemacht hat - und daß er auf diese Weise wesentlich zur Verbreitung des Judo in Übersee beigetragen hat.

Daß dieses Foto in Berlin entstanden ist (Während einer Kata-Vorführung!), wird nur ganz kurz am Ende der Beschreibung erwähnt. Nicht erwähnt wird hingegen der Name des Uke - leider... :crybaby
Ein Forenmitglied ohne Signatur ist wie ein Forenmitglied ohne Namen.
(Alte Internet-Weisheit, frei nach "Reaktivator")
tutor!
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Re: Kano in Berlin

Beitrag von tutor! »

Reaktivator hat geschrieben:3) ...aber: es zeigt definitiv einen "Kano in späteren Jahren" (wie unschwer zu erkennen!).
Gerade komme ich vom Essen und wollte dasselbe schreiben. Ich hab auch in dem einzigen Buch, das ich von Rahn besitze kurz überflogen, wer da alles genannt wird. Treffen mit Kano habe ich dort nicht erwähnt gefunden.

Es gibt ein paar andere interessante Bemerkungen...

... aber nur in Kürze: Rahn beruft sich in keiner Weise auf japanische Traditionen (außer, dass er Jiu-Jitsu von Japanern gelernt hätte), schreibt, dass Kanos Judo erst um 1925 nach Deutschland gekommen sei, beklagt die kritiklose Übernahme japanischen Zeremoniells und Vokabulars und dass er ein "abendländisches Jiu-Jitsu / Judo" auf den Weg bringen möchte.
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Re: Traf Jigoro Kano Erich Rahn?

Beitrag von tom herold »

Ich darf ergänzen und präzisieren:

Tutor schrieb:
.. aber nur in Kürze: Rahn beruft sich in keiner Weise auf japanische Traditionen (außer, dass er Jiu-Jitsu von Japanern gelernt hätte),
Richtig.
Rahn lehnt japanische Traditionen in den KK, mit denen er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch nie in Berührung kam, kategorisch ab.
Er beruft sich nur auf namenlose, ominöse "Japaner", von denen er gelernt haben will.
Er beruft sich außerdem auf Higashi.
Es bleibt aber dabei, daß ein Kontakt zwischen Higashi Katsukuma (von dem offenbar nun doch NIEMAND weiß, wer das eigentlich war) und Rahn nicht nachweisbar ist - und bislang lediglich von Rahn (seltsam verschwommen) behauptet wird.
Zu dieser Zeit (Anmerkung von mir: gemeint ist die Zeit der Jahrhundertwende, T.H.) lernte ich durch Handelsbeziehungen meines Vaters einige Japaner kennen, die mich in die Anfangsgründe des Jiu-Jitsu einweihten.
(Neue Kniffe und Griffe im Jiu-Jitsu / Judo, Waffenlose Selbstverteidigung, Falken-Bücherei, 1955, S. 9)

Rahn nennt keinerlei Namen.
Daher schwer zu überprüfen, ob das stimmt oder ob sich der Mann einfach etwas ausgedacht oder unbedeutende Ereignisse maßlos aufgeblasen hat.

Tutor schrieb:
... schreibt, dass Kanos Judo erst um 1925 nach Deutschland gekommen sei,
Dazu lesen wir bei Rahn:
Professor Kano, der das Jiu-Jitsu in seinem Land zu einem Volkssport machte, schuf später eine neue Lehrmethode, die er Judo nannte.
(ebenda, S. 8 )

Rahn meint also offenbar, unterscheiden zu müssen zwischen dem (Kano?)"Jiu-Jitsu", welches Kano in Japan zu "einem Volkssport" machte und dem Judo, welches Kano dann irgendwie später schuf ...

