"Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

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Christian
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"Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von Christian »

Aktuell wird ja in der Politik groß diskutiert.
Soll das Jugendstrafrecht verschärft werden, ja / nein und wenn ja, wie.

Einigen ist wahrscheinlich der Begriff der amerikanischen "Boot Camps" ein Begriff, wo die Inhaftierten gedemütigt und heruntergemacht werden bis auf das Letzte. Diese Camps sind nicht wirklich nutzbringend und haben Rückfallquoten bei den Jugendlichen von gut 70 %.

Vor kurzem kam ein Bericht im Fernseh über ein Trainingscamp, welches sich "Durchboxen im Leben" nennt.
Das Projekt wird von Lothar Kannenberg geleitet. Auf der Homepage findet ihr einiges an Beschreibungen und auch TV-Beiträge.

Im Mittelpunkt des Aufenthaltes steht für die Jugendlichen der Sport, in diesem Falle Boxen. Ich finde es klasse wie ein Mensch so ein Projekt auf die Beine stellt und so eine Kombination bzw. eine Verbindung zwischen dem Sport und der Pädagogik schafft.
Das Konzept findet ihr hier.
Die Teilnehmer kommen freiwillig in dieses "Heim" und bleiben dort ein halbes Jahr.

Ich weiß nicht wie groß die Rückfallquote ist, aber ich kann mir schon gut vorstellen, dass diese Art von Arbeit erfolgsversprechend ist.

Wenn ich mich richtig erinnere arbeitet Olaf zusammen mit einem Kinderheim und trainiert diese Kinder / Jugendliche.
Würde mich über einen kleine aktuellen Erfahrungsbericht von dir freuen *zwinker* (einen hab ich sogar schon gefunden, welcher 1 Jahr alt ist *klick*)


Ich würde mich über eure Meinung freuen, was ihr von diesen Projekten haltet, ob ihr selbst schon bei solchen Projekten mitgewirkt habt oder ob ihr es euch zutrauen würdet so ein Projekt ins Leben zu rufen.
schöne Grüße
Christian
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Syniad
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Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von Syniad »

Christian hat geschrieben: Ich würde mich über eure Meinung freuen, was ihr von diesen Projekten haltet, ob ihr selbst schon bei solchen Projekten mitgewirkt habt oder ob ihr es euch zutrauen würdet so ein Projekt ins Leben zu rufen.
Ich denke, es ist sehr klug, dass Herr Kannenberg nur Leute einstellt, die selbst - wie heißt es auf der Homepage so schön - "Brüche" in der eigenen Biographie haben, damit sie glaubwürdig sind. Das ist ein wichtiger Punkt in dem Konzept.
Damit kämen wohl viele von uns nicht in Frage als Leiter oder Mitgestalter eines solchen Konzepts, es sei denn, man wirft diesen Punkt über Bord...

Gruß,
Sonja
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disputatio
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Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von disputatio »

Ich habe die Berichte über dieses "Heim" auch schon des öfteren gesehen ;-)

Ich bin dem ganzen zwar ein bisschen kritisch gegenüberstehend, aber das muss bei mir nichts schlimmes sein ;-) Und besser als die Vorbilder aus den USA finde ich es sowieso.
So wie die dort behandelt werden, bzw. das, was von der Behandlung öffentlich gezeigt wird (ich denke da muss man unterscheiden ;-) ) wundert es mich nicht, dass die dort rückfällig werden.
Sie kommen oftmals gegen ihren Willen in solch ein Boot-Camp, das fördert Aggressionen.
Sie werden dort nicht gerade super behandelt, das fördert auch Aggressionen.
Diese Aggressionen müssen nach dem Aufenthalt eben irgendwie abgebaut werden, das führt zum Rückfall.

Wenn man einem hier die Wahl gibt: Jugendgefängnis oder "Box dich raus"-Camp, ist das meiner Meinung nach schon mal ein ganz anderer, besserer Anfang.
Es fängt ja schon damit an, dass man die Jugendlichen weiterhin respektvoll als Teil der Gesellschaft behandelt, indem man ihnen die Wahl lässt und die Option der etwas anderen Besserung gibt ;-)

-- EDIT --
Und nun, nach Syniads Beitrag, fühle ich mich nahezu verpflichtet, ihr zuzustimmen ;-)
Wenn man "sowas" selber noch nicht durchgemacht hat, dann fällt es einem auch schwer, sich in die Situation der Jugendlichen reinzuversetzen und ihnen somit zu helfen.
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sankaku
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Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von sankaku »

Ich finde das Projekt "Box dich raus" eine durchaus gelungene und sinnvolle Angelegenheit.

