Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Hier könnt ihr alles posten was mit Judo zu tun hat

Reaktivator
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von Reaktivator »

tom herold hat geschrieben:Ich glaube, daß man versuchen KÖNNTE, sich mal tatsächlich darauf zu besinnen, was Jûdô alles ist und was da alles dazugehört (dem Willen des Gründers gemäß).
Ich glaube, man könnte sich dabei einer gewissen Ehrlichkeit befleißigen und die "Nur so!"-Haltung vielleicht sogar überwinden, auch wenn das wohl nicht von heute auf morgen geschehen wird.
Und dann könnte man doch versuchen, die zahlreichen Facetten des Jûdô endlich mal als das zu verstehen, was sie sind - nämlich als gleichrangige und vor allem untrennbar verbundene Aspekte ein und derselben Sache!

Sollte es denn wirklich nicht möglich sein, diese (wie ich finde vernünftige) Sichtweise allmählich und flächendeckend zu etablieren, OHNE jetzt gleich wieder zu behaupten es sei ja längst so?
:eusa_clap :eusa_clap :eusa_clap
Dieses Zitat hätte durchaus auch von mir sein können. :D

Wobei ich mit meinem Ausgangsposting ja auch keine alten Gräben neu aufreißen wollte.
(Wenngleich der gewählte Titel des Fadens zugegebenermaßen etwas reißerisch war... ;-) )
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katana
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von katana »

Sollte es denn wirklich nicht möglich sein, diese (wie ich finde vernünftige) Sichtweise allmählich und flächendeckend zu etablieren, OHNE jetzt gleich wieder zu behaupten es sei ja längst so?
Genau das ist meiner Meinung nach das Problem, und ich fürchte nein.

Es ist unbestritten, daß es Vereine im DJB gibt, die nicht , oder nicht nur Wettkampfjudo machen.
Diese sind jedoch eher selten, und wenn, dann beschränkt sich das zudem sehr oft auf "Kata" (im Sinne von Meisterschaften).
Wenn auch stellenweise Atemilehrgänge angeboten werden, so ist auch hier eine Getrenntbehandlung vorhanden.
Nachdem es "angeblich"(im DJB) keine Möglichkeit gibt, Kata, Atemi, realistische Regeln und das derzeit vorwiegend betriebene "Sportjudo" auch in einer Trainings-oder Übungsform zusammenzufassen, wird diese Idee
praktisch auch nicht funktionieren dürfen.

Jeder Vereinstrainer , der das schon versucht hat wird wissen, daß:
- in der Vorstandschaft in erster Linie Leute sitzen, die Medaillen und Titel wollen.
- dies oftmals erfolgseifrige Eltern sind, die nur diese Facette kennen.
- es sofort Ärger gibt, wenn ein Trainer sich erlaubt etwas anderes zu machen,
oder gar eine alternative Trainingsgruppe anzubieten.
.....weil nämlich sofort der Zustand eintritt, daß die meisten Trainingsteilnehmer dann eben nicht die
"Leistungssportgruppe" wählen, sondern lieber das "andere Judo" machen wollen.
Die 2...3..."Vorstandskinder" stehen dann ohne Randoripartner da. (Stützpunkte ausgenommen, die sortieren sich diese Leute ja aus den Vereinen ab).... spätestens jetzt gibt es Ärger.

Nehmen wir an, es wäre möglich, sich auf ein alternatives Wettkampf-Reglement einigen zu wollen , wie sollte das aussehen ?
Ich kann mir nicht vorstellen, daß Herr Frese seinem Bruder im Ju-Jutsu-Fighting Konkurrenz machen möchte, geschweige denn den BJJ-oder UFC-lern...etc.

Letztendlich würde das wie im Kleinen, auch im Großen die IJF nicht wohlwollend betrachten, wenn ihre gerade begonnene einheitliche Wettkampf-Organisations-Bestrebung plötzlich Ableger bekäme.

....würde man seinen Mitglieder tatsächlich ein anderes Angebot kredenzen wollen, hätte man ja bereits vor Jahren z.B.
die BJJler mit in den Bund aufnehmen können.
Diese wurden jedoch sowohl vom DJB , wie auch vom DJJV abgelehnt.

Die Philosophie des "traditionellen Kodokan Judo" nach Kano hat, fürchte ich mit all diesen Dingen ohnehin nichts mehr zu tun.
Aus der Idee, ein Dach zum Studium der Kampfkünste unter Mitwirkung vieler "Spezialisten" , ist eine Aufspaltung vieler miteinander konkurrierender Zweckverbände entstanden.

Und es geht meist nicht um Konkurrenz bzgl. Sinn und Effektivität der betriebenen Aktivität,
sondern um den Kampf um Mitglieder und Beitragszahlen.
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mcdüse
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von mcdüse »

