Autoritätenstreit im Judo

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mcdüse
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von mcdüse »

@Fritz:

Deine Anmerkungen (*), (***) und (****) beziehen sich auf eine von mir beschriebene erste Stufe der Ausbildung, um dem Neuling überhaupt einmal ein grobes Gefühl zu vermitteln, was Ausheben ist und wie es sich anfühlt, jemanden über die Hüfte zu werfen. Damit darf die Ausbildung natürlich nicht enden. Ich will ja gerade darauf hinaus, dass anschließend noch ganz entscheidende Faktoren gelehrt werden müssen, damit daraus tatsächlich mal ein O-Goshi wird. Das kommt nicht von alleine.
Wenn genau diese weiterführende Ausbildung unterlassen wird, stimmt auch die Aussage:
Fritz hat geschrieben:Die von mir schräggestellten Sachen sind exakt das, was unsere "traditionellen Judoka" m.M.n. völlig zu recht
kritisieren, weil es Judo völlig kaputt macht...
Deiner Anmerkung bezüglich des "Aufreißens" stimme ich zu, da möchte ich meine Aussage nochmal klarer darstellen. Unter "Aufreißen" verstehe ich den steten Aufbau einer Gleichgewicht-störenden Kaft, die dann übergangslos für einen Wurf genutzt wird, und ich meine damit nicht etwa ein kurzes Anreißen, was Uke höchstens kurz "erschreckt". Das hätte tatsächlich genau die von Dir beschriebenen Reaktionen zur Folge (Stichwort: Stellreflex).
Fritz hat geschrieben:Judo und Kuzushi sind untrennbar miteinander verbunden. Würfe ohne Kuzushi
gibt es nicht im Judo. Also braucht man so etwas auch nicht zu üben

bezieht sich auf meine Aussage:
mcdüse hat geschrieben:Dann nehme ich mir das nächste Häppchen vor, z.b. Aufreißen und Distanz. Gerade bei der Distanz beim Eindrehen führt das dann immer dazu, dass die Leute sich noch einmal komplett umstellen müssen. Das kommt daher, daß Uke bei der "Erstausbildung" null Widerstand leistet und ich von Tori gar nicht gefordert hatte, vor oder beim Eindrehen bereits Ukes Gleichgewicht zu brechen.
bitte auch beachten, was ich anschließend noch ausführe:
mcdüse hat geschrieben:Das heißt, der Anfänger dreht sich so ein, dass er sich auf Uke zubewegt und nach dem Eindrehen direkten Körperkontakt mit Uke hat. Ukes Zehen und Toris Fersen sind quasi auf einer Linie.
Später will ich aber das Gleichgewichtsbrechen sehen, das heißt, ich muss den Leuten beibringen, sich noch einmal umzustellen und einen deutlich größeren Abstand zu lassen. Eindrehen passiert nicht mehr, in dem ich mich auf Uke zu bewege, sondern Uke zu mir hole. Dabei breche ich sein Gleichgewicht.
und das ist das Niveau, auf das ich mindestens hinaus will!
Ich glaube, darin sind wir eher einer Meinung, oder?

@tutor!

Das mit der Schule und dem Auge ist schönes Beispiel.
tutor! hat geschrieben:Leider haben wir in der Praxis dieses "vertiefende" Niveau einer regelmäßigen Wiederholung eines Stoffes (=einer Technik) häufig nicht. Wiederholungen verbleiben auf dem bereits gekonnten Niveau --> Fortschritt wird gar nicht angestrebt, bzw. nicht ermöglicht.
Die regelmäßige Beschäftigung mit Kata erlaubt es, immer tiefer in die Bewegungen einzudringen und im Laufe mehrerer "Spiralen" die Techniken auf einem immer detaillierteren Niveau zu studieren. Allerdings läuft die Praxis dem entgegen: am Anfang wird zu viel erwartet (--> Abschreckung, Demotivation) und später wird nicht mehr geübt.....

...genau DAS wollte ich damit sagen!
tutor! hat geschrieben:Auch die Ausbildungs- und Prüfungsordnung des DJB für Kyu- oder Dan-Grade trägt diesen Spiral-Curriculum-Gedanken nicht. Fast alle Prüfungsinhalte tauchen nur einmal auf und danach werden sie zu Vorkenntnissen, die nur noch im Zweifel geprüft werden.
... und genau DAS ist das Problem!