Vielleicht wäre sowas zukünftig auch mit Judo machbar.


Doch leider ist ja unter einigen an dieser Stelle schon die Disskussion im Gange, was es bringen sollte, wenn man strafauffällig gewordenen Jugendlichen auch noch auf Staatskosten beibringt, wie sie zukünftig noch härter und gezielter zuschlagen könnten.

Hier ist also noch sehr viel Überzeugungsarbeit in unserer Gesellschaft zu leisten, wobei die Ergebnisse (Rückfallquoten, Finanzbedarf, ...) solcher Projekte wie "Box dich frei" hoffentlich dazu beitragen können.
disputatio
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Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von disputatio »

sankaku hat geschrieben:Doch leider ist ja unter einigen an dieser Stelle schon die Disskussion im Gange, was es bringen sollte, wenn man strafauffällig gewordenen Jugendlichen auch noch auf Staatskosten beibringt, wie sie zukünftig noch härter und gezielter zuschlagen könnten.
Ich kann diese Diskussion aber durchaus nachvollziehen.
Wie gesagt: Ich bin dem noch kritisch gegenüber ;-)

Allerdings scheint der Erfolg bisher ja Recht zu geben.
BadenIkkyu

Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von BadenIkkyu »

Ich finde so ein Projekt gut als werdender Sozailpädagoge. Mir schwebt selber vor, so etwas mal zu machen z.B als Bachelor Projekt oder sonstwie im Studium.Natürlich mit Judo EWs gibt genügend ermutigende Berichte von solchen und ähnlichen Projekten
kanou65m
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Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von kanou65m »

hallo christian
ich habe mir dazu auch schon meine gedanken gemacht.
zunächst als vereinsfunktionär, dann als judo-lehrer.
unserem verein würde ein zusätzliches angebot, welches in diese richtung zielt, gut bekommen.wir reden hier auch von viel geld!
problematisch -wie immer- qualifiziertes fachpersonal.
als judo-lehrer fühle ich mich einer solchen aufgabe nicht gewachsen, dazu fehlt mir die entsprechende qualifikation!
ich würde mich freuen, wenn uns unsere landesverbände mal eine info-veranstaltung zu dem thema anbieten würden.
als judo-lehrer unterrichte ich kinder von 7-14-das macht laut statistik 75% der judoka aus.
inwieweit sich das mit solchen "bösen buben" in unserem dojo verträgt....?

mit freundlichem gruß
kanou65
BadenIkkyu

Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von BadenIkkyu »

kanou65m hat geschrieben: als judo-lehrer unterrichte ich kinder von 7-14-das macht laut statistik 75% der judoka aus.
inwieweit sich das mit solchen "bösen buben" in unserem dojo verträgt....?

mit freundlichem gruß
kanou65
Kanou da kann ich dich beruhigen.Wenn du die bösen jungs in eine normale Gruppe altersgerecht integrierst werden die anderen- die ja dann auch schon Judomäßig weiter sind-. in der Gruppe die Bad Guys schon zurechtstutzen bzw kurzhalten.Oder trainieren bei Euch alle Altersgruppen durcheinander?
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Syniad
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Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von Syniad »

