Bewertungssystem bei Kata-Meisterschaften

Katameisterschaften, Katatraining, Lehrgänge, allgemeine Fragen
tutor!
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Bewertungssystem bei Kata-Meisterschaften

Beitrag von tutor! »

In einer Mischung aus Unkenntnis und vermutlich daraus resultierender Respektlosigkeit fallen regelmäßig leider auch hier immer wieder geringschätzende und abwertende Bemerkungen Kata-Meisterschaften, bzw. die Aktiven derselben. Die Kata würden dort "getanzt" ist noch einer der harmloseren Diskreditierungen. Den Aktiven würde unterstellt, man würde nur die Bewegungen der Kodokan-Videos kopieren.

Wenn es denn tatsächlich so wäre, müsste man dem sogar zustimmen. Aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Soweit das in einem Forenbeitrag überhaupt möglich ist, möchte ich daher die Grundlagen des Bewertungssystems erläutern, sodass auch der Letzte "Kritiker" merkt, auf welchen Holzweg er geraten ist (wodurch auch immer).

Im Kern der Bewertung steht eine Skala von 0 bis 10 für jede Technik. Jede Technik, die nicht ausgelassen wird, bekommt mndestens einen Punkt. Es ergeben sich drei Punktebereiche:

8 bis 10 Punkte: Die Technik weist keinerlei funktionale Definzite auf. Alle Angriffe und Abwehren sind funktional nahezu optimal gelungen. Die Unterschiede zwischen 8 und 10 Punkten ergeben sich aus kleineren Optimierungsmöglichkeiten (im Jargon: "small mistakes"), die aber - und da wiederhole ich mich - nur sehr geringen Einfluss auf die Funktionalität haben. Auf englisch: "correct application of principle (riai)"

5 bis 7 Punkte: Die Technik ist zwar grundsätzlich richtig - es stimmen sowohl die Angriffstechniken als auch die Abwehren - jedoch gibt es einen oder mehrere funktionale Einschränkungen, sodass die Ausführung selbst nicht effektiv ist. Es handelt sich um sogenannte "medium mistakes". Ist eine solche Einschränkung vorhanden, werden von den 10 max. Punkten 3 abgezogen, sodass gewährleistet ist, dass eine Technik mit funktionaler Einschränkung stets niediger bewertet wird, als eine rundum effektive Technik. Auf englisch "incorrect application of principle". Die wichtigsten Kriterien sind dabei:
- korrekte Distanz für Angriff und Verteidiung
- ausreichendes und vor allem durch Tori erarbeitetes Kuzushi
- Übernahme des Gegenerischen Angriffs in die eigene Aktion
- Timing: keiner der beiden darf zu früh oder zu spät reagieren
- Körperhaltung: die Aktionen müssen mit einer Körperhaltung ausgeführt werden, die kraftvolle und effektive Technik erlaubt.
- Tai-sabaki: effiziente Körperdrehungen und -bewegungen
- Kraftrichtung: Zug und Druck müssen in die effektivste Richtung gehen
- Trefferpunkte: Atemi-waza müssen ins Ziel gebracht werden und nicht daneben.

1 bis 5 Punkte: Im Verlauf der Technik kommt es zu einem Kontrollverlust und/oder es wird schlicht eine falsche Technik gemacht (z.B. Ashi guruma statt Harai-goshi oder Hane-goshi statt Uchi-mata. Ist ein solcher "big mistake" vorhanden, ist die Bewertung also immer niediger, als wenn die Technik im Grundsatz erkennbar waren. Auf englisch ("missing of principle).

Der Gütemaßstab, der anzulegen ist, ist also die Effektivität und Qualität, mit der die Aktionen ans Funktionieren gebracht werden. Es geht um Funktionalität und nicht um äußere Form - und schon gar nicht um Kopieren von Bewegungen.

In welchem Punkterahmen bewegen sich die einzelnen Demonstrationen bei Kata-Meisterschaften?

Ohne mittlere Fehler liegt die Wertung >= 80% (=8 von 10 Punkten). Über den Daumen kann man sagen, dass das internationale Mittelfeld etwa zwischen 75 und 78% der maximalen Punkte liegt. Es gelingt also den Aktiven des Mittelfeldes nur bei rund 2/3 aller Techniken diese ohne funktionale Einschränkungen zu demonstrieren. Zwischen 78% und 80% darf man sich Hoffnungen auf internationale Medaillen machen und es gelingt kataübergreifend europaweit derzeit nur einem einzigen Paar stabil über 80% (i.d.R. ca. 82%) der Punkte zu erreichen.

Wie müssen also Aktive trainieren, um erfolgreich zu sein?

Letztlich ist es natürlich so, dass Meisterschafts-TN so trainieren, dass sie letztlich erfolgreich sind. Den Unterschied macht am Ende stets die geringere Zahl der mittleren Fehler, oder mit anderen Worten: den Unterschied macht praktisch ausschließlich die Effektivität der Techniken. Es geht also darum, den Sinn der Technik erst einmal en detail zu verstehen und dann die Aktionen gemäß der zugrundliegenden Theorie mit größtmöglicher Effizienz auszuführen. Wer eine Technik "tanzt", macht sie nicht effektiv. Wer das durchgehend macht, endet unter 70% und damit in Bereiche anderer (Traum-)Tänzer.

Wo liegen die Herausforderungen bei den Bewertungen?

Es ist ziemlich schwierig und erfordert sowohl eine hohe Fachkenntnis als auch ein geschultes Auge, die Schnittstellen in der Bewertung zu erkennen. Liegt also ein mittlerer Fehler vor, oder war es doch nur eine Kleinigkeit, die keinen Einfluss auf die Effizienz einer Technik hat. Oder die Schnittstelle zwischen mittleren und großen Fehlern: war es nur ein schlechter Harai-goshi oder doch schon ein Ashi-guruma? Je mehr Schwächen und Fehler eine Demonstration hat, desto schwieriger wird die Punktevergabe. Deshalb sind Einsteigerkata i.d.R. deutlich schwieriger zu bewerten als Spitzenkata.

