Autoritätenstreit im Judo

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DrCox
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Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von DrCox »

Beim Durchlesen der vielen Beiträge gerade zu den Techniken des 1. und 2. Kyo,
also Würfe, die nahezu jeder kennt und zu denen jeder eine Meinung hat, ist mir aufgefallen, dass
sehr häufig Autoritätsargumente gebracht werden.
Mifune schreibt, oder bei Kano steht. Und so weiter.
Manch einer beschreibt sich sogar selbst als Trainer und gibt an, sein technisches Wissen auch schon so vermittelt bekommen zu haben und benutzt dieses Tatsache als hinreichenden Beleg, dass es deshalb auch richtig sein müsse.
Wie haltet hier es?
Beruft Ihr euch auf Autoritäten? Oder versucht den wahren Kern des Judo aus euch selbst zu erfahren?
Ist Wettkampfrelevanz ein Beleg für irgendwas?
Ist ein erfolgreicher Judoka auch ein Vorbild und Lehrer?
Haltet ihr es eher mit den Combatstylebudoka: Was umhaut, war richtig?
Und falls ihr zu denen gehört, die einem der Klassiker anhängen, seid ihr dann auch konsequent und richtet euch so gut es geht danach?
tutor!
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von tutor! »

Das sind viele Fragen auf einmal...

Diskussionen um Techniken können sehr unterschiedlicher Natur sein. Es kann z.B. in erster Linie um Benennungsfragen gehen, aber auch um Fragen einer günstigen Ausführung.

Ein einheitliche Sprache ist die Grundlage jeder vernünftigen Kommunikation. Beim Judo finden wir Namen von Techniken nicht nur umgangssprachlich im Dojo, sondern z.B. auch in Prüfungsordnungen, Wettkampfregeln usw. Jeder "Fachbegriff" muss eindeutig verstanden werden und dazu ist eine Definition erforderlich. Wer dies verstanden hat, wird sehr schnell einsehen, dass es hierbei nicht darum geht, "recht" zu haben, sondern sich auf eine nachvollziehbare Definitionsbasis zu beziehen. Die Definitionshoheit über das, was unter dem Namen einer Technik zu verstehen ist, kann m.M.n. nur beim Kodokan liegen. Aus diesem Grunde bemühe ich mich darum, nur die offiziellen Kodokan-Bezeichnungen zu verwenden und würde mir das allgemein wünschen. Verwende ich andere Bezeichnungen, dann setze ich sie meist in Anführungszeichen.

Ist dies eine Frage von Autorität? Ja und nein - meine Position entsteht aus der Einsicht, dass nur eine gemeinsame Basis Verständigung ermöglicht. Leider Gottes bemühen sich viele Leute nicht um diese Einheitlichkeit der Begriffe - vielleicht merken sie noch nicht einmal, dass hier Stolpersteine zu finden sind. Dies führt dann fast zwangsläufig zu unfruchtbaren Debatten, jedoch sollte wenigstens hier im Forum der (Weiter-)Verbreitung falscher Begrifflichkeiten Einhalt geboten werden.

Eine etwas andere Situation ergibt sich, wenn es um Ausführungsdetails von Techniken geht und nicht um ihre Definition oder Benennung.

Ich schreibe nichts über Techniken, die ich nicht mit einem Mindestmaß an Qualität praktisch beherrsche. Es ist schon schwierig genug etwas zu formulieren, was man körperlich umsetzen kann - etwas zu beschreiben, was man nicht kann, geht so gut wie immer schief.

Mein Judo habe ich nicht von einem Lehrer/Trainer gelernt, sondern von vielen, von sehr vielen....

Praktisch jede Technik wurde von vielen verschiedenen Seiten betrachtet. Im Laufe der Jahre habe ich auf diese Weise für praktisch jede Technik entsprechende Spezialisten kennengelernt und von ihnen lernen können.

Diese Anregungen nützen allerdings nicht viel, wenn man sie nicht verarbeitet. Dazu gehört Lesen, Beobachten, Analysieren, Probieren - und wieder Lesen, Beobachten und noch mehr Analysieren und wieder Probieren. Das Ganze ist ein ewig andauernder Prozess und man stösst immer wieder auf neue Zusammenhänge.