BadenIkkyu hat geschrieben: Kanou da kann ich dich beruhigen.Wenn du die bösen jungs in eine normale Gruppe altersgerecht integrierst werden die anderen- die ja dann auch schon Judomäßig weiter sind-. in der Gruppe die Bad Guys schon zurechtstutzen bzw kurzhalten.
Ich glaube nicht, dass das so einfach ist. Da kann man sich nicht mit einem "Die Gruppe wird schon alle Probleme lösen" aus der Verantwortung stehlen. Wir reden hier nicht von frechen kleinen Kindern, sondern von straf- oder "nur" verhaltensauffälligen Jugendlichen (ich schlage hiermit vor, dass im weiteren Verlauf der Diskussion stärker differenziert wird, was Alter und Vorgeschichte der jungen Menschen betrifft). Das große Problem daran ist, dass diese für gewöhnlich nicht "erstsozialisiert" sind und vieles erst lernen müssen, was sogar für wesentlich jüngere Kinder bereits selbstverständlich ist, so sie denn in einem "gewöhnlichen" Unfeld aufgewachsen sind. Nur sind es eben keine Kinder mehr...
Und sogar wenn das funktionieren würde, würde es als Einzelmaßnahme nicht viel bringen. Das muss in einen durchdachten, systematisch aufgebauten Rahmen stattfinden, in dem das Training eine Maßnahme unter vielen ist, denke ich. Ich fände einen Beitrag von Olaf ebenfalls sehr interessant.
Olaf, es wäre schön, wenn Du mal Zeit dafür fändest!

Viele Grüße,
Sonja

edit: Politisch aktuell dazu: http://www.cdu.de/doc/pdfc/Wiesbadender_Erklaerung.pdf
S. 6-9 nach Paginierung (also unten im pdf-Feld ab S. 7, da das Titelblatt mitgezählt wird)
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Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von judoka50 »

Ich finde so ein Projekt gut als werdender Sozailpädagoge
Na ja - mit 40 Jahren Erfahrung im Dienste der Justiz habe ich da eine geteilte Meinung zur Resozialisierung von Jugendlichen Straftätern.
Ich hätte gerne einen Link hier hineingestellt zu:
Stenkelfeld - Das neue Jugendstrafrecht.mp3 Dort werden die härteren Gangarten erläutert.
(Kleinen Ausschnitt habe ich schon mal gefunden:http://www.treffpunktmusikshop.de/shop/ ... &codec=wma)
Angefangen vom strengen Leben am Strand der Karibik über die Segeltouren mit jugendlichen Straftätern bis hin zu den Erziehungs- Kutschfahrten in der Toscana. Wer die Möglichkeit hat sich dies mal anzuhören......
Da helfen dann keine "sanften" Touren mehr bei uns - da sollte man mal etwas härter ran, auch wenn Sozialpädagogen am Anfang vielleicht anders denken - aber ich kenne viele, die nach zig Jahren resigniert haben.
Übrigens, eine Segeltour mit Straftätern oder Drogensüchtigen, die wochenlang auf See sind, hat oft nur etwas für ein paar Monate gebracht und ein Schweinegeld gekostet. Na ja einer von hundert zurück auf der richtigen Schiene - ist natürlich auch etwas. Vielleicht haben die Camp's ja ne höhere Erfolgsquote - vermutlich aber sind sie mit Sicherheit preiswerter.
Übrigens, wenn man die Statistiken mal richtig liest und sich damit beschäftigt, dann hat man auch einen realistischen Überblick an der Beteiligung Ausländischer Mitbürger an Straftaten im Verhältnis zu Deutschen Jugendlichen.
- Das soll jetzt keine Haß schüren - aber durch diese Tatsachen sind jetzt die Stimmen laut geworden.
Viele Grüße
U d o
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Olaf
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Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von Olaf »

Hallo ihr Lieben, ich habe eben kurz vor dem Schlafengehen noch diesen Thread entdeckt. Ich werde versuchen morgen etwas dazu zu schreiben. Nun ist es doch etwas spät für einen ausführlichen Beitrag.
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Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von Lin Chung »

Das viele Anlaufstellen für Jugendliche geschlossen werden ist mit eine Ursache der Gewalt.
Grüße
Norbert Bosse
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Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von Niedersachsenjudoka »

Kann man das Thema auch um die Frage nach schärferen Jugendstrafgesetzbuch bzw Jugendgerichtsgesetz erweitern?
Zuletzt geändert von Niedersachsenjudoka am 07.01.2008, 13:53, insgesamt 1-mal geändert.
Gruß
niedersachsenjudoka

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Manchmal hasst man den Menschen am stärksten, den man am meisten liebt, denn er ist der Einzige, der einem wirklich weh tun kann.
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Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von Christian »

Vielleicht meinst du das Jugendstrafrecht (mit den genauen Bezeichnungen kenne ich mich nicht aus, hab jedenfalls noch nichts von einem Jugendstrafgesetzbuch gehört; Udo???). Das aber zwei völlig verschiedene Themen.
Hier soll es um Maßnahmen gehen, wie man Jugendliche, welche auf der schiefen Bahn sind durch den Sport wieder resozialisieren kann und nicht wie man sie am besten länger wegsperrt.
schöne Grüße
Christian
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Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von Niedersachsenjudoka »

Naja einen indirekten Zusammenhang gibt es ja schon.
Ja deswegen habe ich ja auch gefragt.