Hallo lieber tom herold,
tom herold hat geschrieben:Ach nee, geht ja nicht, lieber mcdüse - Jûdô hat sich ja "weiterentwickelt".
:rofl
war mir ja beinahe entgangen, dass Du meinen Beitrag nicht ganz verstanden zu haben scheinst und förmlich um eine Erklärung von mir bettelst. (...oder wolltest Du etwa nur mal wieder stänkern?)
tom herold hat geschrieben:Erstens verstehe ich nicht, wieso es überhaupt ein "Einheits-Jûdô" geben muß,
- damit man sich mit anderen Judoka weltweit unterhalten kann und alle vom gleichen sprechen
- damit man international Wettkämpfe austragen kann, und dabei auf dieselben Regeln trifft, die auch schon in der Kreisklasse gelten
- damit man Judoka, die den Verein wechseln (müssen), den Übertritt erleichtert.
- um ernstgenommen zu werden, indem man eine weltweite Organisation und eine hohe Zahl an Mitgliedern vorweisen kann (z.B. Kriterium für Olympische Disziplinen)
- etc., etc.
tom herold hat geschrieben:wieso es überhaupt ein "Einheits-Jûdô" geben muß, dessen Standards deutlich von dem abweichen (und zwar nach unten), was Kanô in seiner Kampfkunst für essentiell hielt.
Es hat doch in diesem Forum nie jemand gefordert, dass der Standard abweichen muss.
Und nochmal: Besser ein suboptimaler Standard, als gar keiner. Dann hat man wenigstens eine gemeinsame Grundlage, die man dann ggf. optimieren kann. Ohne Standard diskutiert man so wie in der UN oder der EG jahrelang um die optimale Lösung zu finden und hat mangels Konsens dann gar nichts.
tom herold hat geschrieben:Zweitens verstehe ich nicht, wieso sich jemand daran stört, daß nicht überall auf der Welt der gleiche unfunktionale Mümpel gemacht wird wie in der eigenen Sporthalle ...
Wenn Du beurteilen kannst, was in den "eigenen Sporthallen" überall so abläuft und was das für "unfunktionaler Mümpel" ist, musst du ja göttergleiche Fähigkeiten haben!
Übrigens würde es mich interessieren, nach welchem Maßstab Du zu der Bewertung kommst, was "unfunktionaler Mümpel" ist und was nicht. Gibt es da ein Checkliste von Kano ("How to detect 'unfunktionaler Mümpel' ") oder hat er es dir persönlich mal erzählt? Die Bewertung erfolgt doch bestimmt nicht nach "tom herold"-Kriterien, oder?
tom herold hat geschrieben:Drittens: wenn man schon ein "Einheits-Jûdô" will, dann aber bitte nach den von Kanô definierten Standards.
(Nebenbei bemerkt: Die erste konstruktive Aussage!)

Da hätte ich ja auch gar nichts gegen.
Gruß

McDüse

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derLichtschalter
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von derLichtschalter »

mcdüse hat geschrieben:- damit man Judoka, die den Verein wechseln (müssen), den Übertritt erleichtert.
Auch wenn ich sonst dazu nicht viel sagen möchte, hier nur der Einwand, dass das durchaus auch möglich wäre, wenn das Judo in viele Stile/Verbände aufgesplittet wäre. Ein Beispiel? Es gibt unglaublich viele verschiedene Aikido-Stile (Zugegeben: Nicht alle sind als solche ernst zu nehmen) und selbst innerhalb eines Stils/Verbands - bspw. Aikikai, wo ich bin - unterscheiden sich Trainingsmethoden, Techniken und Regeln von Dojo zu Dojo (natürlich nur in Kleinigkeiten). Und das wird nicht einmal als Nachteil gesehen, sondern sogar als Vorteil, da man so eine große Vielfalt und Bandbreite an Aikido hat. Und gerade da ist ein Übertritt von einem Verband oder Stil in einen anderen so unproblematisch, dass es als Judoka nur zu beneiden ist. Bspw. haben wir einen stilfremden Aikidoka im Dojo, der vor einiger Zeit in einem anderen, sehr viel härteren Stil den 1. Kyu gemacht hat. Aber dennoch ist es kein Problem, dass er jetzt bei uns den 1. Dan macht. Das nur als kleine Bemerkung am Rande.
Und ich muss wie Reaktivator auch Tom's Aussagen voll und ganz zustimmen:
tom herold hat geschrieben:Ich glaube, man könnte sich dabei einer gewissen Ehrlichkeit befleißigen und die "Nur so!"-Haltung vielleicht sogar überwinden, auch wenn das wohl nicht von heute auf morgen geschehen wird.
Im Aikido gibt es etwas, das nennen wir Kihon - Grundform. Und die Grundform ist immer gleich. Es gibt bestimmte Grundlagen der Bewegung (Zentrumseinsatz, Atmung etc.) und es gibt feine Unterschiede (bspw. wie man sein Zentrum bei Kamae ausrichtet oder wie hart man die Technik wirft) - abhängig vor allem vom Lehrer - aber im Groben und Ganzen sieht Irimi Nage im Aikikai genauso aus wie im Takemusu - und Streitereien, was denn jetzt richtig ist, gibt es da äußerst selten. Und das ist meines Erachtens ein erstrebenswerter Zustand - mit den Regeln, dem Willen und den Grundsätzen von Kano Sensei als Kihon. Nur als einfaches Beispiel für einen vielleicht etwas komplexeren Zusammenhang.
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Fritz
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von Fritz »

