katana hat geschrieben:Daß viele Kinder (neben anderen Faktoren) schon vor den ersten Wettkämpfen aufhören, muß nicht unbedingt
das Gegenteil beweisen, da ja die Ausrichtung des Unterrichts (und somit auch die Erziehung) hin zum
Wettkampf eben oftmals als einzige Option ohne Wahl bleibt.
Dies ist ja auch im Sinne des Jigoro Kano, so wie ich das aus mehreren Beiträgen verstanden habe, eher nicht das anzustrebende Ziel !???
Fangen wir hinten an: die alleinige Ausrichtung des Trainings auf Wettkämpfe ist mit Sicherheit niemals das anzustrebende Ziel Kanos gewesen. Ob es wirklich viele Vereine gibt, in denen von Beginn an die Ausrichtung des Trainings dennoch auf Wettkampf gerichtet ist, muss ich bezweifeln. Einige sicher, aber zumindest in meinem Umfeld kenne ich keinen einzigen. Das kann aber andernorts anders sein.
Die Diskussion um Sport und Erziehung ist insgesamt eine äußerst komplexe und die zentrale Fragestellung ist, ob es denn tatsächlich einen Transfer vom Sport in den außersportlichen Bereich gibt. Man müsste mindestens die Bereiche
- "Erziehung zum Judo/Sport"
- "Erziehung innerhalb des Judo/Sport"
- "Erziehung durch Judo/Sport"
voneinander unterscheiden. Vergessen wir auch bitte nicht, dass wir im deutschen Sprachraum den Begriff "Erziehung" meist im Sinne einer normativ-ethischen Erziehung und/oder der Herausbildung von Charaktereigenschaften verstehen. Davon abgegrenzt wird im deutschen Sprachraum der Begriff "Bildung" verwendet, während das englische "education" beide Bereiche umfasst. In Deutschland hieß der Schulsport auch einmal "Leibeserziehung", während heute nur noch "Sport" auf dem Zeugnis steht und die Frage in den Hintergrund tritt, ob denn von der Erziehung des Leibes noch etwas übrig geblieben ist.
Ich persönlich bin ausgesprochen skeptisch, ob es gelingen kann, Verhaltensnormen, die innerhalb des Sportes gelten allein durch sportliches Training, auch auf den außersportlichen Bereich zu übertragen. Damit "sportliche Haltung" zu einer Lebenseinstellung wird, bedarf es schon mehr als nur zwei- oder dreimaliges wöchentliches im Sinne des Wettkampfsports "sachgerechtes" Training. Erziehender Sport muss in jedem Fall anders ausgestaltet sein, als "nur" Training.
Was den zum Teil dramatischen Mitgliederschwund zwischen Gelb- und Grüngurt angeht, muss man einmal genau in die Trainingsgestaltung für diese Ausbildungsstufe hineinschauen. Vielen ÜL/Trainern täte ein wenig mehr Selbstkritik gut, anstatt auf allerlei äußere Umstände (Schulwechsel, allgemeiner Leistungsdruck, veränderte Lebensbedingungen usw.) zu schauen, die unbestreitbar auch einen negativen Einfluss haben, die aber genauso unbestreitbar ein wunderbares Alibi liefern.