Wir lesen weiter:
Die rein technische Kunst (Jiu-Jitsu) wich einer technisch und religiös-ethischen Lehre (Judo).
(ebenda, Hervorhebung von mir)

... und das, mit Verlaub, ist Blödsinn.
Der Kampf unterlag ferner einem vorgeschriebenen Begrüßungszeremoniell, das in der Hochachtung vor dem Lehrer und Gegner gipfelte.
Rahn hat so einiges erkennbar nicht verstanden.
Um 1925 wurde die Kampfform des Judo auch in Deutschland publik.
1933, nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, besuchte Kano wieder einmal Deutschland ...
(ebenda)

Kein Wort davon, daß Rahn und Kano sich getroffen hätten. Wo aber hätte Rahn das besser beschreiben und belegen und mit Fotos untermauern können? Warum hat er es nicht getan?
Weil es in solches Treffen höchstwahrscheinlich nicht gab - bislang jedenfalls haben sich die "Beweise" (Fotos) für ein solches Treffen als wertlos herausgestellt.

Nota bene: Kennt jemand Fotos, die Rahn mit Higashi Katsukuma zeigen?
Nein?
Ich auch nicht.

Tutor schrieb:
... beklagt die kritiklose Übernahme japanischen Zeremoniells und Vokabulars und dass er ein "abendländisches Jiu-Jitsu / Judo" auf den Weg bringen möchte.
Wir lesen bei Rahn (1955):
Soweit der Judo-Sport in Europa in der Art der japanischen Technik gezeigt und ausgeübt wird, ist nichts dagegen einzuwenden, begrüßenswert wäre es auch, wenn wir in unseren Breitengraden auch nur einen Teil der asiatischen Ausdauer aufbringen würden, die die Ausübung dieser Sportart verlangt.

Bedauerlicherweise aber haben sich bei uns Auswüchse bemerkbar gemacht, die für europäische Begriffe, einen objektiven Beschauer eigenartig anmuten.
Zeremonielle Handlungen und vokabulare Bezeichnungen des Japaners wurden kritiklos übernommen.
(ebenda)

Ganz schön dünkelhaft, der gute Rahn.
Schon komisch, daß er bei aller Ablehnung der "zeremoniellen Handlungen und vokabularen Bezeichnungen des Japaners" irgendwie so rein gar nichts gegen Dan-Grade und farbige/schwarze Gürtel einzuwenden hatte, nicht wahr?
Dazu später mehr ...

Sehr erhellend finde ich die folgenden Passagen:
Man ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern bestrebt, den sportlichen Zweikampf dem abendländischen Sportgedanken anzupassen, wie auch ich es, seit Anbeginn meiner Laufbahn, angestrebt habe.
(ebenda, S. 9)
Schon vor Jahren wurde ein Welt-Jiu-Jitsu und Judo-Bund unter dem Namen IWJF (Internationale Welt-Jiu-Jitsu und Judo-Föderation) ins Leben gerufen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, einem abendländischen JiuJitsu und Judo auf den Weg zu helfen.
(...)
Ich selbst gehöre ihr als Ehrenpräsident an.
(ebenda)

Abendländisches "Jiu-Jitsu" ... aha.
Aber der "japanische" Name sollte dennoch bleiben, und die Dan-Grade natürlich auch ...

:irre
tutor!
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Re: Traf Jigoro Kano Erich Rahn?

Beitrag von tutor! »

Ich habe mich bislang nicht wirklich mit Rahn beschäftigt, weil er für mich erkennbar etwas ganz anderes machte als ich. Liest man sich das ganze Vorwort einmal durch ergibt sich ein durchaus interessantes Bild. Nun frage ich mich, anhand welcher Maßstäbe man Rahn beurteilen soll?

Über die praktische Seite kann ich nichts sagen - ich kann es einfach nicht beurteilen. Es ist ein älteres Buch, das ich habe und ich möchte nicht beurteilen, ob nun unglücklich fotografiert oder unglücklich demonstriert wurde.