@mcdüse: Grün ist meine Farbe! ;-) Ok, Spaß beiseite..
- damit man sich mit anderen Judoka weltweit unterhalten kann und alle vom gleichen sprechen
Die wenigsten sprechen fließend japanisch. Damit wird es schon schwierig...
- damit man international Wettkämpfe austragen kann, und dabei auf dieselben Regeln trifft, die auch schon in
der Kreisklasse gelten
Es gibt die begründete Ansicht, daß Wettkämpfe im Sinne von Meisterschaften lediglich ein
Teilbereich des Judo darstellen. Leider wird aber in den meisten Dojos und Turnhallen nahezu ausschließlich darauf
hintrainiert.
Hat Judo nicht was mit Flexibilität zu tun? Sollte ein Judoka sich nicht leicht auf unterschiedliche
Regeln einstellen können (bis hin zu fehlenden Regeln "für draußen")?
- damit man Judoka, die den Verein wechseln (müssen), den Übertritt erleichtert.
Warum sollte dafür ein Einheits-Judo nötig sein? Beim Karate geht es auch problemlos ohne Einheitskarate -
da wird geschaut, was der jeweilige Wechsel-Kandidat so drauf hat und dann wird ihm die
entsprechende passende Graduierung anerkannt oder auch nicht...
- um ernstgenommen zu werden, indem man eine weltweite Organisation und eine hohe Zahl an Mitgliedern vorweisen kann (z.B. Kriterium für Olympische Disziplinen)
- etc., etc.
Welchen Vorteile hat Olympia gleich nochmal für speziell Deinen Verein?
Von wem möchtest Du ernstgenommen werden - von den fehlenden Zuschauern oder den Fernsehmachern,
die kein Judo übertragen? Und was bringt Dir das?
Wenn Du beurteilen kannst, was in den "eigenen Sporthallen" überall so abläuft und was das für "unfunktionaler Mümpel" ist, musst du ja göttergleiche Fähigkeiten haben!
Übrigens würde es mich interessieren, nach welchem Maßstab Du zu der Bewertung kommst, was "unfunktionaler Mümpel" ist und was nicht. Gibt es da ein Checkliste von Kano ("How to detect 'unfunktionaler Mümpel' ") oder hat er es dir persönlich mal erzählt? Die Bewertung erfolgt doch bestimmt nicht nach "tom herold"-Kriterien, oder?
Das ist die Kehrseite eines "Einheits-Judo" - wenn man dann in einer Sporthalle "Mümpel" findet, kann man dann
getrost auf alle schließen. Ok Du siehst, daß Du selbst gar nicht an Einheitsjudo glaubst ;-)

Natürlich kennt Tom nicht _alle_ Dojos/Sporthallen, Trainingsgruppen. Aber er kennt viele und er kennt viele Leute,
die auch viele kennen. Und er hat selbst nach eigenem Bekunden auch früher "Mümpel" trainieren dürfen/müssen -
bis er halt in Frank Thiele einen Lehrer gefunden hatte, der eine Alternative zum "Mümpel" zu bieten hat ;-)

Und selbst Du weißt, daß "Mümpel" geübt wird - wenn ich mich an Deine Ausführungen zum Erlernen eines
O-Goshi erinnere - wo Du selbst zugibst, daß Deine Üblinge zwischendrin mal den Wurf "umlernen" dürfen...
Und wenn ich mich an Verbands-Lehrgänge erinnere, wo "Mümpel" gezeigt wird...
Jedenfalls denke ich, daß es besser wäre, sich nicht über Toms "großzügige" Pauschalisierung aufzuregen,
sondern eher über den "Mümpel"...
Es hat doch in diesem Forum nie jemand gefordert, dass der Standard abweichen muss.
Und nochmal: Besser ein suboptimaler Standard, als gar keiner. Dann hat man wenigstens eine gemeinsame Grundlage, die man dann ggf. optimieren kann.
Dummerweise weicht er aber ab.
Einen suboptimaler Standard, an den sich alle halten müssen, halte ich keinesfalls für besser.
Eher für schädlich... Zu gern orientiert sich der Mensch bequemlicherweise nach unten...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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kastow
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von kastow »

Lightmaster hat geschrieben:Im Aikido gibt es etwas, das nennen wir Kihon - Grundform. Und die Grundform ist immer gleich. Es gibt bestimmte Grundlagen der Bewegung (Zentrumseinsatz, Atmung etc.) und es gibt feine Unterschiede (bspw. wie man sein Zentrum bei Kamae ausrichtet oder wie hart man die Technik wirft) - abhängig vor allem vom Lehrer - aber im Groben und Ganzen sieht Irimi Nage im Aikikai genauso aus wie im Takemusu - und Streitereien, was denn jetzt richtig ist, gibt es da äußerst selten. Und das ist meines Erachtens ein erstrebenswerter Zustand - mit den Regeln, dem Willen und den Grundsätzen von Kano Sensei als Kihon. Nur als einfaches Beispiel für einen vielleicht etwas komplexeren Zusammenhang.
Wobei es im Jûdô schon etwas schwieriger ist, da die Namen eben keine Techniken sondern Wurfideen bezeichnen. Allerdings wünschte ich mir auch eine Kihon im Jûdô. Eine gute Grundlage wären meines Erachtens gewiss die drei Daigo-Bände. Darin findet sich auf jeden Fall Kôdôkan-Jûdô ohne deutsche Einflüsse (egal von welcher Seite). Außerdem lassen sie einige verschiedene Ausführungen zu und benennen nebenbei noch der Wurfidee ähnliche Varianten. So würde mit einem gewissen Spielraum für die Einzelnen dennoch ein klarer Standard festgelegt. Falls ich diesen Beitrag auf Dieter Borns Seite richtig verstehe, gibt es zumindest in Deutschland Bestrebungen in diese Richtung.
Herzliche Grüße,

kastow

Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von derLichtschalter »

kastow hat geschrieben:Wobei es im Jûdô schon etwas schwieriger ist, da die Namen eben keine Techniken sondern Wurfideen bezeichnen. Allerdings wünschte ich mir auch eine Kihon im Jûdô. Eine gute Grundlage wären meines Erachtens gewiss die drei Daigo-Bände. Darin findet sich auf jeden Fall Kôdôkan-Jûdô ohne deutsche Einflüsse (egal von welcher Seite). Außerdem lassen sie einige verschiedene Ausführungen zu und benennen nebenbei noch der Wurfidee ähnliche Varianten. So würde mit einem gewissen Spielraum für die Einzelnen dennoch ein klarer Standard festgelegt. Falls ich diesen Beitrag auf Dieter Borns Seite richtig verstehe, gibt es zumindest in Deutschland Bestrebungen in diese Richtung.
Gerade das Verständnis dafür, dass die Namen Wurfkonzepte benennen und nicht auf den Zentimeter genau abgemessene Techniken, scheint vielen zu fehlen. Ich hatte tatsächlich auch gerade überlegt, ob ich die Daigo-Bände nennen soll, es aber dann doch gelassen, da ich den ersten nur grob überflogen/nur wenige Kapitel wirklich gelesen habe und die zwei Folgebände ja noch nicht auf Deutsch erschienen sind. Aber im Grunde wären sie ideal. Für jeden Wurf werden verschiedene Ausführungsmöglichkeiten/Varianten gezeigt und damit sollten dann doch die meisten zufrieden sein - wer will, kann ja dann noch weitere Ausführungen/Varianten entwickeln, anwenden, aufzeigen.
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Ronin
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von Ronin »

Diese Diskussion hier ist ein wenig, nun naja, bescheuert....