Ja danke
mein Fehler: Jugenstrafrecht= Jugendgerichtsgesetz
Gruß
niedersachsenjudoka

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Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von Christian »

Dann stell doch deine Meinung da, wo du für dich den Zusammenhang siehst. Dann können wir darüber weiterdiskutieren.
schöne Grüße
Christian
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Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von judoka50 »

Die Möglichkeiten zur Bestrafung sind da und die gab es auch schon früher.
(Beispiel Wochenendarreste) Aber für die Delikte, für die es früher einen Wochenendarrest gab, die werden heute mit einem freundlichen "Du Du - das darfst Du nicht", nach 4 Monaten Berarbeitungszeit eingestellt. (Stichwort lange Bearbeitungszeiten aufgrund Einsparungen).
Auch früher wurden Antennen abgebrochen, Mercedes Sterne geklaut usw. aber dafür gabs dann kein Gespräch mit einem Sozialpadagogen ein halbes Jahr nach der Tat, da folgte die Strafe, ob Wochenende oder Freizeitarabeit recht flott.
Viele Grüße
U d o
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The_Rod
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Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von The_Rod »

Wenn ich das so lese dann muss ich wohl wieder ab zum Bund und aus meiner Reservisten Rolle heraus und mal ne neue Grundausbildung halten. Gebt denen nur 3 Monate mit mir und nen paar Kameraden und wir haben die resozialisiert oder sie werden abgeschoben.

Solche Leute gehören nicht nach Deutschland! Echt mal. Auch in den Knast gehören die nicht. Kostet alles nur Geld und nüzt meiner Meinung nach nicht viel!

MFG NILS
1 . Kyu Judo

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Olaf
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Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von Olaf »

So, hier einige Bemerkungen, die erst einmal nichts mit meiner Arbeit mit schwierigen Jugendlichen zu tun haben, aber das muss auch mal raus. Was haben unsere Politiker den in den letzten Tagen so von sich gegeben.

"Wir brauchen einen Warnschussarrest": Was soll das denn sein? Im Jugendstrafrecht gibt es schon jetzt drei verschiedene Stufen der Strafzumessung. Die mittelschwere davon ist das "Zuchtmittel". Dieses beinhaltet verschiedene Formen des Arrestes (Kurz-, Freizeit- und Dauerarrest). Hiermit sollten alle Varianten eines Warnschussaresstes abgedeckt sein. :dontknow

"Wir brauchen härtere Jugendstrafen": Die Jugendstrafen für verschiedene Delikte sind bereits recht hoch. Der Ermessensspielraum des Richters ist jedoch sehr groß. Grundlage des Jugendstrafrechts ist erklärtermaßen nicht der Straf- sondern der Erziehungsgedanke. Der Richter ist verpflichtet, das Urteil zu sprechen, welches den größtmöglichen Erfolg zur Resozialisierung verspricht und hierfür ist eine Haftstrafe erwiesenermaßen nicht geeignet. Jugendliche welche längere Zeit inhaftiert waren haben, so weit ich weiß, den geringsten Anteil an gelungenen Resozialisierungen. Im Übrigen hat das Jugendstrafrecht gerade erst letzten Jahr die ultimative Verschärfung erfahren. Auch für Jugendliche ist nun die Möglichkeit der "Sicherungsverwahrung" gegeben. Das heißt sie könnten auch nach Ende der Verbüßung ihrer Haftstrafe auf unbestimmte Zeit in Verwahrung verbleiben. Ich habe nicht gehört, dass nun jugendliche Intensivtäter deswegen zittern. :P