Mit Ausnahme der Ausführung von Techniken lehnt Rahn das "Japanische" weitgehend ab. Über Kyu/Dan habe ich in dem Buch übrigens nichts gelesen. Es wird auch kein Dan-Grad für Rahn angegeben, sondern er wird schlicht als "Altmeister" bezeichnet. Irgendwann muss sich das geändert haben, denn vereinzelt findet man Hinweise, dass Rahn Dan-Grade verliehen hätte und er wird auch mit 10. Dan angegeben.

Dass Rahn das "Japanische" ablehnt, sollte man ihn auch nicht daran messen. Er schreibt ja selbst, dass ihm ein abendländisches Jiu-Jitsu / Judo vorschwebte. Also lassen wir es ihm doch. Allerdings frage ich mich, wie denn seine Schüler "japanophil" sein können mit ihren "Jiu-Jitsu", wenn sie es denn sind. Der Widerspruch liegt für mich - so wie ich das im Moment sehe - weniger bei Rahn als vielmehr bei "Nachfolgern".

Den 1933er Besuch von Kano wertet er aufgrund der politischen Situation übrigens ausgesprochen kritisch und eine Distanz zu Kano ist deutlich spürbar.

Ansonsten gibt es natürlich einiges Ungereimte, wie das Rücken von Judo in eine religiöse Ecke. Das führe ich allerdings auf ein etwas merkwürdiges Verständnis von Baelz Vorwort im "Kano-Jiu-Jitsu" zurück.
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Re: Traf Jigoro Kano Erich Rahn?

Beitrag von tom herold »

Mit Ausnahme der Ausführung von Techniken lehnt Rahn das "Japanische" weitgehend ab. Über Kyu/Dan habe ich in dem Buch übrigens nichts gelesen. Es wird auch kein Dan-Grad für Rahn angegeben, sondern er wird schlicht als "Altmeister" bezeichnet. Irgendwann muss sich das geändert haben, denn vereinzelt findet man Hinweise, dass Rahn Dan-Grade verliehen hätte und er wird auch mit 10. Dan angegeben.
In einem anderen Forum gab es da vor Jahren schon einmal eine heiße Debatte ...
Nein, Rahns "Graduierungen" lassen sich NICHT auf eine seriöse Quelle zurückführen.
(Wer Gegenteiliges weiß, bitte melden ... und Belege beibringen ...)

Ich habe es schon einige Male geschrieben, aber ich wiederhole es gern: bis 1926 (!) wußte man in Deutschland nicht einmal, daß es im Jûdô so etwas wie "Graduierungen" überhaupt gab.
(Es wird durchaus vereinzelt Menschen gegeben haben die es wußten - die "große Masse" aber wußte es nicht).

1926 fanden dann die ersten "Jiu-Jitsu-Meisterschaften" (die man dann etwas später auch noch im Nachhinein zu den ersten Jûdô-Meisterschaften erklärte) in Wiesbaden statt.
Die deutschen Kämpfer wurden von den Kämpfern der London Budôkwai gnadenlos verkloppt.
Und erfuhren zum ersten Mal, daß es einen Unterschied zwischen "Jiu Jitsu" und Jûdô gab ...
(Nein, der bestand schon damals NICHT darin, daß das eine eine Selbstverteidigung und das andere eine Sportart sei ...)

Ich darf mal aus der Chronik zitieren:
2.1.1926
Durch ein Rundschreiben RFJ (Reichsverband Jiu Jitsu) wird bekanntgegeben, daß alle Verbands- oder Clubmeister zum Tragen von farbigen Gürteln berechtigt sind. Gürtelprüfungen finden nicht statt. Die Farbe des Gürtels unterliegt keiner Vorschrift.
Man hatte bei Besuchen in London aber gesehen, daß die Lehrer ... richtig: schwarze Gürtel trugen.
Das übernahm man ganz einfach.
Ohne zu wissen, was Dan-Grade eigentlich waren ...

Die Frage, WOHER die deutschen "Jiu-Jitsu-Lehrer" ihre "Graduierungen" hatten, ist damit doch wohl beantwortet ...
Ich will das nicht werten, denke jedoch, daß man das wissen sollte.