Zum Ausgangsproblem. In Japan (nicht im Kodokan, das ist nicht dasselbe, auch wenn es viele hier nicht begreifen wollen), hat man sich dazu entschieden, Wettkämpfe nach den gleichen Regeln auszutragen wie überall sonst auf der Welt. Zur Sinnhaftigkeit des Reglements äussere ich mich an der stelle erst mal gar nicht, weil das überhaupt nicht zu Debatte steht.

Nun ist es in einer globalisierten Welt schon so, dass es internationale Berührungspunkte (auch im Sport) gibt. Wenn man sich international messen möchte, dann macht es unbedingt Sinn, dies nach den selben Regeln zu tun. Alles andere ist offensichtlich Quatsch. Das hat mit den Traditionen schon mal gar nix zu tun, denn da gab es Wettkämpfe ganz anderer Natur. Über diese geschichtlichen Fakten sind sich dann hoffentlich alle einig. An diesem Punkt sind die Traditionalisten eigentlich raus (oder nennen wir es weniger provokant: nur noch belustigte Zuschauer), weil es sie ja gar nicht mehr betrifft.

Eine ganz andere Frage ist dann, ob man sich nicht lieber nach dem von Kano vorgegebenen Regelwerk messen sollte, wenn man es denn schon tun möchte. Auch das finden offensichtlich alle irgendwie gut (sofern sie denn begreifen, worin der Unterschied liegt). Die Regel sind auf Judoinfo.com übrigens irgendwo veröffentlicht.

nun wo bringt man ein sehr große Masse an Menschen dazu, sich einer Sache anzunehmen? Man bringt sie auf einen einheitlichen Standard, um von dort weg dann ein Problem nach den anderen zu lösen. Das hat den charmanten Vorteil, daß man nicht mit 180 nationalen Verbänden je Regel anders rechtfertigen muss, sondern mit allen gleichzeitig auf der selben Basis reden kann. Dieser Prozess sollte eigentlich jeden, der einigermaßen offenen Geistes an die Sache ran geht, auch klar sein.

Ob die IJF das irgendwann will, ist wieder eine ganz andere Frage. Ich sehe das momentan nicht, aber das muss nicht so bleiben. Eine einheitliche Grundlage ist jedenfalls geeignet, das zu vereinfachen.

Die ganz grundsätzliche Frage, die sich die Traditionalisten stellen, ist dann wieder, braucht man Wettkämpfe überhaupt (und damit Regeln)? Die hat ja mit dieser Diskussion nun auch so überhaupt nix zu tun (auch wenn sie interessant ist, aber eben woanders), dass ich mir fast an den Kopf schlage, wenn ich sehe, wie die Probleme sinnlos vermischt werden. Das führt zu nix und dieser Faden könnte deswegen eigentlich geschlossen werden.

Daigo hat mit den Regeln auch nix zu tun, auch wenn ich die Festlegung der Grundform von kompetenter Stelle sehr begrüsse und demnächst sehr viel Geld in die Hand nehme, um alle Trainer in meinem Verein mit diesen Büchern auszustatten (wir sind 11 Mann, ok, ich hab schon einen).

Zur Frage was Olympia mir als Verein ganz persönlich bringt? Nun, was bezahlt den meine Trainerausbildung? Woher kam der Run auf unseren Verein nach Gold von Böny und Bischof? Wieso nimmt mich die Gemeindeverwaltung plötzlich ernst und diskutiert mit mir, bevor die neuen Halle gebaut wird über Judospezifika, die beachtet werden müssen? Weil wir im Lokalen eine sehr gute Arbeit machen und die durch die Erfolge der Athleten bei Olympia in ein viel grösseres Licht gestellt werden. Das Dorf ist stolz darauf, auch ein kleine Judobastion zu sein (und das erst seit den Spielen, unsere Erfolge kamen vorher).

Ich würde eine Rückbesinnung auf Kano auch befürworten und nach Kräften unterstützen, aber momentan ist es eben nicht machbar und wir müssen uns mit dem arrangieren, was da ist.

Übrigens kann und darf auch nach heute geltendem Recht jeder Verein, wenn er will, sein eigenes Privatturnier ausrichten und die Regeln selber festlegen. Wer tut es? Keiner! Warum nicht? Weil Karis, Kämpfer, Zuschauer, Trainer und alle andere vollkommen überfordert wären und es deswegen nicht pragmatisch ist, so etwas zu tun, wen die "offiziellen Meisterschaften in einem andren Rahmen stattfinden. Deswegen der Standard innerhalb des SPORTS.

Die Tradition stirbt deswegen nicht. Die ist für die meisten leider schon lange tot.

Jeder Vereinsvorstand will Medaillen? Hier schreibt grad einer. Mir ist es vollkommen egal, aber ich finde es sehr schade für alle, die in so einer Vereinsmeierei Judo lernen müssen. Kandidiert für das Amt und macht es besser. Ein Hexenwerk ist es nicht. Aber im Internet sich den Frust von der Seele schreiben, ist sicher viel besser. Und auch weniger aufwendig.