Wenn ich also über Ausführungen von Techniken schreibe, dann ist das ein Ausdruck der Ergebnisse dieser Lernprozesse. Dies kann dann jeder Leser für sich selbst annehmen und weiterverarbeiten. Wenn es hilft, freut es mich für den Betreffenden - wenn jemand nichts damit anfangen kann oder will, dann ist es auch nicht schlimm. Eine externe Autorität, auf die ich meine Erfahrungen in Diskussionen stützen würde, halte ich da nicht mehr für erforderlich.
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von DrCox »

Aber stimmst Du mir zu, dass das von mir beschriebene Phänomen auftritt?
Und wenn man dem Kodokan folgst, wie sollte man sich dann gegenüber dem DJB verhalten?
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von Reaktivator »

DrCox hat geschrieben:Und wenn man dem Kodokan folgst, wie sollte man sich dann gegenüber dem DJB verhalten?
Die Frage stellt sich seit Erhalt des aktuellen "Judo Magazins" (Februar-Ausgabe) doch gar nicht mehr:
Wie wir dort nachlesen können, interessiert den DJB doch gar nicht, was der Kodokan macht...
(Läßt er jedenfalls sinngemäß über "Tori" und "Uke" ausrichten.)
Ein Forenmitglied ohne Signatur ist wie ein Forenmitglied ohne Namen.
(Alte Internet-Weisheit, frei nach "Reaktivator")
Milano
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von Milano »

Reaktivator hat geschrieben: Wie wir dort nachlesen können, interessiert den DJB doch gar nicht, was der Kodokan macht...
(Läßt er jedenfalls sinngemäß über "Tori" und "Uke" ausrichten.)
eine wirklich peinliche Rubrik....
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Fritz
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von Fritz »

Autoritätsargumente haben auch noch einen anderen, einfachen Grund:
In Deutschland (k.A. ob das anderswo ähnlich) wird ab einem eingebildeten oder
tatsächlichen Grad des Fortschritts prinzipiell dem Gegenüber (mit dem man oft zu tun hat)
nicht geglaubt - egal ob es der Trainer ist oder nicht. Weil man es ja irgendwo "anders" gelernt zu
haben glaubt. Und dann wird ewig diskutiert, stur was anderes gemacht, man ist beleidigt usw...
Ein Zettel, ein Buch, meinethalben auch ein seltener Referent auf nem Lehrgang
dagegen sind 'nichtzuhinterfragende' Autoritäten. ;-)
Deswegen erweist es sich manchmal als förderlich, diese Denkmuster zu benutzen, um
nicht allzuviel wertvolle Übungszeit zu verschwenden...
Trivialbsp.:
Wenn _ich_ sage: "Atemi sind Judo, wir üben also heute ein paar", dann gibt es oft
einige Besserwisser, die einen dann belehren wollen, daß Judo ja ohne Schläge sei
und man Karate ja gar nicht üben möchte.
Als sage ich lieber: "Wie ihr in 'Kodokan Judo' nachlesen könnt, gibt es Atemi im Judo...". Diskussions-Ende.
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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mcdüse
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von mcdüse »

Hi DrCox,

ja, ich stimme Dir grundsätzlich zu. Wenn man manche Beiträge so liest, meint man, einige der Schreibenden haben die Techniken erfunden und es gibt nur einen nämlich Ihren Weg diese korrekt auszuführen.
Dabei gibt es DEN seeligmachenden Weg im Judo gerade nicht. Eine gute Technik ensteht durch die Kombination vieler Dinge:
- Verstehen des Prinzips
- Erkennen oder Herbeiführen der richtigen Situation
- Intuition
- die richtigen Proportionen des Körpers
- minimaler Kraftaufwand
- jederzeitige Kontrolle über den Partner
- praktisch keine Möglichkeit für Uke die Technik zu verhindern (Konter oder Block)
- ...

Das heißt aber nicht, dass ein richtiger Uchi Mata bei allen gleich aussehen muss. Im Gegenteil, jeder muss die Technik für sich selbst entwickeln. Trainer, Lehrer und andere Judoka können höchstens Tips und Hilfestellung geben, den eigenen Weg schneller zu finden.
Wer kennt das nicht, dieses AHA-Erlebnis, wenn mal eine Technik super funktioniert und man sich dann denkt: "Ach, sooo soll sich das anfühlen."