Es gäbe noch einiges zu ergänzen - insbesondere das Zusammenwirken der fünf Wertungsrichter (Stichwort: Streichergebnisse) oder die Behandlung formaler Fehler (z.B. falsche Positionierung). Ein anderes Problem ist auch die Anwendbarkeit auf die jeweiligen Kata. Das alles sind aber nur Detailprobleme. Hier geht es mir darum, die grundsätzliche Leitidee darzulegen und vor allem zu begründen, warum die technische Qualität - und kaum etwas anders - über Erfolg oder Misserfolg entscheidet und warum genau aus diesem Grund Kata-Wettkämpfer vielleicht mehr als alle anderen Gruppen im Judo um des Erfolges Willen Ihre Technik aus funktionaler Sicht optimieren müssen. Technische Defizite können durch nichts kompensiert werden - nicht durch Physis, nicht durch Taktik und auch nicht durch eine andere Technikwahl. Für schön aussehen bekommt man nämlich auch bei Kata-Meisterschaften nichts.
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Funktional (Kata im Wettbewerb)

Beitrag von HBt. »

Danke 'tutor!',
für Deine sehr deutlichen Worte!

Einen Punkt, der mir persönlich besonders wichtig erscheint, möchte ich deutlich hervorheben.
(...)
genau aus diesem Grund Kata-Wettkämpfer vielleicht mehr als alle anderen Gruppen im Judo um des Erfolges Willen
Ihre Technik aus funktionaler Sicht optimieren
müssen.

Dies ist der springende Punkt, der alles entscheidene Punkt - aus mechanischer Sicht.


Ich habe darauf gebaut, dass Du die obigen Punkte klarstellst. Danke dafür.


Gruß,
HBt.
Cichorei Kano
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Re: Bewertungssystem bei Kata-Meisterschaften

Beitrag von Cichorei Kano »

I doubt that the criticism of most people is aimed at other people who choose one or another avenue in life. Oftentimes when people criticize they are guided by emotions. That is understandable because having to use in-depth arguments generally requires considerable factual background that most peple in judo simply do not have. People do not like to admit that they do not have knowledge. It's a basic Dunning-Kruger paradox: to know that one lacks intelligence, one needs a minmal of intelligence. Similarly, to fully grasp the weaknesses of something, one needs expertise that people who do not see their own weaknesses simply lack.

For example, by application of Rash analysis (http://en.wikipedia.org/wiki/Rasch_model) one can quite simply demonstrate the inherent weaknesses of the kata judging system. This discussion does not happen since the people in the charge will not ever even have heard of Rash analysis. The develop the kind of hyperbolic thinking that questions one's way of working is simply not the way most people in leading positions in judo work.

The way decision-making in judo goes is through politics. A random number of people gets in charge, grandfathers in a number of friends, forms a committee, draws up rules, establishes exames and qualfications which people have to obtain even though the ones who drew up the rules often never passed or would be able to pass the exams themselves. There is no external validation, which implies that to get to a certain position it does not matter that one is good or bad, but that one affirms what those in charge wants to hear.

This is the case at the committee-level, but also at the level of the participant. If the kata competitor refuses to achere on that what is imposed, even if he is totally correct, he will be considered poor. In this way, kind of inbreeding is created, and this has always been the way judo functions and why judo stagnates and does not advance. Judo rots itself out from the inside.

There are many problems which are fundamental and which can easily be evidenced, and which have nothing to do with the individual who engage in kata contests. A good example of this is that nothing in what Kanô intended or wrote about kata is about "demonstration". Kata was not created to "demonstrate" and even less to demonstrate for a number of people stting behind table who would then have to "evaluate". This in fact, quite absurd. However, this is again not a criticism of people who compete but about the absurdity of developments we see in judo. As a kata competitor one should not become defensive or over sensitive since similar criticism apply to much we have in judo. For example, the situation that much of the judo techniques such as kata-guruma, te-guruma, kuchiki-daoshi, kibisu-gaeshi, now lead to disqualification is absurd. Much of the development of shiai rules the last decades is entirely absurd.

What happens in judo shiai is in essence not very different from what happens in kata. In both we have seen an ongoing sportification that moves judo farther and farther from the intentions of Kanô.

Nevertheless, when established the 4 pilars of judo education: randori, kata, kôgi and mondô, that was not kata in the way most people today might totally erroneously think it is. This had nothing to do whatsoever with "demonstrating". Historically, "demonstrations" of judo did not occur unless for publicity or celebratory purposes and took place for the first time at the opening of the new Shimotomisaka dôjô. At that point what is "demonstrated" is not kata, but also ukemi and randori. In other words, nothing of what was done in such cases was how these normally were done. Demonstration of randori, kata, and ukemi was something reserved for special occasions.

When Kanô then established the Kagami Biraki by way of yearly celebrations these events would each time too contain "demonstrations", i.e. demonstration of ukemi, demonstration of raondori, and demonstration of kata.

Clearly the intention of learning ukemi is not to demonstrate ukemi but is to be able to safely breakfall. Similarly, the intent of kata was not at all "demonstrations".

In the West though as with much in judo, parts were entirely misrepresented. Judo really becamse popular through its use of 'tricks' that could be used during public catch-as-catch can contests against professional boxers or wrestlers. All the rest of judo, or in fact that what judo really was, namely a pedagogy with as initial principles maximal efficiency and improving the fate of thers, and ultimately with as goal to expand one's own intellectual development has never been how judo was received in the West.

The teachers who initially taught judo in the West by did not have the proper education to further Kanô's thoughts. Most Japanese who ended up in Europe simply were Japanes with some basic practical judo skills that obviously far exceeded that of Westerners, but they were not part of the narrow circle of pedagogues that surrounded Kanô in Japan, such as for example Murakami, Sakuraba, etc. Several of the people who became leading figures in judo in Europe, such as for example, Koizumi did not even have any judo education, and just like Tani were simply promoted to 2nd dan by Kanô for marketing purposes and without having had at that poing any judo education.

It is not surprise that when kata became imported here, that it was wrongly imported, firstly as part of public demonstrations, and later as part of the first black belt exams, which means that kata just like the other materials in an exam had to be "demonstrated".

Unfortunately, kata unlike randori has never been able to detach itself from this misconception, and that misconception remains fundamental to the most significant crticisms of the concept of kata competition, where especially in the event of the "Judo Show" the problem takes an absurd form.