Trainer, die was anderes machen wollen, haben Probleme? Ja wie viele Trainer können denn noch anderes als in der PO geschrieben steht? Woher soll ich denn die Atemi-Spezialisten nehmen? Auch wenn ich grad keine Geldsorgen habe, ist es auf Dauer sehr schwierig einen Trainer quer durch die Republik zu holen - weil mit einem Kürschen über ein WE ist es ja mitnichten getan - wir reden von jahrelangem Training!

Viel Populismus hier, leider null konstruktiv und wenig an der Realität orientiert. Schade.

So, jetzt hat glaube ich wirklich jeder sein Fett weg. Ab in die Ecke und schämen!
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Fritz
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von Fritz »

Erst lieferst Du eine Antwort:
Ronin hat geschrieben:Übrigens kann und darf auch nach heute geltendem Recht jeder Verein, wenn er will, sein eigenes Privatturnier ausrichten und die Regeln selber festlegen. Wer tut es? Keiner! Warum nicht? Weil Karis, Kämpfer, Zuschauer, Trainer und alle andere vollkommen überfordert wären und es deswegen nicht pragmatisch ist, so etwas zu tun, wenn die "offiziellen Meisterschaften" in einem andren Rahmen stattfinden.
und dann stellst Du diese Fragen:
Trainer, die was anderes machen wollen, haben Probleme? Ja wie viele Trainer können denn noch anderes als in der PO geschrieben steht? Woher soll ich denn die Atemi-Spezialisten nehmen?
Durch den "Standard" mit seiner standardisierten PO und seinen Einheits-Wettkampfregeln,
ist es halt pragmatischer beim Training nur das zu üben, was der Standard erfordert. Damit sind dann
innerhalb einer "Trainer-Generation" Techniken, Wissen usw. weg.

Gäbe es eine Vielfalt von Regelsätzen, die halbwegs gleichberechtigt angewendet werden können mit dem
"Segen" der Dachverbände, dann würden auch die zugehörigen Teile des Judos eher geübt werden und
nicht so pragmatisch unter den Tisch fallen...
Und es wäre auch für nen Verein kein Problem, einen Wettkampf nach einem
anderen Regelsatz auszurichten, ohne daß gleich "haftungsrechtliche Fragen" das Vorhaben zerreden...
Eine Überforderung der Kämpfer/Trainer ist nicht zu befürchten, schließlich entscheiden diese ja nach reiflicher
Überlegung, ob sie zu einem bestimmten Wettkampf gehen oder nicht. Die Karis leben schon seit langem mit
unterschiedlichen Regelsätzen (Stichwort Jugendregeln) und häufigen Regeländerungen, sind also geübt so etwas
"wegzustecken" und wären vielleicht evt. froh, auch mal entspannter schiedsen zu können, wenn z.B. ein
einfacherer Regelsatz verwendet werden würde ;-)
Und die Zuschauer sind eh egal, in der Regel sind das ja sowieso nur Judoka u. deren Verwandte und Bekannte, die
sich freuen, da ihre Leute rumwuseln zu sehen ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Ronin
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von Ronin »

Ich sehe die Haftungsfrage tatsächlich sehr entspannt. Das ist eine Frage der Kommunikation von Regeln. Aber sehr deutsch, machen wir lieber zweimal in die Hosen, als einmal aufs Klo zu gehen.

Und dann mache ich mal ein Privatturnier und sage: es gibt keine Technikbeschränkungen.

Kampf 1 A gegen B.
5te Sekunde: B haut A aufs Maul....

Und dann ist aber was los...
Wetten, daß es so passieren würde?
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Fritz
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von Fritz »

Ich sehe die Haftungsfrage tatsächlich sehr entspannt. Das ist eine Frage der Kommunikation von Regeln. Aber sehr deutsch, machen wir lieber zweimal in die Hosen, als einmal aufs Klo zu gehen.

Und dann mache ich mal ein Privatturnier und sage: es gibt keine Technikbeschränkungen.

Kampf 1 A gegen B.
5te Sekunde: B haut A aufs Maul....

Und dann ist aber was los...
Wetten, daß es so passieren würde?
Das Du die Frage entspannt siehst, ist ja lobenswert - nur gibt es aber nunmal eine große Gruppe von Leuten,
die damit gut Geld verdienen ;-)

Dein Beispiel ist etwas überspitzt. Aber es geht schon in die zu befürchtende Richtung...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von Reaktivator »

kastow hat geschrieben:Eine gute Grundlage wären meines Erachtens gewiss die drei Daigo-Bände. Darin findet sich auf jeden Fall Kôdôkan-Jûdô ohne deutsche Einflüsse (egal von welcher Seite). Außerdem lassen sie einige verschiedene Ausführungen zu und benennen nebenbei noch der Wurfidee ähnliche Varianten. So würde mit einem gewissen Spielraum für die Einzelnen dennoch ein klarer Standard festgelegt. Falls ich diesen Beitrag auf Dieter Borns Seite richtig verstehe, gibt es zumindest in Deutschland Bestrebungen in diese Richtung.
Ein interessanter Hinweis!