Ich glaube aber, dass es zumindest bei manchen auch schlicht am etwas unüberlegten Wording liegt. Einige wollen, glaube ich, gar nicht so oberlehrerhaft oder rechthaberisch rüberkommen, sondern eigentlich nur aus ihren Erfahrungen heraus Tips und Hilfen geben. Daher versuche ich, über die eine oder andere Formulierung hinweg zu sehen oder wenn es mir zu "schlau" ist, denke ich mir nur: :alright

Schriftlich ist eine Beschreibung von Judo-Techniken aber tatsächlich sehr, sehr schwierig.
Sind doch die Voraussetzungen für effektive Kommunikation, ein gemeinsamer Sprachcode von Schreiber und Leser sowie der exakte und bewusste Umgang mit der deutschen Sprache.

Aber: Wie meinst du das denn?
DrCox hat geschrieben:Und wenn man dem Kodokan folgst, wie sollte man sich dann gegenüber dem DJB verhalten?
Gruß

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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von mcdüse »

@ Fritz,

DANKE für Deinen Beitrag. :eusa_clap
Die Diskutiererei nach dem Motto: "Ich habe aber recht!" Geht mir auch ziemlich auf den Zeiger. Das ist heute fast eine Gesellschaftkrankheit.
Oberschlaue Besserwisserei.
Dabei ist es doch so einfach: Jeder Judoka, mit dem ich in Kontakt trete, kann mir helfen mich zu verbessern und ich kann von jedem erst mal potentiell etwas lernen. Dabei spielt es prinzipiell erstmal überhaupt keine Rolle, ob das mein Trainer, Lehrer oder Schüler ist.

Das heißt, ich sehe jeden Kontakt mit anderen Judoka erst einmal als Chance, selber weiter zu kommen.

Auch wenn ich auf Lehrgängen mit Leuten zusammenkomme, wo ich anschließend der Meinung bin, dass ich nicht deren Meinung bin oder nichts von deren Verständnis von Judo oder bestimmten Techniken übernehmen will, so bedanke ich mich trotzdem anschließend bei diesen Leuten herzlich - und zwar ohne jede Ironie! Die Leute haben sich für mich Zeit genommen, mich ernst genommen und mir eine Erweiterung meines Horizontes beschert. Wenn auch nicht immer direkt merklich. UND - es ist doch nicht deren Schuld, dass ich nicht ihrer Meinung bin oder ein anderes Verständnis habe.

Und zu dem Atemi-Beispiel:
Sieht man da nicht mal wieder, welche Kleingeister so auf der Welt rumlaufen? Selbst wenn bestimmte Techniken nicht zum klassischen Judo gehören (was ja bei Atemis noch nicht mal der Fall ist), hat es jemals schon geschadet, mal einen Blick über den Tellerrand zu werfen? :BangHead
Gruß

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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von Fritz »

mcdüse hat geschrieben:Das heißt aber nicht, dass ein richtiger Uchi Mata bei allen gleich aussehen muss. Im Gegenteil, jeder muss die Technik für sich selbst entwickeln. Trainer, Lehrer und andere Judoka können höchstens Tips und Hilfestellung geben, den eigenen Weg schneller zu finden.
Wer kennt das nicht, dieses AHA-Erlebnis, wenn mal eine Technik super funktioniert und man sich dann denkt: "Ach, sooo soll sich das anfühlen."
Das spricht ein bestimmtes Problem an, welches vielen nicht bewußt ist.
Ich versuche es mal vereinfacht zu verdeutlichen:
Ein Trainer bringt dem Sportler einen Uchi-Mata bei und hilft ihm eine eigene
spezielle Uchi-Mata-Variante zu perfektionieren. Soweit so gut.
Der Sportler wird erfolgreich und dann als Referent zu Lehrgängen eingeladen.
Dort zeigt er anderen Sportlern _seinen_ Uchi-Mata und erzählt, worauf es ihm dabei so ankommt.
Die anderen üben fleißig und stellen aber nahezu zwangsläufig fest, daß es nicht so richtig klappt...
Irgendwann wird der Erfolgssportler vielleicht selbst Trainer.
Und hier entscheidet es sich - ist er in der Lage (wie sein Trainer)
einen grundsätzlich erlernbaren Uchi-Mata zu lehren - von dem aus dann individuelle Varianten entwickelt
werden können, oder kennt er nur noch seine Spezialvariante?
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von mcdüse »