Noch einmal möchte ich die Chronik bemühen:
15.11.1929 - Es fanden die ersten internationalen Judo (??) Kämpfe zwischen dem Budokwai London und dem 1.dt. Jiu Jitsu Club Frankfurt am Main (dem Verein Rhodes) statt.

17.11.1929 - London gegen "Jiu Jitsu Club 1922 Wiesbaden".
SOWOHL IN FRANKFURT ALS AUCH IN WIESBADEN SIEGTE LONDON.
Da wurden einige Deutsche nachdenklich ... ;)

Rhode schreibt:
Diese Begegnungen waren für uns von ungeheurer Bedeutung, da die deutschen "Judoka" erstmalig mit dem Begriff "Judo" in Theorie und Praxis vertrautgemacht wurden. Dabei mußte festgestellt werden, daß zwischen dem in Deutschland bis dahin gepflegten Jiu Jitsu und dem japanischen Judo doch ein bedeutender Unterschied bestand.
Dieser Unterschied geht zurück auf ... Rahn.
Dessen Schüler Alfred Rhode einst war ...
Ich denke, wir können alle sehr froh darüber sein, daß Alfred Rhode sich entschloß, sich von Rahn zu trennen.
:D
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Re: Traf Jigoro Kano Erich Rahn?

Beitrag von kastow »

Da wir mittlerweile einiges wiederkäuen, verweise ich auf den ursprünglichen Faden, in dem die Jûdô-Anfänge in Deutschland ausführlich erläutert und diskutiert werden.
Herzliche Grüße,

kastow

Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
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Re: Traf Jigoro Kano Erich Rahn?

Beitrag von Lin Chung »

Wäre es denn dann richtig, wenn man sagen würde, unser Judo-Journal beginnt mit Alfred Rhode?
Was meinst du Tom?
Grüße
Norbert Bosse
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Re: Traf Jigoro Kano Erich Rahn?

Beitrag von tom herold »

Ich möchte noch einmal auf Rahn eingehen (zu Rhode äußere ich mich später).

Es gibt in Deutschland den "Jiu-Jitsu-Ring Erich Rahn".
Auf dessen HP findet man eine Biografie des "Altmeisters" ...

http://www.djjr.de/djjr_verbandsinfo.html

Es ist dies der Verband, der das "Erbe des Altmeisters" bewahrt und sich direkt von ihm selbst herleitet.
Von Kanô und einem Treffen Kanôs mit Rahn lese ich auf jener HP allerdings nichts.
Ich kann mir nun so rein gar nicht vorstellen, daß Erich Rahn ein solches Treffen sogar vor seinem Nachfolger (Dietmar Gdaniezk) geheimgehalten hat ...

;)

Nochmal: bislang gibt es keine Belege für ein Treffen Kanôs mit Rahn.
Jedenfalls keine, die auch nur einer flüchtigen Überprüfung standhielten.

Schon gar nicht finde ich einen Beleg für die verwegene Behauptung, Kanô habe Rahn "aufgesucht".
tom herold
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Re: Traf Jigoro Kano Erich Rahn?

Beitrag von tom herold »

Rahn hat das gelernt, was ihm zu lernen möglich war. Er hat übrigens auch Kano mehrfach getroffen, das erste mal sogar noch vor dem 1. Weltkrieg.
Lieber Tutor, nachdem du das so en passant in die Debatte geworfen hast, möchte ich nun doch noch einmal darauf dringen, daß du diese Behauptung entweder hieb- und stichfest belegst oder sie zurücknimmst.
Danke.
:D
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Re: Traf Jigoro Kano Erich Rahn?

Beitrag von Reaktivator »

Von meiner Seite aus noch einige zusätzliche Hinweise, die u.U. die von "tom herold" geäußerten Zweifel stützen könnten:

1) In Kanos gesammelten Werken finden sich mehrere Berichte (z.B. Interviews etc.), die jeweils unmittelbar nach Kanos Rückkehr aus Übersee entstanden sind - darunter auch von seinen Deutschland-Besuchen. Den Namen Rahn habe ich dort auf die Schnelle nirgendwo gefunden - wobei man allerdings fairerweise dazu sagen muß, daß kaum konkrete Namen genannt werden von Leuten, mit denen Kano in Deutschland zusammentraf, außer natürlich von Personen wie z.B. Hitler oder Glasenapp.