An dieser wichtigen Stelle wird es jedem Trainer selbst überlassen, ob er an eine weiterführende Ausbildung bekannter Techniken denkt bzw. diese für wichtig erachtet.
Sehr, sehr schade!
Vorkenntnisse halte ich für ein extrem wichtiges Prüfungsgebiet, insbesondere um die Reife eines Judoka für dem nächsten Grad abzuschätzen.
Ich war auch immer sehr froh, dass es das Prüfungsfach Vorkenntnisse in der PO gibt. Das ist nicht bei allen Kampfkünsten so.

Letztendlich ist es aber dann auch ein Fehler der Prüfer, wenn das Fach Vorkenntnisse nur so als notwendiges Übel gesehen wird. Oder unter Zeitdruck dann auch mal ganz wegfällt (alles schon erlebt). :?
Das wäre doch mal ein Schwerpunkt für Prüferschulungen!
Gruß

McDüse

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Fritz
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von Fritz »

mcdüse hat geschrieben: Deine Anmerkungen (*), (***) und (****) beziehen sich auf eine von mir beschriebene erste Stufe der Ausbildung, um dem Neuling überhaupt einmal ein grobes Gefühl zu vermitteln, was Ausheben ist und wie es sich anfühlt, jemanden über die Hüfte zu werfen. Damit darf die Ausbildung natürlich nicht enden. Ich will ja gerade darauf hinaus, dass anschließend noch ganz entscheidende Faktoren gelehrt werden müssen, damit daraus tatsächlich mal ein O-Goshi wird. Das kommt nicht von alleine.
Wenn genau diese weiterführende Ausbildung unterlassen wird, stimmt auch die Aussage:
[ ... ]
Aber ist es nicht widersinnig, Anfängern (sagen wir mal beschönigend:) suboptimale Bewegungsmuster
lernen zu lassen, die dann im weiteren Verlauf beschwerlich korrigiert werden?
Das ist doch ineffektiv...
Der Neuling braucht doch gar kein Gefühl, was "Ausheben" ist - weil "Ausheben" gar nicht zwingend nötig
ist für die Grundform des O-Goshi...
Der braucht doch eigentlich nur zwei Schritte machen, sich etwas tiefer hinstellen und Uke über sich kippen
zu lassen.
Klar sieht es am Anfang etwas staksig aus, klar müssen sie lernen, halbwegs aufrecht ihren
Schwerpunkt abzusenken und wo sie hinziehen müssen - aber das wird durchs Üben in der Regel recht
schnell besser, ohne daß sie Notlösungen wie "Ausheben", "Oberkörper rotieren",
'Hüfte seitlich rausschieben' und dergleichen mehr bemühen müssen,
um den Wurf zum Funktionieren zu bekommen...

Ansonsten sollte man Begriffe wie "Ausheben", "Auf-/Anreißen", "Brechen" nicht unbedingt verwenden, gerade
dann, wenn man eigentlich was anderes meint - beim Übling kommt nämlich genau das an, was
diese Begriffe aussagen: Maximalkraft-Einsatz... ;)

Wie gesagt, ich möchte mich noch mal zitieren:
Komm ruhig im März mit nach Sehnde (siehe Ausschreibungs-Unterforum) ich denke, es würde nützen...
Ich denke, die angesprochenen Punkte werden da auch wieder Thema sein, glaub mir, es lohnt...

Ich denke, Du stolperst nämlich bei der Anfängerausbildung über genau die gleichen Fallstricke wie einige
von uns hier auch und bist an dem Punkt, wo Du Dir Gedanken drüber zu machen beginnst,
ziehst aber leider noch "falsche" Schlußfolgerungen m.M.n. Der angesprochene Lehrgang
könnte Dir einige nützliche Impulse geben...
Bei mir war es jedenfalls so durch die vorhergehende Veranstaltungen... ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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judopa
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von judopa »