"Straftaten von Jugendlichen müssen schneller verfolgt werden": Teilweise wird der Eindruck vermittelt als wenn die Justiz die Schuld an der langen Zeit zwischen Delikt und Verfahren trägt. Die Justiz ist aber weder für die Gesetzgebung noch für ihre eigene Ausstattung verantwortlich. Zum einen sind enorm viele neue Delikte dazugekommen um die sich die Justiz kümmern muss (z.B. Urheberrecht bei elektronischen Medien, Umweltdelikte etc.), zum anderen ist die personelle Ausstattung der Justiz immer geringer geworden. Dieses Missverhältnis wird durch geänderte, bzw. verschärfte Gesetze nicht behoben und ich habe noch keinen Politiker gehört der in den letzten Wochen lauthals nach besserer Ausstattung der Justiz gerufen hätte. Gerade heute hat eine Partei in Hannover die bessere Ausstattung der Polizei und schnellere Verfahren gefordert. Von besserer Ausstattung der Justiz, oder noch viel besser, der Jugendarbeit (in Schulen, Vereinen Jugendzentren, Sporthallen usw.) ist nicht die Rede. :BangHead

"Kriminelle ausländische Jugendliche müssen schnellstens abgeschoben werden.": Hey, Superidee. Dann brauchen wir uns auch keine Gedanken darüber machen was den Jugendlichen entsprechend verkorkst hat. Zur Erinnerung. Der 20jährige Türke aus der Münchener U-Bahn hat in seinem ganzen Leben nur 2 Wochen Urlaub in der Türkei gemacht. Stellt sich also die Frage welcher Staat für die Entwicklung dieses Burschen verantwortlich ist. Die Türkei?? Wohl eher nicht, aber so bin ich meinen eigenen Fehler los und muss nicht drüber nachdenken wie es so weit kommen konnte. :angry4

Man könnte noch weitermachen aber ich rege mich langsam auch und wollte ja noch was sinnvolles über meine Arbeit mit Jugendlichen schreiben.

Wer sich erschöpfend mit dem Thema auseinandersetzen möchte, kann z. B. hier http://tobias-lib.ub.uni-tuebingen.de/v ... mono_9.pdf schauen. Ist zwar schon von 1999 aber da gab es die gleiche Diskussion wie jetzt auch schon.
Immer wieder muß das Unmögliche versucht werden,
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Re: "Trainingscamps" für straf- oder auffällige Jugendliche

Beitrag von Olaf »

Zur Arbeit mit "Problemjugendlichen"

Grundlage der Jugendhilfe in fast allen Bundesländern ist die Freiwilligkeit. Auch die Aufnahme in ein Heim oder das Boxcamp ist erst einmal freiwillig.
Die Grundannahme ist, dass ein Jugendlicher, der freiwillig in eine solche Einrichtung geht, willens ist sein Verhaltens ernsthaft zu ändern.
AAAber, oft ist es so, dass z. B. die Freiwilligkeit darauf beruht, dass ein Richter die Wahl gelassen hat, entweder du gehst dort hin oder in den Knast. Damit ist der Gedanke der Freiwilligkeit natürlich ad absurdum geführt und man kann sich vorstellen wie willens die Jugendlichen dann sind sich auf die entsprechende Massnahme einzulassen. Im Boxcamp hat man dies dahingehend gelöst, dass der Neuankömmling von einem Paten betreut wird, der für das Verhalten des Neulings zu einem gewissen Maße verantwortlich ist. Das heißt, er bekommt einen Teil der Sanktion für Fehlverhalten ab. Er ist dementsprechend motiviert diesem die Regeln zu verdeutlichen. Bei Verspätungen einzelner Gruppenmitglieder ist übrigens die ganze Gruppe dran, z. B. mit Liegestützen bis alle vollständig sind. Das sorgt für Gruppendruck. Jeder darf sich eigene Gedanken zu dieser Methodik machen.

Vieles (fast alles) im Rahmen des Heimaufenthalt ist erst einmal nicht freiwillig. Zum Beispiel geht fast kein notorischer Schulschwänzer plötzlich freiwillig wieder zur Schule und stellt sich dem dortigen Druck. Er hat Vermeidungsstrategien entwickelt um seine Defizite in der Bildung zu verbergen. Bestätigung holt er sich durch andere Beschäftigungen. Im besten Falle am PC oder an der Playstation, im Ungünstigsten Falle durch gewaltätiges oder kriminelles Verhalten welches durch seine Peer-Group noch bestätigt und damit verstärkt wird.