2) Mir liegen mehrere Vorab-Teile aus Prof. Naoki Muratas noch nicht veröffentlichtem Buch zur "Internationalisierung des Judo" vor (Worin er, doch dies nur am Rande, auch recht ausführlich auf die von Kano auf Englisch verfaßten Tagebücher eingeht!). Obwohl Murata sich sehr ausführlich z.B. mit Prof. Erwin von Baelz beschäftigt hat, geht er - sofern ich es nicht auf die Schnelle übersehen habe - auf Rahn nicht ein.

3) Auch in dem von Yoshiaki Todo verfaßten Buch zur "Geschichte und Kultur des Judo" aus dem Jahr 2007 werden zwar die Deutschen Baelz und Scriba erwähnt, nicht jedoch Rahn.

Man sollte daraus allerdings nun keine voreiligen Schlüsse ziehen, denn alleine die Nichterwähnung eines Namens besagt natürlich zunächst noch einmal gar nichts. Es liegt in der Natur der Sache, daß nach einer Auslandsreise nicht alle Leute namentlich genannt werden, mit denen man zusammengetroffen ist. Denkbar wäre beispielsweise, daß es Treffen - in welcher Form auch immer - gegeben hat, die dann aber nicht für bedeutsam genug gehalten wurden, erwähnt zu werden.

Doch wer weiß: Vielleicht hat ja "Cichorei Kano" noch andere Indizien oder Beweise vorliegen...? Vielleicht sollte ihn einfach einmal jemand kontaktieren...
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tutor!
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Re: Traf Jigoro Kano Erich Rahn?

Beitrag von tutor! »

böser tom hat geschrieben:
Rahn hat das gelernt, was ihm zu lernen möglich war. Er hat übrigens auch Kano mehrfach getroffen, das erste mal sogar noch vor dem 1. Weltkrieg.
Lieber Tutor, nachdem du das so en passant in die Debatte geworfen hast, möchte ich nun doch noch einmal darauf dringen, daß du diese Behauptung entweder hieb- und stichfest belegst oder sie zurücknimmst.
Danke.
:D
Wenn Dir so viel daran liegt: ich habe als einzige Quelle den von mir verlinkten Beitrag von Cichorei Kano verwendet (bzw. im Kopf gehabt), von dem sich das eine Foto als falsch erwiesen hat. Weitere Belege habe ich nicht, messe dem Ganzen aber auch keinerlei weitere Bedeutung zu, da Rahn sich in keiner Weise darauf beruft, Kodokan-Judo zu machen.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
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Re: Traf Jigoro Kano Erich Rahn?

Beitrag von tom herold »

Lieber Tutor,
danke für diese Klarstellung.

Um es deutlich zu sagen: es geht mir hier nicht um "Rechthaberei".
Da jedoch auf etlichen Jûdô- und "Jiu-Jitsu"-HP immer und immer wieder behauptet wird, Kanô habe Rahn getroffen, wurde diese bloße Behauptung inzwischen in den Rang einer Tatsache erhoben.

Um es zu wiederholen: natürlich ist es möglich (wiewohl unwahrscheinlich) daß Rahn sich mit Kanô getroffen haben KÖNNTE.
Solange es dafür jedoch keinerlei Belege gibt, halte ich es für unzulässig, eine solches Treffen als gegeben anzunehmen.

