Also erstens: ich kenne einige Jûdôka, die sich drei oder gar alle vier Module dieser "SV-Lehrer-Ausbildung" des DJB angetan haben.
Übereinstimmender Tenor: Wenn man diese Dinge tatsächlich in einer Ernstfall-Situation versucht, ohne irgendwelche nennenswerte Erfahrung auf dem Gebiet des regellosen Kampfes zu haben, dann ist das nichts weiter als eine Anleitung zum "Schöner Sterben".
Ich sage es noch mal, da es hier untergegangen zu sein scheint: man muß, wenn man realitätsorientierte SV anbieten will, auch relitätsorientiert trainieren.
Dazu gehört, daß man weniger über "Gefahrenerkennung" und "Körpersprache" redet (auch wenn das nicht ganz unwichtig ist) und viel mehr praxisbezogen arbeitet.
Was das Modul "Goshin Jutsu no Kata" in einer "SV-Ausbildung" zu suchen hat, kann auch niemand schlüssig beantworten.
Und, lieber Judoka 50: Doch, ich weiß, wovon ich rede (im Gegensatz zu manch anderem.)
Erstens ist das mit dem "Selbstbewußtsein" eine nicht ganz unumstrittene Sache. Ich weiß nicht, in welch friedlichen, ruhigen Gegenden ihr so wohnt, aber ich möchte doch gern mal sehen, wie sich jemand nach dieser SV-Lehrer-Ausbildung" in meiner Heimatstadt Halle durch ein "Problemviertel" wie die Silberhöhe bewegt ...
Selbstsicherheit ausstrahlen? Ja, bitte! Nur zu! Es gibt da nämlich gar nicht so wenige durchgeknallte Typen, die nichts lieber tun, als selbstsicher auftretende Menschen umzuhauen - besonders beliebt sind da Kampfsportler, denn in der finsteren Welt dieser Durchgeknallten verbessert sich das eigene Image, wenn man einen Kampfsportler (am besten einen Schwarzgurt) niedermacht und ihn zu einem wimmernden, blutigen Klumpen verarbeitet.
Ich weiß, wovon ich rede - in all den viele Jahren, die ich Einlaßdienst in diversen Kaschemmen gemacht habe, mußte ich immer wieder miterleben, wie selbstbewußte, kräftige Kampfsportler dermaßen auf's Dach bekommen haben von irgendwelchen brutalen, zu allem entschlossenen Würstchen ... und immer wieder habe ich erlebt, daß selbst Kickboxer ganz selbstverständlich annahmen, daß in einer solchen Klopperei irgendwelche Regeln gelten würden ... Überraschung!!
Wenn man also SV anbietet, dann aber bitte unbedingt realitätsorientiert und praxisrelevant!!!
Alles andere ist Humbug - und zudem sehr gefährlich, da es ein falsches Selbstvertrauen fördert.
Es geht eben nicht, daß man SV unterrichtet nach dem Motto "Wenn der so macht, dann mach' ich so - und dann ziehe ich hier diesen echt gefährlichen Hebel ..."
Ich muß es noch einmal sagen, auch wenn das die Harmonie hier wohl ein wenig trüben wird: Die allermeisten jener "Lehrer", die da so SV unterrichten (und das gilt nicht nur im DJB) haben noch nie in ihrem Leben eine entsprechende Ernstfall-Erfahrung gemacht. (Und was die Polizei angeht - Polizisten sind nur bedingt als SV-Lehrer geeignet, da sie stets in Kommando-Einheiten agieren, jederzeit Unterstützung anfordern können und außerdem bewaffnet sind. Der Normalbürger aber steht im Ernstfall allein da ... mal drüber nachdenken, ja?)
Zudem gibt es offenbar eine gewisse Hybris: ja, man möchte irgendwie schon SV anbieten im DJB (nachdem man vor über 20 Jahren konsequent alle aus dem Verband vertrieben hat, die sich damit wenigstens in den Grundzügen auskannten!!).
Aber diese nun angebotene "SV" soll doch andererseits den üblichen Betrieb nicht stören und vor allem nicht zu unbequemen Fragen führen (darauf gehe ich gleich ein).
Symptomatisch dafür ist die Meinung von Udo, der da schrieb: "Selbstverständlich kann man dazu im Judo auch SV anbieten, aber nur in beschränktem Umfang. Vorrangig ist der reine Wettkampfsport."
Na gut, jeder darf halt 'ne eigene Meinung haben.
Allerdings finden wir hier etwas wieder, daß mir tierisch auf die Nerven geht - die absolut unzulässige Gleichsetzung des Jûdô mit dem sportlichen Wettkampfbetrieb.
Na schön, dann eben nochmal für Udo: der Wettkampf ist ein winziger Teil des Jûdô, in der heutigen Form erst nach dem II. WK entstanden.
Wettkampfsport-Jûdô ist nix anderes als eine streng reglementierte, immer wieder verkleinerte Form des Randori (und dieses ist ja nur ein kleiner Teil des Jûdô)
Man kann das so machen, bitte, nix dagegen.
Aber man muß das Ganze mal vom Kopf auf die Füße stellen: das authentische Kodokan Jûdô ist eine traditionelle japanische Kampfkunst, aus der man einen winzig kleinen Teil extrahiert hat (nach Kanos Tod!), um damit Wettkämpfe veranstalten zu können. (Die Wettkämpfe zu Kanos Lebzeiten sahen sehr viel anders aus als das, was wir heute kennen!!).
Wer es umgekehrt sehen will, hat keine Ahnung, so leid es mir tut, und er verbreitet außerdem Unwahrheiten.
Eins noch (zu den unbequemen Fragen): ich bin einigermaßen fassungslos darüber, wie ich schon sagte, daß man meint, die Tritt- und Schlagtechniken von "Experten des Karate und des Taekwondo" unterrichten lassen zu müssen.
Sollte es tatsächlich so sein, daß man keinen hochgraduierten Jûdôka finden konnte, der noch in der Lage war, die extrem einfachen und sehr wirksamen Atemi-Waza des Jûdô zu unterrichten??
DAS würde ich dann wirklich schlimm finden ...
In diesem Sinne - Jiko no Kansei!
Tom
PS: : Ich bin der Meinung, daß es bereits sehr viele "Anti-Gewalt-Projekte" mit und für Jugendliche und explizit für Mädchen gibt.
Ich frage mich schon, wieso der DJB jetzt auf diesen Zug aufspringt - vor allem, wenn derlei Dinge das erklärte Ziel der "SV" des DJB zu sein scheinen.
Ich habe, um Kritik zuvorzukommen, selbst sehr, sehr lange in solchen Projekten mitgearbeitet, weiß also, wovon ich rede.
Meine ehrliche Meinung: diese Dinge sind in der ach so "sozialpädagogischen" Form, wie sie fast immer gehandhabt werden, verschwendete Zeit (ich bin Pädagoge, also unterstellt mir nicht wieder, ich hätte keine Ahnung ...)
Freundliche Grüße
Tom