Fritz hat geschrieben:Und hier entscheidet es sich - ist er in der Lage (wie sein Trainer)
einen grundsätzlich erlernbaren Uchi-Mata zu lehren - von dem aus dann individuelle Varianten entwickelt
werden können, oder kennt er nur noch seine Spezialvariante?
Und damit sind wir wieder dabei, dass ein erfolgreicher Judoka nicht automatisch ein guter Trainer sein muss.

Das sieht man ja schon daran, welche Eigenschaften ein Kämpfer und welche ein guter Trainer haben sollten:

Kämpfer:
- Kondition, Kraft
- Schnelligkeit
- Fokus auf Uchi Komis
- Intuition
- Reaktionsschnelligkeit
- Biss
- Killerinstinkt
- muss nicht wirklich wissen, was er tut ...

Trainer:
- guter Analytiker
- guter Techniker
- sollte gut erklären können
- Kenntnisse über Methodik
- Kenntnisse über Trainigslehre, -aufbau und ein wenig Psychologie.
- sollte für die Ausbildung in der Lage sein, Techniken zu vereinfachen oder sie auf den Kern zu reduzieren
- sollte ein Gefühl dafür haben, wem welche Techniken liegen
- sollte wissen, dass es mehr als eine Wahrheit gibt
- sollte wissen, wo seine Grenzen sind!
- ...

Man sieht, da gibt es nicht ganz so viele Gemeinsamkeiten!

Auch sehr schön:
Fritz hat geschrieben:Dort zeigt er anderen Sportlern _seinen_ Uchi-Mata und erzählt, worauf es ihm dabei so ankommt.
Die anderen üben fleißig und stellen aber nahezu zwangsläufig fest, daß es nicht so richtig klappt...
Mit der Betonung auf "...seinen Uchi Mata..." und "...worauf es ihm dabei ankommt..."!

"Copy - Paste" haut halt beim Judo nicht so richtig hin!
Gruß

McDüse

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Lin Chung
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von Lin Chung »

Kämpfer:
muss nicht wirklich wissen, was er tut ...
:irre

...er sollte es schon wissen.
Grüße
Norbert Bosse
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kastow
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von kastow »

DrCox hat geschrieben:Und wenn man dem Kodokan folgst, wie sollte man sich dann gegenüber dem DJB verhalten?
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich deine Frage richtig verstehe. Ich persönlich handhabe es so, dass ich bei Unterschieden zwischen Kôdôkan- und DJB-Benennungen diese im Unterricht für Erwachsene und Jugendliche auch benenne (Beispiele: Ô-soto-otoshi, Seoi-otoshi). In den vielen Fällen ist es aber nur so, dass die DJB-Benennung einen speziellen Teil einer Kôdôkan-Wurfidee zu einer Einzeltechnik isoliert und somit letztendlich nur enger analysiert. So ist Ô-uchi-barai z.B. nichts anderes als eine spezielle Ô-uchi-gari-Variante. Was spricht dagegen, dieses im Unterricht auch so zu erklären? Häufig ergänzen sich meines Erachtens Kôdôkan- und DJB-Definition auch in hervorragender Weise. Nehmen wir Sicheln, Einhaken und Fegen. Kôdôkan nutzt diese Begriff, um Aktionen Toris zu bezeichnen. Im DJB beschreiben diese Begriffe, was mit Uke passiert. Letztendlich ergänzen sich diese Ansätze (Handeln Toris <> Behandlung Ukes) doch wie In und Yo ;)
Reaktivator hat geschrieben:
DrCox hat geschrieben:Und wenn man dem Kodokan folgst, wie sollte man sich dann gegenüber dem DJB verhalten?
Die Frage stellt sich seit Erhalt des aktuellen "Judo Magazins" (Februar-Ausgabe) doch gar nicht mehr:
Wie wir dort nachlesen können, interessiert den DJB doch gar nicht, was der Kodokan macht...
(Läßt er jedenfalls sinngemäß über "Tori" und "Uke" ausrichten.)
Ich beziehe das Magazin schon seit längerem nicht mehr. Vielleicht könnte jemand diese anscheinend für Erregung sorgende Rubrik für Unwissende wie mich kurz zusammenfassen ;) Danke
Herzliche Grüße,

kastow

Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von judoka50 »