Ich habe erleben müssen, daß dieses angebliche Treffen (oder gar deren mehrere) quasi als "Ritterschlag" für Rahn angesehen wurde.
Damit sei er sozusagen "legitimiert" in dem, was er tat. Es gibt sogar phantasievolle Beschreibungen jener Begegnung ... Bei der Kanô dem Herrn Rahn höchstes Lob gezollt haben soll für das, was Rahn konnte und wußte.
:irre

Ich möchte noch einmal deutlich sagen, daß wir alle so etwas nicht gebrauchen können.
Soweit ich das verstanden hatte, geht es nunmehr darum - und zwar unabhängig von möglichen persönlichen Animositäten und unabhängig von der Verbandszugehörigkeit - daß die belegbare Geschichte des Jûdô (in diesem Fall für Deutschland) aufgearbeitet und publiziert wird.
Dies ist ein Ziel, welches einige von uns schon länger verfolgen.
Eben deshalb sollten wir alle daher etwas ... zurückhaltender sein, wenn wir Dinge formulieren, von denen wir glauben, sie seien so und nicht anders gewesen.

Manchmal bringt eine simple Nachfrage ein solches "Faktum" bereits zum Einsturz ...

Ich wiederhole auch dies, weil es mir persönlich wichtig ist:
NEIN, es geht mir nicht darum, jemanden zu diskreditieren oder zu ärgern oder "vorzuführen" oder von oben herab zu "belehren".
:D
Wir alle sind nur Menschen, und Menschen irren sich häufiger, als daß sie Recht haben.
Wir (und ich sage bewußt "wir") alle wollen wissen, wie es war - und wollen dafür Belege haben.

Sollte sich herausstellen, daß Kanô sich DOCH mit Rahn getroffen hat, und sollte sich dies hieb- und stichfest beweisen lassen, dann bin ich der erste, der zugibt, sich geirrt zu haben.
Ich habe damit kein Problem.
Es bricht uns allen kein Zacken aus der Krone, wenn wir einräumen, wie jeder andere Mensch auch fehlbar zu sein.
;)

Geht es uns also um eine Aufarbeitung historischer Dokumente und belegbarer Tatsachen, sollten wir - wenn möglich - persönliche Zu- oder Abneigungen weitgehend unberücksichtigt lassen.
Es geht uns ja nicht darum, hier einen Kreis engster Freunde zu konstituieren, sondern es geht um eine sachbezogene Forschungsarbeit.
Sehe ich das richtig?
:D

Freundliche Grüße
Tom Herold

PS: Ein großes Dankeschön auch an Reaktivator, der wie immer zuverlässig Quellen bereithält und bereitstellt.
:D :D
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Re: Traf Jigoro Kano Erich Rahn?

Beitrag von Ronin »

tom herold hat geschrieben:Soweit ich das verstanden hatte, geht es nunmehr darum - und zwar unabhängig von möglichen persönlichen Animositäten und unabhängig von der Verbandszugehörigkeit - daß die belegbare Geschichte des Jûdô (in diesem Fall für Deutschland) aufgearbeitet und publiziert wird.
jep und du bist der einzige der darauf ständig rumreiten muss ;)

Ich finde es richtig schade, dass ich mangels Quellen in so einer Diskussion nicht ernsthaft mitmischen kann, aber vielleicht mal ein wenig gesunden Menschenverstand streuen darf:

Nehmen wir doch spaßeshalber an, auch wenn es keine Quellen gibt an, die zwei hätten sich getroffen, da es keine bekannten, also wenn doch sehr wenige und uns unbekannte, obwohl dannach gesucht wurde, Quellen gibt, kann es ja kein bedeutendes Treffen gewesen sein.
Also auf einer Cocktailparty, man hat sich zugeprostet und Nettigkeiten ausgetauscht und dann seiner Wege gegangen.. Vielleicht ist ja sowas auch mehrmals passiert (wir kennen alle diese Situationen).

Tun wir mal so, als WÄRE es so.... und jetzt? Rahn wird nicht zum Judoka oder zum Urvater des Judo (auch wenn ich da auch immer wieder Blödsinn in die Richtung gelesen habe) weil er mit Kano ein Sektchen geschlürft hat....