Again this is not a surprise. What was the origin of the Judo Show ? it was a personal idea of *.* (rules of this forum prohibit writing about individuals) who had the necessary judo political power as Secretary General of the *** (rules of thi sforum prohibit posts critizing organizations), though he had zero knowledge about the the cultural-historical basis of kata. In fact today this is also the case in most of the people who instruct the material at the Kôdôkan. Only a handful of very elderly sensei still have knowledge beyond the mechanical.

The development of kata contests is further built on many historical fabrications. I did not say that those who supported the development of kata contests deliberatly made those historical fabrications; rather they did not realize thme.

One such historical fabrication is the issue of supposed "kata standardization". From this historical fabrication follows the concept that everything that is done in another way would be a 'variation' or 'mistake' an erroneous reasoning which in essence forms the basis of the scoring system. After all, without defining 'mistakes' the entire scoring system falls.

Yet, it is nothing but a historica fabrication. The supposed issue of "standardization" is something completely different from what is purported today at the Kodokan and by many who benefit from these views, i.e. by in this way possessing unique knowledge which others do not have and therefore have to learn from the idnvidual who has it, who in this way is put in a dominating position.

What really happend was that in the early 1960s a number of Japanese sensei in katame-no-kata no longer taught ashi-garami. The technique had been outlawed on competition, and the injuries resulting from knee bars were so serious that they would disable something for life sometimes with losing their jobs. In other words, the effects in those days with far less advanced medical procedures was catastrophic. Some sensei in return had replaced ashi-garami by another technique. At that point Mifune called for a meeting that needed to "standardize" kata. All it was, was that the meeting concluded that the form as established by Kanô could not be changed by replacing a technique or by refusing to do that technique. It was NEVER what is explained today that one would have copy or replicate something that would be in a video or booklet. Besides, the most recent booklets have also chosen to generally contain only one way, while some earlier versons explained diferent forms. This too does not mean at all that you cannot do those alternative ways.

We do see, as is often the case in many things, that people become the victim of being poorly or insufficiently informed.

Another influence we see in kata contests is the following. Clearly one wants to win. This leads to winning performances being carefully studied, and people sometimes adapting things they have seen in a winning performance, in this way again creating something entirely new that soe now erroneously consider as standard.

This happened when the Kôdôkan organized its first international tournament in 2007. We saw in nage-no-kata that each time after the second step, there was a pause. Suddenly, numerous people when they did nage-no-kata started including a pause before the throw.

Something similar. Every so many years, those who are responsible or teach a certain kata during the Kôdôkan International Summer Kata Course are replaced. When that happens, the new person has particularlities and also failures. At one year, perhaps 2007, a well-known 10th dan was replaced by a certain 8th dan. This saw all kinds of strange things in nage-no-kata, not because nage-no-kata was "changed" but for no other reasons than that the distinguished gentleman's judo had several flaws and he struggled with a number of things in nage-no-kata. I was there, i know and notice when someone has difficulties. The same gentleman however was at the basis of the formation of the original IJF Kata Committee and the start within the IJF of Kata competitions. I do not write this to blame a particular individual, but to illustrate how sometimes some very serious flaws and nonsense especially for those who are not so well informed become a "standard". When the rules then start to specify that if one does not do this but does that then this will be considered a small, or medium or grave 'mistake', then the situation becomes entirely absurd.

In other words, the number of problems of kata practice in judo are massive. Rather than being reduced by the phenomenon of kata contest, they are polarized to extremes. I do not tink that this has anything to do with sympathy or antpathy towards any particular individual who competes in kata. HOwever, there are consequences, because the person who competes might do much more than simply compete; he might teach, he might participate in forums. At that point the equation becomes very different. At that point the person can no longer hide behind ... '"having to adapt to what the rules say in compeition in order to maximize his chances to win and score well". At that point he is starting to conflate his role as judo pedagogue (which one can reasonably assume to conform to what the pedagogy of judo actually is) and his role as a competitor in something that is essentially sportified judo with its system of rules. And yes, the IJF kata competion regulation essentially have little or nothing to do with how kata shoud be properly done; essentially they are nothing else than the IJF Refereeing Rules for contests, i.e. a set of regulations for a sporting contest to guide fairplay and a scoring system. As long as the kata competitor and the others are acutely aware of these two very distinct issues, there is no problem. However, the problems begin, and the word 'begin' is an understatement since they have already considerable developed the sporting contest rules of kata unfortunately are conflated with the essence, contents and identity of kata in judo as intended by Kanô.

Besides, ironically, during the European Judo Championships in Montpellier France in 2014 at the symposium, the Chair of the IJF and EJU Kata Commission told the audience that Kata Competition was a big faillure that did not realize its goals and was a disappointment that did not work.

I think this is important as this did not come from some anonymous poster on a forum who might in the eyes of many experts here be nothing but an incompetent, jealous idiot, not it came from the actual chair.

Although Kanô does say at some point that 3 kata also have an important aesthetic component, if one would see in that statement a justification for occasional "demonstration" of these kata rather than practice, the idea of simultaneously practicing three or four kata on an equal number of tatami during an IJF kata contest, is as exciting as going to a concert where 4 orchestras simulatanously play, one doing Beethoven's 5t symphony, one a Chopin piano concerto, another Barber's adagio for strings, and the fourth one Janacek's Sinfonietta. It's a complete cacaphony that destroys any true aesthetic joy, especially if one then also superimposes that event by someone continuously announcing messages over a speaker, and uninterested people continuously walking around. For this reason anyone seriously considering to use the claim of aesthetic satisfaction as a potential justification for kata contests in the Spirt of Kanô is making a joke of himself.

These are some of the massive problems, problems that are more numerous than any advantage. Those advantages exist and are or can indeed be as tutor points them out. Indeed it is possible for a someone competing in kata to benefit from the motivation, from the training, etc. Those advantages could, can exist without the medium of kata competition existing though.

The issue of kata competition is not merely a material one. People are involved. No matter how one tosses or turns it, there are people who give some meaning to their life only because they have kata competition. Some never were good enough to develop a career in shiai. Some get a sense of selfworth out of kata competition, especially if they are able to win a medal now and then.