Und hier entscheidet es sich - ist er in der Lage (wie sein Trainer)
einen grundsätzlich erlernbaren Uchi-Mata zu lehren - von dem aus dann individuelle Varianten entwickelt
werden können, oder kennt er nur noch seine Spezialvariante?
Ich würde bei Deinem Schlußsatz ändern in "den grundsätzlichen Uchi-Mata zu lehren".
Damit meine ich die überlieferete Kodokan Version (wobei ich mich vielfach an Mifune halte).
Bei uns im Kreis ist es grundsätzlich so, dass insbesondere von den Kämpfern erwartet wird, dass sie diese Variante auf den Prüfungen vormachen. Als zweite Version können sie dann gerne "ihre" Version vorführen. Bewertet wird aus den nachvollziehbaren Gründen halt nur die erste, zusätzliche Punkte gibts dann für die zweite. Bisher war es oft für gute Kämpfer einfacher die "Grundversion" zusätzlich zu erlernen, als für "Nichtkämpfer" nur diese alleine.
Ich hoffe, dass wir damit den Grundstein für den späteren Wiedereinstieg der Kämpfer gelegt haben.
Viele Grüße
U d o
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Fritz
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von Fritz »

judoka50 hat geschrieben:Ich würde bei Deinem Schlußsatz ändern in "den grundsätzlichen Uchi-Mata zu lehren".
Damit meine ich die überlieferete Kodokan Version (wobei ich mich vielfach an Mifune halte).
Tja, was ist die Grundform eigentlich?
Der eine sagt: Grundform ist die Form, die immer funktioniert (*)
Du sagst, Grundform ist die überlieferte Kodokan-Version, sowie sie Mifune machte...
Schau ich in den Daigo, da stehen bei jedem Wurf mehrere "überlieferte" Versionen im Grunde gleichrangig
nebeneinander - halt um das Wurfprinzip zu illustrieren...

(*) Natürlich hat aber Tom auch selbst
schon Beispiele geliefert, wo es zu einem Wurf mehrere Grundformen gibt, wenn ich an den
Yoko-Wakare denke...

Für mich heißt Grundform: Das Wurfprinzip wird sauber gezeigt u. die Technik ist einfach zu erlernen.
Und ja, es kann durchaus mehrere "Grundformen" zu einem Wurfprinzip geben...

Und hier schließe ich mich tutor!s Ausführungen an: Damit man weiß, worüber man redet, ist
es hilfreich gelegentlich zu benennen, wo die entsprechende Ausführung herkommt:
Mifune, Kawaishi, Hirano usw. usf...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von mcdüse »

Lin Chung hat geschrieben:
Kämpfer:
muss nicht wirklich wissen, was er tut ...
:irre

...er sollte es schon wissen.
Sorry, sehe ich nicht so!

Gute Kämpfer haben oft den Killerinstinkt und agieren mehr intuitiv.
Das heißt aber nicht, dass sie wirklich wissen müssen, WARUM die Technik funktioniert - es reicht, DASS sie funktioniert.
Eine Analyse, z.B.: "Uke muss so und so stehen und ich ziehe mit dem rechten Arm dann in einer Drehbewegung nach schräg oben links außen, während ich mit dem rechten Fuß ..., der Hüfte ... und dem Kopf ..." kann der Judoka meist gar nicht geben. Er erkennt vielmehr eine günstige Situation und reagiert darauf blitzschnell und intuitiv.