Was eine Information wäre, die wirklich wichtig wäre und die zumindest hier wohl auch niemandem gesichert vorliegt, ist doch die Frage, woher Rahn eigentlich sein DJIU DJITSU konnte. Und dafür gibt es nix gescheites... Und dann stellt sich mir die Frage, wieso eigentlich überhaupt immer über Rahn geredet wird. Das mag im JiuJitsu in Deutschland seine Berechtigung haben, weil es dort zumindest Teile gibt, die sich auf Rahn berufen.
Aber im Judo? Da fängt es eigentlich mit Rhode und der Begegnung mit dem BudoKai London an und dann entwickelt sich das Pflänzchen in Deutschland eben. Ich glaube Rahn ist einfach nicht wichtig und die Erwähnung von Rahn in den immerwiederkehrenden Judo Geschichtsabrissen in diversen Büchleins ist ungefähr so notwendig wie die ewige Erwähnung von Bälz...

Tut mir leid, der Post reicht hier nicht ganz an das Format der anderen Beiträge ran und ist auch nicht fundiert, aber ich behaupte mal, daß ihr euch da gerade auf einen Nebenkriegsschauplatz verrennt. Die Geschichtsforschung bringt es vermutlich nicht weiter, wenn danach gesucht wird, ob die zwei miteinander gesmalltalkt haben oder nicht. (@Tom: manchmal muss man nämlich diese urbane Legendenbildung und Hochstilisierung einfach ignorieren und die Fakten dann ganz vernünftig darlegen, dann erledigt sich das von ganz alleine -> aber das machen dann "Diplomaten" :D dann funktioniert es auch)
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Re: Traf Jigoro Kano Erich Rahn?

Beitrag von tom herold »

@Ronin:
Rahn wird nicht zum Judoka oder zum Urvater des Judo (auch wenn ich da auch immer wieder Blödsinn in die Richtung gelesen habe) weil er mit Kano ein Sektchen geschlürft hat....
Bitte sachlich bleiben.
Und dann stellt sich mir die Frage, wieso eigentlich überhaupt immer über Rahn geredet wird. Das mag im JiuJitsu in Deutschland seine Berechtigung haben, weil es dort zumindest Teile gibt, die sich auf Rahn berufen.
Aber im Judo? Da fängt es eigentlich mit Rhode und der Begegnung mit dem BudoKai London an und dann entwickelt sich das Plänzchen in Deutschland eben. Ich glaube Rahn ist einfach nicht wichtig und die Erwähnung von Rahn in den immerwiederkehrenden Judo Geschichtsabrissen in diversen Büchleins ist ungefähr so notwendig wie die ewige Erwähnung von Bälz...
Falsch.
Du selbst erwähnst Alfred Rhode.
Für dich ist er also derjenige, mit dem Jûdô in Deutschland begann ...?
Gut
Alfred Rhode begann mit seinem Training bei Erich Rahn (ob man ihn einen "Schüler" Rahns nennen kann, bleibt umstritten).
Schon allein deshalb muß man sich auch mit Erich Rahn auseinandersetzen.
(Und mit - z.T. von ihm selbst lancierten - Legenden, seine Person betreffend, einfach mal aufräumen.)

Wenn es also umstritten ist, was Erich Rahn wirklich "konnte" ... und die Filmaufnahmen, die mir vorliegen, zeigen einen Erich Rahn, der in angeblich "nicht gestellten" Kampfsituationen" extrem unbeholfen agiert ... dann muß man auch fragen, was er lehren und weitergeben konnte.

Und auch, wenn mancher diese Dinge am liebsten unter den Tisch fallen lassen würde und es nicht für wichtig hält, was Rahn (und Rhode) tatsächlich auf der Matte zu bieten hatten - ich denke schon, daß diese Frage dazugehört und beantwortet werden muß.