There is a market for such people, and the marketing aspect is an important one. Towards the end ofthe 1990s participating in the international Kodokan Kata Seminar were at an absolute minimal, and for many the Kôdôkan had little meaning left. I had been living and training jûdô in japan for quite some time before I ever bothered to visit the Kôdôkan for the first time. If one really wanted to learn excellent jûdô one did not go to the Kôdôkan which stood symbol for unrealistic couch-like judo. Kata competition has a been a cash cow forthe Kodokan. Towards the first IJD World Championships Kata, you could seen the number of participants in the International Summer Kata Seminar exponentially increase. Suddenly, Kôdôkan instructors with little or no qualifications except for being at the Kôdôkna were able to travel the world for "expert seminars" to desperate countries hoping to score some medals.

At that point the Kôdôkan and IJF obviously had enough to motivate themselves to continue what they had started and applied the Microsoft approach, which the Kôdôkan had already effectively implemented in the 1970s. Like you regularly make a software program obsolete, you create 'changes' to kata, and in this way you force everyone desperate enough to wanting to win a medal to submit to you and to attend your courses or invite your experts and pay whatever money to you. Kôdôkan instructors suddenly popped up in gondola's for tours of historic Venice, and similarly Italy suddenly started scoring very high in championships ...

Yes, it's the basic mechanism of offer and demand.

Whether a thorough explanation of the scoring system as purported by the IJF changes much about most of the very fundamental indictors which I touched upon, I doubt. Blanket statements of people are always dangerous. Personally I think that most of the kata demo's at contests are horrendous, but that too is not a criticism of the concept of kata contests, since most kata I see done by others who do not compete are horrendous too. It is very well possible that many strive towards improving their techniques rather than just win. However, given how piss poor much of that technique still looks, one wonders how poor it was before. You only have to look at the very first technique of nage-no-kata in the respective Kôdôkan kata booklet or video to know that the person has never and will never be able to throw anyone with uki-otoshi in randori or shiai, because he simply does not master the technique, period. Sure, one needs a certain level of proficiency to see that. It is usually not a good indicator to make a point that an activity imroves ones technical abilities when the experts teaching show gross technical indeficiencies. At issue is the totally miscomprehension of kata that exists among most judoka resulting in their approach to it and practice of it, irrespective of whether they do it for dan rank promotion, competition or whatever. Then again, much of judo shiai today is horrendous with serious technical shortcomings and the participants instead relying on their superb athletic ability, endurance, force and power.

If one really wants a conclusion that identifies the guilty ones, then the extreme sportification of judo is at the core, and how human nature interacts and tries to get personal advantages out interacting with that concept.
HBt.
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Kata-Meisterschaften (Demonstrationen, etc.pp.)

Beitrag von HBt. »

Vielen herzlichen Dank 'CK'.

Du bist in der Lage (wie kein Zweiter) die gegenwärtige Situation (die Entwicklungen - Absurditäten und Perversionen) auf den Punkt zu bringen,
messerscharf zu formulieren und dabei immer sachlich (korrekt) zu bleiben.

Ich hoffe,
wir werden uns (die Forumsmitglieder) nach und nach bemühen und einige Deiner Aussagen in unsere Muttersprache übersetzen, damit hier
jeder lesen und hoffentlich verstehen kann, was Du schreibst.

Noch einmal, mein aufrichtes Dankeschön.

Gruß,
HBt.
tutor!
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Re: Bewertungssystem bei Kata-Meisterschaften

Beitrag von tutor! »

Nun hat dies alles - das meiste würde ich sofort unterschreiben - jedoch weder etwas mit den Grundgedanken des Bewertungssystems (an Details muss natürlich weiter gearbeitet werden), noch mit dem Training und der Trainingseinstellung der (erfolgreichen) Aktiven zu tun, sondern mit ganz anderen Dingen.

CK beschreibt sehr anschaulich, plastisch und auch aus meinen Erfahrungen nachvollziehbar, wie und warum Kata keine bessere Entwicklung nehmen konnte. Allerdings betrachte ich die Jahre um 2004/05 als Wendepunkte, wenngleich nicht sofort alles fachlich in die richtige Richtung gelaufen ist. In den 1960er und 1970er Jahren vollzog sich eine Entwicklung, die Kata immer mehr als einen weniger relevanten, nur noch aus der "Tradition" (ein ganz gefährlicher Begriff) begründbaren Seitenarm des Judo betrachtet hat. Zuvor waren es auch nur sehr wenige Lehrer, die ein etwas gehobenes Verständnis von Kata und ihrem Stellenwert im Judo hatten.

Im Jahr 2004 gab es die erste internationale Kata-Meisterschaft unter der Patronage der EJU. Die mittlerweile nicht mehr existierende "Masterathlete-Association", die bereits einige Jahre zuvor Master- und Kata-Meisterschaften organisiert hatte, versuchte einen europäischen Ableger zu gründen und ihr Geschäftsmodell weiter auszubauen. Ich war bei diesen Meisterschaften zugegen, sprang als Wertungsrichter für Kata ein und konnte mir so ein Bild von den Kata-Kenntnissen der anderen Wertungsrichter und dem Niveau der TN machen. Es war von wenigen Ausnahmen abgesehen im Vergleich zu heute eine ziemliche Katastrophe... Es gab also kaum qualifizierte Kata-Lehrer, deshalb auch kaum qualifizierte Wertungsrichter und natürlich entsprechend kaum gute Aktive. Dennoch wurde natürlich eine Kommission eingesetzt, die den Bereich entwickeln sollte.

Sodann nahm das Interesse an vertiefendem Kata-Studium in vielen Ländern deutlich zu, was sich z.B. auch in den TN-Zahlen des Sommerkurs Kata am Kodokan bemerkbar machte. In dieser Anfangszeit wurde natürlich mehr kopiert als kritisch hinterfragt. Die überschaubare methodisch-didaktische Qualität einiger Lehrer, die teilweise nicht wirklich guten Demonstrationen und vor allem knappe/schlechte Übersetzungen verhinderten eine schnellere Qualitätsentwicklung. Zudem interessierten sich nicht immer die sachkundigsten Judoka für Kata, sondern mitunter auch solche Leute, denen es mehr um Prestige ging und die sich in ihren Heimatverbänden profilieren wollten. Um sich in den Heimatländern zu profilieren, bedurfte es vor 10 Jahren nicht viel: Man brauchte schlicht und ergreifend nur das nötige Kleingeld, um regelmäßig nach Japan zu fliegen. Schon war man in Debatten um "richtig" oder "falsch" im Vorteil. Wenn man dies noch in einer kleinen Gruppe der eigenen Clique tat, die sich gegenseitig die Positionen bestätigen konnte, und auch noch im Heimatland aufgrund der "guten Kontakte" japanische Lehrer ins eigene Land holte, konnte man sich sicher sein, von diesen auch öffentlich gelobt zu werden.