Hoffentlich wird der Artikel auch von den maßgeblichen Leuten im DJB gelesen – vor allem den ganzen Dan-Prüfern und -Referenten.
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von Ronin »

Fritz hat geschrieben:Dein Beispiel ist etwas überspitzt. Aber es geht schon in die zu befürchtende Richtung...
genau deswegen habe ich es gemacht.
Wie gesagt, was die Haftung anbelangt, IST das ja dann kein Verbandsturnier und wenn die Regeln allen vorher klar und deutlich gemacht wurden (also irgendwo in der Halle ein Exemplar ausliegt und in der Ausschreibung steht, dass es andere Regeln gibt bzw. diese sogar erwähnt sind, ist es kein Problem)
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von Lin Chung »

Durch den "Standard" mit seiner standardisierten PO und seinen Einheits-Wettkampfregeln,
ist es halt pragmatischer beim Training nur das zu üben, was der Standard erfordert. Damit sind dann
innerhalb einer "Trainer-Generation" Techniken, Wissen usw. weg.
...du triffst den Nagel auf den Kopf. Was vor allem immer wieder enttäuschend ist, das alte Wissen will keiner mehr haben, da es ihnen anscheinend schwer fällt, es zu verstehen. Dabei ist das doch das leckerste am ganzen Kuchen.
Man möchte doch lieber alles light and easy. :eusa_clap
Grüße
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von Mitesco »

Verstehe ich es richtig und meint hier jemand noch immer, der heutige Kodokan sei der Alleinerbe des traditionellen Kodokan Judo?

Oder war im traditionellen Judo-Shiai und die Regelordnung nur ein kleines Teil des ganzen Judo? Kein Panik also. "Das Ende?" Wie?

Ich verstehe nie so ganz richtig, warum gerade auch Judoka, die so traditionell denken, sich so aufregen über Regeländerungen. IJF und Kodokan-Regel... was IJF macht ist genauso viel oder so wenig traditionell wie der moderne, Post-Krieg-Kodokan. Man hat im Japan generell einiges festgehalten, was die 'Ringer' im Westen vernachlässigt haben. Aber sonst? Worüber reden wir eigentlich? Immer noch über die ganz kleine Ecke im Judo: Shiai.

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"Man kann man sagen, dass die Lehre von Judo einen aus der Tiefe der Verstimmung in ein Stadium energischer Tätigkeit mit einer frohen Hoffnung in die Zukunft führen kann." Jigoro Kano
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von Lin Chung »

Nein Mitesco, wir reden hier darüber, dass wieder einmal eine Bastion gefallen ist.
Es wird mehr und mehr vom eigentlichen Sinn des Judo weggegangen.
Die Regeln tun ihr übriges.
Grüße
Norbert Bosse
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von kastow »

Sehr interessant: die Überschrift dieses Themas lässt durchaus vielfältige Erörterungen zu Kihon und Technikausführungen zu. Tom hat auch gleich darauf hingewiesen, dass einige Themenbereiche vielleicht besser in eigene Fäden verschoben werden könnten. Dennoch wirft Ronin im Rundumschlag erst allen Diskutanten eine Themenverfehlung vor führt dann im Anschluss in aller Ruhe das Thema "alternative Wettkampfformen" aus, für das schon lange ein eigener Faden existiert (Suchfunktion!) und das an dieser Stelle mindestens so themenfremd wie die Frage nach Kihon ist. Wie war das noch mit dem Splitter im Auge des Gegenüber? ;)

Damit zurück zum Thema: auch auf den Seiten der Judoinfo.com finden sich nicht die Kôdôkan-Regeln. Wenn ich besagte Seite und das von Reaktivator benannte Kapitel im Daigo zugrunde lege, finde ich für Kanôs Lebzeiten folgende Angaben zu Kôdôkan-Wettkampfregeln:

1884 Einführung des alljährlichen Rot- und Weiß-Turnieres am Kôdôkan, Regeln wurden nicht näher erläutert

1899 die Dai Nippon Butokukai unter Leitung von Jigorô Kanô verbietet Hebel an Fingern, Zehen, Handgelenken und Fußgelenken in Jûjutsu- und Jûdô-Wettkämpfen

1900 erstmalige Erlassung der Randori- und Wettkampfregeln für Jûdô (ausführlich auf Judoinfo.com beschrieben) - ob diesen aufgrund der unterschiedlichen Kalendersysteme in Japan und im Westen die Änderungen des Jahres 1899 zuzurechnen sind, weiß ich nicht

1916 Verbot von Ashi-garami und Do-jime (an anderer Stelle habe ich dazu auch das Jahr 1906 gefunden)

1924 Änderungen, nachzulesen im besagte Daki-age-Kapitel

1925 unter anderem dürfen Hebel nur noch das Ellenbogengelenk angreifen

Ich vermute, dass diese zwei Quellen noch nicht einmal alle Änderungen zu Kanôs Lebzeiten erfasst haben. Anscheinend gab es nicht so häufig Regeländerungen wie heutzutage, dennoch ist eine ständige Fortschreibung des Wettkampfsystems schon erkennbar.

Welche dieser Regeln legen wir nun zugrunde? Die ursprünglichen von 1884 oder 1900 und ignorieren Kanôs eigene Weiterentwicklungen? Oder die letzte bekannte Version vor Kanôs Tod und gestehen damit letztendlich ein, dass Wettkämpfe sich weiterentwickeln können und Kanô dieses offensichtlich auch so sah?
Herzliche Grüße,

kastow

Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
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Fritz
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von Fritz »

kastow hat geschrieben:Sehr interessant: die Überschrift dieses Themas lässt durchaus vielfältige Erörterungen zu Kihon und Technikausführungen zu. Tom hat auch gleich darauf hingewiesen, dass einige Themenbereiche vielleicht besser in eigene Fäden verschoben werden könnten.
Richtig, es gibt nun mal Themen bei denen mehrere Einzelthemen ineinander
greifen können bzw. in Zusammenhang gestellt werden. Von daher sehe ich auch gewisse Abschweifungen hier als
weniger problematisch an, als in anderen Fäden...
Welche dieser Regeln legen wir nun zugrunde? Die ursprünglichen von 1884 oder 1900 und ignorieren Kanôs eigene Weiterentwicklungen? Oder die letzte bekannte Version vor Kanôs Tod und gestehen damit letztendlich ein, dass Wettkämpfe sich weiterentwickeln können und Kanô dieses offensichtlich auch so sah?
Das ist in der Tat eine interessante Fragestellung.
Leider weiß man auch nicht, was Kano bewogen hat, bestimmte Regeländerungen durchzuführen.
Meine _Vermutung_ ist, daß er für den Schulsport Judo etwas entschärfen wollte oder mußte...