Mal etwas aus der Sicht des Lernenden.
beim Übling kommt nämlich genau das an, was
diese Begriffe aussagen: Maximalkraft-Einsatz... ;)
Hier mal am Beispiel Uki goshi. Das war für mich von Anfang an ein Wurf, mit dem ich nicht viel anfangen konnte. Wie bei Anfängern erst mal üblich latschen Tori (ich) und Uke über die Matte und ich hatte immer das Gefühl, einen Sack Wasser um die Hüfte "schleudern" zu müssen. Das geht nun mal nur mit Maximalkraft - Einsatz. Das hat nicht wirklich Spaß gemacht
Jetzt darf ich mich in Vorbereitung zu meiner nächsten Prüfung mit der Koshi-Waza - Gruppe aus der Nage-No-Kata beschäftigen. Nach dem Uke dann begriffen hat, daß er wirklich Kraft und Energie in den Schlag investieren muss und seine Ängste mich zu treffen, abgelegt hat, flutscht Uke (wenigstens manchmal ;) ) einfach so um meine Hüfte.
Wenn es gut läuft, lege ich einfach die eine Hand an Ukes Arm, die andere liegt leicht auf Ukes Rücken und beschreibt einen Bogen in Richtung Boden. Das war es schon. Kein Krafteinsatz, kein Gezerre an der Jacke, einfach so.
Das war ein richtiges Aha-Erlebnis in meiner noch kurzen Judolaufbahn.
Ich hoffe auf mehr da von.
MFG
judopa
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Fritz
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von Fritz »

Das war ein richtiges Aha-Erlebnis in meiner noch kurzen Judolaufbahn.
Ich hoffe auf mehr da von.
Dann kann ich auch Dir die Lehrgänge in Urberach und jetzt
im März in Sehnde nur wärmstens empfehlen. ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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kastow
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von kastow »

@judopa: Da du ja im Ruhrgebiet trainierst, bietet sich ebenfalls das monatliche Kata-Training in Hagen mit Wolfgang Dax-Romswinkel und Ulla Loosen im Dôjô des Judo Klub Hagen, Heinitzstr. 12, 58097 Hagen an. Auch dort sind dir viele Aha-Erlebnisse garantiert. Das ist für dich nicht so weit wie Frankfurt a.M. oder Hannover und sogar gratis.

Bei Rückfragen kannst du dich gerne an Judo_HoHan oder mich wenden ;)

Hier die nächsten Termine:
28.02.10 13:30 - 15:30
21.03.10 13:30 - 15:30
25.04.10 13:30 - 15:30
30.05.10 13:30 - 15:30
27.06.10 10:00 - 12:00
05.09.10 10:00 - 10:00
26.09.10 13:00 - 15:00
31.10.10 10:00 - 12:00
28.11.10 10:00 - 12:00
Herzliche Grüße,

kastow

Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von judopa »

@kastow

Ich habe da von gehört und das ist auch nur um die Ecke.
Ich habe letztes Jahr auch schon mal die Kata Lehrgänge für Kyu Grade des NWDK besucht.
Aber z.Z. fehlt mir da leider ein Partner.
MFG
judopa
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mcdüse
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von mcdüse »

Hallo Fritz,

kannst Du bitte mal ein paar Infos zu der besagten Veranstaltung in Sehnde geben?
Oder auch einen Link posten?


Wäre sicher für alle interessant, die dieses Thema verfolgen.

Danke !
Gruß

McDüse

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pmhausen

Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von pmhausen »

mcdüse hat geschrieben: kannst Du bitte mal ein paar Infos zu der besagten Veranstaltung in Sehnde geben?
Oder auch einen Link posten?
http://dasjudoforum.de/forum/viewtopic.php?f=7&t=4675

Gruß,
Patrick
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kastow
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von kastow »

judopa hat geschrieben:Ich habe da von gehört und das ist auch nur um die Ecke.
Ich habe letztes Jahr auch schon mal die Kata Lehrgänge für Kyu Grade des NWDK besucht.
Aber z.Z. fehlt mir da leider ein Partner.
Für die Nage-no-kata sollte das kein Problem sein, die wird meistens von der Mehrheit geübt. Ich weiß, dass Judo_HoHan auch schon ohne seinen Partner dort trainiert hat. Da hat sich auch eine Uke gefunden. Oder starte (z.B. hier im Forum) einfach einen Aufruf zur Kata-Partner-Suche. ;)

Um den Bogen zurück zum Ausgangsthema zu führen: Was mich persönlich an dem Lehrgang in Hagen immer wieder fasziniert, sind neben der Methodik der Technikvermittlung die reichlichen zusätzlichen Hintergrundinformationen zur Geschichte und zu Geschichten der Techniken. Auch auf eventuelle unterschiedliche Interpretationen verschiedener Autoritäten wird manchmal eingegangen. Persönliche Meinungen werden von Wolfgang und Ulla klar als solche deutlich gemacht. Das Ganze wird aber recht neutral und ohne Ausschließlichkeitsanspruch vorgetragen, so dass die Teilnehmenden nicht zu einer Meinungsübernahme gezwungen werden.
Herzliche Grüße,

kastow

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