Nichtsdestotrotz entwickelte sich der Kata-Wettkampfbereich weiter - nicht so schnell, wie sich das die meisten wünschen würden - aber es ging voran. Die Fragen, die gestellt wurden, wurden immer kritischer. Jedoch ist nicht zu erwarten, dass die Entwicklung in der Fläche in kurzer Zeit große Sprünge macht. Schließlich sind es nur wenige Tage im Jahr, in denen ein Austausch auf internationaler Ebene stattfinden kann - und die Resultate dessen müssen dann noch in die Länder kommuniziert und dort angenommen werden. Das dauert noch ein bis zwei Jahrzehnte, bis es wirklich in der Fläche angekommen ist.

Mittlerweile sind aber auch die Verantwortlichen der "ersten Stunde" in der EJU vollständig ausgetauscht. Die Kata-Kommission der EJU wird gerade neu zusammengesetzt. Hierzu gibt es ein offenes Bewerbungsverfahren.

Wichtig ist, dass es eine zwar immer noch sehr kleine, aber wachsende Basis gibt, die sich ihre Kata-Kenntnisse und Fähigkeiten nicht schönredet, sondern hart und konsequent trainiert und dabei die Funktionalität und damit die Qualität ihrer Technik immer weiter perfektioniert. Denn das ist die Basis ohne die alles andere nichts ist.

-----
PS: natürlich ist es so, dass nicht jede Kata, die bei Meisterschaften gezeigt wird, wirklich gut und vor allem verstanden ist. Ich habe aber noch sehr selten eine Kata von nicht-Kata-Wettkämpfern gesehen, die diesen Ansprüchen genügt hätte. Es verhält sich wie mit dem Verhältnis Randori/Shiai: Nicht jeder Wettkämpfer macht gutes Randori, aber kaum jemand, der keine Wettkämpfe bestreitet (oder bestritten hat) macht umgekehrt ein gutes Randori.
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Fritz
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Re: Bewertungssystem bei Kata-Meisterschaften

Beitrag von Fritz »

@CK: Vielen Dank für den umfangreichen Beitrag.

Ein Beispiel bzw. eine Erklärung, wie die Kata richtig zu verwenden bzw. zu handhaben sind, wären sicherlich sehr hilfreich -

denn leider verstehen wir in Deutschland doch mehrheitlich nur Demonstration für Prüfung u. Wettkampf darunter.
Mit freundlichem Gruß

Fritz
tutor!
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Re: Bewertungssystem bei Kata-Meisterschaften

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben:Ein Beispiel bzw. eine Erklärung, wie die Kata richtig zu verwenden bzw. zu handhaben sind, wären sicherlich sehr hilfreich -

denn leider verstehen wir in Deutschland doch mehrheitlich nur Demonstration für Prüfung u. Wettkampf darunter.
Ja leider - was aber lediglich zeigt, dass die Änderungen nur sehr langsam vonstattengehen. Noch wird Kata z.B. auf manchen Homepages als "zeremonielles Demonstrieren" definiert, was natürlich vollkommener Blödsinn ist.

Wie ist Kata also "richtig" zu verwenden bzw. zu handhaben?

1. Schritt: trainieren, trainieren, trainieren (also nicht bloß lesen, reden A**** an der Wand drücken). Kata muss praktiziert werden, sonst ist sie wertlos. Gütekriterien der Ausführung habe ich oben bereits aufgezählt.
- korrekte Distanz für Angriff und Verteidigung
- ausreichendes und vor allem durch Tori erarbeitetes Kuzushi
- Übernahme des gegnerischen Angriffs in die eigene Aktion
- Timing: keiner der beiden darf zu früh oder zu spät reagieren
- Körperhaltung: die Aktionen müssen mit einer Körperhaltung ausgeführt werden, die kraftvolle und effektive Technik erlaubt.
- Tai-sabaki: effiziente Körperdrehungen und -bewegungen
- Kraftrichtung: Zug und Druck müssen in die effektivste Richtung gehen
- Trefferpunkte: Atemi-waza müssen ins Ziel gebracht werden und nicht daneben.
Also genau das, was Kata-Wettkämpfer zunächst trainieren müssen, um bei Meisterschaften überhaupt eine Chance auf einen Blumentopf zu haben.

2. Schritt: Prinzipien verstehen

Die einzelnen Aktionen der tradierten Kata wurden allesamt als exemplarische Umsetzung von grundlegenderen Gesetzmäßigkeiten ("Prinzipien") ausgewählt. Üben der tradierten Kata bedeutet also immer "das Allgemeine am Beispiel des Konkreten" zu studieren. Der nächste Schritt ist also die Beantwortung der Frage: "Was ist das übergeordnete Allgemeine, das in jeder einzelnen Aktion erschlossen werden soll?"

Wichtig: als Lehrender muss man diese Fragen aus dem Eff-Eff beantworten können, um dem Lernenden die Kata auf Stufe 1 zielgerichtet vermitteln zu können.

3. Schritt: Transfer und freie Anwendung

Nachdem man nun die Prinzipien verstanden und an einigen Beispielen mit hoher Qualität in die Praxis umsetzen kann, muss man sich daran machen, die Prinzipien auf immer neue Situationen anzuwenden, um entsprechende Lösungen zu finden.

Aus didaktischer Sicht geht es um den Prozess vom Üben in geschlossenen Situationen zur Bewältigung von offenen Situationen.