Ich bin nicht gewillt, selbsternannten "Altmeistern" Dispens zu erteilen, nur weil sie dazu beigetragen haben, daß sich erste zaghafte Ansätze (angeblich) japanischer KK in Deutschland verbreiteten.
Zu einer nüchternen Betrachtungsweise gehört meiner Meinung nach, daß man durchaus die Verdienste von Rahn, Rhode und anderen herausstellt, gleichzeitig aber eben auch versucht, den damaligen Stand ihres tatsächlichen Könnens weitgehend zu ergründen.

Warum?
Ganz einfach.
Weil dadurch der Blick auf solche Personen weitaus sachlichere, nüchterner und präziser wird.
Vielleicht trägt das ja dazu bei, gewisse peinliche "Verklärungen" endlich als das zu erkennen, was sie sind: Märchen.

Rhode-"Biograph" Herbert Velte hat bspw. als Laudator jegliches Maß verloren.
Falls Rhode wirklich ein so bescheidener Mensch war, wie allgemein behauptet wird (und warum sollte das nicht so sein?), hat Velte ihm gewiß keinen Gefallen getan mit den peinlichen Jubel-Arien, die sein Büchlein verunzieren.
Leistungen hervorheben, auch positiv werten: ja.
Jubel-Arien: nein.

Ähnliches gilt für Erich Rahn.

Und da diese beiden nun mal unauflösbar in die Verbreitung des "Jiu Jitsu" und des Jûdô (Rhode) in Deutschland involviert sind, möchte ich da einen nüchternen, sachlichen, präzisen Blick, der ALLE Aspekte berücksichtigt.
Übermenschen waren beide nicht - und es stinkt mir gewaltig, wie auch der größte Blödsinn heutzutage durch die Berufung auf den "Altmeister" (Rahn) oder den "Vater des Jûdô" (Rhode) gerechtfertigt wird.

Dagegen habe ich nun mal was.
Abgesehen davon hat dieser ganze verklärende Mümpel in einer seriösen Aufarbeitung der Geschichte nichts zu suchen.
Gleichgültigkeit gegenüber derlei Dingen hilft uns aber auch nicht weiter.
Das noch einmal zu betonen war mir wichtig.
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Kano, Rahn, Rhode und Baelz

Beitrag von Reaktivator »

tom herold hat geschrieben:Und da diese beiden nun mal unauflösbar in die Verbreitung des "Jiu Jitsu" und des Jûdô (Rhode) in Deutschland involviert sind, möchte ich da einen nüchternen, sachlichen, präzisen Blick, der ALLE Aspekte berücksichtigt.
Vielleicht erbarmt sich ja einmal ein Sporthistoriker und setzt einen seiner Studenten (z.B. im Rahmen einer Abschlußarbeit) auf dieses Thema an? Interesse an einer wissenschaftlichen Aufarbeitung besteht auf alle Fälle...
Ronin hat geschrieben:Aber im Judo? Da fängt es eigentlich mit Rhode und der Begegnung mit dem BudoKai London an und dann entwickelt sich das Pflänzchen in Deutschland eben.
Die Anfänge des Kodokan-Judo in Deutschland auf Rhode zu reduzieren, ist sicherlich auch nicht richtig. Denn wie von mir auch schon einmal in einem anderen Faden geschrieben, gab es ja beispielsweise bereits in den 1920er Jahren in Berlin einen Japaner mit 5. Dan des Kodokan (später 9. Dan und einer der einflußreichsten Männer im Kodokan!), der nichts anderes als authentisches Kodokan-Judo unterrichtet hat.
Ronin hat geschrieben:Ich glaube (...) die Erwähnung von Rahn in den immerwiederkehrenden Judo Geschichtsabrissen in diversen Büchleins ist ungefähr so notwendig wie die ewige Erwähnung von Bälz...
Daß Baelz erwähnt und (zumindest von japanischer Seite) entsprechend gewürdigt wird, hat definitiv einen ganz anderen Grund (Auf Deutsch nachzulesen z.B. auch in der Dissertation von Andreas Niehaus über Jigoro Kano.) und sollte nicht mit der Entwicklung des Judo und Jujutsu in Deutschland vermengt werden.
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