Irgendwo auf judoinfo.com, glaube ich, kann man lesen, daß die Regel für Festhalten, daß Uke Toris Beine
nicht kontrollieren darf, daher kommt, um den Judoka ein Gespür gegen (die mittlerweile verbotenen)
Bein/Fußhebel anzuerziehen.
Obwohl diese Hebel ja noch zu Kanos Zeiten aus den Wettkämpfen verbannt wurden. So gesehen könnte man mit
dem letzten Regelsatz, der noch von Kano autorisiert war plus dem Verbot dieser selbstmörderischen
"Auf-den-eigenen-Kopfstellerei" u. diesem geworfenen Waki-Gatame, also erwiesener Schadtechniken, recht gut leben.
Diese übertriebene Bestraferei für "Passivität", "falscher Griff" usw. könnte ersatzlos entfallen - so gesehen
war die alte Regel, bei Unentschieden (also kein Ippon erzielt ;-)) den Gewinner auszulosen, doch recht genial,
weil damit doch die Kämpfer gezwungen waren, den Ippon zu suchen und damit aktiv zu sein - ergo der Kampf
mußte nicht andauernd zur Vergabe von "Anfeuerungs"-Strafen unterbrochen werden. Wer besser ist gewinnt,
ansonsten ist egal wer weiterkommt ;-)

Prinzipiell bin ich sehr dafür, die Wettkampfregeln als das zu sehen, was sie sein sollten: Ein Hilfsmittel, um
Judotechniken erproben zu können. Nur sollten durch die Regeln nicht Verhaltensweisen antrainiert werden,
die in einem echten Kampf Tod oder Verkrüpplung bedeuten würden (Stichwort Bank/Bauchlage).

Wie gesagt, gegen eine gewisse Weiterentwicklung der Regeln habe ich nichts, solange diese gut begründet
sind, nach Einführung auch mal überprüft werden, ob die gewünschte Wirkung auch tatsächlich erreicht wurde (u.
halt gegebenenfalls die Regel wieder entfernt wird) u. solange Techniken/Verhaltensweisen
nicht aus reinen "Stil"-Gründen "verboten" werden...

Und wenn die IJF (und ihre Unterorganisationen) sich als Dachverband fürs Judo weltweit etablieren will -
warum reicht sie nicht Judo-Nebenlinien wie Sambo / BJJ die Hand und veranstaltet "stilübergreifende"
Wettkämpfe - wo dann meinethalben auch mal Beinhebel erlaubt sind ;-). Warum ist man nicht
bestrebt, Entwicklungen wie "Daido Juku Kudo" (was offensichtlich aus der Überlegung entstand, auch Atemi
halbwegs brauchbar in Judo-Wettkämpfen zu erlauben) zu integrieren, anstelle zuzuschauen, wie
sich "judoähnliche" Parallelverbände etablieren und entsprechend Mitglieder binden, um sich dann deutlich abgrenzen
zu wollen (wie ich als Begründung der letzten Regel-Änderungen lesen durfte).
Nur dafür muß die "Denke" halt weg vom "Einheitsbrei" und hin zu "Vielfalt" unter einem Dach...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von mcdüse »

Fritz hat geschrieben:Die wenigsten sprechen fließend japanisch. Damit wird es schon schwierig...
Die wenigsten Ärzte sprechen auch fließend Latein und und können sich dennoch durch standardisierte Bezeichnungen, Diagnosen und Verfahren sehr gut international austauschen.
Fritz hat geschrieben:Hat Judo nicht was mit Flexibilität zu tun? Sollte ein Judoka sich nicht leicht auf unterschiedliche
Regeln einstellen können (bis hin zu fehlenden Regeln "für draußen")?
Ich sage nur: Versuche mal einen, der noch nie Beingreiftechniken machen durfte, wettkampftauglich darauf einzustellen. Zumindest, dass er nicht gleich durch eben eine solche Technik verliert.
Flexibilität hin oder her. Es ist relativ leicht jemanden dahin zu bringen, bestimmte Techniken nicht anzuwenden, aber jemanden neu anzugewöhnen, dass weitere Dinge erlaubt sind ... sicher schwierig.
(Siehe Die Probleme, die selbst Profifußballer haben, wenn es in der Halle plötzlich kein Abseits mehr gibt. Das ist einfach so drin! - o.k., sind auch Fußballer :rofl )
- damit man Judoka, die den Verein wechseln (müssen), den Übertritt erleichtert.
Warum sollte dafür ein Einheits-Judo nötig sein? Beim Karate geht es auch problemlos ohne Einheitskarate -
da wird geschaut, was der jeweilige Wechsel-Kandidat so drauf hat und dann wird ihm die
entsprechende passende Graduierung anerkannt oder auch nicht...
Kinder werden mit einer neuen (das heißt ja wahrscheinlich niedrigeren) Graduierung erfahrungsgemäß große Probleme habe, bis hin zum Aufhören!