Nun biete ich in einem Heim für verhaltensauffällige und kriminell gewordene Kinder und Jugendliche Judo an. Dieses Angebot unterscheidet sich von den Sonstigen der Einrichtung schon einmal darin, dass es auf absoluter Freiwilligkeit beruht. Sinn ist es, den Zwangscharakter vieler anderer Angebote zu durchbrechen und es dadurch umso interessanter zu machen. Allerdings verlange ich, bei Abwesenheit eine persönliche Abmeldung bei mir. Dadurch müssen die Jugendlichen zu ihren Handlungen und Entscheidungen stehen. Selbst dieser kleine Schritt ist erstaunlicherweise für diese oft großmäuligen Jugendlichen zu viel und sie versuchen sich dieser Abmeldung zu entziehen.
Schon nach kurzer Zeit kann man bemerken, welch extrem geringes Selbstbewußtsein und welche großen Unsicherheiten diese Jugendlichen eigentlich prägen. Innerhalb des engen Rahmens der Heimregeln und auch der Regeln des Judosportes erlangen sie Sicherheit obwohl sie, vor allem zu Beginn, permanent versuchen die Regeln und die Reaktion der Erziehungshandelnden zu testen. Hier darf man nicht nachgiebig sein und muss die Regeln, auch mit Sanktionierung, durchsetzen. Wichtig ist jedoch, die Jugendlichen dabei nicht zu demütigen. Hier greift der Judogrundsatz des "gegenseitigen Wohlergehens". Ich muss mich immer wieder daran erinnern, wie fragil die Vertrauensbeziehung zu diesen Jugendlichen ist.
Im Notfall muss der Jugendliche für den Trainingstag die Gruppe verlassen (z.B. bei fortgesetzter Störung des Unterrichts oder bei Gewaltanwendung) wenn die anderen geschützt werden müssen. Dies muss ohne Gesichtsverlust geschehen. Wie das zu bewerkstelligen ist, ist nicht pauschal zu beantworten, sondern muss situativ immer neu erlebt und gehandhabt werden.

Klasse, und für mich alle Erwartungen übertreffend war, welche Effekte ich durch Judo bei diesen Kids erreichen konnte. Die Kids wurden ausdauernder im Erreichen von Zielen, disziplinierter, weniger aggressiv, kameradschaftlich im positiven Sinne und einiges Positives mehr.

Wichtig war es mir und der Heimleitung jedoch vor allem, den Kids eine alternative Verhaltensweise für ihre Zeit nach der Jugendhilfe anzubieten und zu verinnerlichen. Nach Ende der Jugendhilfemassnahme gehen die Kids häufig wieder nach Hause und sind dort aus mehreren Gründen stigmatisiert. Sie sind noch als die chaotischen Kids in Erinnerung, als die sie ihr Umfeld verlassen haben. Die "normalen" Jugendlichen wollen mit dem "Heimkind" häufig nichts zu tun haben, Eltern verbieten den Umgang usw. Sie landen also oft bei ihren alten Freunden und nehmen ihre alten Verhaltensweisen wieder auf um sich in diesem Umfeld wieder Respekt und Anerkennung zu verschaffen.

Eine Alternative kann die Aufnahme im Sportverein sein und je erfolgreicher und besser der Sportler, desto größer ist die Chance direkt Erfolgserlebnisse zu haben. Mit etwas Glück ist der/die Jugendliche im neuen Umfeld Sportverein auch nicht so bekannt wie z.B. auf seiner alten Schule. Unser Ziel ist daher, den Kindern nicht nur den Judosport im Heim nahezubringen, sondern wichtiger ist diese Jugendlichen, wenn sie ein sozialverträgliches Verhalten erlernz haben, auch in meinen Verein zu integrieren.

Dieses Projekt ist mittlerweile hocherfolgreich. Mehr Informationen dazu gibt es auf unserer Homepage und demnächst auch in einem größeren Beitrag im Judomagazin. Am 8. Februar wird das Projekt auch auf dem niedersächsischen "Ball des Sports" vorgestellt. Ich weiß allerdings nicht in welchem Rahmen. Es hieß nur, man braucht Fotos für eine Präsentation.

Tja, wer noch mehr Infos zum Ablauf, Trainingsinhalt oder so haben möchte schickt mir am besten eine PN mit der direkten Frage.
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