Wichtig: Die Qualität der eigenen Ausführung bleibt letztlich begrenzt, wenn man sich nicht gleichzeitig auch um Prinzipienverständnis, Transfer und freie Anwendung kümmert. Letztlich ist eine Situation nie zu 100% reproduziertbar (enthält also immer etwas Einmaliges), weshalb jedes Kata-Training (auf hohem Niveau) immer auch situatives Anwendungstraining sein muss. Wer also bei Kata-Meisterschaften ganz vorne mitspielen will, muss sich vor allem auch mit dem dritten Schritt befassen.
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Das Bewertungssystem & Strategie und Maxime

Beitrag von HBt. »

Lieber 'tutor!',
auch hier wieder (nur) meine volle Zustimmung - nicht ganz uneingeschränkt, weil die wenigen Kritikpunkte nur marginal sind und nicht der Sache dienen.

Über Kata allgemein und spezifisch: sollten wir uns gezielt, in entsprechenden Fäden, ausmären - nicht hier.


Als Hilfestellung für alle Leser:
die vier Verfasser wissen, welche Realpersonen sich hinter den Pseudonymen der virtuellen Welt verbergen, deshalb kann ich die eine oder andere Formulierung
und Intention ganz anders verstehen ;-)


Danke für die allgemeinverständliche Form und den Beitrag, gäbe es Punkte von 1 bis 5 für die Sachdienlichkeit, würde ich 4 vergeben und einen Punkt abziehen.

Das Bewertungssystem ist klar, mehr geht nicht mehr (in diesem Einstiegsfaden).
Nebenbei bemerkt, es wäre mir lieber' ich könnte 5 Punkte vergeben - die allzu deutliche persönliche Einfärbung lässt das aber nicht zu.

Geschickt.
Möglicherweise klingt mein Beitrag etwas offtopic, doch Du hast ja schon alles gesagt, einfach alles ...

LG,
HBt.
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Ein wichtiger Hinweis von 'Fritz'

Beitrag von HBt. »

Fritz hat geschrieben: Ein Beispiel bzw. eine Erklärung, wie die Kata richtig zu verwenden bzw. zu handhaben sind, wären sicherlich sehr hilfreich -
denn leider verstehen wir in Deutschland doch mehrheitlich nur Demonstration für Prüfung u. Wettkampf darunter.
+1

Danke Fritz,
ein weiterer Punkt den ich 100% unterschreibe. Hier insbesondere, da dieser von jemandem kommen könnte, 'CK', der neutral von außen kommt,
der auch die notwendige die Sachkenntnis besitzt, der Jahrzehnte lang ... genug gelobt ;-)

Es wäre sehr wichtig und hilfreich (sachdienlich) einen Gegenpart zu 'tutor!', eine neutrale* Stimme, eine internationale Stimme, mit Renommee ...
hier begrüßen zu können.

Die doch sehr einseitige Sicht von 'tutor!', kann auch schon einmal sehr nerven - der Schulmeister kommt nämlich oft durch, eine gewisse Kampfeslust ist erkennbar/ neben der reinen Angelegenheit ---> die immer sehr gut dargelegt wird, also der persönliche Part dabei, sprich die Verärgerung ... irgendetwas stört mich manchmal.


Es ist ein offenes Geheimnis, und deshalb kann man alleine zum besseren Verständnis es ruhig aussprechen:
'tutor!' schreibt hier auch als ein höchstgraduierter Judoka, ein großartiger Sportler (wenn ich Breitensportler schreibe, trifft es den Kern ebensowenig, als wenn ich Leistungssportler schreiben würde - ein Dilemma!), Wettkämpfer, internationaler Titelträger, Wertungsrichter, Prüfer (... vielleicht sogar Trainer, Betreuer ... aber auf jeden Fall auch Referent) und Lehrer, sogar verantwortlich für die zukünftigen deutschen Pädagogen - und ihre Fortbildungen.

Ich bin dankbar für die Qualität ... also bitte nichts falsch verstehen, wir alle hier ('fritz', 'tutor', 'Jupp', 'Asterix', 'Shorn', 'Der Müller', ...) lieben Judo.

Hoffentlich dient dieser Abschwiff dem besseren LESEVERSTÄNDNIS der Beiträge. Es ist einfach nicht hilfreich, wenn persönliches Ärgernis und versteckte Seitenhiebe offensichtlich sind, auch nicht, wenn sie sachlich verpackt sind und erklärt werden - nüchtern wirken sollen.

Man kann auch ohne KATA-Bewertungskriterien (siehe oben) ein glücklicher Judoka sein
und einfach alles richtig machen - vollständig.

Mit Kata.

Ob man jemals ohne die Schiene "Katameisterschaft" (gezieltes Üben, Betreuung, einen Trainer, ein Team ...), so wie oben beschrieben - kann ich gar nicht richtig beurteilen, dazu kann ich gar nichts sagen: denn ich bin ja durch die gleiche Schule gegangen.
Wenn ich mich heute ohne "den Zirkus" mit Kata beschäftigen kann (theoretisch und praktisch!) - dann kann ich das möglicherweise gerade deshalb,
weil ich ... und deshalb muss ich 'tutors!' Aussagen unterstreichen.

Ohne Shiai, hätte ich vielleicht niemals ...

ABER!
Wer von 'uns Knallern', kann abschließend mit tödlicher Gewissheit diesen Standpunkt wirklich vertreten(?), wo ist der Vergleich ... das vergleichende Normal?

Wir können es nicht wissen(?).

Apodiktische Behauptungen sind deplatziert - und, kein Gesetz.

HBt.

PS
Ich freue mich sehr über 'CK's Beiträge hier in diesem Forum.

*neutral, ist ja leider auch nicht wirklich möglich
Zuletzt geändert von HBt. am 16.04.2017, 12:24, insgesamt 5-mal geändert.
tutor!
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Re: Bewertungssystem bei Kata-Meisterschaften

Beitrag von tutor! »

Weil Kaffee und Kuchen noch nicht fertig sind, möchte ich gerne noch - passend zum Faden - die Grenzen des Bewertungssystems aufzeigen, weil es doch einige Dinge gibt, die nicht anhand einer Demonstration diagnostiziert werden können. Ich möchte drei Beispiele aufführen und einen vierten Bereich ergänzen:

1.) Nicht bewertbar, weil nicht von einem unabhängigen Beobachter erkennbar, ist der Prozess, der zu einer bestimmten Qualität der Ausführung geführt hat. Bewertbar ist nur ein aktueller Leistungsstand. Da jede Übungsform immer auch einen Prozesscharakter hat, entzieht sich dieser Teil aber automatisch einer Beurteilung in einer Wettbewerbssituation.