Oder dachtest Du etwa, dass ich mit der Formulierung meinte, dass ein Kämpfer "kopflos" agieren kann? - Ich dachte, es sei jedem klar, dass ein guter Kämpfer, wie ich ihn beschreiben wollte, natürlich nicht kopflos agiert.
Gruß

McDüse

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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von tutor! »

Eine scheinbar harmlose Frage....
Fritz hat geschrieben:Tja, was ist die Grundform eigentlich?
Ich habe schon einige Versuche von wirklich hervorragenden Leuten erlebt, die Frage nach der "Grundform", der "schulmäßigen Form", der "Basistechnik" usw. zu beantworten. Letztlich ging es immer mehr oder weniger schief, weswegen ich das jetzt auch gar nicht erst versuche, sondern im Gegenteil schreibe, warum ich das für eine Quadratur des Kreises halte.

Man kann nämlich jeweils mit Berechtigung von unterschiedlichen Perspektiven aus argumentieren, zum Beispiel:
  • Grundform als die Urform, von der aus sich andere Formen ("Varianten") entwickelt haben ("historische Perspektive")
  • Grundform als diejenige Form, die sinnvollerweise zunächst gelernt werden sollte ("methodisch-didaktische Perspektive")
  • Grundform als diejenige Form, die das Prinzip einer Technik in besonderer Weise verdeutlicht ("biomechanische Perspektive")
Mal ganz abgesehen davon, dass es innerhalb jeder Perspektive unterschiedliche Auffassungen geben kann, kommt man aus den verschiedenen Perspektiven sehr schnell zu unterschiedlichen Antworten und damit kaum auf einen gemeinsamen Nenner.
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von Fettzi »

Also zum Thema Grundform: da stimmt ich Tutor vollkommen zu. Ähnlich wie die Quadratur des Kreises. Ich versuche, die Probleme hier mal sportwissenschaftlich zu beleuchten:

Die Grundform sollte die eigentliche Technik sein. D.h. die Technik Uchi-Mata ist nicht mehr als ein techn. Leitbild, welches auf den idealisierten Athleten angewandt wird. Somit wird jeder Uchi-Mata, den wir ausführen zu einer sportmotorischen Fertigkeit, weil keiner von uns ideal ist.

Was mich zu dem Problem Trainer-Sportler-Beziehung führt.

Zum einen ist es richtig, daß der Sportler teils nicht wissen muss, warum es funktioniert, sondern nur dass es funktioniert. Allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt. Nämlich genau dann, wenn der deduktive Lehrweg erschöpft ist, weil die Fertigkeit Uchi-Mata nahezu perfekt beherrscht wird. Der Trainer eines Keji Suzuki wird seinem Sportler nicht mehr zeigen können, was er zu verbessern hat, er kann ihm nur noch Tipps geben. Denn in diesem Stadium ist die Selbstfindung des "Problems" sehr wichtig. Dazu ist es natürlich wichtig, die Prinzipien des Wurfes zu kennen, zu verstehen und sie anzuwenden.
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von Lin Chung »

Zum einen ist es richtig, daß der Sportler teils nicht wissen muss, warum es funktioniert, sondern nur dass es funktioniert.
Kopfschüttel. Das ist wohl wieder der Unterschied zwischen Sportler und Künstler.

Übrigens: Beim einen kann es so funktionieren und beim anderen eben nicht.
Wie erklärst du ihm das nun, du weißt ja nicht, warum es funktioniert?
Grüße
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von Fettzi »

Ich möchte nochmal betonen, daß ich die Sache aus der Richtung des Leistungssports betrachte, weil für mich ist Judo vorrangig eine Wettkampfsportart.
Aber ich glaube, daß ich es schlecht beschrieben habe. Ich denke, ein Wettkampfsportler muss nicht die Prinzipien des Würgens oder das Weghakeln erklären können. Er muss aber die Technik biomechanisch verstehen:
d.h.: z.B. muss ich ihm erklären, daß wenn er beim Ippon-Seoi-Nage beim Platzwechsel seinen Fuß weiter rum bringen muss, um damit im Niederwurf mehr Druck erzeugen zu können. Das muss er in der Lage sein zu verstehen. Oder beim Uchi-Mata mit einem an einem Gürtel befestigten Gewicht den Schwerpunkt in der Lage sein zu zeigen. Nur hat das meiner Meinung nach, nicht wirklich etwas mit dem Wurfprinzip zu tun, oder?
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Re: Autoritätenstreit im Judo

Beitrag von Lin Chung »

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