kastow hat geschrieben:
b) Bisher konnte ich mit den Inhalten der Ju-no-kata nicht viel anfangen. Sie erschien mir recht 'praxisfern'. Aber das ändert sich gerade durch die Erläuterungen hier und die von Udo verlinkten Lehrvideos.
Praxisfern - ein ehrlicher Ausdruck, wofür die Ju-no-kata meist angesehen wird. Was hat das alles mit Judo zu tun?
Es ist eine Übung zur Steigerung/Erhaltung der Beweglichkeit - etwas, was durch "hartes" Judo-Training im Laufe der Zeit verloren geht, bzw. sich gar nicht erst aufbaut. Judo ist aber auch ein System der umfassenden körperlichen Ertüchtigung! Übungen zur Beweglichkeit gehören daher zu einem Judotraining unbedingt dazu. Alles andere wäre einseitig!
Judo in "Zeitlupe" und mit minimalem Krafteinsatz fördert in besonderer Weise das technische Verständnis und ist ein sehr effektives, aber viel zu selten eingesetztes Trainingsmittel. Insbesondere der entscheidende Moment der Vereinigung der Kräfte (Riai) kommt bei Übungen in Originaltempo oft zu kurz und kann ich Zeitlupe viel bewusster studiert werden. Zu
Trainingszwecken sollten IMHO alle Techniken und Kata auch in Zeitlupe ausgeführt werden.
Shizentai, Jigotai, Tai-Sabaki - alles Dinge, die in vornehmlich älteren Judobüchern immer als Grundlagen beschrieben werden, jedoch im Trainingsalltag in der Regel keine Rolle spielen. Kaum jemand, der nicht eine andere Budodisziplin (wie Karate oder Aikido) betreibt, kann sich im Jigotai bewegen, als vorwärts oder rückwärts gehen, geschweige denn Drehungen machen. Man sieht diese Defizite immer wieder in der Nage-no-Kata bei Sumi-aeshi oder Uki-waza. Ju-no-Kata ist eine fantastische Übung zum Stehen, Gehen, Drehen!
Das Prinzip der größtmöglichen Wirksamkeit ist anders ausgedrückt das Prinzip des geringstmöglichen Krafteinsatzes. Dies erfordert eine fein dosierte Körperspannung - so gespannt wir nötig, so entspannt wie möglich. "Hartes" Judo-Training tendiert zu "verspannten" Bewegungen, will sagen, dass dass die Krafteinsätze nicht wirklich ökonomisch, sondern "überschießend" sind. Ju-no-Kata (wie jede Zeitlupenübung) lehrt uns, die Krafteinsätze besser zu dosieren.
Die stilisierten Anfangsbewegungen vieler Techniken sind Übungen für Nai-Ki - oder die Aktivierung der "inneren Energie". Die "kosmische Energie" soll "eingesammelt" und in unserem Hara konzentriert werden um dann für die Technik nutzbar zu sein. Hara spielt eine große Rolle in dieser Kata, als Bindeglied zwischen mentaler und physischer Kraft. Aber bevor es esoterisch wird: die meisten Menschen sind in ihren Extremitäten zu angespannt und verkrampft, dafür in ihrer Körpermitte zu schwach und sich dessen gar nicht bewusst. Die Übungen dienen der Stärkung der Körpermitte und damit einer harmonischeren Balance.
Ein guter Lehrer für die Ju-no-Kata ist einer, der die Kata so vermittelt, dass der Übungswert deutlich wird und nicht nur die rein mechanischen Abläufe erklärt. Und wenn Euch das nächste mal jemand die Ju-no-Kata als "Frauenkata" verkaufen will: fragt doch einfach mal, warum denn nur Frauen diese Dinge üben sollen.