Mitesco hat geschrieben:Ich finde die neue Regel eher eine Herausforderung besser Judo zu machen. Wer aber auch besser Judo macht, wird nicht viel zu leiden haben von Fehlentscheidungen der Kampfrichter.
Das ist der Punkt! Die zentrale Frage ist: "Welche Verhaltensweise möchte man eliminieren?" In den letzten Jahren hat es immer mehr um sich gegriffen, dass Kämpfer ohne weitere Vorbereitung die Hose des Gegner gefasst und dann irgendwie daran gezogen haben. Wenn daraus ein Ippon wird, dann soll es auch so sein, aber sehr oft wurde dann einfach nur Richtung Mattenrand los gesprintet um eine Kampfunterbrechung zu erzwingen. Angriffsaktivität praktisch ohne jedes Risiko gekontert zu werden.
Eines der Hauptziele der Regeländerungen ist es, "negatives" Judo - insbesondere extrem abgebeugte Haltung - zu reduzieren. Das hat auch einiges mit dem Fassen der Hose zu tun.
Ein aufrecht stehender Kämpfer läuft naturgemäß eher Gefahr einer Beinfasstechnik zum Opfer zu fallen, wie ein abgebeugt stehender. Gebeugte Kampfhaltung ist also (auch) ein Mittel zum Schutz vor Beinfasstechniken. Zwingt man nun die Kämpfer durch Regeländerungen aufrechter zu stehen, würde man Beinfasstechniken weiter begünstigen.
Auf der anderen Seite sind diese Beinfasser vor allem eines der wenigen Angriffsmittel, das gebeugt stehenden Kämpfern bleibt - vor allem als Notlösung, bevor man eine Passivitätsstrafe erhält.
Will man also durch Regeländerungen die Kämpfer zu mehr "klassischem" Judo zwingen, macht es Sinn, denjenigen, die gebeugt stehen ein wenig von ihren Handlungsoptionen zu nehmen und gleichzeitig das Risiko für die aufrecht Stehenden zu reduzieren.
Eine Frage muss nur noch beantwortet werden: Warum ist das aufrechte Kämpfen so erstrebenswert, wenn man doch anders offensichtlich im Wettkampf mindestens genauso gut - wenn nicht sogar besser - zurecht kommt?
Die Antwort ist ganz einfach: im Randori und im Wettkampf sind Atemi-waza nicht erlaubt. Judo soll aber auch ein Kampfstil gepflegt werden, der als ein Training für Kämpfe außerhalb des geschütztes Raumes sinnvoll ist. Der gebeugt stehende Kämpfer ist aber anfällig für Atemi-waza (Schläge auf Nacken/Rücken, Tritte mit dem Knie etc.). Da aber eine derartige Körperhaltung nicht durch (Atemi-)Techniken des Gegners "bestraft" werden kann, muss die Strafe durch Sanktionen innerhalb der Wettkampfregeln erfolgen.
Es ist ein extrem schwieriger Balance-Akt, wenn man versucht die Regeln so zu gestalten, dass der Sieg im Idealfall nur über ideales Judo führt. Und deshalb hat Mitesco vollkommen recht: je besser das Judo, desto weniger Angst vor den Regeländerungen.