2.) Des Weiteren ist die theoretische Durchdringung, also das Verständnis der Aktionen, nur indirekt über die Ausführung beurteilbar. Da es ein Ziel des Kata-Trainings ist, Judo in seinen vielfältigen Zusammenhängen besser zu verstehen, kann auch diese Zielsetzung von Kata nur sehr unvollkommen bewertet werden.

3.) Psycho-physiche Prozesse, wie Aufmerksamkeit, Nicht-denken, Gelassenheit usw. (ich vermeide hier absichtlich die japanischen Begriffe), lassen sich ebenfalls kaum beobachten und daher kaum bewerten.

4.) Das subjektive ästhetische Empfinden bei/in der Bewegung lässt sich nun überhaupt nicht bewerten. Es ist nun einmal subjektiv und lässt sich nicht objektiv erfassen.

Jetzt kommt aber das große ABER, denn...

... diese Punkte setzen jeweils auf dem praktischen Können auf, dass es zunächst zu entwickeln gilt.
  • Zu 1:) Ohne Entwicklung von praktischem Können ist der Prozess gescheitert,
  • zu 2.) ohne praktisches Können ist die Theorie nicht erfahrungsbasiert, sondern als Theorie im luftleeren Raum,
  • zu 3.) ohne automatisierte Praxis kann es keine innere Ruhe und Gelassenheit bei der Ausführung von Bewegungen geben und
  • zu 4.) nur in der Harmonie zwischen Bewegung und Psyche - man könnte auch sagen zwischen innerer und äußerer Haltung - stellt sich die spezifische Ästhetik des Judo ein.
Man kann eine gute Praxis natürlich auch trainieren ohne sich auf formale Demonstrationen - sei es Prüfung oder Meisterschaft - vorzubereiten. In der Konsequenz, wie dies Kata-Wettkämpder tun - habe ich das aber von ganz wenigen Ausnahmen noch nirgendwo erlebt.
HBt. hat geschrieben:Man kann auch ohne KATA-Bewertungskriterien (siehe oben) ein glücklicher Judoka sein
und einfach alles richtig machen - vollständig.

Mit Kata. Ob man jemals ohne der Schiene Katameisterschaft (gezieltes Üben, Betreuung, einen Trainer, ein Team), so wie oben beschrieben, kann ich gar nicht richtig beurteilen
Man kann sicherlich beides - ich trainiere nebenbei bemerkt ja auch verschiedene Kata, die ich nie öffentlich demonstrieren würde/werde.

Mir geht es in diesem Faden um etwas völlig anderes: nämlich das vielfach erzeugte Bild zu korrigieren, dass Leute, die an Kata-Wettbewerben teilnehmen fehlgeleitete Lemminge seien, die Judo auf dem Weg in die vollkommene Perversion folgen.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
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fünf Punkte ;-)

Beitrag von HBt. »

:D

so ist es. Exakt.
HBt.
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Re: Bewertungssystem bei Kata-Meisterschaften

Beitrag von HBt. »

tutor! hat geschrieben:(...)
Mir geht es in diesem Faden um etwas völlig anderes: nämlich das vielfach erzeugte Bild zu korrigieren, dass Leute, die an Kata-Wettbewerben teilnehmen fehlgeleitete Lemminge seien, die Judo auf dem Weg in die vollkommene Perversion folgen.
Ja,
ich weiß das - ein Punkt, der mir ebenfalls auf den Geist geht.
tutor!
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Re: fünf Punkte ;-)

Beitrag von tutor! »

HBt. hat geschrieben::D

so ist es. Exakt.
Ganz so einseitig ist meine Sichtweise nun doch nicht - ich sehe nur keinen grundsätzlich Widerspruch, wenngleich ich natürlich auch Fehlentwicklungen sehe und zu korrigieren versuche. Das ist mühsam und ein Zweifronten-Kampf, der im Übrigen nur begrenzt Sympathien und Zustimmung einbringt. Aber das ist ein anderes Thema.
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Die Lemminge

Beitrag von HBt. »

(...)
Ganz so einseitig ist meine Sichtweise nun doch nicht - ich sehe nur keinen grundsätzlich Widerspruch, wenngleich ich natürlich auch Fehlentwicklungen sehe und zu korrigieren versuche.

Kein grundsätzlicher Widerspruch, mein Reden!

Hierzu fällt mir das früher oft zu hörende Totschlagargument "der toten Formen" wieder ein, quasi das unausgesprochene Möchtegernverbot sich mit einer Kata auseinanderzusetzen - weil die Koryu ja nicht mehr lebendig ist.

Entweder haben Vertreter dieser Art gar keine Ahnung oder sie werfen Nebelbomben, um ihre eigenen Interessen zu verschleiern - viele Adepten plappern einfach nur nach ohne den korrekten Term "tote Form" im Kontext des
Transfers richtig zu erläutern ... man verschleiert durch die allseits bekannten japanischen Begriffe (mit denen Ottonormalverbraucher nichts, absolut nichts anfangen kann) ... dabei ist die Kritik berechtigt und sogar richtig,
wenn man kopflos tanzt, die Schablone, den Reminder, einfach "nur" nachahmt.

Doch dieses ist durchaus gewollt und findet sich in der (gerne benutzten) Vernebelung "shu ha ri" wieder, da wir nicht mit irgendwelchen Phrasen angeben wollen - bitte gleich wieder vergessen, und im Hinterkopf behalten: es passiert etwas, gerade wenn man die Prinzipien zur Anwendung bringen kann - doch man muss die erste Stufe nehmen. Wie soll man sie methodisch nehmen (?), eine rhetorische Frage.

Die Mechanik (siehe ganz, ganz oben in diesem Faden)! Die angesprochene Optimierung, Perfektionierung der FUNKTION ist strukturbildend und damit ein essentieller Teil der Methodik.

#
Sportler oder ganz einfach Judoka, die sich für den Wettkampf (!) entschieden haben (temporär) ---> und nicht einfach nur tanzen / nachahmen (erste Stufe oder sich annähern), müssen nicht widersprüchlich handeln. Der Wettbewerb kann uns allen helfen.
(...)
nebenbei bemerkt ja auch verschiedene Kata, die ich nie öffentlich demonstrieren würde/werde.
Sehr, sehr richtig.