... und zur "Mümpel"-Diskussion vielleicht abschließend:
Es wird immer jemanden geben, der das was ein anderer tut als "Mümpel" bewertet, man muss nur lange genug suchen.
Und zum Glück gibt es ja auch unterschiedliche Auffassungen, aber dieser Faden wurde mal aufgegleist vor dem Hintergrund, dass Japan jetzt nach IJF-Regeln und nicht mehr nach Kodokan Regeln Wettkämpfe durchführt. Also lasst uns doch bitte die IJF - Kodokan Diskussion beschränkt auf die Wettkampfregeln weiterführen und nicht in eine allgemeine IJF - Kodokan Diskussion abgleiten.
Gruß

McDüse

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Re: Das Ende des traditionellen Kodokan-Judo?

Beitrag von mcdüse »

Ronin hat geschrieben:Diese Diskussion hier ist ein wenig, nun naja, bescheuert....

Zum Ausgangsproblem. In Japan (nicht im Kodokan, das ist nicht dasselbe, auch wenn es viele hier nicht begreifen wollen), hat man sich dazu entschieden, Wettkämpfe nach den gleichen Regeln auszutragen wie überall sonst auf der Welt. Zur Sinnhaftigkeit des Reglements äussere ich mich an der stelle erst mal gar nicht, weil das überhaupt nicht zu Debatte steht.

Nun ist es in einer globalisierten Welt schon so, dass es internationale Berührungspunkte (auch im Sport) gibt. Wenn man sich international messen möchte, dann macht es unbedingt Sinn, dies nach den selben Regeln zu tun. Alles andere ist offensichtlich Quatsch. Das hat mit den Traditionen schon mal gar nix zu tun, denn da gab es Wettkämpfe ganz anderer Natur. Über diese geschichtlichen Fakten sind sich dann hoffentlich alle einig. An diesem Punkt sind die Traditionalisten eigentlich raus (oder nennen wir es weniger provokant: nur noch belustigte Zuschauer), weil es sie ja gar nicht mehr betrifft.

Eine ganz andere Frage ist dann, ob man sich nicht lieber nach dem von Kano vorgegebenen Regelwerk messen sollte, wenn man es denn schon tun möchte. Auch das finden offensichtlich alle irgendwie gut (sofern sie denn begreifen, worin der Unterschied liegt). Die Regel sind auf Judoinfo.com übrigens irgendwo veröffentlicht.

nun wo bringt man ein sehr große Masse an Menschen dazu, sich einer Sache anzunehmen? Man bringt sie auf einen einheitlichen Standard, um von dort weg dann ein Problem nach den anderen zu lösen. Das hat den charmanten Vorteil, daß man nicht mit 180 nationalen Verbänden je Regel anders rechtfertigen muss, sondern mit allen gleichzeitig auf der selben Basis reden kann. Dieser Prozess sollte eigentlich jeden, der einigermaßen offenen Geistes an die Sache ran geht, auch klar sein.

Ob die IJF das irgendwann will, ist wieder eine ganz andere Frage. Ich sehe das momentan nicht, aber das muss nicht so bleiben. Eine einheitliche Grundlage ist jedenfalls geeignet, das zu vereinfachen.

Die ganz grundsätzliche Frage, die sich die Traditionalisten stellen, ist dann wieder, braucht man Wettkämpfe überhaupt (und damit Regeln)? Die hat ja mit dieser Diskussion nun auch so überhaupt nix zu tun (auch wenn sie interessant ist, aber eben woanders), dass ich mir fast an den Kopf schlage, wenn ich sehe, wie die Probleme sinnlos vermischt werden. Das führt zu nix
Ronin hat geschrieben:Zur Frage was Olympia mir als Verein ganz persönlich bringt? Nun, was bezahlt den meine Trainerausbildung? Woher kam der Run auf unseren Verein nach Gold von Böny und Bischof? Wieso nimmt mich die Gemeindeverwaltung plötzlich ernst und diskutiert mit mir, bevor die neuen Halle gebaut wird über Judospezifika, die beachtet werden müssen? Weil wir im Lokalen eine sehr gute Arbeit machen und die durch die Erfolge der Athleten bei Olympia in ein viel grösseres Licht gestellt werden. Das Dorf ist stolz darauf, auch ein kleine Judobastion zu sein (und das erst seit den Spielen, unsere Erfolge kamen vorher).
Ronin, für diese Aussagen könnte ich Dich abknutschen! (keine Angst, nur bildlich) :eusa_clap :danke :eusa_clap :danke :eusa_clap
Ronin hat geschrieben: Trainer, die was anderes machen wollen, haben Probleme? Ja wie viele Trainer können denn noch anderes als in der PO geschrieben steht? Woher soll ich denn die Atemi-Spezialisten nehmen? Auch wenn ich grad keine Geldsorgen habe, ist es auf Dauer sehr schwierig einen Trainer quer durch die Republik zu holen - weil mit einem Kürschen über ein WE ist es ja mitnichten getan - wir reden von jahrelangem Training!
Sehr richtig: Mit ein paar Kürschen ist es bei weitem nicht getan!
Aber warum nicht den Budo-Gedanken leben und sich mal mit Budokas anderer KK austauschen. Interdisziplinäre Trainings. In Sachen Atemis gibt es da beispielsweise sicher eine Menge Spezialisten z.B. aus dem Bereich Karate, Tae Kwon Do, Jiu Jitsu oder Ju Jutsu, die uns viel vermitteln können, was weit über die Kenntnisse der meisten reinen Judoka hinausgeht, selbst wenn sie sich schon länger mit Atemis beschäftigen.

Kann nur sagen: Wir tun das öfter und das findet immer sehr großen Anklang und erweitert den persönlichen Horizont. Außerdem hat man so auch mal die Chance, in andere KKs ein wenig rein zu schnuppern.
Zuletzt geändert von mcdüse am 28.03.2010, 00:29, insgesamt 1-mal geändert.
Gruß

McDüse

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