Mir geht das ganz ähnlich. Mittlerweile fällt es mir schwer, einer Bitte aus dem Podium nachzukommen, "einen gesamten Zusammenhang / sagen wir die Choreografie dazu, denn diese wollen die Interessenten oder Schüler", gerne sehen ---> um nachvollziehen zu können ... doch sie können nicht.

Mir ist also anfänglich immer etwas mulmig zumute und ich muss mir sagen: ja, ok, richtig ... einverstanden. Aber ich weiß ja was ich übe, auch warum ... sehen kann man einige Aspekte, aber Anfänger können diese Ebene(n) unmöglich erfassen ...

ICH MUSS REDUZIEREN und mich extrem zurücknehmen und hoffentlich erfolgreich einen Standard aufgreifen / innerhalb des Rahmens.

Alles ist letztendlich eine Frage des Zugangs - und damit der Methodik (und der Schüler - meines Publikums), es muss passen. Auch in den Lehrplan. Wer sich jetzt fragt, auf welchen Kontext sich meine Gedanken beziehen, sie nehmen Bezug auf die Strukturbildung über den Lernträger FORM - speziell Chinesische.

#
Meine persönlichen Erfahrungen lassen mich Abstand nehmen, sagen wir: einfach Nage no kata zu demonstrieren, ich will es einfach nicht - und doch hilft es mir und ich ertappe mich bei dem Impuls es doch zu tun. Nehmen wir eine Einzelkata (einen Rahmen), aus der Ju no kata ---> mir geht es nicht mehr um die Schablone (und den Standard darin), mir geht es u.a. um die ORGANISATION.

Verständlich? Nein - kein Widerspruch ;)

HBt.

Noch ein Nachtrag:
Betrachte ich eine Videoaufzeichnung' einer als sehr gut bewerteten Kata, siehe wieder ganz oben im Eingangspost von 'tutor!', kann ich 'MIST ausrufen' ... doch wirklich beurteilen kann ich es nicht. Ich kenne die Judoka nicht, ich trainiere nicht mit ihnen (live dabei schon gar nicht, eine Fotostrecke, ein Film, bildet nicht die Wirklichkeit ab) . Welche Skills vorhanden sind, kann ich nur im direkten Miteinander erfahren - im Austausch. Man muss sehr, sehr genau hinsehen. Doch wer bin ich, dass ich mir ein Urteil erlaube (?). Einzig und alleine ist mein Fokus ein anderer. Mir missfällt vielleicht: fehlende Dynamik oder die Darstellung des Standards innerhalb des Rahmens, vergleichend mit eben meinem Wunsch / ich würde gerne (wieder)erkennen, womit ich mich selbst beschäftige, was mir wichtig erscheint ...

Welch ein Unfug :smoke :eusa_think etwas Abstraktes beschreiben zu wollen.

Ich hoffe, Begriffe wie Rahmen, Schablone und Standard in diesem Post immer richtig bzgl. meiner Gedanken benutzt zu haben.
HBt.
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Die Lemminge, Teil II

Beitrag von HBt. »

Ich möchte versuchen mein Kauderwelsch des letzten Post verständlich zu komprimieren, dazu zitiere ich Herrn Kernspecht:

"(...) dem Anfänger dürstet nach klaren, eindeutigen Anweisungen. Er hat das Verlangen, genaue Vorschriften zu bekommen, wie er zu stehen und wie seine jeweilige im voraus zu planende Bewegung
im Detail auszusehen hat. Ihm dieses zu verweigern ( selbst mit guten Gründen) würde ihn zutiefst verunsichern (...) "



Bem.:
Kernspecht ist der Kopf eines großen Unternehmens (EWTO), ich habe nichts mit dieser Organisation zu tun, einzig und alleine fiel mir das obige Zitat in die Hände. Ich möchte daran erinnern, das Kata ein Tool darstellt, u.a. in der Anfängerausbildung - aber keinen Streit vom Zaune brechen.
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Re: Bewertungssystem bei Kata-Meisterschaften

Beitrag von Max »

Cichorei Kano hat geschrieben:
15.04.2017, 09:30
...
hervorragender Einblick, Daumen hoch. Schade dass der Beitrag nur sehr oberflächlich zur Kenntnis genommen wurde.
HBt.
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Re: Bewertungssystem bei Kata-Meisterschaften

Beitrag von HBt. »

^
@Max,
das ist ja eine krasse Unterstellung von Dir ;-) ... was können wir tun? Jeweils die einzelnen Punkte übersetzen und in Extradiskussionsfäden erörtern (?). Dieser Faden soll über das Bewertungssystem
informieren - und das tut er.
tutor!
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Re: Bewertungssystem bei Kata-Meisterschaften

Beitrag von tutor! »

Auf Youtube ist ein dreiteiliger Mitschnitt eines Seminars für Kata-Wertungsrichter:



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Re: Bewertungssystem bei Kata-Meisterschaften

Beitrag von Cichorei Kano »

The situation of Kata-Meisterschaften is increasingly resembling the situation of ordinary IJF shiai.
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Re: Bewertungssystem bei Kata-Meisterschaften

Beitrag von Lippe »

Nun haben wir ein wenig über das Bewertungssystem gesprochen. Jeder Wertungsrichter kann kleine (-1), mittlere (-3) oder große (-5) Fehler vergeben, dazu eine vergessene Technik feststellen (0 Punkte). In letzterem Fall wird auch die gesamte Punktzahl halbiert.
Das war auch die einzig mir bislang bewusste Situation, wie es zu halben Punkten in der Endabrechnung kommen konnte.

Und dann sehe ich die Ergebnislisten der Kata-WM 2017 auf den Seiten der IJF... Gleich der erste Eintrag beim Siegerpaar in Nage-no-kata weist 409,5 Punkte aus. Damit ist schon einmal klar, dass hier keine Technik vergessen wurde [1].

Meine Frage also: Wo kommt der halbe Punkt her?

___________________________________________________
[1] Sonst wären sie nicht Weltmeister geworden. Über 800 Punkte können doch auch gar nicht vergeben werden?
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